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Montag, 1. Februar 2021

Kötztinger Häuserchronik alte Hausnummer 19 Dampfbäckerei Pongratz 2. Teil

 Das Haus am Marktplatz in der Zeit der Familie Pongratz

Häusergeschichte ist auch Familiengeschichte.
Eine Kötztinger Bäckersfamilie im  20. Jahrhundert
 

Ich bin neben meiner Sucharbeit  in unterschiedlichsten staatlichen und kirchlichen Archiven, die mich  von München bis nach Berlin führte,  bereits in den 80er Jahren mit meinem Bildmaterial zu Familienmitgliedern gefahren und habe sie zu den Inhalten befragt. Durch diese Bildbeschreibungen ergaben sich dann ganz automatisch auch viele kleine Geschichten über die dargestellten Personen und Begebenheiten. Meist verließen diese Gespräche dann den reinen Bildinhalt, Erinnerungen tauchten wieder aus dem gedächtnis auf und so kamen dann viele Stunden an Tonbandmaterial zusammen. Dieses Material, gesprochen im Kötztinger bzw. Rodinger Dialekt, dann aufzuschreiben war dann die nächste Herausforderung.
Heute bin ich froh, dies auf mich genommen zu haben, weil inzwischen ohne Ausnahme alle Befragten verstorben sind.
Unabhängig, dass ich jetzt VIEL, VIEL mehr Fragen an dieselben Personen zu stellen hätte, sind es viele kleine Geschichten, die ich hier bei passenden Stellen einarbeiten kann und die ein wenig einen Einblick geben in das Leben in einer Bäckerei in Kötzting vor einigen Jahrzehnten.
Es geht los mit meinem Großvater.

Clemens Pongratz und Anna Meillinger




Schon im Dezember 1924 hatte die Rodinger Bäckerei Pongratz ihre Fühler nach Kötzting ausgestreckt und offensichtlich dann auch eine Verkaufsstelle gefunden.
Den "Ludwig Plötz" im oberen Markt habe ich noch nicht lokalisieren können. Er war jedenfalls kein Besitzer  eines Hauses in Kötzting, sondern kann nur ein Mieter oder Pächter gewesen sein und damit, bei der schnell wechselnden wirtschaftlichen Situation in Kötzting nach dem Ersten Weltkrieg, nur schwer zu fassen. 
Im Jahr drauf jedenfalls war es dann soweit, mein Großvater, ein Bäckermeister aus Roding und zwischenzeitlich Wirt in Neukirchen Balbini kaufte die Bäckerei und zog mit Frau und zunächst drei Kindern nach Kötzting.
Pongratz Heinrichs Blick nach Kötzting war gar nicht so außergewöhnlich, denn er selber war in Thenried geboren und sein Bruder Anton Bäckermeister in Grafenwiesen. Gressl Heiner und Gressl Done waren die Hausnamen der Brüder, da sie beide vom Gresslhof in Thenried abstammten. Der jüngste Bruder, Clemens, war - der Familiengeschichte nach - bei der Auswanderung nach den USA gestorben, weshalb Heinrich einen seiner vielen Söhne Clemens nannte.

Pfarrarchiv Rimbach Geburtseintrag des Clemens Pongratz Sohn des Georg, Halbbauern von Thenried und der Barbara Schierlitz vom 6.2.1866. Danke an Herrn Silberbauer von Rimbach für diesen Eintrag.

Der Gresslhof außerhalb Thenrieds in Richtung Zenching gelegen


Anzeige der Geschäftseröffnung für den 1.12.1925

Einschub: Was ist eigentlich eine Dampfbäckerei?

So wie heutzutage auch in Dorfbacköfen oder auf Bauernhöfen, wurde früher auch in den Bäckereien gearbeitet. Das bedeutet zuerst wurde im Backraum ein Feuer entfacht und solange geschürt, bis die notwendige Speicherhitze des Ofens erreicht war. Anschließend wurde die Glut und Asche aus dem Ofen ehrausgekehrt und sofort das Backgut "eingeschossen" und er Ofen verschlossen um die Hitze so lange wie möglich halten zu können. Der "Schiesser", also der Mann am Ofen war in der Backstube der Kommandogeber. Nach einer gewissen Weile, je nach Backgut und vor allem wenn der Ofen noch sehr heiß (=scharf) war, musste umgeschossen werden. das heißt die Laibe an den heißesten Stellen kamen umgedreht an kühlere und umgekehrt.
Dieser Vorgang musste, von vorne mit dem Feuer machen beginnend, immer wiederholt werden, wenn man kontinuierlich weiterbacken wollte. Natürlich konnte man den sich langsam abkühlenden Ofen nach dem Brot ausbacken auch möglicherweise noch für Semmeln nutzen, wenn er ausreichend gegen Abkühlung isoliert war.
Die Erfindung der Dampfbäckerei nun trennte die Backherde von der Feuerung. Nun konnte eine Ladung nach der anderen in den Herden ausgebacken werden, ohne die Asche am Backgutboden, ohne Zeitverzögerung und mit einer viel genaueren Temperatursteuerung.
Die Wärmeübertragung konnte natürlich nur durch Wasserdampf in außerordentlich dicken und damit druckdichten Eisenrohren erfolgen.
Einschub Ende

Im Falle des eigenen  Hauses bietet es sich für mich an, die Familienzusammenhänge nicht nur für weit zurückliegende Besitzer, sondern auch bis näher an die Gegenwart heran, darzustellen. Dies ist eine Art der Präsentation, die ich aus Datenschutzgründen bei anderen Familien vermeiden muss. 
Hier kann ich nun durch meine eigenen genealogischen Vorarbeiten aus dem Vollen schöpfen.

Die Familie meines Großvaters, väterlicherseits.


Mein Großvater, benannt nach seinem jüngsten Onkel, war der Sohn des Rodinger Bäckermeisters Heinrich Pongratz. Dieser hatte nicht nur eine große Bäckerei in Roding erbaut, sondern vielen seiner Kinder zu Bäckereien in der näheren und weiteren Entfernung verholfen.
13 Kinder hatte Heinrich Pongratz, die beiden Ältesten fielen im ersten Weltkrieg, so dass mein Großvater dann plötzlich der älteste der Kinder war und, laut Aussagen seiner jüngsten Schwester, auch der energischste.
Bäckereien in Straubing (der Onkel Otto), in Schwandorf (Tant`Anne heiratete Herrn Schuierer >>> der Kötztinger Berufsschullehrer und ehemalige Kötztinger Stadtrat Wolfgang Schuierer ist eines ihrer zwei Söhne), Regenstauf (Tant´ Mare heiratete Herrn Diederichs), die Stammbäckerei in Roding (Tant´ Hansl heiratete Herrn Fichtelscherer) und nun dann noch Kötzting. 
Mit dem Hausnamen "Gresslheiner" von Thenried aus gestartet und nach einem äußerst erfolgreichen Handwerkerleben, wurde er selber zum Namensgeber seines altehrwürdigen Hauses, das heutzutage als "Heinrich`n Bäck" ein Schmuckstück in Rodings Altstadt darstellt.
Heinrich´n Bäck im Jahre 2003

Aber auch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war das Haus ein Hingucker:


Dieses Haus hatte eine obere und eine untere Backstube und beschäftigte eine ansehnliche Anzahl an Bäckern und Lehrlingen.
Einschub
Ich bin in der glücklichen Lage, bereits Mitte der 80er Jahre mit der jüngsten Schwester meines Großvaters, die mit fast 100 Jahren später Rodings älteste Bürgerin gewesen war, stundenlange Tonbandinterviews geführt zu haben: Tant´Hansl, Frau Johanna Fichtelscherer, war bis ins hohe Alter eine begeisternde Erzählerin und häufige Besucherin beim Bruder in Kötzting, wo sie auch ihren Führerschein gemacht hatte.
Wenn sie von ihrer eigenen Großmutter erzählte, dann habe ich einen Blick bis Mitte des 19ten Jahrhunderts. Sie flocht viele wörtliche Aussprüche in ihre Geschichten, weshalb ich sie manchmal gerne nachlese, auch weil sie so voll von Details stecken.
Über meinen Großvater als Schüler erzählte sie: "da Clemens, dei Großvater,  der wia in de graoß Schui ganga is, also 6. 7. Schuljahr do hot der Lehrer Raub, der hot an grossn Garten dabei ghabt beim Schulhaus, der hot gsagt:"Clemens weij gej hoam, hoj mar a Kerwe 
Mist ", a so a Kerwe hot er gmoint. Is da Clemens hoam ganga, hot de zwoa  Keij eigspannt, hot a Fuhr Mist afglegt, hot eams affegforn, damit er net so lang in da Schui hot bleim braucha. Der Clemens hot einen Schönschreiblkurs mitgmacht unterm Krieg, daß er gscheid hoamschreim hot kenna."
Einschub Ende




Heinrich Pongratz in der Backstube mit einem seiner Enkel (Diedrich aus Regenstauf)

Clemens, geboren im Jahre 1890, absolvierte eine Bäckerlehre und bald daran anschließend seine Militärdienstzeit mit 1 Jahr und 11 Monaten.  
Auszug seiner Militärstammrolle für Clemens "Ponkratz", dem ledigen Bäcker aus Roding

Clemens Pongratz im Militärlazarett



Vom 22.10.1910-30.9.1911 war er beim Infanterie Leibregiment und anschließend vom 1.10.1911-21.9.1912 bei der Militär-Bäcker-Abteilung des 1. Train Bataillons
Von seinem "Wehrdienst" haben wir ein Bild der Bäckerei und den Krug, den er sich nach seinem Ausscheiden aus dem Leibregiment gönnte.
Erinnerung an die Militärbäckerei 1911-1912


Diesen Krug mit dem Spruch: "Es lebe hoch das Regiment, daß sich mit Stolz die Garde nennt" am oberen Rand und mit einem zinnernen Schmuckdeckel versehen ist eines wenigen Dinge, die bei uns an die Militärzeit meines Großvaters erinnern. 

Metallrahmen mit seinem
Brustbild als "Erinnerung an seine
Wehrdienstzeit"




























Einschub
Als ich das Bild des Kruges machen wollte und mir einen passenden Platz suchte, fiel mein Blick auf unseren großen alten Küchenschrank, den ich vor Jahrzehnten habe abschleifen lassen und der bei, uns auch aufgrund seiner schier unendlichen Lagermöglichkeit, in Ehren gehalten wird. Auf diesem Schrank, an genau der Ecke auf die ich den Krug gestellt hatte, stand laut Berichten meiner Tanten der offene Bierkrug meines Großvaters - von dem auch meine Tanten gerne tranken, bis es meinem Großvater dann doch auffiel.
Damals wurde das Bier noch offen vom Rabl oder Osl geholt. 
Tant`Hansl, von der schon die Rede war und die ich noch einige Male als Zeitzeugin benötige, sprach die Wahrheit ganz deutlich aus:  Dei  Großvatta und da Ottl,  de heitnd no net so frej sterm braucha  jeder hot a G'sundheit g'habt wira Baam,  aber jeder hot alt zuvuj drunga  15-16 halbe warn der Regel vom Clemens

Mein Vater schilderte die Situation ebenso, das Interview führten wir damals in Sinzing, an meinem Esszimmertisch, genau vor DEM Küchenschrank. ( F=meine Frage - V= mein Vater M= meine Mutter)

F: Es habst enk ja damois no as Bier im Grou vom Wirtshaus g'hoit?
V: Am Eck vo deim Küchenschrank do, do mou a sowieso no wo a Rand drin sa, do.  An dem Eck is dauernd da Massgrou gstandn.
M: Im Linoleum is a sehna Rand drin g´wen
F: Sei Maß?
V: Ja Ja sei Maß----owa do hot a jeda amoi a weng g'nippt, d'Annerl hot a so gern g'schnappselt und do hot da Opa awei, im eitzigen Kinderzimmer, des war s Schlafzimmer vom Opa; hintem Vorhang hotdara Flaschn stej g'hot mit Weihwossa und a Flaschn Schnaps und d'Annerl is awei gern vobeiganga af a Goschn voi und do hot er ihr amoi a Wossa einedo...
M: Also die Annerl hot gerne....
V: a weng g'schnappselt
V: Ja owa freijas host koi Flaschl greagt, do bist aft d'Schenk ganga umme,ne, do hot ar an Learboum ummeg'schickt, ne,und der hot eam a Mass Bier g'hoit und de is awei do g'stanna am Eck.

Auch die oben angesprochen "Annerl", meine Tante Aja hat von den Wirtshausbesuchen des Vaters berichtet:

 F: Und da Opa is jeden Tog ganga?
 A:Zum Dämmerschoppen zum Frühschoppen zum Dämmerschoppen zum Frühschoppen  und am Sonntag wenn er in'd Kirch ganga is .. dawei is er zum Frühschoppen  ganga. Und zwar war do no de Wirtschaft Röhrl also do wou iatz da Haushofer is [Zur Klosterschmiede] und de alte Postwirtin,  wenn unser Vater hoamganga  is oder heimgehen wollte, dann is Sie mit ihm raufgegangen bis halbert am Marktplatz,  daß er in koa Wirtshaus mehr einkemma hot kinna.Weils  gwußt hot,  wenn er vo ihr aussageijt,  daß er ins nächste eingeijt.

Einschub Ende



Gleich mit Kriegsbeginn wurde er am 2.5.1914 als Reservist einberufen. Beförderungen zum Unteroffizier und im Februar 1918 dann zum Sergeanten. Eingesetzt war er in Lothringen, an der Somne, vor Nancy, im Artois, bei Armentieres und in französisch Flandern.
weiterer Auszug aus seiner Militärstammrolle von "Ancestry.com"

 
Clemens Pongratz und Anna Meillinger
Elternhaus der Anna Meillinger aus Roding.
Das Bild stammt vom bekannten Rodinger Maler Diss
und hing in meiner ganzen Kindheit im Wohn/Ess/Arbeitszimmer meiner Eltern.







Hier mit Gitarre, der Fingerhaltung nach;
konnte sie es.
Anna Meillinger an der Zither












Schon im nächsten Jahr heiratete er eine junge Rodingerin, Anna Meillinger, und im Jahr drauf brachte die junge Mutter Zwillinge zur Welt. Heinrich und Annerl. Über Heinrich, habe ich vor zwei Jahren einen längeren Bericht geschrieben über einen Kötztinger, der gerne Pfingstbräutigam geworden wäre. Heinrich ist im Oktober 1944 im 2. Weltkrieg gefallen.
Anna Meillinger war eine musikalisch gebildete und interessierte Frau, die ihr Können und ihre Vorliebe zur Musik auch zeitlebens ausüben konnte. 
Interview mit Tante Aja (=)Annerl):  ... und unser Vater,  des war ein guter Vater,  aber ganga is er grod gnua  und wenn er dann hoamkemma is,  d'Mamma hot fest Klavier g'spuilt und mir  hamma g'sunga mir drei. Mir hamma na gsunga,  daß d'Leit draußt san  steijblim sna, wenns uns ghört ham. Da Wolf zum Beispiel von der Krankenkasse  hot des oft erzejt, wenn er vobeiganga is und mir hamma so gsunga,  des hot erm  a so gvoin,  dass er stehbliem is. 

Von der jungen Anna Meillinger und der Hochzeit der beiden erzählte Tant´Hansl äußerst beeindruckt:

Sie is beim Dr. Bernbeck g'wen,  des war  a  Forstassessor,  des war a Akademiker,  net, der na Forstmeister worn is,  und sie is nand mit erm nach Neustadt an der Aisch affekemma und später hot ein  Baron von Uxcol(?) ein Russe,  hat die Burgruine Peilstein kauft,  und nand is do Hausdame g´wen .Do war a Diener do, der hot blos Russisch kinnt und der hot nand awei d'Anne zum Tanzen einag´holt,  du der,  do bin i selber schon beim  Tanzen gwen, und do war sie mit dem Diener do. Und von do weg hot's na g'heirat.
 F: G'heirat hams ja moin i in Neukircha Balbini erntn?
 A: Ja, ja und zwar sando, do mir mit'm Zug af'd Station fiereg'forn, nacha  hot uns a Heiwong mit so Baama umegforn.
 F: Und wos war der für a Houzat damols?
 A: A grouße Bauernhouzat,  d`Anne bildschön, sie is ja groß und stattlich  gwen,  elegant o'zong, do war d'Frau Müller do,  an Hiasl sei Schwiegermuatta  de war a 100 %ige Kechin,  noja des war 1920 war des und 1925 bin i vo St. Moritz kemma und bin no im Auto gsessen,  weil do war ein Taxi und do hot  newam Führersitz blos oana sitzen kinna und i bin affm Boden af am  Schammerl g'sessen. Samma no im Auto gsessen,  is da Vater scho hikemma ans  Auto und hot g'sagt:"Eitz hamma des kafft in Ketzting, an Stemmer!"  Und nachand ham d'Kötztinger gsagt,   "andere Leit bsinnen sich länger mit an Poor Schou,  als wei  d'Pongratz beim Hauskaffa".  I glaub 36000 hots kost.


Das junge Paar hatte zuerst ein Wirtshaus in Neukirchen Balbini auf Schulden gekauft, zusammen mit einem großen Stück Wald. Von dieser Wirtschaft habe ich nur ein Bild kurz vor dem Abriss, nur die Bierkrüge mit dem Emblem KP haben sich erhalten.







Gasthausruine in Neukirchen Balbini

Heinerl, der erste Sohn, noch in Neukirchen geboren, war der Liebling seines Großvaters und auch mehr und öfter in der warmen Bäckerei in Roding bei seinem Opa zu finden als in der unwirtlichen Wirtsstube in Neukirchen Balbini.
Tant`Hansl hat mir auch berichtet, weshalb:  "Do konn ma ned afdrahn!. Im Wirtshaus gab´s eben noch kein elektrisches Licht. Tante Hansl berichtete auch, dass das junge Ehepaar nachts vor lauter Schulden nicht mehr schlafen konnte. "Dann is´s d´Währung kumma (1923, die Hyperinflation) do sands übernacht schuldenfrei g´wesen, nand hamms nimma schloffa kinna weil´s er´s a net einepaßt hot in Kopf, weil´ses gor net kapiert hamm"
Diese "Schuldenfreiheit" durch die inflationsbedingte Wertsteigerung des Hauses und des Waldes hat es meinen Großeltern erst ermöglicht, den Sprung nach Kötzting zu wagen.
1925 also verkaufte mein Opa das Neukirchener Wirtshaus und übernahm von den Eheleuten Stemmer die Bäckerei am Marktplatz in Kötzting, (Jahre später auch noch das daneben liegende Gebäude des Sattlers Rebstöck). In Kötzting konnte er teilweise auch auf den bereits von seinem Vater, von Roding bis in unseren Bereich herein, aufgebauten Wiederverkaufs-Kundenkreis zählen. Hier wurde nun auch 1927 mein Vater Clemens (der zweite) geboren. Soviel zur Einordnung der Familie Pongratz.
Die beiden Mädels wurden aufs Gymnasium und Internat nach Landshut geschickt während Heinrich als Betriebsnachfolger aufgebaut wurde. Da mein Vater, der Bubi, sich für alles interessierte, was sich rührte und im Zweifelsfall auch Federn hatte, war vorgesehen, dass mein Großvater sich um einen Bauernhof für ihn schauen würde und hatte dafür auch bereits Kapital angesammelt. So wie ich die handwerklichen Fähigkeiten meines Vaters in Erinnerung habe, wäre das ein lustiger Bauernhof geworden......
Hier das Bild der Bäckerei, kurz nach der Neueröffnung und mit den neu gepflanzten Kastanien.
Im Brandbericht von 1899 war ja die Rede davon, dass die Lebensrettung der Magd erschwert war durch den nahe beim Hause stehenden Kastanienbaum. Dieser ist wohl dem Brand oder dem Neubau zum Opfer gefallen, denn bei der Postkarte des Wirtshauses Drexl um 1910, ist nicht einmal ein Rest eines Baumes zu erkennen. Nun also die Neuanpflanzung mit Kastanienbäumen am Marktplatz. Zwei von diesen Exemplaren stehen ja heute noch. Auf dem Bild meinte mein Vater oben am Fenster "de oit Limmerin", also die Hebamme, wieder zuerkennen.

Hier steht der Bäckermeister noch mit seinen 3 Kindern, mein Vater war entweder noch nicht geboren, oder aber zu klein. 1928 wurde die Garage eingebaut, also war es eher und mein Vater ist Jahrgang 1927. Im ersten Stock war noch der "Wenzlschuster", wie an dem Schild zu lesen ist. 


Wenige Jahre später, die Kastanien gedeihen und die Linde mickerts so vor sich hin, mein Großvater bei seiner neu erbauten Garage und die Gänse kommen heim vom Bleichanger.

Einschub
Auch wenn ich die Geschichte bereits bei der Chronik des Nachbarhauses erwähnt habe, hier muss ich sie noch einmal anbringen, weil ich diese erst erzählt bekommen habe, als ich meinem Vater, bei einem Interviewtermin genau dieses Bild vorgelegt hatte:

F:Und habt´s es zu derer Zeit ausschließlich Sei g´hot?
V:Naa,  nur  während am Krej hamma a Sau hergfeijdat,und  Hehna  und Gens, de hamma wega de Federn blos ghot.
F:Und wo habts dann de aussedriem?
V:De  hamma fias Hoftor ausselassn und dann hanns am Reng  oweganga und aft Nacht wida hoam.
F:Über d'Wuamheij hint oder weij? 
V:Meistens üwa d'Wurmheij.
F:Und de han na von alloi ganga?
V:Ja aber manhmal hot mas a holn miassn,  vor allem wenns broude worn san .Na ham Ganserer, weil mir hamma ajweil drei  
Gansinnen g'kot und oan Ganserer. ...

Weiter berichtete er, dass eine der Gansinnen und unser Hund - der Russl - um die Gunst meienr Oma eiferten und sich in der Küche dann schon mal bekriegten.

Einschub Ende



Betti, später verheiratete Schödlbauer
Heinrich, gefallen
Annerl genannt Aja, verheiratete
Weißenberger und
Clemens, mein Vater










































Das junge Paar wirtschaftete erfolgreich, Es wurde eine neue Backstube errichtet, der Ofen erneuert, die Garage eingebaut und in einem Hinterhofgebäude, später als Mehllager und heutzutage als Lagerraum für den Horsetownclub genutzt, arbeitete Herr Röhrl (Fahrschule Schmidt) als Automechaniker. Gewohnt hatte die Familie Röhrl aber damals beim Pfeffer (Achtler) in der Schirnstraße.
Frau Anna Weissenberger erinnert sich anlässlich meiner Frage nach Weihnachtsgeschenken für die Kinder:
.... an Dampf hots damals gem,  für d'Buama,  a so a Dreschmaschin dazua,  und dann später hat ihm dann mal  der Herr Rearl ein schönes Auto g'macht. Weil der Rearl hot früher sei Werkstatt bei uns im Hof hint g'habt,  do wo's Mehllager war. Und do hot  uns der immer schöne Sachen g'macht. Der war ja a halberter Künstler.
 F: Der hot bei uns sei Autowerkstatt g'habt?
 A:Jahrelang-- und do war amol a ganzer strenger Winter.
 F:A drum hamma mir a Gruamm in der Garasch?
 A: nei da nicht,  do wo's Meijlager is. Do hot er seine Werkstatt g'habt. Und im  Hof hint do hot er seine Auto gerichtet. Und do war amal a ganz a strenger  Winter, 29 war ja a a so strenger Winter und do hat er uns eine Schneeburg  gebaut und einen Hirsch aus Schnee, wunderbar, Ja und dann no...
 Inge: War der net a so Kunstschlosser?
 A: Ja und so Lampenschirme und einen so einen Lüster hat er uns aa amol  g'macht. Und g'wohnt hams beim Pfeffer über dem Durchgang da,  da hams  g'wohnt,  einfachst. D'Mamma hot er na jeden Tog s'Essen obegschickt, also  nicht das fertige Essen sondern was sie zum Kochen gebraucht ham....

Diese Geschichte erinnert mich an ein Bild, das ich bei der Häuserchronik beim Traurig Sattler gefunden und benutzt hatte. Ein Detail der Schilderung von "Tante Aja" - das war sie für die ganze Großverwandtschaft - passt so genau, dass ich dieses Bild hier noch einmal bringe. In der Rückschau, das Interview fand 1990 statt, ist eine Verwechslung eines strengen Winters von 1929 auf 1931 leicht möglich. Aber der Hirsch passt einfach zu gut der Erzählung, dass ich die Bildunterschrift des Arbeitskreises zumindest einschränken möchte.
DIARepro 2348 Schnee/Eisfiguren vor dem Anwesen Traurig, lt Bildbeschreibung erstellt von
August Philipp Henneberger im Winter 1931. 



Ich habe solche Tonbandinterviews mit vielen meiner Verwandten geführt und bin heute noch überrascht, welche Fülle an Details in den Gesprächen festgehalten werden konnte. Natürlich sind solche autobiografischen Erinnerungen manchmal mit Vorsicht zu genießen und vieles ist auch nicht zur Veröffentlichung geeignet, jedoch ist es ein wertvolles Zeitdokument, weil ja auch die Stimmen festgehalten sind. Der Dialektunterschied von der Rodinger Tant`Hansl und meinem Vater ist schon bemerkenswert. 
Die Bäckerei florierte und mein Großvater konnte sich einen großen Kundenkreis an Wiederverkäufern aufbauen. Lebensmittelgeschäfte, Wirtshäuser und "Brotweiber", Frauen also, denen er Brot und vor allem Semmeln lieferte, die dieses dann in der "Kirm" austrugen und sich so mühsam ihren Lebensunterhalt verdienten.
Bei manchen Bauern wurde auch "getauscht". Wir lieferten Brot, welches aufgeschrieben wurde, und die Bauern wiederum dann Mehl, welches allerdings häufig nur als "Staubmehl", also zum Einstauben benutzt werden konnte. 
Seine Liefertoureneinteilung hat später dann mein Vater unverändert übernommen. Der Bereich der in einzelnen Lieferfahrten angefahren wurde, ging (natürlich einschließlich der Orte, die auf der jeweiligen "Rundschleife" lagen - zum einen bis Miltach, dann bis  hinaus nach Kollmburg hinter Viechtach und Prackenbach, dann die Rimbacher Tour, beginnend in Grafenwiesen und endend bei der "Moama Linerl" in Haus, in die Zell bis Kieslau und auch hinauf bis nach Arrach. Weißenregen und Reckendorf wurden dann separat angefahren. 
Das sehr persönliche Verhältnis des Bäckers zu seinen Kunden kommt auch in den Befragungen vor, hier mit  Anna Weissenberger:
Frage.... aber immer blos Brot bacha worn?
Hauptsächlich Semmeln,  Brot war weniger. So de zammgsetzten Semmeln.  Oh, hamma Kundschaften ghabt,  da Treiner in da Doana draussen (?),  der  hot 2000 Semmeln griagt. Und de hamm des Semmeln hauptsächlich braucht  fürs Knedlbrot. De Bauern ham ja damols net so vuij Fleisch ghabt,  sondern  hauptsächlich Knödeln. Mei und dann hammara Kundschaft ghabt,  d'Adelheid,  no de habts ja ihr a no ghabt. D'Adelheit,  nach Viechtach is gforn,  do  hamma allaweil s'Brot higforn zum Greiner [heutzutage der Floristikladen Alchemilla] und d`Adelheid is mit an so am  gloan Fuhrwerkl komma und hots dann obgholt ihrane Brotkörbel. I woas net weijvuj dass affebrocht hot. Und na hot ihr da Pappa ajweij a Brotzeit ghaft.  Und zwar an Aufschnitt,  weij da Greiner hot a Wirtshaus g´habt und a Metzgerei  und do hot er ihr a Brotzeit g´kaft und a Bier und dann hots gsagt,  do bin  i oamoi dabei gwen: "Woast" hots gsagt" des mache allerwei a so, de bravern  Breckl is i iatz a so und de andern bringe meim Mo hoam. Sie war allerweil  a grosse kräftige Frau mit ana so ana Grettlfrisur,  a sauberne Frau,  und der Mann war a ganz a gloana. Also i hobs gern gmigt d'Adelheid.  Amoi is kemma,  do war d`Mamma scho gstorm, z'Pfingsten,  und na hots gsagt: "Des hob i scho gseng,  guat is do net im Haus mit vier Manna "
Auch bei meiner Frage nach den Spielzeugen führt die Antwort schnell wieder weiter zu einem mitmenschlichen Verantwortungsgefühl, das meine Großeltern zu ihren Kunden entwickelt hatten. Die im Text genannte "Bettl" ist die vor Jahren verstorbene Seniorchefin des Schuhhauses Schödlbauer. 

 Ja mir ham an Kauflon g´habt,  den hot uns a der Rearl  (Röhrl, heute Fahrschule Schmidt) g'macht,  einen  wunderbaren großen Kaufladen,  den hot d'Bärbel (Tochter der Bettl) dann,  den hamm sogar no  da Bettl ihrane Kinder g'habt,  des war a großer Kauflon mit einem großen  Schaufenster und a Tier eine und dahinter war no a gloans Büro mit am  Telefon und allem.Und dann hamma a Puppmkich griagt,  also i hab a Puppmkich  ghabt mit Schlafzimmer und d'Bettl a Buppmkich mit Wohnzimmer., ganz sche, und a schene Puppm,  mir ham schene grosse Puppm g´habt. D'Mamma hot alles  hergschenkt. De Brotweiwa warn damals so arm,  de ham alle a Herdt Kinder ghabt,  iatz wenn mas na mir nimma meng ham, hot d'Mama alles hergschenkt. Ne,  zum  Beispiel nach Rimbach zu dene Irlbeck, de ham eine Stum voi Kinder ghabt  do hots alles,  unsere Schlittschuastiefe und alles hots er gem. I woas no wia  i meine Stiefel: "Ja wo han den meine Schlittschuastiefel?" "Ja de san,  de  hobe hergem." Und de Kinder ham se gfreit,  des songs heit no wenns zu  meiner Schwester in Lon owe kemma,  na gfrein se se heit no und vozeijn was  sie alles griegt ham. Vo da "Beckin". Und mir ham schene Sachen ghabt, nicht so wir heit des Plastikglump.


Manche Kunden, die zu weit entfernt lagen, wurden per Bahnspedition beliefert. Große ovale Weidenflechtkörbe, die gut 400 Semmeln fassen konnten, wurden, mit Leinen verschlossen und vernäht, zum Kötztinger Bahnhof gebracht.

Einschub
Ich kann mich noch gut an diese Weidenkörbe erinnern, die im Laufe der 60er Jahre dann durch stapelbare Metalldrahtkörbe ersetzt wurden. Die Weidenkörbe waren eigentlich immer verschlissen und wurden von den Bäckern, in meiner Kindheit war es der "Ade" aus Hundszell, mit einer großen, sehr großen, gebogenen Nadel und Spagat repariert. Mit derselben Nadel wurden dann von Zeit zu Zeit auch die, auf nutzbare Größe zerteilten, Zeitungspapierseiten aufgefädelt und als Toilettenpapierstapel in die "Burschentoilette" gehängt.
Überhaupt die Burschen. Einige der Bäcker wohnten bei uns im Haus, im Burschenzimmer über dem Teil der Backstube, der vom Backofen weit entfernt und damit bewohnbar war. Der oben angesprochene Ade (=Adolf) war für solche Ausbesserungsarbeiten eingeteilt und von mir immer beneidet, weil er die, für mich unerschwinglichen, kleinen "Tarzan-" und Tiborhefte" besaß.
Die Bäcker wurden von meiner Oma und später von meiner Mutter täglich verköstigt, weshalb es bei uns dann immer schon ein "Kindsdeandl" gab, weil es ja auch gleichzeitig den Bäckerladen zu bewerkstelligen galt. 
Einschub Ende

Was mir in all den Gesprächen mit den verschiedensten Verwandten immer, und eigentlich fast immer ungefragt bei Beginn der Gespräche, erzählt worden ist,  ist die unangefochtene Stellung, die mein Großvater bei den Geschwistern und sogar in deren Bäckereien hatte. 
Sehr, sehr häufig fuhr die  Kötztinger Familie  - solange der Vater Heinrich noch gelebt hatte - er starb 1935 - nach Roding zu ihren jeweiligen Eltern oder trafen sich bei anderen Mitgliedern  der Bäckerdynastie und alle berichteten von dem sofortigen Kontrollgriff meines Großvaters in den Semmelkorb, ob diese denn auch die richtige Konsistenz hätten. 
Aber die Rodinger kamen auch nach Kötzting und wieder ist es Tante Hansl, die als jüngste der Rodinger Pongratz Geschwister vom Alter her näher an den Kötztinger Kindern dran war, als an denen ihrer anderen Geschwister. Und so hatten die älteren Kötztinger Kinder in ihr eine äußerst junge und lebenslustige Tante bzw. dann eher Freundin, und sie kann erzählen:

 H:Also d'Ketztinger warn zumindest jeden Sonntag da,  mir hammas net anders  g'wisst,  als das d'Ketztinger kemmand,  gej,  andere Leit hammand ja no koa  Auto g'habt,  mir hamma ja alle Auto g'habt. Und mir sand a vüll hinten gwen.
 F: Pfingsten warscheinlich..
 H:Ja mir net blos af Pfingsten gwoat, sondern da Vatta, wenns eam eigfolln is,   eitz fort er af Ketzting,  nand is er mim Zug hintregforn um Viertel  nach zehne is er in Ketzting ankommen,  nand wia er iwan Moak affeganga is,  nand hot d'Anne gseng daß da Vater,  da Schwiegervater kimmt,  nand is glei  hintre und hot am Gockel an Grong(Kragen) umdraht und hot eams Essen gricht.
 De war a hundertprozentige Köchin,  do hot ihr neamand o'kinnt. De hot de  Hochzeiten für ihre Kinder auskocht,  do hot,  de hot a Dienstmagd g'hot,  de hot nand allerwei ospeijn meissn,  do hot,  de war einfach a Herrschaftsköchin.
 F:Die Oma war ...
 H: Sie war eine große stattliche Person,  vollbusig,  Naturlocken und de hot  net.. "mir hamma" gsagt: unser Vatta,  unser Haus,  unser Holz..."  D'Anne hot  gsogt, ..do bin i amol mir ihr für'd Kircha affeganga  weij i in Ketzting  gwen bin und dann wej ma vo da Freijmess affakemma,  do hots gsagt:
"Do lou i(!) eitz a Doa (Tor) ummemacha. So wos is mir net eiganga. Do heit i  gsagt :"Do leijssma eitz na a Tor onemacha",  weil oans aloins mocht ja  gor nix und selbst wenn, sie war... amol bin i als jungs Mädchen verlobt  gwen und des hot allerweil net gstimmt. Er war im Feld bei Nürnberg und i  war in Roding.  Zerst bin i in St.Moritz  gwesen,  weil i so allerweil krank war, und nand honne 25 Pfund zuagnumma  und nacham Vierteljahr honne de 25 Pfund wieder ognumma. Und wiar i na nocham Vierteljohr wieder owakemma bin,  do warn na so de Ketztinger Kinder do af Bsuach , warn ja de immer do,  wenn  Ferien warn,  und wia de Ferien aus warn,  hot da Vater gsagt,  "Forst mit  de Kinder hintre(!) af Ketzting,  bringstas hintre. Und nand schlafst und bleibst  übernacht hinten,  und wennst guat schloffa konst,  nand bleibst a Zeitlang   hinten. Noja, i bin mit de Kinder af Ketzting gforn und bin übernacht  hintbliem und in da freij hot nand da Vater ogruaffa,  hobe gsagt"Ja Vater  i hob guat gschlaffa.!" Nand hot er gsagt,  nand bleibst a Weil hinten.  

Und amal hot s'Annerl Scharlach ghabt,  entweder sie kummt ins Krankenhaus  oder sie wird isoliert dahoam... na ham de af Roding hintretelefoniert,  Hansl du moußt af Ketzting hintreforn und af Pfingsten  is nand da  Clemens kemma,  weil der an Siebensitzer Wong ghabt hat, und da Vetter war  a do vo Nuihofa, [Neuhofen] der hot gsagt,  der fohrt a mit, und der sogenannte Lins,  der  Bräutigam vo mir war dabei, und nacha samma nacha af Ketzting gforn und  zwar hot da vetter gwußt,  daß ma über Kreuzbach forn,  weil der Pfarrer der  woas wos vo der Holländischen Erbschaft....noja nand samma hintregforn und  nand hamma elegante Kleider o'ghabt,  meine Schwestern und i und Schua hamma
 o'ghabt mit hohe Absätz und wej ma naoch de zwoa Tog wieder dahoam warn,  des  woas i no,  hamma d'Schou owado,  hamma in Reng oweganga,  hamma ins Wossa  g'sting und hamma gsagt:"Mensch hamma mir Deppen gwen." So meijd hamma gwen.

 Aber  z'Ketzting warma alle Johr hinten.

Einschub
Dieser Text, gesprochen in einem Aufwasch ohne Punkt und Komma, wurde von mir um einige Episoden mit ihrem damaligen Verlobten in Nürnberg und einem verliebten Bäcker und Konditor aus Berlin im Hause Pongratz in Kötzting gekürzt. Trotzdem enthält er zwei wichtige Aussagen: die Rodinger Verwandtschaft fuhr elegant gekleidet zu den Kötztingern und sie wussten alle offensichtlich von der "Holländischen Erbschaft".  Diese unerquickliche Geschichte - ich besitze sogar die  Folterprotokolle dieses Prozessspektakels in meinen Unterlagen - hat bereits einige Pongratzabkömmlinge um ihr Hab und Gut gebracht und in den 250 Jahren, seit diese Idee herumspukt, eine Unzahl von Prozessen verursacht. Im Hauptstaatsarchiv in München habe ich sogar noch  Hinweise auf einen solchen Prozess in den 90er Jahren(!) des letzten Jahrhunderts gefunden.  Bei dieser Erbschaft geht es um eine ungeheuer große Summe. Die Rede ist von bis zu 250 Mio holländischen Gulden, welche die Wittelsbacher(!) der Pongratz Erbengemeinschaft unterschlagen haben sollen. Irgendwann einmal fasse ich diese Akten zusammen und schreibe darüber.
Die Neukirchener Pfarrmatrikel sind voll von Anmerkungen des Pfarrers, der die Genealogie der betroffenen Pongratzfamilie und ihrer Unterzweige erforschen sollte und dem die Erbengemeinschaft Pongratz dafür sogar ein Erfolgshonorar versprochen hatte.
Einschub Ende




Das Geschäft florierte - ich kenne die Steuerklärung meines Großvaters  von 1939 und bin äußerst beeindruckt - . Sein Betriebsgewinn war vier mal so hoch wie die gesamten Personalausgaben, was sicherlich auch daran lag, dass die Löhne sehr niedrig waren, aber nur so konnte er sich nacheinander das daneben liegende Marktlehen vom Rebstöck, die großen Waldungen im Gruber Holz vom "Kaminger Wirt", ein großes Stück vor Thenried und einige Grundstücke auf der Platte leisten.
Die Honigwiese und der Garten in der Schattenau hatten ja schon immer zum Haus gehört.
Ende der 20er Jahre baute er  am Marktplatzeck seine große steinerne Terrasse.
Im Hintergrund die beiden Brüder Georg und Leopold Sperl, die Nachbarn.
Vor ihm der Russl, der Hund, der es mit der Gansin zu tun bekam.

Aus derselben Zeit stammt auch eine Aufnahme der "Obermarktler" Kinder, die Familie Pongratz war also nach wenigen Jahren in der Mitte der Kötztinger Gesellschaft angekommen und der Russl war natürlich immer dabei.

hier eine Kinderbande vom oberen Markt, mit den Pongratz und Rablkindern vermischt. Reihe vorne von links: Heinerl Pongratz - Rabl Franz (der Vater von Frau Rabl-Dachs) - Graßl Fannerl -
Gretl Graßl- Ellwanger Sophie mit Baby auf dem Arm Miethaner Sepp - Ment Pongratz,( mein Vater)
hintere Reihe von links: Rabl Fanny - Pongratz Anna, Pongratz und Bettl,
der große Hund gehörte auch zur Familie Pongratz, es war der Russl. Dem Hintergrund nach zu schließen könnte die Aufnahme im Schwimmbad gemacht worden sein 


Nun war der nächste Schritt nur folgerichtig, Clemens Pongratz engagierte sich in seinem Bäckerhandwerk und in der Kommunalpolitik. Er wurde Mitglied im Marktrat für die Partei der BVP, der Bayerischen Volkspartei. (Schon 3 Tage nach deren Gründung in Regensburg - 1918 - hatte die BVP ihre Fühler bereits nach Kötzting ausgestreckt, siehe Blog über das Kriegsende in Kötzting).
Die Fraktion umfasste neben ihm und dem (=zukünftigen Schwager) Bürgermeister Hans Schödlbauer auch die Markträte Januel und Wilhelm Oexler.
Es wurde 1933 und für viele Kötztinger Bürger begannen harte (für manche sogar katastrophale - siehe der Blog über das Schicksal der Familie Kirschner und der über Susanna Kirschner ) Zeiten.

Nicht durch eine Wahl, sondern
durch die Regierung und den Gau
Bayreuth der NSDAP wurde Benno
Hoiss als Bürgermeister eingesetzt


Nachdem Hans Schödlbauer bereits im März/April aus dem Amt verdrängt  und Anfang Mai dann Benno Hoiss an seine Stelle gesetzt wurde, drehten die Nazis im Kampf um die Alleinherrschaft in Bayern die Schraube gegen die letzte verbliebene parlamentarische Opposition, die BVP. (Die SPD und KPD waren bereits Monate vorher verboten bzw. unterdrückt worden.)








Ende Juni kam dann aus München der Befehl, die obersten Amtsträger der BVP festzusetzen.  Auf dem Befehlswege von München über den Gau bis nach Kötzting wurde dieser Befehl dann noch weiter auch auf sämtliche Amtsträger ausgeweitet und die Verhaftungswelle rollte:


Alois Dachs interviewte im Dezember 2003 meine Tante Bettl, die die Aktion damals als 13 jährige
hautnah miterlebte.

Mein Großvater war offensichtlich nicht nur empört über die Art und Weise der Verhaftung sondern auch, weil (der spätere 2. Bürgermeister) Alfons Liebl und andere Mitglieder der NSDAP die ganze Aktion vom gegenüberliegenden Dach aus fotografisch festgehalten hatten. Nachdem mein Großvater seinen Ärger darüber öffentlich ausgesprochen hatte, ließ Alfons Liebl eine Gegendarstellung in die Zeitung setzen, die wiederum Clemens Pongratz nicht so stehen lassen wollte.
KA am 1.7.1933:  worauf mein Großvater in der nächsten Ausgabe
folgende Erwiderung abdrucken ließ:



Die Folge dieser Aktion war eine - heutzutage würde man sagen "gefakte" - freiwillige Rücktrittserklärung der drei Gemeinderäte Pongratz, Oexler und Januel.
 
Rücktrittsschreiben Clemens Pongratz am 27.6.1933


Die Kötztinger NSDAP ließ einfach die, auf ihrer Parteiliste bei der letzten Kommunalwahl nicht zum Zuge gekommenen, Listenkandidaten nachrücken und der reine NSDAP Gemeinderat war damit perfekt. Aufgrund des, sogar bis hinein in Vereinssatzungen verpflichtend eingeführten, Führerprinzips bestimmte der 1. Bürgermeister den Bankier Alfons Liebl als seinen Stellvertreter.
Das Tuch zwischen meinem Opa und der NSDAP war zerschnitten.
In der Folge stand er unter dauernder Beobachtung und es haben sich einige anonyme, aber auch unterschriebene Beschwerdeschreiben über ihn erhalten.
Mit den Rücktritten der BVP- Gemeinderäte gab sich die NSDAP aber noch nicht zufrieden. Die Gebrüder Oexler, Max, Wilhelm und Vitus, Clemens Pongratz und Karl Wiesmeier bildeten die Beschuldigten in einem anonymen Schreiben, dessen Wahrheitsgehalt der damalige Ortsgruppenleiter Schuder ermitteln sollte. Seine Beurteilung über die drei Gebrüder Oexler ist in seiner Derbheit nicht zur Veröffentlichung geeignet, spricht aber in seiner Wortwahl Bände über die Menschenverachtung der Machthaber im Dritten Reich. Clemens Pongratz kommt hier mit zivileren Worten weg. Trotzdem hier die Abfolge des ganzen Vorganges, die folgenden Kopien stammen alle aus dem Staatsarchiv Landshut Spruchkammer Kötzting 1947:
zuerst ein anonymes Schreiben
kleiner Ausschnitt des zweiseitigen handschriftlichen Beschuldigungschreiben: ...So sind da mehrere so gefährliche Tiere, mehr kann man da nicht mehr sagen. Herr Pongratz, Bäckermeister und Herr Oexler Max sind alle Tage beisammen und schimpfen was sie können, das Hitler Zeichen Hand hoch ist ihnen eine Fopperei. Auch ist ein gefährlicher Herr Wühr, Wagner in Kötzting, denn wo diese sind und treffen da mit einem Parteigenossen zusammen geht die Spotterei an......

dann die Aufforderung der Sache nachzugehen


und am Ende die Antwort von OGL Schuder und dem Pg Kirschenbauer, alle drei nur in Auszügen:
die harmloseste Beurteilung der fünf ausgeforschten Personen


In einem anderen Fall schickte eine Familie, die mit der Bezahlung ihrer Brotlieferungen schon lange im Rückstand war - und mein Großvater sie trotzdem weiterhin belieferte - ein Schreiben an das Führerhauptquartier um ihre Notlage zu schildern und  um, unter Berufung auf das Reichsnährstandsgesetz, die Versteigerung ihres Anwesens zu verhindern.
Wir sind einem Mann 1800 Mark schuldig, das ist ein ganz Kohln schwarzer Bruder ....





Auf welchen Wegen ist mir nicht bekannt, auf jeden Fall befindet sich der ganze Akt mit dem  Schriftverkehr zwischen der Antragsstellerin, dem Arbeitsamt Kötzting und der Kanzlei des Führers bei uns in Privatbesitz, auch wenn ich einen Verdacht habe, wie das überhaupt möglich hat sein können.
Die Schulden jedenfalls wurden nie getilgt, aber die Kundschaft wurde noch jahrzehntelang  weiterhin beliefert, solange, bis mein Vater die Bäckerei im Jahre 1990 aus Alters- und Gesundheitsgründen schloss.

In der lebhaften Schilderung der Verhaftung und der Versorgung der drei Kötztinger Bürger und Gemeinderäte mit Spielkarten und Lebensmitteln (wohl im Wesentlichen Bier), wie Sie von Frau  Barbara Schödlbauer erzählt worden war, zeigt sich auch eine enge Verbindung der drei Familien Oexler, Pongratz und Januel. In Privatbesitz finden sich einige Bilder, die dies dokumentieren können:








Bild von einem gemeinsamen Familienausflug: 1 Oexler Franz, der spätere Pfingstbräutigam von 1945, 2 sein Vater Oexler Wilhelm und 3 seine Schwester Ella, verheiratete Zigan. 4 Pongratz Barbara verheiratete Schödlbauer, 5 Pongratz Anna, verheiratete Weissenberger, 6 Pongratz Heinrich gefallen 1944, Begleiter des Pfingstbräutigams Leopold Januel 1939  und 1944 bei Huber Xaver, 7 Anna Pongratz die Ehefrau von Clemens Pongratz, eine geborene Meillinger aus Roding und 8 möglicherweise Herr Kroher. Mittlerweile konnen durch die dankbare Hilfe von Frau Ludwig und Frau Zigan auch die anderen Personen identifiziert werden: Also Herr Kroher Nummer 8 wurde bestätigt, bei den anderen handelt es sich um: 9 Emmeram Stadler, 10 Hans Friese, 11 Lehner Hans, gefallen, 12 Röhrl Karl (Frisör), 13 beide wohl, hier bleibt das einzige Fragezeichen: Auto Röhrl, Fahrschule, 14 Frau Schubauer, die gute Seele der Turnhalle bis weit in die Nachkriegszeit, 15 Röhrl Fritz, 16 Weixel/Windisch, die Oma von Herrn Dr. Weixel, 17 Röhrl Linerl, eine spätere Pfingstbraut, 18 Frau Röhrl, 19 Röhrl Gretl, 20 Herre Michael, 21 Frau Friese

Auch als 1939 der Sohn aus dem Hause Januel der Pfingstbräutigam wurde, fand er im Hause Pongratz gleich seinen Brautbegleiter mit Heinrich Pongratz. 
Pfingstbrautpaar von 1939
Leopold Januel und Dreger Maria mit den beiden Begleitern Grassl Richard links und Pongratz Heinrich rechts

Ich greife jetzt zeitlich etwas voraus, da in den Spruchkammerverfahren der direkten Nachkriegszeit einige Gedächtnisprotokolle enthalten sind, die uns ein wenig Einblick in eine ansonsten "dokumentenlose" Zeit geben.
All diese Vorgänge um die Gemeinderäte der BVP finden sich dann auch in verschiedenen Spruchkammerverfahren Kötztinger Bürger nach 1946 wieder und der 1933 abgesetzte Bürgermeister Schödlbauer wurde 1945 von den Besatzungsmächten gleich wieder als neuer Bürgermeister eingesetzt und wurde auch bei den ersten freien Gemeinderatswahlen am 27. Januar 1946, nun für die neugebildete CSU (hieß damals noch Christlich Soziale Vereinigung), von der Bevölkerung  wieder gewählt. 

Wahlvorschlag der neugegründeten
"CSU" für die Kötzting Komunalwahl 1946
 Auch der Bäckermeister Clemens Pongratz, war gleich nach dem Krieg erneut Gemeinderat, trat aber aus gesundheitlichen Gründen bei der drauffolgenden Wahl  nicht mehr an. Als unbelasteter Zeitzeuge war er auch in vielen Spruchkammerverfahren als Beisitzer beteiligt und in einigen, noch privat erhaltenen, Unterlagen von solchen Verfahren, zeigt sich auch seine aktive Beteiligung an der Aufarbeitung des Dritten Reiches. Doch zurück in die Zeit vor dem Ende des Dritten Reiches.

Im Jahre 1938 kaufte er das benachbarte Anwesen des Sattlers Rebstöck und konnte das gesamte Gebäude dann im Mai an die Wehrmacht als Wehrmeldeamt vermieten und im großen Hof eine Kleinkaliberschießanlage installieren.
 

Dieses grenznahe Wehrmeldeamt hatte vermutlich im Herbst 38 beim "Anschluss" des Sudetenlands seine Feuertaufe zu bestehen.
Aufmarsch der Wehrmacht in der Bahnhofstraße in Kötzting im Herbst  1938,
die Aufnahme stammt vermutlich vom  Kötztinger Hauptlehrer Josef Bock,
der in dem Hause links, Vogl, gewohnt hatte. Die Kötztinger Truppenteile marschieren in die Richtung von Neuern.


Herbst 1938 in Kötzting vor dem Einmarsch ins Sudetenland.
Antwort meines Vaters zu diesem Bild:

V:Des war bevor des mit der Tschechei oganga is, also mit'm Sudetenland in   de  30-er  Johr. De  drei  Soldaten  hand  bei  uns  im   Haus einquartiert  gewesen. Im Wohnhaus. In ganz Kötzting san do  Soldaten  verteilt gewesen. Hinter da Hand hams scho gsagt: "des gibts ebs doda".

An der Stelle, an der die Soldaten sitzen, ist heutzutage das Podest vor dem Eingang zum Lokal bzw. vorher in die Bäckerei.
Die Stufen rechts führten hinauf auf die steinerne Terrasse und die links zum Hauseingang. Der Zugang zum Laden erfolgte damals vom Hausflur aus.

Der Sohn Heinrich, Stütze des Vaters in der Bäckerei, kam zum RAD und war dann zeitweilig beim Chef des Wehrmeldeamtes als Fahrer eingesetzt. Sinnigerweise war er der Fahrer auf einem Fahrzeug seines Vaters, welches sofort bei Kriegsbeginn requiriert worden war. 
Die Männer (Bäcker) waren beim Militär bzw. dann an der Front und die Bäckerei war nach wie vor für einen großen Bereich zuständig. Dies bedeutete, dass, nachdem der Großvater mit der Hilfe des Kreishandwerkermeisters Josef Barth einen Versuch des NSDAP- Gaues abwehren konnte, ihm einige Kunden wegzunehmen, ( sie wollten einfach mal kurz seinen "Auslieferungssprengel" beschneiden), er sich auf die Suche nach Bäckern machen musste.
Also fuhr er zum Arbeitsamt nach Cham, wo ihm ein "Tscheche"  über den Weg lief, der Arbeit suchte und der glücklicherweise Bäcker war. Auch hier konnte er mithilfe des Kreishandwerkermeisters Barth eine Lösung finden und nun arbeiteten mehrere tschechische Bäcker aus dem 1938 angeschlossenen benachbarten Sudetenland bei uns.
Hier die "Notmannschaft" mit drei tschechischen Bäckern und auch bereits meinem Vater
vorne links in Bäckermontur. Hinten links mein Opa 

Später kam die NSDAP doch durch mit einer neuen Gebietszuteilung und trennte die Kunden des Altrandsberger Raumes ab, die bekam ein anderer Bäcker zugeteilt, mein Großvater wollte sich in Cham erneut wehren, aber diesmal vergeblich: 
Zitat mein Vater: ... no do hot er damals, do isa af Cham eine, zum Kreisleiter oder weij, also de weij hoit des iwa g'hot ham,: "Na also wenn ihnen der Platz zuwenig ist, im Osten ist Platz genug." Hot er eam zur Antwort gebm.
dann wollte ich von meinem Vater etwas über unsere "Tschechen" erfahren:
( F=meine Frage - V= mein Vater M= meine Mutter)
Otto war der einzige tschechische Bäcker, den ich überhaupt kannte, weil dieser in den Zeiten des Prager Frühlings ein paar Mal bei uns in Kötzting zu Besuch war und auch meine Eltern ihn drüben in Neugedein ein oder zweimal besuchten.

F. Kurz no zum Otto und zu de Tschechen, de hot se da Opa in Cham drin,  moin i...

V:Na an Mira hot er af'gowelt drin, do hot er an Gsejlln gsoucht und weij  er wida z'ruck kimmt, is koana do gwen, ne, fragt oana, wou do's Orwatsamt is, in gebrochenem Deitsch. "Ja do und do, wos sans an von Beruf?" - "Bäcker"-  "Na gengans glei mit mir mit.
Erst is da Mira do gwen, na hot er an Jada. Der hot koan Daschndeichl g'khot, aijs in Schuatz eine, den wennsthig'steijt host, na is a steij blibm. A sehhana Dreckbeer. Der hot seiba a Beckerei g'hot. 
Na, und na is da Otto g'kemma, na is da Jada wieda fuart, der moin i is wieda hoam -- und na hams an Karl brocht. Vom Karl hamma nix mehr g'hert,  vom Mira hamma a scho so lang nix mehr g'hert. (Interview war ca 1984)
M: ja g'schriebm hat er mal noch
V: Hot er doch wieder mal g'schriebm?
F: ja und de han doch dann allaweil hoamg'forn am Wochenende?
V: ja de hann allerweil..
F: weil Grenz war ja do koane?
V: Jaah-- de Tschechen hamm an Passierschein braucht. Und do heijtns iwa Furth forn meijssn awe, ne, oder do hots no so gleanane Üwagänge gem. Ja owa a so heijtn se sched iwa Schwarzaberg iwan Buggl iwaforn braucha und ernt oi fo Neimoark und na hands in Neigedein scho, ne, heidns a Stund eig'sport g'hot. Und do.. Unmöglich, de grejngs net vom Landratsamt. No, dann is mei Vater owe doda, - damals mitm Holzer - und gscheid Leviten,  - wei mitm Holzer is er ja doch speziell gwen damals, den hot er ja ebs sogn kinna - D'Leviten a Wei g'lesen, weij se se des vorstuijn , de Karln meijsn orwatn ,ne,  und dann hams do an Passierschein grejgt fir den Iwagang. Na sands awei schnell dahoam gwen.

 V: No ja und weijs damals gwen is in Ketzting. jo mei, han ja doch de ganzen Ketztinger, wej der am Amt, da Holzer ,is a Ketztinger  gwen, der wou des iwa g'hot hot. Zu dem host o sogn kinna: He weij stiastar an des vor,  I konn doch net zu dem sogn, der fohrt eitz no dar Orwat hoam, daß er a weng dahoam is aa, na mou er am Sunnta af d'Nacht wieda einafoarn, ne, na mou er a Stund a jeds Mol lenga mitm Radl forn , ne 
M: Und die hamma ja na noch gschobm, wenns bergauf ganga is
V. Und dann kost da ja vorstelln woss fiar Radln g'hot ham. Obwohl, da Mira hot allaweij scho a Rennradl g'hot,woast scho a sechas mitam gebogna Lenka  Do isa g'forn weij a Prijda(Geprellter)

Ein schönes Beispiel des familiären Umgangs mit den tschechischen Bäckern erzählten mir Onkel Bepp und Tante Bettl, also die Seniorchefs des Schuhhauses Schödlbauer. (B=Bettl, Bepp und F=Frage)

Bepp: Wej hot der g´hoissn der a so singa hot kinna, da Mira?
B: Na des war da Otto.
Bepp: Des woas I no wej de gsunga hamm, wenn i in Urlaub  
(es war Krieg) do gwen bin, bin i oft affekemma afd Nacht, da hamm de vier Becka a so gsunga.
B: Mei de hamma, da Otto, mei wenn d`Mamma Klavier g´spuit hot, dann hot da Otto g´sunga, „Unterm hohen Dach ist ein Nesterl gebaut“ 

Hochzeitbild von Otto und Libuc im Februar 1944
Otto der gute Sänger und Bräutigam


Nach dem Kriege blieben die Kontakte mit den ehemaligen Bäckern aus der Tschechoslowakei in einer lockeren Art weiter bestehen. Wir bekamen deren Hochzeitsbilder zugeschickt und, wie oben bereits angeführt, kam es im Prager Frühling bis Sommer 1968 auch zu persönlichen herzlichen Wiederbegegnungen. 
Sogar zu Wendezeiten, also 45 Jahre danach, kam noch einmal ein Kontakt zustande, als mein Vater dann seine Taubenuhren an seinen tschechischen Besuch verschenkte. .

Neben den tschechischen Bäckern gab es auch noch die Zwangsarbeiter, hier Franzosen, die zumeist beim Dinkelmeier untergebracht waren und zur Arbeit in verschiedene Betriebe dann verschickt wurden. Es war verboten, diesen Arbeitern, die von der Kötztinger Gendarmerie bewacht wurden, Essen zukommen zu lassen. Aber auch hier lief es bei uns  anders. Wenn die Arbeiterkolonne wieder zum Holzhacken ankam, wurde einfach das große Hoftor geschlossen und die Gefangenen konnten sich satt essen. 
Dies wurde mir nicht nur von meinen Tanten erzählt, sondern dies war auch Teil eines Spruchkammerverfahrens, gegen den damaligen Chef der Kötztinger Gendarmerie, dem mein Großvater in seinem Verfahren bestätigen konnte, dass dieser alle Augen zugedrückt hielt, wenn die Franzosen in der Bäckerei verpflegt worden waren.


StA Landshut Spruchkammer Kötzting Nr. 1526 

Briefkopf der Hahns aus den
USA im Jahre 1946

Es wurden natürlich in diesen Verfahren viele Gefälligkeitsatteste erstellt, mein Großvater hatte dazu aber überhaupt keinen Grund und im Akt desselben Wachtmeisters findet sich auch ein sehr herzlich geschriebener Brief aus den USA, von Angehörigen der Familie Hahn, der zweiten Kötztinger jüdischen Kaufmannsfamilie, der aber, anders als den Kirschners, die Flucht ins Ausland geglückt war, auch wenn dies eine sehr lange Odyssee gewesen war, aber das wird einmal eine ganz andere Geschichte.



Offensichtlich haben sich mit den französischen Zwangsarbeitern auch persönliche Beziehungen entwickelt, denn, nach der Einnahme Kötztings im April 1945 und der kurz danach erfolgten Kapitulation Deutschlands überreichten die französischen "Gefangenen" - mit diesem Wort unterschrieben sie - mit Datum des 16.5.1946 ein Attest an und für meinen Großvater, in dem sie Herrn Pongratz und seiner Familie für die Wohltaten und Hilfe, die sie von Ihnen erhalten hatten dankten.
Ich bin leider des Französischen nicht mächtig, daher kann ich das anschließende persönliche Dankesscheiben von Leo Thomas nur anhand einiger Worte - vermutlich - richtig zuordnen.  

Dankesschreiben vom Mai 1945

Wenige Monate später kam dann aus Frankreich ein Bild des frisch verheirateten Leo an, der sogar bereits Vater geworden war.

Wenn ich die Widmung auf der Bildrückseite im Zusammenhang mit der Befreiung der Gefangenen um den 26.4.1945 stelle, dann sind diese wohl für drei Wochen im Hause Pongratz willkommene Gäste gewesen, denn Leo spricht in seiner Widmung :"Zur Erinnerung von 3 Wochen an Kötzting 15.5.45 Leo."

30 Monate später schreibt er: "schon 30 Monate als ich bin zurück gekommen. Ich habe noch nicht vergessen Herr Pongratz und Frau. Weiß brot Roggen Brot usw  Radio - Gut essen und alles-
Jetz ich habe Frau, baby Klein-Kaufe - Commune - Tison (Handel mit Stoffen) in klein dorf
Prosit Neue Jahr

Offensichtlich wurde im abgesperrten Hof dann auch versucht, einen Fremdsender abzuhören, so verstehe ich den Hinweis auf "Radio"


Nach den Franzosen oder vielmehr vermutlich zusammen mit den Franzosen waren dann GIs Gäste im Hause. 
Die folgende Episode habe ich bereits veröffentlicht, hier allerdings wird der Zusammenhang mit der  selbstverständlichen Gastfreundschaft und der Führung eines offenen Hauses, wie es meine Großeltern und später auch meine Eltern mir vorgelebt haben, besonders deutlich in der Abfolge der unterschiedlichsten Nationalitäten.
Nach den Tschechen und Franzosen, nun also 
die Amerikaner:
Hier nun die Zusammenfassung einer Schilderung meines Vaters über die Besetzung des benachbarten Wehrmeldeamtes durch die Amerikaner und das weitere Verhältnis der Besatzer und unserer Familie.
Beim Einmarsch der Amerikaner - also Ende April 1945 - obwohl es ein sehr kaltes und feuchtes Frühjahr gewesen war - hatte meine Großmutter bereits die hölzernen, großen und langen Blumenkästen auf der Hofseite auf den Fensterbrettern bereitgestellt. Als die Amerikaner das WMA besetzten und damit eine erkleckliche Anzahl deutscher Gewehre erbeutet hatten, leerten sie einfach die Blumenkästen, füllten diese mit den Gewehren, nagelten sie zu und schickten diese als Kriegsandenkens nach Hause bzw. nahmen sie einfach mit.

Die beiden Häuser - also Wehrmeldeamt und Bäckerei - hatten je einen Hinterausgang  zu einem gemeinsamen Hof und dieser wiederum kann nur durch ein dicht schließendes Tor von der Metzstraße - so wie heutzutage auch noch - befahren und eingesehen werden. Jedes Mal, wenn die amerikanischen Soldaten hinten in den ruhigen Bereich des Hofes traten oder fuhren, blickten sie mitten hinein in unsere Backstube und, so wie es eben in Bäckereien der Fall ist, hatten damit den ganzen Vormittag den Duft von Frischgebackenem in der Nase.
"No fraternisation" ist die eine Sache  "Liebe geht durch den Magen" eine andere und meine Oma hatte ein sehr einnehmendes Wesen und ihrer Aufforderung zum Kaffeetrinken und Frühstücken folgten die amerikanischen Soldaten anscheinend sehr gerne und mit voller Montur und auch bewaffnet, man weiß ja nie, was so eine bayerische, wohlgenährte Bäckermeisterin so im Schilde führen kann. 
(Ohne es genau zu wissen, vermute ich mal, dass die Amerikaner den Kaffee hatten und die Oma den Rest.)
 Dieser gemeinsame Hof hatte aber im Moment der Übernahme durch die US Soldaten auch einen Nachteil, neugierig schaute mein Vater hinten aus dem Haus Nummer 28 in den Hof hinaus als die US Soldaten gerade dasselbe aus dem Haus Nummer 30 machten und den deutschen jungen Mann, trotz kurzer Lederhosen, sofort verhafteten und mit den anderen Gefangenen aus dem WMA draußen auf einen LKW verluden. Erst ein Offizier pickte sich dann den jungen Mann in seinen kurzen Lederhosen wieder aus dem Block der Männer heraus und bedeutete ihm zu verschwinden....

Ich wollte hier die Geschichten der internationalen Gäste im Hause im Zusammenhang schildern, nun allerdings muss ich ein halbes Jahr zurückspringen, denn im Oktober 1944 schlug das Schicksal zu, Heinerl, dem das  musikalische Talent der Mutter in die Wiege gelegt worden war, fiel an der Ostfront, und nichts mehr war so wie vorher und wie es die Lebensplanung des Bäckerpaares gewesen war. Zu allem Unglück wurde nun auch der "Bubi", also mein Vater eingezogen bzw. mit dem RAD an die Fronten geschickt.

Wie in dem Zeitungsartikel von 2003 im Gespräch mit Frau Schödlbauer dargestellt ist, packte mein Opa den Ortsgruppenleiter der NSDAP,  Herrn Rümmelein vom Sperlhammer, der in den Laden gekommen war, um die Eltern vor anwesender Kundschaft zu informieren, dass ihr Sohn sein Leben "für Führer und Vaterland" geopfert habe, und warf diesen aus dem Laden und die Stufen hinunter auf den Marktplatz.  Erst auf "Bitten und Betteln" der Tochter, die von der Mutter zum OGL geschickt worden war, hatte dieser seine Anzeige bei der Kreisleitung in Cham zurückgezogen.
Die Lebensgeschichte Heinrich Pongratz habe ich bereits ausführlich dargestellt. 

Was blieb, war nur noch die Erinnerung an einen lebenslustigen Kötztinger jungen Mann und viele Bilder.






Auch das ist eins der Bilder, die mich im Elternhaus mein ganzes Leben lang begleiteten, Familie Pongratz im Garten in der Schattenau
von links: mein Vater, Annerl, Großmutter, Großvater, Bettl und Heinerl.
Das Bild dürfte bei Heinerls letztem Besuch in Kötzting gemacht worden sein.

Kurz zuvor, mitten im Kriege, hatten seine zwei Schwestern geheiratet, Bettl ihren Bepp, den Sohn des abgesetzten Bürgermeisters Hans Schödlbauer, und Annerl Dr. Paul Weissenberger, einen Oberamtsrichter. Ich war überrascht, wie es Onkel Paul gelungen war, als ein so hoher Staatsbeamter in der Justiz, sich so gut von der NSDAP abzusetzen, obwohl er natürlich Mitglied gewesen war. In seiner Spruchkammerakte finden sich Belege für sein aktives Handeln und seine gegnerische Einstellung. So gab ein Johann Lukas zu Protokoll: "Er verkehrte in weitem Umfang mit Personen, die gegen das Dritte Reich eingestellt waren. z.B sein Schwiegervater, Herr Bäckermeister Pongratz, bewirtete Weissenberger schon Jahre vor der Eheschließung mit Pongratz Tochter." Der Justizsekretär Hochstrasser sagte aus, er wäre von Dr. Weissenberger gewarnt worden, als OGL Rümmelein in einer Parteisitzung erklärte: "dieser würde das Komplott bei Lindner noch ausheben". Offensichtlich wurde beim Major aD Karl Lindnern ein offenes Wort geführt, denn mein Onkel Bepp, Pauls Schwager, erzählte mir bei meiner Befragung über Kötztinger Persönlichkeiten zum Thema Lindner (es ist derselbe Karl Lindner, der 1899 eine Lebensrettungsmedaille beim Marktbrand erhalten hatte und Josef Schödlbauer, mein Onkel, war auf Heimaturlaub nach der Eroberung von Kreta):

F: und an oidn Lindner woasst du den no, an Major aD?
Bepp; o Mei, omei, wir i vom Kriag kemma bin, hot er einag´schickt, I soll zu eam aussekemma, nand bin I alle zwoatn Tog zum Lindner ausse, do woit er allwei wissen wej des is mit der Bewaffnung, weils alle schreim "Kreta ist eine Festung;" dann hon I gsagt: " Lindner pass af, dir dazeji is, Kreta des is koa Festung, de ham koa schwere Artillerie, de ham gar nix de ham blos alles mit Ofarohr und mit Zeich ausgmocht". Dann hot er so gschaut, sagt er „Na volier ma jo den krieag“. Sog I," ja Lindner den volierma". Sogt er: "awa song deafst as net". Dann bin I wieda furt und wir I wieda kemma bin bin I wieda zum Linder ausse. Der Lindner, der Herr Major. Der woit alls wissen. Wej mei Vatta, Des woas e no wej I sérste Moi hoamkemma bin soge „Pappa, dir vozej es“ "Zehadausendmol" sagta "honne ma denkt, dass a so is."

Von meiner Seite kam dann an dieser Stelle die naive Frage, warum er als langjähriger Burschenvereinsvorstand nie Pfingstbräutigam gewesen war.


Bepp: 33 war I Hochzeiter worn, 33 warns doch d`Nazi, mei Vater war doch da größte Gegner vo de Nazi, do konn doch I net an Hochzeita mocha, hon I zum Hoiss gsagt´: "Herr Hoiss vostengands mi, mei Vater is ihr greista Gegner, do konn I doch net an Hochzeiter mocha."
Da hot der Bürgermeister Hoiss einmal zu mir g´sagt "Herr Schödlbauer, sangs mir mal, warum griast mi den ihr Vater net, wenn i eanam Vater grias, er griast mit net". Hon I g´sagt: "Herr Hoiss wej songsn zu eam? Grias God oda wej?" „Heil Hitler“, sog I. "Songs amoi Grias God zu eam, werns seng, dann kimmt er glei ins Schmatzn". A poor dog draf driff I an Hoiss wida. Sagt er "Herr Schödlbauer sie hamm recht I hab nicht Heil Hitler gesagt sondern Herr Schödlbauer Grias God und scho hammaran Schmatz a g´hot aj zwoa". Hon I gsagt "I hons eana ja g´sagt, der sogt net Heil Hitler". "Ja", sagt er, "eitz sieg es ah".

Mei Vater hot net einmal Heil Hitler gsagt so lang er glebt hot
Bettl: Mei Vatta gwiés a net
F. hamm se de zwoa guat vostanna, de zwoa Schwiegerväter?
Bettl: Ja
Bepp: De han ja net vui ´zamkemma. Da Pongratzbeck hot mehr zum Kollmer zong, zu de Junga, mei Vatta is ja scho an oida Mo gwen damals a.
F: Do bist wahrscheinlich eher du z´ammkemma mit deim Schwiegervater
Bepp Ja . i bin guat auskemma mit meim Schwiegervatter. I bin in da Jugend, mim Schwiegervater hon e a mol gsagt: " du fohrst doch alle Samstog af Straubing"? Fragt a "warum"? Soge: " I hätt a Liebe(!) in Mitterfels draus, kannst me net mitnemma"? "No" sagta "fralle , mocht mar ja nix aus". Hot me af Mitterfels, hot me o´glahrt, I hon do draust meine poor hoibe Bier drunga, na isa kemma, hamma wieda hoamg´forn , I hon do drausst mei Liebe g´hot ne. Nand bin I über sei Tochter kemma.

Bepp bezeichnete den abgesetzten Bürgermeister Schödlbauer als den größten Gegner von Hoiss. Im Stadtarchiv haben sich noch zwei Schreiben erhalten, die diese Gegnerschaft untermauern. Beide Söhne Hans und Josef Schödlbauer wurden unabhängig voneinander mit Datum vom 17. Juni 1933 vom Kreisleiter Hoiss (der Kötztinger Bürgermeister Hoiß war gleichzeitig auch Kreisleiter der NSDAP)  beim Amtsgericht angeklagt.  (024/22)

Hochzeit Anna Pongratz und
Dr. Paul Weissenberger
Der eine wegen Ministerbeleidigung (deswegen als Kreisleiter) der andere wegen Beleidigung des 2. Bürgermeisters (daher Anzeige als Bürgermeister). Bei der Ministerbeleidigung wurde sinnigerweise Herr Julius Kirschner als Zeuge aufgeführt. In einem fast zur gleichen Zeit stattfindenden Prozess gegen Dr. Max Hahn - ebenfalls wegen Beleidigung der Regierung - wurde dieser zu drei Monaten Zuchthaus verurteilt. In der Silvesternacht 34 verübte dieser Mann dann in München Selbstmord.
(Zur besseren Zuordnung dieses Sachverhaltes: die Familien Kirschner und Hahn waren jüdische Kötztinger Mitbürger und standen bereits ab dem März 33 unter sich laufend erhöhendem Druck)








Heldengedenkfeier am Kötztinger Kriegerdenkmal
Onkel Paul in der Bildmitte, neben dem Mann mit dem
Blumenkranz. Irgendwie war es ihm möglich geblieben
selbst bei offiziellen Anlässen, bei denen Alle Uniform trugen,
in Zivilkleidung zu erscheinen. 
Photo vermutlich vom Kötztinger Hauptlehrer Josef Bock



























Hochzeit Bettl Pongratz und
Josef Schödlbauer
hier bei der standesamtlichen Trauung
in der Marktstraße


Anna Pongratz, meine Oma, im Garten in der Schattenau

Die beiden Töchter verheiratet und der älteste Sohn gefallen, so blieb ihnen nur noch der jüngste Sohn zuhause, mein Vater. Meine Oma stürzte sich weiter in die Arbeit, kümmerte sich um ihren Garten in der Schattenau und vernachlässigte ihre Gesundheit.
Als ihre Schmerzen dann zu groß wurden und sie sich an einen Arzt wandte, schickte dieser sie sofort nach München, von wo sie nicht mehr lebend zurückkam.


Im April 1947 war es jedoch noch gar nicht so leicht möglich, einen Leichnam von München nach Kötzting zu transportieren. 

F:Es habts es ja dann überführt.
V:Ja  sowieso,  mit am Lastwong ham ses  owagforn, da  Gmeijshandler hots mit owagnumma, da Wintaschneida, af da Bruck hint' om. 47.  da warn ja alle Fahrten reglementiert.

Nun wars schwierig im Hause Pongratz, die beiden Schwestern waren verheiratet und mein Großvater kämpfte bereits mit beginnenden Gesundheitsproblemen (Folge des Alkoholkonsums) 


Um die Jahrhundertwende war Franziska Pongratz, die (viel) ältere Schwester meines Großvaters, als verehelichte Muggenthaler, in die USA ausgewandert. Mitte der 30er Jahre kam das Paar zu einem großen Besuch in die alte Heimat zurück und feierte in großem Stil die silberne Hochzeit. Die Verbindungen untereinander waren nie abgerissen und 

San Franzisko den 22. Oktober 1947

Meine Lieben!

Euren lb. Brief erhalten und danken. Leider wieder so eine traurige Nachricht, Unser innigstes Beileid. Ich kanns gar nicht verstehen, die Anni hat doch immer so gesund ausgesehen. Sie war eine liebe Frau und gute Mutter, das geben wir Euch zum Trost, das ist alles ,was wir thun können. Nun kliebe Kinder seid jetzt recht gut zu Euem Vater und helft ihm wo ihr könnt. Dann wird er ein bißchen leichter darüber hinweg kommen, denn er braucht Euch jetzt und ich bin sicher Annerl. daß du den Haushalt gut führst, denn deine lb. Mutter hat dich früh richtig angelernt und es kommt Dir jetzt zu Gute. Auch Betty und Clemens weden Papa jetzt zu Seite stehen, so wie es sich gehört. Wir haben ein Paket angeschickht vor ein paar Tagen, hoffentlich bekommt Ihr es noch vor Weihnachten und könntet davon dem Ottl (Bäckerei in Straubing) was abgeben. Er hat uns noch nie geschrieben und ich weiß seine Adresse nicht....



Annerl blieb dann zumeist, wie von Tant`Fanny angemerkt,  beim Vater in Kötzting und half aus. Sie selber berichtete von dieser Zeit gesprochen durch den Mund von "da Adelheid", die an Pfingsten des Folgejahres Kötzting besucht hatte: "Amoi is kemma,  do war d`Mamma scho gstorm, z'Pfingsten,  und na hots gsagt: "Des hob i scho gseng,  guat is do net im Haus mit vier Manna "

Die vier Männer waren mein Opa, mein Vater und die beiden Bäcker, die im Burschenzimmer wohnten.
Diese Zeit kurz nach dem Krieg mit all den Beschränkungen, Einschränkungen und der Mangelwirtschaft war natürlich für eine Bäckerei und deren Angehörige relativ leicht zu ertragen. Die Kontrolle über den Tierbestand und die Schlachtungen gingen von der Überwachung im Dritten reich direkt in die strikten Maßnahmen der Militärregierung über.

Aber wer konnte und sich die Nerven zutraute, nahm da seine "persönlichen Abkürzungen", um sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Zum Thema "Schwarzschlachten, Verwurschten und Räuchern hatte mein Vater eine sehr lebhafte Erinnnerung:

V: des mit de Sugln, im Perlhof hammas alweij wieder g'schlacht, na des mou a weng a Irlbeck,  Irrlbeck z'Zeching hint, rechts fohrts am Houa Bong affe und links geijts am Perlhof oi, do is freias sched o so a Pfadweg oweganga, daßt kam mim Auto forn host kinna, so hots de ummanand g'schmissn do hamma allaweil, wenn ma mir oane g'schlacht ham, na hand dohint allaweij no zwoa drei gwen, ah, zum Schwarzschlachten, do hot er as so als so halbwüchsige Kafft, z'Straubing drausst, vom Rohrmeier, Gärtnerei, (dort habe ich eine Generation später mein Praktikum absolviert) do hat er allerweij oi kaft und de hot der dohint weitergfeijdert. Und de han na schwarzg'schlacht worn. Und na hon i mim Auto ,bin i do hintre gforn und hon und do han na in zwoa Broudkea de zwoa Sei einekemma und na bin i hoam gforn damit, laare Kea no einegricht und Brout einegricht worn und na bin i  Viechtach zou gforn. Und vom Greiner Brei z'Viechtach der hots uns na gricht, Wurscht ,Gselchts und so weiter.Und herg'richt alls und gselcht hamma na mir am Schluss selber dahoam.

F: wo habt ihr das Gesellchte gemacht ?

V: im Keller unten,do woust eijtz in't Heizung einegeijst, do hammar a    Seijch g'hot.. und do is koa Zugang gwen sondern a Kamin. Da Kamin is weider drin gwen  do host vom Waschhaus aus geij mejssn und do hot  der Kaminkerher vo do kiert.  Und vo derer Heing(Höhe) is vo der Seijch aus a Loo eineganga. Und na is a Kammerl do gwen ungefähr so grous weij des eijtz is do und a Schier drinner und vom Keja aus hamma g'schiert, ne, und do is dann gseijcht worn drin.und der hot nie gspannt der Kaminkerher daß do a Gselchts drin hengt,der hot nix gschmeckt g'hot. 

 V: I mou aber song mit dem Forn, weij i ummeg'forn bin nach Veijda ,des is vor allem gwen 45ge bis zur Währung,weij ma mehr g'forn san,obar durt glei Ende Greij zou , do hamma net so oft umme, do is uns scho zu gferlich gwen. 

F: Aber zong habts es es herin?

V:Na am Perlhof, de Veijcher host ja ogem(angeben) meissn , ne, de ham zwoa Sau Steij g'hot, aoner do sans, wenn Viechzählung gwen is, do host net song kinna " I hon 7 Hehner wenn 8 ummanand rennand." Sondern do mousst 8 Hehner und an Gickl o'gm. Weis scho wega de Oier gwen is. Und d'Sugln a und do hams zwoa Saustoi  steij g'kot. Oan vasteckt und an normalen. Des sand de gwen, de wou o'gem gwen sand de hams alle oliefern meijssn und oane hams als Hausschlachtung d'Bauern g'reijgt. Ne, oba de andern, de wou do ernt gwen san de hams dann, wenns hausschlachtung greijgt ham, dann ham no zwoa droglaum meijssn, vo de andern.Wei dann geijts aff oan Schrei o. Wei d`Sei hamm ja freijas g'schriern, wennses daschlong ham ,also affeg'haut, eitz daschuissnses  ja, eitz herstas ja nimma. Ja und dohint, des is vollkommen abgleng und wenns a Sau gschriern hot wennses net gscheid affeg'kaut ham, des hot koa Mensch g'hert.Ne,.......

Ab 1947  war es also ein Männerhaushalt mit familiärer Zugehfrau. Mein Vater war nun der neue Juniorchef und in der turbulenten Nachkriegszeit dann schon bald mit Führerschein unterwegs - siehe oben die Schwarzschlachterei. 

In zunehmendem Maße musste mein Vater stärker in die Verantwortung treten, dies umso mehr, als sein Vater, gesundheitlich angeschlagen (Folgen des fast lebenslangen Alkoholmissbrauchs) ja noch im Marktgemeinderat saß und aufgrund seiner bekannten Gegnerschaft zum Naziregime als Beisitzer in der Spruchkammer bestimmt worden war.  Aus eben diesem Grunde, der Gegnerschaft,  wurde er bei vielen Verfahren, bei denen er nicht mitzuwirken hatte, als Zeuge vernommen. Auch von diesem Amt bat er dann, aus gesundheitlichen Gründen, Abstand nehmen zu dürfen.
Auch wenn mein Vater in zunehmendem Maße immer mehr das Geschäftliche führen musste, der Chef war noch für lange Jahre mein Opa, und so hatte mein Vater gleichzeitig noch viele Freiheiten, bevor  dann mit Ehefrau, Meisterschule und Betriebsübernahme der Generationswechsel vollzogen worden war.


Pfingsten im Hause Pongratz

Zu Pfingsten 2021 werde ich einen langen, sehr langen Bericht über das Pfingstfest 1951 verfassen. Um mich nicht einfach zu wiederholen, hier also nur ein paar Stichworte und Bilder.

Schon von klein auf, besorgte mein Großvater für meinen Vater ein Ross für den Pfingstritt,  einige Bilder haben sich davon erhalten.

vermutlich um 1937




Mitte der 40er Jahre




1948 war er dann Brautführer beim Dattler Buberl und von diesem Pfingstfest haben sich sogar einige Filmaufnahmen erhalten, doch zuerst das Bild von der Bewirtung im Elternhaus des Bräutigams.

Diarepro Arbeitskreis Heimatforschung, Danke an Frau Rabl Dachs und Frau Kretschmer, die mich immer schnell mit passendem Bildmaterial versorgen. Rechts oben, der Priester mit dem exakten Haarscheitel, ist Pater Augustin Böttcher, ein großer Förderer der Kötztinger Jugend, ein Kooperator, der sich standhaft geweigert hatte - so wurde mir berichtet - am Pfingstritt teilzunehmen.  von links: Graßl Richard, Dattler Buberl, Pongratz Clemens, Frau Dattler, Herr Dattler, Pater Augustin, Pfarrer Dietl, Kooperator ?, Winter Hans


Im ersten Film geht´s um einen Besuch des Pfingstbrautpaares bei einer privaten Feier.
Das zweite Video zeigt den Burschenzug im Jahre 1948


Nun, im Jahre 1951 wurde er dann selber zum Pfingstbräutigam vorgeschlagen, aber dazu gar nicht befragt, denn, ich weiß von meinem Vater, dass er von der sogenannten Viechtacher Tour - die Belieferung unserer Wiederverkäufer war in Touren eingeteilt-  nach Hause gekommen war, und im Wohnzimmer seinen Vater und den Herrn Pfarrer Dietl vorgefunden hatte. Damit war die Sache erledigt und er der Pfingstbräutigam. von 1951. Seine Begleiter fand er im direkten Freundeskreis. 
Offensichtlich waren vorher einige "Vorschlagslisten" durchgefallen, denn die Zusage war schon sehr nahe an Pfingsten herangerückt, zu nahe, um die üblichen persönlichen Einladungen auszusprechen. 

In diesem Jahre aber war die Entscheidung zu spät, also nur ganz knapp vor Pfingsten gefallen, so dass die Einladung und die dazugehörige Erklärung, warum in diesem Jahre anders verfahren würde, durch die Presse erfolgte.


Das Pfingstfest 1951 wird im Rahmen der 1951er Jahreschronik ausführlich behandelt werden. 
Hier nur ein paar Bilder, die die wichtigsten Stationen zeigen.
Photo Stadtarchiv:  der Ausritt: 
von links Ehemann Siegfried - Clemens Pongratz - Georg Gress
Der Blick der Zuschauer links unten und die Blickrichtung von Siegfried Ehemann geht vermutlich in Richtung auf das Fenster, von dem die Pfingstbraut wohl herunterschaut.
Kranzlübergabe
Bewirtung der Ehrengäste im elterlichen Wohnzimmer, nun Teil des Restaurants "Die Tomate"
Das Pfingstbrautpaar des Jahres 1951 vor dem Elternhaus der Braut des Vorjahres. 


Seine beiden Brautbegleiter waren sehr enge Freunde von ihm und zusammen schufen sie, mit Siegried Ehemann als dem Regisseur einen Stummfilm: "Ist die Hausfrau aus dem Haus."
Diesen Film habe ich im Jahre 2020 bereits in einem Blog vorgestellt: >>>>>> hier der Link

Ich bin mir gar nicht so sicher, ob mein Vater - hätte er freie Wahl gehabt - das Amt des Pfingstbräutigams angenommen hätte - wie oben angeführt, war die Sache in seiner Abwesenheit zwischen Vater und Pfarrer entschieden worden -, da er zu dem Zeitpunkt bereits fest mit meiner Mutter liiert und diese Verbindung so gar nicht im Sinne seiner Schwestern gewesen war.

Mein Großvater stand sofort und von Anfang an hinter seiner Schwiegertochter, aber der Standesdünkel der Geschwister war eine große Hürde.
Dabei war das Gefühl, diese Verbindung wäre eher eine Mesalliance, durchaus auch von der anderen Verwandtschaftsseite vorhanden.


Hier nun der andere Großvater, die Familie meiner Mutter: 




Dazu ist es notwendig, auf ihre Abstammung,  respektive auf ihren Vater zu blicken.
Meine Mutter, Inge Renate Geerdtz, war die Tochter 2. Ehe eines preußischen Gardeoffiziers, der nun, als Oberst aD, in Regensburg zusammen mit seiner Haushälterin - meiner Tante Lene - lebte.
Einschub:
Auch wenn es den Eindruck macht, ich hätte besonders viel geschichtliches Material von der Seite der Kötztinger Familie erhalten, so ist das in Wirklichkeit sehr wenig, im Vergleich zu der Menge an Dokumenten, Bildern und Briefen, die sich von und über meinen Großvater mütterlicherseits erhalten haben, da er - zusammen mit 4 weiteren preußischen Offizieren - der erste Militärflieger Deutschlands gewesen war und diese Anfangszeit der militärischen Fliegerei nicht nur gut dokumentiert ist, sondern er auch noch zeitlebens ein "Vielschreiber" mit Karten und Briefen gewesen ist.
Einschub Ende
Ich versuche mal in Kürze die äußerst abwechslungsreiche Biographie meines Großvaters zusammenzufassen

chin. Drachenorden
Franz Geerdtz, mein Großvater, wurde geboren 1877 in Berlin als ältestes Kind eines Baumeisters/Architekten, der selber aus Kiel in die aufstrebende Hauptstadt Deutschlands zugezogen war und aus einer Goldschmiedefamilie stammte. Mit weniger als 18 Jahren tritt er als Kadett der kaiserlichen Marine bei und ab geht´s mit dem Kadettenschulschiff SMS Stein auf große Fahrt nach Asien. (Dies bringt ihm als Auszeichnung den chinesischen Drachenorden ein, der zwar gut aussieht, aber sich nie in seine Ordensspange einfügen ließ)




Im Jahre 1897 dann weg von der Marine und als Fähnrich zum Füsilierregiment Graf Roon, ganz weit draußen in Ostpreußen. 1902/3 wechselt er zum Eisenbahnregiment 1.  Dies klingt zuerst einmal ganz unspektakulär, aber erstens gehörte dieses zum Gardekorps und zweitens spielte hier die Musik der technischen Entwicklung.
Er kommt zur Luftschifferabteilung
Vor dem Abmarsch aus dem Lager Munster. Gruß Franz

Oben abgebildet ist der Parcival Lenkdrachen. Mit Zeppelinen und Fesselballon - als Festungsflieger -,  mit all diesen Geräten wird geflogen und geübt. 1903 berichtet er auf einer Postkarte, die er von einem Fesselballon abgeworfen hatte und die an seinen Vater gerichtet war, von erfolgreichen Versuchen mit der drahtlosen Telegraphie bereits über 20 km.
Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass die Offiziere in Preußen erst ab einem Rang eines Majors von ihrem Gehalt hätten leben können und daher auf eine "gute" Heirat angewiesen waren, um ihren standesgemäßen Lebensstil leben zu können. Jedenfalls machte es mein Opa genau so und suchte sich eine Berliner Bankierstochter und Kammersängerin als Frau und lebte fortan gediegen und herrschaftlich von  dem monatlichen Scheck seines Schwiegervaters.  (so sagte es meine Mutter).
Hier die erste Frau meines Großvaters in der gemeinsamen Wohnung.in Berlin. Die hässliche Schnörkelvase und die rechts oben im Profil angeschnittene Büste kenne ich noch aus der Wohnung meiner "Tante" in Kötzting.
Man ging für viele Wochen auf Weltreise, spielte Golf und fuhr zum Skifahren in die Alpen. Den Sommerurlaub verbrachte man ganz patriotisch auf Helgoland.
Nun begann die militärische Führung Preußens den Wert der neuerfundenen Flugtechnik "Schwerer als Luft" zu schätzen und suchte eine Mannschaft, die in Döberitz sich an den neuen Apparaten schulen lassen würde. Zivile Piloten gabs natürlich bereits seit einigen Jahren, aber eben noch keine militärischen. Dieser Job war - selbstverständlich-  anfangs ausschließlich Offizieren vorbehalten und so suchte man bei den "technischen Versuchstruppen" nach freiwilligen Offizieren.
Unter der Leitung von Hauptmann "de le Roi" trainierten die angehenden Piloten in Döberitz und dort machte mein Großvater im September 1911 seine Flugprüfung auf einem Farman-Apparat.
Von diesem ersten Allein- und Prüfungsflug gibt es sogar eine Aufnahme im Familienalbum

Und in einer Serie nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet der STERN über die Anfänge der deutschen Fliegerei:
Mein Großvater ist der zweite Offizier von links.


Und so gings munter weiter, Kaisermanöver, Langstreckenerprobung, Wettflüge, Teilnahme an der Weltausstellung in Mailand, Empfang bei König Emanuel von Italien, Orden und Auszeichnungen.
Der Höhepunkt war dann offensichtlich eine Spionagefahrt nach Frankreich, noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Im Militärarchiv in Freiburg ist darüber ein Akt vorhanden, den ich nur noch nicht Lust und Zeit gehabt habe einzusehen, weil ich die Eckdaten ja eh weiß. 
Ich muss die Leute dort mal mit meinen Bildern dazu ködern, damit sie mir die Unterlagen kopieren, denn ich habe Bilder und Notizen von dieser Fahrt.


Notizen über die französischen Flugmaschinen
und die Piloten. Vermutlich wurde er sogar
offiziell als deutscher Pilot empfangen und 
herumgeführt, man war ja gentlemenlike unter
Piloten.

Hier das - aus der Hüfte und verdeckt neben
einem Auto geschossen - Bild des
französischen Militärflughafens Buc











Als Folge davon gabs Orden vom König von Sachsen, einen Empfang beim Kaiser und die Beförderung.

Beim Ausbruch des WKI war er Kommandant einer Feldfliegerabteilung der 2. Armee und überträgt man seine Feldtagebucheintragungen auf eine Karte,  kann man ersehen, wie diese Armee versuchte, den Schlieffenplan umzusetzen und wie danach mit der Marneschlacht scheiterte. 
1915 war er dann mit seinen Fliegern - er flog auch noch selber damals - Teil der Heeresgruppe Mackensen, die Österreichs Ostflanke, nach der Zerstörung großer Teile der österreichischen Armee durch die Russen, mit einen Angriff auf Serbien sichern sollte. 

 Siegelmarke 

An der griechischen Grenze wurde er abgeschossen und lange nicht gefunden.
Danach gings weiter - verletzungsbedingt -ins Kriegsministerium, wo er zum "Beauftragten der Luftstreitkräfte" (siehe sein Dienstsiegel) aufstieg.

Ausschnitt aus einem Buch über
den Ingenieur Fokker Anton
 
Dem Ingenieur Focker lieh er bei einer Versuchsvorführung von dessen Erfindung - das BordMG mit der Propellerumdrehung so zu synchronisieren, dass durch den laufenden Propeller hindurch geschossen werden konnte- seinen Uniformmantel - siehe nebenstehendes Bild.
Dies sollte verhindern, dass Fokker, sollte er auf Feindesland notlanden müssen, nicht sofort als Zivilist, der er ja war, erkannt werden konnte, den man sofort hätte erschießen dürfen.



























Nach dem Krieg wurde er nicht gleich entlassen, sondern war dafür zuständig, die nach den Versailler Verträgen vorgeschriebene vollständige Vernichtung und Demobilisierung der Deutschen Luftwaffe zu überwachen. Als die Aufgabe beendet war, war er geschieden und bereits zum zweiten Male verheiratet. Seine neue Frau kam aus Halle an der Saale und war wesentlich jünger als er (23 Jahre jünger).
Wohnungseinrichtung Anfang der 1920er Jahre. Alle mit Pfeil gekennzeichneten Objekt befanden sich bis Ende der 80er Jahre als Ensemble in einer Wohnung meiner Tante in Kötzting - zum Teil in einer identischen Aufstellung. Die größte Anzahl dieser Objekte befindet sich  immer noch in Familienbesitz.
Der "griechische Läufer" auf der Säule im rechten Bildhintergrund wurde - es war ein politisch unverfänglicher Preis für den Gewinn eines Langstreckenfluges - durch Angehörige der neu gegründeten Bundeswehr in den 50er Jahren bei uns in Kötzting abgeholt.  

Der Bubi 
Mein Mutter erinnerte sich, dass am Arm - diese Figur hieß bei der Familie nur "Der Bubi" -  eine Wäscheleine befestigt wurde und quer den Raum gespannt dann benutzt werden konnte. Nach Gründung der Bundeswehr hat unser Großvater diesen Preis, der ja von den Nazis unbelastet war und einen Preis für eine fliegerische Leistung darstellte, der Bundeswehr zu Verfügung gestellt. Mutter erinnert sich daran, wie er von Offizieren der Luftwaffe abholt worden ist. Auf dem Fuß der Statue steht: Prinz Heinrich Flug 1914 Ehrenpreis des königlich preußischen Kriegsministers. Bei diesem "Prinz Heinrich Flug 1914" hat mein Großvater ziemlich viele Preise eingeheimst. Laut Aussage meiner Mutter stammt die Figur 
von Max Kruse, dem Ehemann von Käthe Kruse. Eine kleine Recherche im Internet ergab, dass diese Plastik wohl in sehr vielen Exemplaeren und Größen existiert und den Marathonsiegläufer in der Schlacht bei Marathon darstellt. Den Hinweis an die Bundeswehr, bzw der Stifter dieses Preises war wohl Mutters Bruder Klaus, der, bei einem Vergleichswettkampf der neugegründeten Luftwaffe in der Bundeswehr, die Figur als Preis auslobte und dann einfach bekannt gab: :"den können Sie bei meiner Schwester abholen"


PH Flug von 1914
Preis des Kreises Verden 

Luftschifferbataillon
 PH Flug 1914 
Preis des Großherzogs von Hessen


Emblem der obigen Gondel der Festungsflieger
von 1909

In den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts waren Pokale noch Schmuckstücke, die Blechpokal meines Vaters vom Kötztinger Geflügelzuchtverein aus den 80ern sind alle im Wertstoffhof gelandet, wobei man fairerweise den Kötztinger Geflügelzuchtverein nicht unbedingt mit dem Großherzog von Hessen vergleichen sollte...... 

Ordensspange Hauptmann Franz Geerdtz, viele davon bereits aus der Zeit von vor dem Ersten Weltkrieg, aus der Frühzeit der militärischen Fliegerei. 



Dies ist nur ein kleiner Auszug aus der militärischen Karriere meines Großvaters bis 1921, der, nach einer Periode als Zivilist, sich dann von der Wehrmacht wieder aktivieren ließ, 1938 als Kommandant des Obertraublinger (Messerschmidtwerke)  Flughafens beim Anschluss des Sudetenlands beteiligt war und sich dann am Ende seines Soldatenberufslebens als Hotelkommandant (und Standortältester, vermutlich bei weitem) in Alassio in Italien um das Wohlergehen der urlaubenden Frontsoldaten kümmern durfte. Nach dem Zusammenbruch der italienischen Front, wurde er gerade noch rechtzeitig mit einem Zwieseler Storch ausgeflogen  und sofort danach, noch mitten im Krieg,  aus Altersgründen pensioniert und noch schnell zum Oberst befördert..
Seine 2. Ehe war bereits seit 1930 geschieden, er aber hatte sich sehr um seine Tochter gekümmert, die über Königsberg dann in Halle a.d. Saale bei ihrer Oma gelandet war, als die Mutter 1940 an einer Lungenentzündung gestorben war.
Als nun Halle ins Zentrum von Luftangriffen rückte, holte er sie zu sich nach Regensburg, in der Hoffnung, sie dort sicher zu haben. 
Sie kam allerdings vom Regen in die Traufe, weil sie im Sommer 44, beim Baden auf der Regensburger Schillerwiese war, als die Alliierten die Messeschmidtwerke in Prüfening bombardierten und sie und ihre Freundin schutzlos im freien Gelände dem Bombardement gleich daneben zusehen mussten.
Im April 1945 machte meine Mutter im Von- Müller- Gymnasium ihr Notabitur, was aber nach dem Krieg nicht anerkannt wurde. Nun war es leider so, dass mein Großvater zwar nie Oberst gewesen war, sondern dies nur ein Ruhestandsrang war, aber alle Offizieren vom Oberst aufwärts erhielten zuerst einmal keine Pensionen nach 1945. 
Also hieß es Geld zu verdienen für die Familie und nicht das Abitur nachholen. Mutter ging auf eine Sprachenschule, wurde eine geprüfte Übersetzerin und arbeitete bei der Post in Regensburg und wurde von dort turnusmäßig in Grafenwöhr bei den Amerikanern eingesetzt.
Als es darum ging, für Kolleginnen eine Schwangerschaftsvertretung zu machen, hatte sie mehrere Möglichkeiten und entschied sich zufällig für Kötzting und für die Arbeit als Telefonistin in der Postvermittlung. Bereits Tags darauf wurde meinem Vater von dem neuen hübschen Fräulein vom Amt berichtet, knüpfte - nach Aussage meiner Mutter - etwas ungeschickt, weil nicht nüchtern, einen ersten Kontakt an und seit der Zeit, bis zu seinem viel zu frühen Tode, waren die beiden ein unzertrennliches Paar.
Mein Großvater mütterlicherseits war über den Bäckerssohn ganz hinten im Bayerischen Wald, auch etwas skeptisch und verlangte von ihm zumindest einmal zuerst seine Meisterprüfung zu machen, was mein Vater auch machte.

Für ihre Enkel beschrieb  meine Mutter Teile ihres Lebenswegs, der von Berlin aus nach Halle a.d. Saale und Painten in Bayern führte, in Form einer gar nicht so kleinen Autobiografie. Von Painten aus gings in die ganz andere Ecke das damaligen Deutschen Reichs, nach Königsberg und von da aus wieder zurück nach Halle; dann folgte Regensburg, Grafenwöhr und eben Kötzting. 

Hier ein Auszug aus ihrer umfangreichen Zusammenstellung:
Die Ankunft in Kötzting im Januar 1950 und der Dienstbeginn:


Da ich ledig war und in Kötzting am dringendsten gebraucht wurde, wegen Unstimmigkeiten wegen der Militärregierung und der CIC mit der Vermittlung [siehe die Schlussbemerkung], entschloss ich mich nach Kötzting zu gehen. Dann war es schon Dezember 1949 und auf einmal bekam ich das Angebot nach Waldmünchen, Cham oder Kötzting als englisch-sprachige Fernschreiberin oder in die Vermittlung dorthin zu gehen. Nach Kötzting sogar als zusätzliche Aufsicht!
Also fuhr ich am Sonntag den 3. Januar 1950 nach Kötzting und trat meinen Dienst an. In Regensburg war mir gar nicht bewusst wie „unmodisch“ ich angezogen war. Noch dazu hatte mein Vater mir geraten da hinten das alte Zeug aufzutragen und meine „besseren“ Sachen in Regensburg zu lassen. Ich hatte also meinen Flüchtlingsmantel aus einer Amidecke und karierten Stoff, gemixt von Tante Lene, an und stand mit dem schäbigen Koffer mittags um 12 Uhr am Bahnhof. Mich traf fast der Schlag als ich die Kötztinger Bürger sah. Wie in einem Film spazierten vor meinen Augen elegante Leute auf und ab in Pelzmänteln und Kostümen im New Look . 

Ich stülpte meine Kapuze über den Kopf und fragte jemand nach dem Postamt. Nun sah ich auch warum die eleganten Leute in der Bahnhofstrasse spazierten. Die Geschäftsleute hatten Postschließfächer und Sonntags kam noch die Post. Sie holten diese ab, um zu Sehen und Gesehen zu werden.
Ich meldete mich im 1. Stock im Postamt beim Postmeister Kaufmann und wurde sofort zum Nachtdienst eingeteilt. Mein Zimmer war beim Schötz, Herr Hofmann zeigte es mir, es waren die zwei Stüberl von dem Winterschulfräulein und nur vorübergehend. Es war eiskalt zwar zum Heizen, aber nicht zum warm kriegen.
Pünktlich um 20 Uhr ging mein Dienst los, alles Handvermittlung wie in Grafenwöhr. 11 Stunden! Meine Vorgängerin zeigte mir das Telefonverzeichnis und die wichtigsten Nummern und ließ mich alleine, es war Pemmerl Loni, sie wohnte in Hohenwarth und musste mit dem Zug heimfahren. Als erstes schaute ich mich in dem abenteuerlichen Zimmer um und fand es wie auf einem vorgeschobenen Posten. Alles war selbst zu machen, das sollte ich noch erfahren bei Gewitter und so. Von Hausnamen hatte ich in Regensburg nie was gehört. Man sagte nicht „Pfeffer“ sondern Achtler Franz. Der Amberger war der „Spitze“, usw. Ich routierte schon nach kurzer Zeit, bis ich von einem Teilnehmer aufgeklärt wurde. Hier wusste auch keiner Nummern. Gib mir mal die Baywa oder gib mir die Sparkasse. Am Morgen, ganz geschafft, nahm ich erst mal ein Telefonverzeichnis mit, um mir die Teilnehmer und Nummern einzuprägen. Außerdem ließ ich mir von der Ablösung diejenigen sagen die einen Hausnamen hatten. Die Schränke in der Vermittlung waren so hoch, dass man die Klappen im Stehen mit einem Holzsteckerl hochdrücken musste. Oft blieben wir gleich stehen wenn viel Betrieb war. Die 2er Anschlüsse waren noch eine Etage höher, da brauchte man einen langen Stock oder musste auf einen Stuhl steigen und sie Klappen hochzubringen. Wenn Gewitter war fielen gleich reihenweise Klappen runter und man musste Abfragen ob es sich um einen Anruf handelte oder um eine atmosphärische.

Kötztinger Postchef Kaufmann
mit 3 Kolleginnen beim Kötztinger
Postamt

Meine Kolleginnen: Scheuerlein Lenerl, Pemmerl Loni, Poeschl Maria, Wagerer Marianne, später da noch Blöchl Käth für die Marianne. Ich hatte auch die Telegrafie unter mir und musste den Springschreiber bedienen. Die Gesprächsblätter von Arnbruck , Hohenwarth, Rimbach und Lam nachrechnen und gegebenenfalls die Zonen korrigieren.
Das war eine Scheissarbeit. Fuer den Schalter mussten wir die Listen im Kopf nachrechnen, die Rentenkarten schreiben und die Postbücher mit geänderten Vorschriften mit Mehlpapp überkleben. Das alles wurde nebenbei im Nachtdienst gemacht. Wir hatten zwar einen Liegestuhl aber wir mussten ja Tag und Nacht am Klappenschrank sitzen. Trotzdem beeilte ich mich oft, hatte meine Kopfhörer zum Arbeiten auf ,strickte und las, alles zusammen wenn es gegen 12 Uhr ruhiger wurde.
Aber es war eine schöne Zeit, wir haben uns gut verstanden und uns gegenseitig geholfen.
Mit den Amis hatte ich keine Probleme. In kürzester Zeit hatte ich den besten Kontakt zur Militaerregierung und der CIC und es gab keine Beanstandungen mehr.
Aber meine Unterkunft beim Schötz. Das Wasser fror mir in der Wasserkanne wenn ich mich früh waschen wollte, das Bett war immer klamm und ich wurde nachts nicht warm.
So kam es, dass ich krank wurde und musste ins Krankenhaus. Der Arzt hat mir dringend zu einer warmen Unterkunft geraten und ich fand beim Kollmeier ein winziges Zimmer mit 4 Rippen Heizung bis ich dann beim Ederer Mich ein Zimmer bekam. Beim Kollmeier zahlte ich pro Tag eine Mark, aber ich musste in meiner Freizeit ein Bißchen mithelfen. Für Karl und Sepp Hemden bügeln usw. 




Die familiären Hintergründe meiner Eltern konnten unterschiedlicher nicht sein. Hier der rustikale, aber finanziell gut saturierte Handwerkerhaushalt mit einer Männerwirtschaft und dort ein städtisch großbürgerlich geprägter Haushalt mit einem Familienoberhaupt, dessen Lieblingsbeschäftigung es war, Aphorismen zu sammeln und diese dann in abgewandelter Form als die seinigen und als eigene Lebensweisheit auszugeben, und ansonsten aber noch mit beiden Beinen im Kaiserreich stand.
.

Nun also führen die beiden so unterschiedlichen Lebensläufe und Familienhintergründe dauerhaft zusammen:


Clemens und Inge Pongratz



Nachdem die turbulenten Pfingsttage 1951 vorüber waren und diverse Angriffe der Schwestern abgewehrt werden konnten, heirateten die beiden mit dem Segen ihrer Väter im Sommer 1952. 
im Hintergrund ihr Vater, Franz Geerdtz

Natürlich musste meine Mutter damals zuerst einmal katholischen Religionsunterricht beim Pfarrer Dietl nehmen und anschließend konvertieren, so waren die Zeiten damals.

Hier ein Gruppenbild der Kötztinger eleganten Nachtschwärmer im Winter 1952,
meine Eltern vorne Bildmitte

Auch in der Bäckerei kam es nun zum Generationswechsel.

Nach dem Auszug der Familie Weissenberger zuerst nach Cham und dann nach Straubing, wurde der erste Stock des Gebäudes frei, und diesen bezog nun das junge Paar und ihr Wohnzimmer wurde zum Partyraum bei vielen Einladungen, die vor allem aus amerikanischen Soldatenfamilien bestand. 
"work hard and party hard" war sicherlich Teil ihrer Lebensphilosophie in der 50er und 60er Jahren.

Dies war der permanente Ruhestörer
Sonntagnachmittag, mit dem 
aufgeschlagenen Orderbuch am Stehpult

Eine Bäckerei mit Wiederverkäufern zu betreiben, war ein 7-Tage-Job, da neben der normalen Arbeitswoche von Montag bis Samstag, dann ab Sonntag Nachmittag die telefonischen Bestellungen bzw. Änderungen der normalen Liefermengen einliefen und ab Spätnachmittag dann der Sauerteig zum morgendlichen Brotbacken angesetzt werden musste. Zum Feiern blieb dann nur noch der Samstagabend und dieser wurde genutzt.


Durch die Dolmetscherausbildung meiner Mutter, ihrem Aufenthalt in Grafenwöhr und die permanenten Kontakte mit der Militärregierung und dem CIC waren in diesen Jahren die engen und freundschaftlichen Kontakte mit amerikanischen Soldaten die logische Folge; Kontakte, die lebenslang gepflegt wurden und zu vielen gegenseitigen Besuchen führten.

Nun, als junge Erwachsene aber stand das Feiern im Vordergrund und dies wurde ausführlich genutzt sowohl bei uns im Haus als auch - die Militärregierung hatte sich aus Kötzting nach Cham zurückgezogen - in Cham.

Hier mit Bob und Shirley Karaffa vom CIC im Randsberger Hof in Cham, ein "Cognacerl" immer mit dabei.


Ähnlich wie bei den Wohnzimmerdetails meines Großvaters haben sich auch einige Memorabilia
aus dieser Wohnung erhalten und werden in Ehren gehalten

Aus dieser Zeit stammt auch eine respektable Sammlung von Schallplatten - sowohl Schellack mit 78 rpm als auch Singles mit 45 rpm - von Elvis, Pat Boone, den Platters usw. Diese Platten wurden von den amerikanischen Gästen in deren PX Läden gekauft und als Geschenke mitgebracht. 
Leider, leider dienten diese Schallplatten damals als Party- und Tanzmusik - und nicht zu Sammlungszwecken - und, um nicht immer aufs Neue eine Platte auflegen zu müssen, hatten meine Eltern bereits einen Plattenwechsler und deshalb wurden die Scheiben "nackig" in einen Ständer gestellt und die dabei eher lästigen Plattencover irgendwann einfach entsorgt.

Meine Eltern konnten Arbeit, Party und Familie - mein Großvater lebte ja schwerkrank noch für einige Jahre ebenfalls mit im Haus und die Bäckerburschen mussten versorgt werden -  recht gut und mit viel Energie unter einen Hut bringen. Wie bei anderen jungen Paare auch, wurde Samstag gefeiert ob zu Hause oder auswärts, ich kenne jedenfalls diese Musik der 50er Jahren recht gut aus meiner Kindheit im Hintergrund als Einschlafmusik. 
Nun, die Familie wuchs, und von den ersten Kinderbildern - unabhängig von den gestellten Pflichtbildern - haben sich einige erhalten, die den schäbigen "Bauzustand" des Gebäudes, vor allem im Hinterhof, dokumentierten.


Ich habe mir lange Jahre - zum Spaß -  anhören müssen, dass das einzige Bild, das sie von mir machen konnte UND auf dem ich zumindest lächelte, das mit dem schrecklichen "Berliner" Hinterhof gewesen wäre, das sie nun eher schlecht an ihre Verwandtschaft schicken konnte.

Für mich und für meine Häuserchronik sind dieses Bild und das nächstfolgende die einzigen, die das alte Rückgebäude abbilden. 
Leider - damals machte man noch Kontaktabzüge - haben sich die Negative des Bildes von meiner Schwester - vor dem Kinderfestzug - nicht erhalten. Eine bessere Auflösung war daher nicht möglich, vermutlich war das Bild selber unscharf.
Das Wichtigste ist im Hintergrund erkennbar.

das ganze Rückgebäude inkl. Hasenstall, Taubenschlag beim Holzbalkon, Garagen und
gleichzeitig früher auch Kohlelager - vor dem Umbau des Backofens auf Ölbefeuerung.



 

Mit der Geburt meiner Schwester war dann die Bäckersfamilie komplett, leider konnten die beiden Großväter ihre Enkel nicht mehr lange erleben, kurz hintereinander verstarben beide.






 
















1957 verstarb mein Kötztinger Großvater und noch an Weihnachten desselben Jahres hatte uns mein Regensburger Großvater besucht, aber schon 2 Monate später verstarb auch er.

Weihnaschten 1957 in Kötzting

Nun war die Familie also auf sich alleine gestellt und ungefähr ab diesem Zeitpunkt setzen auch meine eigenen Erinnerungen an das Leben in einer Bäckerei ein. Bereits 1952. also im Jahr, nachdem er Pfingstbräutigam gewesen war, musste mein Vater, nachdem er 17 mal in Folge am Pfingstritt teilgenommen hatte, passen, weil die Arbeit vorging. 

Hier Lothar Brandenburg, ein damaliger (1967) Freund und Zeitsoldat in der Kaserne
in Kötzting, der beim Semmelzählen aushalf.



Pfingsten stand vor der Türe und die Fischbraterei Hahn und manchmal das Bierzelt hatten Semmeln bestellt - dafür mussten die Teigwaagen umgestellt werden, denn diese Kunden wollten extra kleine,  leichte - und daher natürlich auch billigere - Semmeln haben, die sie dann besonders teuer verkauften. Auch am Pfingstmontagmorgen hieß es dann Semmeln ausbacken auf "Teufel komm raus", diese zum Abkühlen in den Vorraum stellen, abzählen und dann zu 150 Stück in Säcke abzufüllen. 
Noch während des Ausritts wurde die Ware dann auf den Volksfestplatz geliefert, damit dort der Umsatz auch rechtzeitig starten konnte. Da ja immer mehr Semmeln produziert wurden, als bestellt - man brauchte ja immer auch alte Semmeln für das Knödelbrot - und dies die Besteller auch vermuteten, kam dann am Spätnachmittag wieder regelmäßig der Anruf, ob man noch Semmeln nachliefern könne. 
Dieses "Semmeleinzählen" ist auch die erste Tätigkeit, für die meine Mithilfe irgendwann auch gesucht war, auch das abendliche "Knödelbrotschneiden" - siehe oben, die Semmeln mussten ja zuerst einmal hart werden - blieb mir häufig über, nachdem sich meine Schwester praktischerweise gleich Anfangs in den Finger geschnitten hatte und nicht mehr an diese gefährliche Maschine wollte.
Noch vor meinem Einsatz als Fahrer, kam dann Freitag nachmittags der Einsatz bei den Schwarzwälder Kirsch Torten. Diese konnten - wegen der Sahne - nicht in der viel zu warmen Backstube gemacht werden. In der Küche hatten wir eine lange Bäckertafel, auf der morgens die Bienenstichstücke gefüllt wurden - aus demselben Grund - und vor dem Wochenende eben die Torten. Meine Mutter und ich hatten dabei eine gute Arbeitseinteilung. Mein Job war das Schneiden der Böden und das Füllen der jeweiligen Schichten, während sie dann die "Außenverkleidung" und die Verzierungen machte. Aus dieser Zeit stammt meine Abneigung gegen Sahnetorten.
Nachdem ich meinen Führerschein machen durfte, kam es dann zur Arbeitsteilung zumindest an  Wochenenden, da ich dann einige Touren übernehmen konnte.
Unabhängig von dieser mehr oder weniger umfangreichen Mithilfe, war vor Allem das Mitfahren auf diesen Touren, schon als Kindergartenkind für mich Abwechslung pur.
Erstens kannte ich ja alle Kunden, zu denen man offensichtlich früher als Handwerker und Lieferant eine wesentlich engere Beziehung hatte, als man es heute mit einem anonymen Ausfahrer vermutlich hätte. Meine Eltern wurden zB regelmäßig als Firmpaten für Kinder unserer Kunden geworben. 
Zweitens waren die meiste Kunden kleine Lebensmittelhändler und so fiel das eine oder andere dabei an Süßigkeiten für mich ab.
Drittens gab es dann noch ganz spezielle Kunden - davon später bei unserer Menagerie.
Viertens durfte ich im Sommer bei der Nachhausfahrt auf der Ladefläche sitzen.
Fünftens, im Winter sind wir häufig - mit Ansage - im Schnee steckengeblieben.
Sechstens, als die Dittrichbauten nach dem Kasernenbau erstellt worden sind und mit vielen  Soldatenfamilien belegt waren, bot mein Vater einen Frühstücksdienst an. Nach Bestellung wurden abgepackte Semmeltüten vor den Haustüren abgelegt, um 7 Uhr früh.
Diese Lieferung an "Backwaren" habe ich mir dann als Fahrschüler ins Gymnasium nach Cham für eine gewisse Zeit auch zu eigen gemacht, bis meine Eltern meinen "Nebenverdienst" spitz bekommen haben....
Bei manchen Kunden warteten regelmäßig Personen, die wussten, dass mein Vater zu gewissen Zeiten täglich vorfuhr und die ihn selbstverständlich wie mit einem "Busfahrplan" in ihr tägliches "Bewegungsprofil" miteinbezogen.
Der Kasernenbau in Kötzting, mit dem Zuzug vieler Zeitsoldaten, die hier auch wohnten,  brachte meinen Eltern nun Ersatz für ihre amerikanischen Freunde, die, nach weitgehendem Rückzug der Amerikaner aus der Fläche hinein in ihre eigenen Kasernen und Truppenübungsplätze, mittlerweile alle wieder daheim in den USA waren. Dies ging ganz schnell und fast automatisch, da mein Vater nach einer Ausschreibung den Auftrag erhielt, sowohl den Turm als auch die Kantinen (ein Offiziers- und ein Uffzkasino gab es damals) zu beliefern. So sah man sich mehrmals täglich und es folgten Einladungen, Spenden und Ehrungen. 

Da meine Eltern immer schon gerne feierten und tanzten, waren sie beim Fernmeldesektor F ganz gut aufgehoben.
Als dann bei einer solchen Veranstaltung sich herauskristallisierte, dass sich eine Bundeswehrband gründen wollte, es aber an einem geeigneten Übungsraum fehlte, boten meine Eltern sofort eines unserer Zimmer  an und die nächsten zwei/drei Jahre übten die "Blackbirds" neben meinem Jugendzimmer.
Ich selber war bis einschließlich der 4. Klasse in Regensburg im Internat - mein Vater hatte als Fahrschüler nach Cham "derartige" Erfahrungen mit dem "Schulschwänzen als Fahrschüler und dem Baden im Blaubergsee zu Unterrichtszeiten" gemacht, dass er sicherheitshalber seinem Sohn eine gewisse Aufsicht wünschte. Noch dazu war das Studienseminar in Regensburg damals Ziel vieler Kötztinger Bürgerssöhne. Ich hörte die Band also nur manchmal üben, habe aber immer noch den treibenden und unverwechselbaren Songbeginn von der E-Gitarre und dem Schlagzeug von "Hold tight" von DDBMT im Ohr. 




Lothar Brandenburg, der Mann beim Einzählen der Semmeln am Pfingstmontag, siehe
einige Bilder weiter oben, war der Schlagzeuger der Blackbirds.


Als Jahre später meine Schwester ihren Ehemann unter den damaligen Soldaten auf dem "Mount Hohenbogen" fand, - diese hatten gleich neben dem Turm der deutschen Soldaten einen langestreckten Flachbungalow unter anderem mit Wohnküche, Tischtennisplatte, Billardtisch, Computerspielen (1976!), einem Tennis- und Volleyballplatz - kamen auch wieder neu Kontakte zu amerikanischen Soldaten zustande, diesmal allerdings zuerst über die Schiene der Kinder.
Da wir in den Folgejahren - also meine Schwester und ich - bereits eigne Familie hatten, luden meine Eltern dann die GIs an Weihnachten als Kinderersatz zu uns ins traditionelle "Christkindlzimmer" ein. s
Hier von links. Meine Eltern, Marlene Liss, meine Schwiegermutter Frau Anna Schrödel und meine Schwäger. Der Koch ist mein Hochzeitsfotograf Dennis. ein Meister der "Sloppy Souce"

Die Fahrregelungen zum Turm waren sehr stark beschränkt -  eigentlich sogar für Deutsche Zivilfahrzeuge verboten -, es gab Up-Zeiten und Down-Zeiten um sich in den steilen und engen Staßenabschnitten nicht zu gefährden. AUSSER, man war von den Amerikanern eingeladen. Kaum war man bei ihnen drinnen, läutete öfter das Telefon und es kam die Anfrage von der deutschen Seite, ob das Fahrzeug mit der Nummer XX-XX-XXXX auch wirklich Gäste der Amerikaner seien. 
Da die Konversation und die Diskussionen fast immer auf Englisch abliefen, konnte man bei diesen Treffen dann wirklich seine Sprachfertigkeiten über das Schulniveau hinaus vertiefen und vor allem an der Aussprache verbessern. Mir hat´s gut geholfen und lustig und, wie man sieht, generationsübergreifend war´s obendrein. 


Unsere Backstube:  - heutzutage der "Horsetownclub"


Im Sommer 1989 - Videokameras hatten damals noch große Probleme mit Gegenlicht - habe ich im Wissen darauf, dass mein Vater die Bäckerei bald aufgeben würde, noch schnell eine Aufnahme der Backstube gemacht. Der Bäcker ganz am Anfang des kleinen Filmes - mit dem Hof und der Treppe im Hintergrund  - war Hubert Fuidl aus Gehstorf, ein langjähriger Mitarbeiter.

Pfingsten 1951 Bewirtung bei uns im Hof
Auf der Treppe im Hintergrund sitzend, konnte
man den Bäckern bei der Arbeit zusehen.
Dahinter befand sich die große Fensterfront
der Backstube

Früher konnten wir Kinder manchen Handwerkern bei der Arbeit zusehen, beim Schuster Pongratz im Keller des Schuhhauses Schödlbauer, beim Kuglmeier Schmied, diversen Metzgern bei Hausschlachtungen in den Wirtshäusern und eben auch bei uns in der Bäckerei.
Auf der Treppe vor dem Fenster konnten wir Kinder - auch aus der großen Kinderschar der Metzstraße-  täglich gegen Ende Vormittag den Bäckern zusehen, die, nebeneinander an der großen Tafel stehend, die Teiglinge zu langen Würsteln wuzelten, um daraus dann  Salzweckel zu flechten oder Brezen zu machen.
Ein noch schöneres Bild bot sich für mich in der Adventszeit. In dieser Zeit wurde die Backstube täglich nach der Arbeit - wenn der Ofen nicht mehr so heiß war - von ganzen Familienverbänden zum Plätzchenbacken genutzt. Drei Generationen von Frauen schufteten dann wie die Heinzelmännchen an den Tafeln, Blechen und Teigmaschinen und zogen nach ein paar Stunden mit Weidenkörben voller Weihnachtsgebäck wieder ab. Am nächsten Tag kam dann eine andere Familie.
Überhaupt die Backstube und der Winter. In den Zeiten vor der Funktionskleidung aber mit zumeist viel Schnee im Winter - wenn auch nicht in den Weihnachtsferien - kamen wir Kinder vom Schlittenfahren mit viel Eis und Schnee an den wollenen Kleidungsstücken nach Hause. Ich ging in dem Fall direkt in die Backstube und stellte mich wie eine strohene Vogelscheuche genau vor den abstrahlenden Ofen, bis ich in einer Wasserpfütze stand.
Dann gab es in unserem Haus noch ein ganz besonderes Zimmer: das "warme" Zimmer, gelegen direkt über dem Backofen und damit praktisch unbewohnbar, weil viel zu heiß. ABER, wir bekamen unsere Zentralheizung erst Mitte der 60er Jahre, vorher gab es nur Doppelfenster und den einen oder anderen Einzelölofen, wenn er denn ging....
Da war es natürlich praktisch für uns Kinder, sich im Warmen Zimmer aus einer Waschschüssel waschen zu können. Ansonsten wurde dort oben Wäsche getrocknet, viel Wäsche, weil ja neben den normal anfallenden Wäschemengen vor allem die Bäcker laufend neue Schürzen und  Berufsbekleidung brauchten. In der Backstube, vor allem bei dem laufenden "Dampfeln", wenn also die Teiglinge in den Gärraum geschoben oder die einzelnen Herde bedampft wurden, war es kurzfristig nicht nur sehr warm in der Backstube sondern hatte auch 100 % an Luftfeuchte.
Dieser Geruch nach trocknender Wäsche gehört für mich zu einer der intensivsten Kindheitserinnerungen in unserem alten Haus.

Apropos der Geruch, natürlich roch es im ganzen Haus nach Backwaren und wenn frühmorgens um 3 Uhr die Teigmaschinen anfingen zu kneten dann saßen manche Übernachtungsgäste senkrecht im Bett, wenn wir wieder vergessen hatten diese, für uns normalen und einschläfernden, Geräusche voranzukündigen. Man merkte also mit vielen Sinnen, dass man in einer Bäckerei gelandet war.
Auch mein Vater fiel vermutlich erst in einen erholsamen Schlaf, wenn er diese Geräusche hörte, weil er damit wusste, dass alles in Ordnung war und er nicht in der Backstube gebraucht wurde. Er war für die Lieferungen und den Kundenkontakt zuständig. Fiel allerdings sein wichtiger Arbeiter krankheitsbedingt aus, so half alles nichts, an der Tür in den ersten Stock hinauf, wo unsere Privatzimmer waren, wurde mehrmals kurz am Türgriff gerüttelt und das wars dann mit der langen Nacht für meinen Vater, er musste zuerst eine Frühschicht in der Backstube einlegen, dann wurde es ein besonders langer Tag.
Ich sprach aber am Kapitelanfang über Geruch, ein Sinn, der ganz tief in unseren Erinnerungen stecken kann: Ich habe von Erich Stauber eine Serie von Farbbildern bekommen, die seine Mutter, Frau Marga Stauber, Mitte/Ende der 50er Jahre in Kötzting gemacht hatte.

Bild Frau Magda Stauber

Und als hätte es mein Vater gewusst, hat er seinen ganzen damaligen Fuhrpark vor das Haus gestellt. Ich sehe das Bild und habe sofort den fürchterlichen Geruch des damaligen Opel Rekord in der Nase.
Mein Vater war zeitlebens ein sehr starker Zigarettenraucher und das neue Fahrzeug erhielt sofort durchsichtige "Weichplastikschonbezüge", die nicht nur ekelhaft an der nackten Haut klebten - von Mai bis August war ja Kurze- Hosen- Zeit - , sondern vor allem den Zigarettenrauch aufsogen und als kalten Rauchgestank permanent dann abgaben. Bereits beim Gedanken an das Einsteigen war mir schon übel und vor allem auf der Kurvenstrecke hinaus nach Straubing war es "anstrengend"


Auf dem Bildausschnitt sieht man neben dem Opel Rekord auch noch den Ford Kastenwagen, auf dessen Heckklappe ich zusammen mit einem Freund - der eine links und der andere rechts - bei der Rückfahrt von Touren manchmal sitzen durfte. Heutzutage würde der Fahrer seinen Führerschein riskieren. Das Auto mit dem Frontmotor und dem Heckantrieb war dermaßen kopflastig, dass es eigentlich kein wintertaugliches Fahrzeug gewesen ist. 

Was sind noch für Bäckereierinnerungen?

Es gab im Vorraum zur Backstube einen Korb für "Verschuss", also Backware, die beim Aus-, Um- oder Einschießen beschädigt worden war. Also zum Beispiel Mohnsemmeln, die mit dem Boden nach oben ausgebacken wurden, zusammengeklebte Semmeln und gerne auch Backware, die beim Leeren der Herde übersehen worden ist, und daher dunkelbraun und unverkäuflich war. Dieser Korb war für die Familie und die Bäckerburschen vorgesehen.



Unsere Viecherwirtschaft:

Während es in der Kindheit meines Vaters einen Haushund gegeben hatte, war dies aus hygienischen Gründen ( so meine Eltern und ich habe dies nie hinterfragt) in einer Bäckerei damals nicht möglich, eine Katze schon, vermutlich wegen der Mäuse. Also einen Hund gabs im Hause Pongratz schon mal nicht, aber ansonsten jede Menge.


Ich fange mal mit Vaters Basisbeschäftigung an, der Brieftaubenzucht.


Die Brieftauben waren für  meinen Vater in zweifacher Hinsicht wichtig: erstens waren gedünstete "Daum" seine Leibspeise und andererseits war er ein sehr erfolgreicher und begeisterter Züchter, der aber auch seine Züchterkollegen mitkommen ließ, indem er von seinen erfolgreichen Zuchttauben Eier  weitergab.
So ließ er sich auch dazu überreden, beim Reisetaubenverein in Kötzting den Vorstand zu machen und, bei uns in der Hofeinfahrt wurden dann die Tauben „eingesetzt“.
Das heißt: die Reisetauben wurden nach KOntrolle der Ringnummer, die jede Taube individuell und einzigartig an ihrem Fuß hatte, in eine Liste eingetragen, einen zusätzlichen beschrifteten Gummiring an den anderen Fuß bekamen – dafür gab es in kleines Gerät, damit dieses auch schnell und ohne Schaden machbar war -  und wurden schlussendlich zu den anderen Renntaubenkollegen in einen großen Reisekorb gesetzt. Natürlich kostete die Teilnahme an der Verschickung Geld.
Wie heutzutage die Paletten, hatten diese großen Reisekörbe Normgrößen und wurden zu festgesetzten Zeiten von einem großen Lastwagen abgeholt, der alle teilnehmenden Reisetaubenvereine nacheinander abfuhr und die einzelnen Körbe einsammelte und anschließend zum Auslassziel, z.B. nach Rotterdam, fuhr.
Abends traf man sich im Vereinslokal, jeder mit seiner mitgebrachten  Spezialuhr, die genormt und verplombt war, um gemeinsam und zeitgleich in ganz Bayern, die Uhr in Gang zu setzten.
So, nun hatte man also gleichlaufende Uhren zuhause und Tauben auf der Reise, die am Zielort - unterwegs wurden sie natürlich gefüttert und getränkt - mit einer großen Klappe an der Lastwagenseite alle gleichzeitig „aufgelassen“ wurden. Diese Auflasszeit wurde am Sonntagmorgen im Radio bekannt gegeben und aus der bekannten Wegstrecke und der Auflasszeit konnten die einzelnen Vereinsmitglieder sich grob ausrechnen, wann mit der Heimkunft der einzelnen Renntauben zu rechnen sein könnte.
Nun hieß es zum vermuteten Zeitpunkt im Taubenschlag zu sitzen und mehrfach zu hoffen:
1. dass die Taube den Weg auch findet (der individuelle Ring der Taube ermöglichte aber auch eine Rückgabe des Tieres, wenn die Taube sich in einen anderen Taubenschlag verflogen hatte.)
2. dass den Herrschaften unterwegs nicht passiert ist (Gewitterfronten, Raubvögel z.B.)
3. dass die Taube, wenn sie schon zurückkommt, dann auch gleich in den Taubenschlag hinein fliegt und nicht etwa gegenüber auf dem Nachbardach sich mal eben eine Viertelstunde ausruht.
Aus diesem Grunde haben die Taubenzüchter auch einen besonderen Lockruf, den sie immer bei der Fütterung benutzen. Mit diesem „Pfiff“ werden dann die Tauben sowie der Besitzer sie kommen sieht, angelockt und im Taubenschlag sofort gefangen und der Gummiring entfernt.
Die Taubenuhr hat am Deckel eine Öffnung hinter der sich eine drehbare Walze mit Löchern befindet. Also: der Gummiring der ankommenden Taube wird in die Öffnung gesteckt und mit einem Schlüssel wird die Walze weiterbewegt und gleichzeitig auf einem Papierstreifen die Uhrzeit dokumentiert.
Damit ist der genaue Ankunftszeitpunkt objektiv dokumentiert – der einzelne Taubenschlag ist auf den Meter genau eingemessen und damit ist bei bekanntem Auflassort eine metergenaue Vermessung der Flugstrecke und mit der gespeicherten Ankunftszeit auch eine genaue Geschwindigkeitsberechnung möglich. So wird dann die schnellste Reisetaube des Vereins, des Bezirkes usw. ermittelt und dafür gibt es entsprechende Preise.
Solche „attraktiven“ Urkunden schmückten dann unsere Wohnung und die Gänge. Allerdings waren auch wertvolle Preise darunter, so ein massivgoldener Ring mit einer stilisierten Taube drauf, diesen Ring habe ich in den 70ern als Friedenstaubenring jahrelang getragen. Zuhause haben wir auch noch ein riesengroßes Silbermedaillon, auch dies gewonnen mit den Brieftauben.
Mein Vater hatte bereits seit seiner Kindheit ein Händchen für die Geflügelzucht und so konnte er sich erstens gute Zuchttauben leisten und mit den entsprechenden Wissen und seiner Erfahrung auch passend kreuzen und hatte so wohl einige spektakuläre Erfolge zu verzeichnen, wie mir erst kürzlich von einem „alten Brieftauberer“ erzählt worden ist, der sich unsere alten „Vogelsteign“ abholen durfte, bevor wir sie weggeworfen hätten.

Nichts desto trotz noch viel wichtiger waren ihm die Tauben im Bräter. Von der Schlachtung – bei uns wurde den Tauben im Hof kurzerhand und ganz schnell der Kopf abgerissen und dieser dann in den Kanal im Hof geworfen. 
Anschließend wurden die Tauben gerupft, auch dies häufig im Hof über dem Kanalgitter und dann ging´s ans Ausnehmen und Abflammen der "Federnstifftl" am Gasherd.
Während sonst immer meine Mutter oder Tante Lene fürs Kochen zuständig gewesen war, bei den Tauben und später beim Wiener Backhuhn war er der alleinige Küchenchef – auch die dunkelbraune Soße machte er selber und Herz und die anderen Innereien bereitete er zu. Für die Semmelknödel war dann wieder meine Mutter zuständig.
Stress gab´s nur mit uns Kindern, weil wir seiner Meinung nach die Knochen nicht ausreichen genug abfieselten und für seinen Geschmack immer viel zu viel Fleisch noch drangelassen haben.
Mit dem Abbruch des großen Stadels im Hof und dem Neubau der Volierenanlagen verschwanden Schritt für Schritt die Tauben und kamen erst viele Jahre später wieder im Pferdestall zum Vorschein.


KU SW 845. Brieftaubeneinsetzen im Hinterhof der Bäckerei Pongratz.
Mitte mit der Lederjacke Franz Wagerer


Ein Zufallsfund: beim Durchstöbern alter DIAs habe ich im Bild die "Taubereruhr" meines Vaters 
gefunden. Deutlich sichtbar ist der kreuzförmige Schlüssel, mit dem bei einem - einem Wettflug vorgelagertem - Treffen, die Uhren aller Teilnehmer geeicht, welche anschließend verplombt wurden.
Mit demselben "Schlüssel" wurde nach dem Eintreffen der Reisetaube und der Sicherstellung des Gummiringes dieser in einer Kapsel verschlossen. Diese Kapsel konnte in die Uhr gesteckt und dort versperrt werden. Eine Umdrehung mit dem Kreuzschlüssel und es wurde zusätzlich noch ein Papierstreifen als Protokoll und Beweis bedruckt. 

Mitte der 60er Jahre wurde nicht nur der Kötztinger Marktplatz umgebaut - autogerechter musste es werden -, sondern auch bei uns im Hinterhof gings los. Da meine Eltern eh wegen der Bäckerei mit den vielen Wiederverkäufern weder Urlaub noch viel Freizeit sich gönnten, wollten sie sich den Nahbereich passend richten, ließen das Rückgebäude abreißen und legten einen Garten mit angeschlossener Vogel und Kleintierwohnanlage an. 
Von Hans Traurig habe ich für die Erstellung der Häuserchronik seines Elternhauses viele Fotos vom oberen Markt erhalten und auf einem ist auch wunderschön unser Haus zu sehen, bereits mit dem neuen Rückgebäude:

Im Hinterhof kann man das neue Flachdachgebäude erkennen. Am Marktplatz ist noch der alte
Kuhstallpflasterbuckel vorhanden, ein Belag, wie er heute noch an der St. Veitskirche vorkommt und 
man sieht, dass damals noch Gras und Klee wuchs auf dem Kötztinger Marktplatz.
Bild Hans Traurig 

Hier der neue Bau im Hinterhof, noch mit einem großen Taubenschlag. Im Zimmer rechts außen
konnte der Einflug der Taube beobachtet und diese sofort von ihrem Gummiring befreit werden.
Darunter waren bereits die ersten Volieren sichtbar, die alle einen großen beheizbaren Innenraum besaßen.

Der Reisetaubensport ist nicht nur spannend, sondern auch sehr zeitraubend, und so legte er - vermutlich mit etwas Druck von seiner besseren Hälfte -  seine Ämter bei den Tauberern nieder und stieg in die Vogelzucht ein. Anfänge dazu hatte es schon gleich mit dem Bau der Volieren gegeben. Hier konnte er den Zeitverbrauch seines Hobbies besser den Erfordernissen der Bäckerei anpassen.

.Doch zuerst einmal ein Sprung zurück:

Bei uns im Haus gab es für uns Kinder in Spielzimmer im Erdgeschoß und dieses teilten wir in den ersten Jahren mit diversen Viechern.
Zuerst waren da einmal eine ganze Schrankwand voller Singvögel. Noch heute steht bei uns in dem Hintergebäude dieser Schrank. Man kann sich diesen "Schrank" wie ein großräumiges Regal vorstellen,  nur dass die Vorderseiten wie Vogelkäfige aus Draht bestehen und mit Türchen versehen sind. Eine Vogelbauerserie in einer Schrankwand eben. Dort hüpften die Vögel von Stange zu Stange und sangen vor sich hin, ohne sich sehen zu können. 

Der Hansi, ein Hahn, der sich vor Hühnern fürchtete

An einem Frühjahrsmorgen war ich mit meinem Vater auf der Viechtacher Tour unterwegs und am Ortsausgang von Wettzell ging links ein schmaler Feldweg zu einem alleinstehenden kleinen Bauernhof hoch, auf dem eine unserer "Brotweiber" wohnte. Während mein Vater im haus mit der Frau abrechnete, sah ich, dass auf dem Misthaufen mehrere tote Küken lagen. Als ich dies meinem Vater zeigte, meinte er, dass des "Breijdl" zu früh aufgestanden und die Küken dann eben erfroren seien, nahm aber eines in die Hand und berührte ihr Augenlid. Daraufhin meinte er, dass dies vielleicht noch leben könnte und gabs mir in die Hand, damit ich es ans Autogebläse halten konnte.
Bis wir beim nächsten "Broutweih" in Lammerbach ankamen, hatte ich ein quicklebendiges Kühen in der Hand, das sich zu einem großen und sehr frechen schwarz/Weißen Hahn entwickelte. Hansi bezog ein großes Quartier in unserem Spielzimmer und ich sehe ihn heute noch vor meinem geistigen Auge, wie er, freigelassen, mit seinen harten Krallen auf dem Linoleumboden dauernd ausrutschte, wenn er Gas geben wollte. Da er aber, geschlechtsreif geworden, meine Mutter dauernd in die Waden pickte, musste er verschwinden und kam bei einem unserer Kunden in Thenried - Brotweib Fischer - unter, wo er sich unter deren Hühnerherde mischen sollte. "Sollte" ist hier das Schlüsselwort, weil Hansi, dem Hühnerleben vollkommen entwöhnt, panische Angst vor den Kollegen und Kolleginnen hatte und fortan lange Jahre ein friedliches aber einsames Leben in Thenried führte.

Die Goldhamster:

KU von 1949

Diesmal die Thenrieder Tour, Endstation "Moama Linerl" also Griesbeck in Haus neben denen ein Tierpräparator wohnte und arbeitete. Dieser kannte meinen Vater und kam herüber ins Geschäft mit 2 kleinen Goldhamstern und den Worten: "Schau her, Beck, und de soll i iatz umbringa".
Das wars dann und wir konnten zwei Goldhamster unserer Menagerie hinzufügen.
Ein Käfig war schnell besorgt und beide bezogen ihr Quartier am Fenster neben einer Maus, die wie in einem Märchen, eine Semmel bewohnte, die wiederum in einem Rieseneinweckglas lag.
Die Semmel wurde regelmäßig erneuert und wurde von der Maus dann ausgehöhlt.

Die nächste Viecherei wäre heutzutage gar nicht mehr erlaubt, da erstens keine lebenden Tiere mehr mit der Bahnspedition verschickt werden dürfen und zweitens Kötzting gar keine solche mehr hat. Jedenfalls las mein Vater sein Leib- und Magenblatt immer ganz genau, um in den umfangreichen Angeboten der unterschiedlichsten Tierzüchter sich seine Wunschtierchen zu erträumen und manchmal sogar seine Träume Wirklichkeit werden zu lassen.








Die Eichhörnchen

Hansis großer Zimmerkäfig war ja nun frei geworden, und dies war ja ein richtig großer gewesen. in der früher einmal Eichhörnchen gehalten worden waren., "Oichhorn", wie sie mein Vater genannt hatte. Und so ein Zufall. In der "Geflügelbörse“ wurden 6 Wochen alte, ganz kleine fuchsfarbene Eichhörnchen zum Verkauf angeboten. Nach einer Woche hat die Stückgutverwaltung vom Bahnhof Kötzting angerufen, dass lebendige Fracht angekommen sei. Sofort sind wir runtergefahren und haben unsere neuen Mitbewohner abgeholt. Sechs Wochen alt, feuerrot, so ca. 10 cm Lang mit einem dünnen Rattenschwanz und vollkommen hilflos. 

Bimsi und Bamsi sind sie genannt worden, auf den Bildern sind sie schon einige Wochen älter.

Eins der beiden ist dann gleich krank geworden, in der Wohnung wars ihnen vielleicht zu kalt, wir hatten damals ja nur einen Ölofen in einem Zimmer, die Zentralheizung ist erst Mitte der 60er Jahre eingebaut worden.
Vater hat das kranke Würmchen dann in Milch gebadet und in einer Windel über dem Ölofen zum Trocknen wie in einer Schaukel aufgehängt. Später hat das kleine Eichhörnchen dann jeden Mittag bei seinem Mittagsschlaf in seiner Hemdbrusttasche mitgeschlafen - nach dem Ausschlafen sind dann beide Frechdachse auf seinem Sessel herumgesprungen.
Dann allerdings sind sie immer schnell in der Wohnung hinter die Schränke geschlüpft und haben den Putz von den Wänden geknabbert. So ca 1 Jahr lang sind sie bei uns in der Wohnung gehalten worden, in dem großen Käfig mit anschließendem Freilauf in der Wohnung. Darauf - vor allem weil die Kater nach der Geschlechtsreife ziemlich bissig werden können -  hin sind sie in die große Volierenanlage im Hof gewechselt. 

 





Der Beo imitierte die Nachtigall
und den Familienpfiff der Eltern

Nun aber begann er intensiv mit der Vogelhaltung und Zucht in seinen Volieren.
Zuerst hatte er die noch relativ einfach zu kultivierenden Zebra- und Prachtfinken, die mit ihrem Gezwitscher den Hof füllten. Dann kamen die Weichfresser hinzu, die chinesische Nachtigall, Schamadrossel, Pitas, Zwergwachteln, Rallen, Kardinalvögel und so weiter.
Der Beo wurde zum kleinen Problem, weil er den familieninternen Pfiff, mit dem sich meine Eltern informierten, dass der jeweils andere gebraucht würde, so oft gehört hatte, dass er ihn täuschend ähnlich nachmachen konnte und so munter vor sich hin die Eltern ärgerte. 

Chinesische Zwergwachteln mit ihrem
halbwüchsigen Jungen
nach dem Schlüpfen haben diese
eine Größe, wie eine Hummel.







Schamadrossel 



 

eine Ralle




Ein roter Kardinal

Die Prachtfinken

Diamanttäubchen

Ein Pitta


Dies sind einige der Vögeln, von denen ich noch Bilder habe finden können.
Im ersten Stock wurden die Taubenschläge rückgebaut und 6 oder 7 längliche Volieren für die Papageienzucht errichtet.
Papageien, Kanarienvögel und Wellensittiche wurden in großem Stil gezüchtet und auch verkauft.
Für manche seiner Lieblinge war es sehr aufwändig, abwechslungsreiches Futter zu erhalten, aber da war mein Vater sehr erfindungsreich und hatte uns Kinder als Unterstützer.

Spezialfutter 1: Löwenzahnblüten.
Vor dem Abflug der "Flugschirme"  des Löwenzahnsamens durchläuft die Blüte mehrere Stationen.
Austrieb - Blüte - Schließen der Kronblätter - Samenerzeugung - Öffnung der Kronblätter - Abflug.
Der richtige Moment der Ernte ist der Zeitpunkt, wenn die Samen gebildet sind und die Spitzen der späteren Schirme bereits weiß über die geschlossenen Kronblätter hinausragen. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Blütenköpfe geerntet werden. Danach werden die geschlossenen Kronblätter mit den Schirmen abgerissen und es verbleibt der Blütenkorb mit den schwarzen Samen. 
Spezialfutter 2: Ameiseneier
Natürlich gibt es Weich- und Lebendfutter zu kaufen bzw. zu züchten, auch bei uns stand im "warmen Zimmer (siehe weiter oben) solch ein Zuchtkasten, aber diese waren zu nährstoff- und nicht abwechslungsreich genug. 
Vaters  Viechtacher Tour zur Mittagszeit führten ihn zu vielen "Brotweibern", die auf Einödhöfen lebten, zu denen sonnige gelegene Feldwege hinführten, deren Ränder im Hochsommer von den Hügeln der normalen Feldameise übersäht waren. 
Ein gut schließender Blecheimer war immer im Auto und nun musste man nur schnell sein. 
Zu Mittagszeiten transportieren die Ameisen ihren gesamten Eierbestand hinauf in die Spitze des Ameisenhügels und nachts wieder in die Tiefe des Baues zurück. Mittags im Hochsommer waren also diese Hügel im Inneren gefüllt mit Tausenden von Ameiseneiern und ebenso Tausenden an Ameisen.
Schritt eins: Deckel des Eimers auf und en ganzen Hügel schnell mitsamt der Erde, den Eiern und den Ameisen in den Eimer schieben und den Deckel wieder GUT schließen.
Schritt zwei: bei uns im Hof lag in der sonnigen Ecke ein alter Schubladen mit einer Glasabdeckung und einer abgeschatteten Ecke. In diesen alten Schubladen in der prallen Sonne wurde nun der Inhalt geschüttet. Die Ameisen lieben Wärme, aber dort ist es nicht warm, sondern heiß, viel zu heiß für das Gelege, weshalb die Ameisen sofort damit beginnen, Ihre Eier aus dem Durcheinander herauszuholen und in die abgeschattete Ecke zu tragen. Diese abgeschattete Ecke ist aber selber ein kleiner Schubladen, der nach kurzer Zeit ALLE Ameiseneier des Eimers schön sortiert enthält. Nun kann dieser kleine Schubladen geleert werden und man erhält
Schritt drei: ein kleines Päckchen Ameiseneier bereit zum Einfrieren als Winterfutter für die Weichfresser. 
Spezielfutter 3: Heuhüpfer
Dasselbe Jagdgebiet, südseitige, sonnige und trockene Feldraine und Wegränder. Mein Vater als starker Raucher verbrauchte viele Pakete Zündhölzer, die er nach der Leerung aufbewahrte und zur Heuhupferzeit zusammen mit uns mitfahrenden Kindern - zumindest mich, bei meiner Schwester bin ich mir nicht sicher, ob er die überreden konnte -  mit zerdrückten Heuhüpfer füllte, die sofort nach der Heimkunft eingefroren wurden.
Dieses Vogelparadies blieb bis Anfang der 70er Jahre bestehen, dann kam der große Umschwung.



Der Stall wird gebaut.

Wie im ersten Teil dieser Häuserchronik berichtet wurde, kam die sogenannte Honigwiese am Urtlbach bereits im 19. Jahrhundert zum Haus, und nun wirkten gleich drei Ursachen zusammen, die zum Bau eines eigenen Pferdestalles führten. 
  • Meine Eltern entschieden sich, gemeinsam mit dem Reitsport zu beginnen, und traten, wie viele andere Kötztinger Pferdebegeisterte dem Viechtacher Reit- und Fahrverein bei. Auch mich haben sie gleich mit angemeldet, aber als ich nachträglich erfahren musste, wie viele "freiwillige" Arbeitsstunden obligatorisch mit der Mitgliedschaft verbunden waren, bat ich meine Eltern mich gleich wieder abzumelden. Mein Vater konnte bereits gut reiten und meiner Mutter gefiel der Reitsport.
  • Wenige Jahre vorher hatte mein Vater, nach Anfrage von Seiten der Stadt, seine Wiese zur Auffüllung mit unbelastetem Erdaushub zur Verfügung gestellt und nun erst war erkennbar, dass aus dem V-förmig eingeschnittenen Tal eine ansehnliche und ebene Fläche entstanden war.
  • Da der mögliche Bauplatz für einen Pferdestall mit Reithalle (kam Gott sei Dank nie zur Ausführung)  im Außenbereich lag, wäre es heutzutage sicherlich schwieriger, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, als es im Jahre 1972 war. Ich erinnere: kommunale Gebietsreform und Frau LR Paula Volkholz hatte nur noch wenige Monate zu regieren. ich denke, wir verdanken dieser Konstellation unsere Baugenehmigung auf der grünen Wiese. Danke noch im Nachhinein. 
Allerdings war dieses "Grüne Licht" für unser Bauvorhaben teuer erkauft worden, da im Außenbereich sämtliche Erschließungen vollständig selber bezahlt werden mussten. Das bedeutete:  Wasseranschluss mit Grabearbeiten und der Wasserleitung von Gehstorf herunter und den Stromanschluss mit  über 2 Masten und Dachständer auf Regie bezahlen. 

Zusammen mit seinem Jugendfreund Franz Kirschbauer plante und baute er 1972/73 seinen "Rossstoi". Dann kamen zuerst einmal die Pferde. Es war praktisch, dass ich zu diesem Zeitpunkt mein obligatorisches Pflichtpraktikum für mein Gartenbaustudium machen musste und dazu eine Obertraublinger Baumschule gewählt hatte, die hohe Qualitätsansprüche an ihre Produkte stellte.
Dies bedeutete aber, dass regelmäßig viele Pflanzen aussortiert wurden, die nicht den Normansprüchen einer Markenbaumschule entsprachen  und anschließend auf dem Komposthaufen landeten. Ich konnte also viele dieser Mängelexemplare zur Seite legen und sie dann mit dem Lastwagen der Bäckerei abholen und in Kötzting einpflanzen. 
Die Riesenpappel ist aus einem Steckholz
innerhalb von 35 Jahren hergewachsen

Was an der Westumgehung nun wie ein alter Baumbestand aussieht, ist in Gänze eine Pflanzung von 1972-1985; seitdem wird gerodet, geschnitten und ausgelichtet. Selbst diese mächtige Schwarzpappel wurde von mir Mitte der 80er Jahre als kleines Steckholz(!) in den Boden gerammt, wo es Wurzeln schlug und nun, nach gerade mal 35 Jahren, einen mächtigen Baum bildet. Wir haben die Steckhölzer damals als eine besonders schnell wachsende Variante aus den USA schicken lassen. Die restlichen Exemplare fielen im Herbst 2020 der Motorsäge zum Opfer, die dem neuen Bauprojekt "Westumgehung inkl. Aschenbrennerareal" weichen mussten. Die Weißtanne davor habe ich aus meinem Wald "herausgerissen" und hierher versetzt.

"Keine Tauben mehr", war die einzige Forderung meiner Mutter, diese Forderung konnte mein Vater leicht erfüllen, denn er hatte ganz andere Vorstellungen. Zuerst kam 1 Pferd, und dann kamen die ersten Unterstände für Geflügel, selbstverständlich keine Tauben.
In seinem Reiterstüberl trafen sich regelmäßig die Spezialisten für Pferde UND Geflügel, die Herren Geith und Haas, und versuchten sich gegenseitig mit ihren Wundertieren zu übertrumpfen. 
Herr Haas berichtete von seinem Huhn, das blaue Eier legen würde. Nachdem die anderen beiden dies nicht glauben wollten, fuhr er sofort nach Hause und holte die Beweisexemplare. Da mein Vater gerade passenderweise ein Seidenhuhn auf Zwerghühnereier angesetzt hatte, schob er ihr das blaue Ei kurzerhand unter die anderen und Wochen später hatten wir ein neues exotisches Mitglied in der Menagerie von Warzenenten, Zwerghühnern, Hausgänsen, Mandarinenten, Brautenten, Goldfasanen, Kingtauben(!) erhalten, "die Haaserer", die jedoch im Gegensatz zu vielen  - den meisten - anderen aus der Gruppe des Federviehs, nie im Kochtopf landete, denn das war der Sinn und Zweck der Bemühungen.
Auch die Zierenten landeten dort nicht, da war nichts dran.
Für mich als Landschaftsgärtner wären die Laufenten eine große Hilfe bei der Schädlingsbekämpfung gewesen, aber die lehnte er kategorisch ab: " An dene dirrn Deife is nix dran". Sie eigneten sich also nicht für den Kochtopf.
Viele der Tiere bekamen von ihm und den Enkeln Eigennamen, was beim Sonntäglichen Geflügelfestschmaus dann schon mal Chaos hervorbrachte, wenn mein Vater meinte, er wäre lustig, wenn er den Kindern erzählt, dass der braune Gänsekörper auf dem Mittagstisch der "Felix" oder der "Kanalschwimmer" gewesen sei.
Der Kanalschwimmer wurde bei einem großen Hochwasser bei uns in das Kanalrohr gezogen und unter der kompletten Firmenanlage Aschenbrenner hindurchgespült und kam - nur mit einem rechtwinklig umgebogenen Bürzel - beim Dattler in der Auwiese wieder heraus.  An diesem abgebogenen Hinterteil war er in der Schar der Gänse immer zu erkennen.
Nun aber gings ernsthaft wieder ans Züchten und so folgte eine Rasse nach der andern, unzählige Zwerghuhnrassen, Riesenhühner und Riesengänse mit Stimmen wie verrostete Gießkannen, Perlhühner, die gerne morgens um 4 Uhr der Welt zeigen wollten, dass sie wach sind, und natürlich immer die Seidenhühner.
Das Seidenhuhn mit ihren Kuckuckskindern

Die Seidenhühner waren Vaters Ausbrütanlagen, weil sie zuverlässig sowohl auf den Eiern sitzen blieben und sich um die Küken kümmerten. Noch dazu hatten sie einen eingebauten Kochtopfschutz denn sie hatten eine schwarze Haut und das sah im Topf nicht appetitlich aus. 
Nach dem Federvieh kamen dann noch die afrikanischen Zwergziegen und Katzen, jede Menge Katzen.
Nicht dass wir uns so viele Katzen gewünscht hatten, sondern an manchen Tagen lag wieder einmal ein Karton mit jungen Kätzchen vor der Stalltüre, und natürlich wurden sie aufgenommen.
Allerdings konnten nicht alle immer gleich geimpft werden (Katzenstaupe) und ebenso forderte die nahe gelegene Umgehungsstraße ihre Opfer. 
Herr Willi Pagani, mittlerweile der dritte im Bunde im Stall, war für die Katzen zuständig,

Das war so das damalige Pfingstteam im Stall mit rechts Herrn Willi Pagani und Franz Kirschbauer

Es trat nun ein gewisses Problem auf, sowohl den Ziegenbock als auch den Enterich (von Willi als "Gatschipappa" verniedlicht) haben wir - Männer - zum Spaß geärgert und als Folge davon gingen beide auf jeden Besucher los, was selbst beim Ganserer mit seinen Flügeln äußerst schmerzlich an den Schienbeinen sein konnte, vom Ziegenbock ganz zu schweigen. Wenn man schnell war, konnte man den Ganserer am Hals packen und abdrängen, aber Fritzi war da eine andere Hausnummer, daher musste dieser zuerst eingesperrt bleiben und dann, weil er uns leid tat, schenkten wir ihn der Bundeswehr als Maskottchen und die lies ihm am Turm oben freien Lauf.
Fritzi, so hieß der schwarze Teufel, war schon von meinem Vater her drauf erpicht, Zigarettenkippen zu sammeln und zu fressen. Vermutlich war er bereits nikotinsüchtig und das hatten die Soldaten, die zum Schichtdienst oben ankamen und ihre Kippen wegschnippten, schnell gemerkt. Gleichzeitig aber ärgerten auch sie den Bock weiterhin und so kam es, dass sie beim Schichtwechsel im Schweinsgalopp vom Bus zum Turm sich bewegten, wenn sie keine Lust dazu hatten, den Hörnern vom Fritzi zu begegnen.
Fritz als Sanitätsunteroffizier am  NATO Turm Hohenbogen

Alle wussten dies, nur nicht der Chef der Kaserne, der ja zumeist eher in Kötzting und nicht auf dem Turm oben anwesend war. Es kam, wie es kommen musste, Major Berger hielt eine Rede vor versammelter Mannschaft, die bereits den im Hintergrund stehenden Fritz beobachteten, und  der Ziegenbock rammte Herrn Major während seiner Ansprache. Das wars dann mit seiner militärischen Karriere am NATO Turm.


Das war Fritzis unfairer Angriffsstil,
schnell von oben herab zuzustoßen. 


Und dann kamen am Ende doch noch Brieftauben hinzu, aber nur noch ausschließlich für den Kochtopf. Als mein Vater dann 1994 viel zu früh verstorben war, habe ich sofort den Kontakt zu den Vereinen aufgenommen und all das Federvieh, das noch im Stall lebte, verschenkt.
Die Pferde und die Katzen blieben bis an ihr natürliches Lebensende Teil der Familie.




Das war der zweite Übeltäter,
ein Warzenenterich mit viel zu
vielen Hormonen..




Aus den anfänglich zwei Pferden (mein Vater und Franz Kirschbauer) wurden dann mehrere, weil die beiden unbedingt züchten wollten. Da mein Vater keine Zeit hatte zur alljährlichen Fohlenauktion zu fahren, gab er mir genaue Anweisungen -  und unnötigerweise viel Bargeld, ich durfte gar nicht bar bezahlen, sondern wir mussten später das Geld überweisen - und Preisvorstellungen mit und schickte mich nach Pocking. Obwohl ich wusste, dass mein Vater einen Rappen wollte, schaute ich mich trotzdem zuerst bei den Fuchsstuten um, denn das war meine Lieblingsfarbe und - Peng - da war sie, eine feuerrote Stute mit Blesse und einer ganz besonderen Abstammung. Die Großmutter des Fohlens war eine bekannte Vollblutstute und überhaupt, wer braucht schon einen Rappen, wenn es so tolle Fuchsen gibt.
Dann wurde es eng, die Versteigerung begann und auch noch anderen war dieses junge Pferdefräulein aufgefallen. Ich ging nur ein klein wenig über unser Limit hinaus, erhielt den Zuschlag und konnte mit unserer Ricci mit Abstand das beste Pferd nach Hause bringen, das wir jemals hatten, und den Rappen hatte sich mein Vater später dann nachgekauft und so waren alle zufrieden.



Im Laufe der Jahre entwickelte sich ein Privatreitstall für Freunde meines Vaters und fast täglich ging es ab ins direkt anschließende Gelände. Aus dem Jahre 1989 habe ich glücklicherweise noch einen Film von Dr. Weixel erhalten, mit dem zusammen ich damals auf unseren Pferden - ich reite dabei auf meiner Ricci, zu dem Zeitpunkt  bereits 11 Jahre alt, und Guido auf dem Rappen, den mein Vater dann später dazugekauft hatte -  manchmal ins Gelände aufgebrochen bin. Auch wenn es zu Beginn der Filmsequenz so aussieht, als würden wir freiweg über Wiesen reiten, dies war nicht so. Auf den Schinderbuckel hinauf schlängelte sich, den Grundstücksgrenzen folgend,  ein schmaler Wiesenweg, mehr ein Trampelpfad. Auf jeden Fall kann man gut erkennen, dass unser Stall damals außerhalb der Stadt und umgeben von Wiesen und Äckern gelegen war, keine Spur noch von der Schinderbuckelbepflanzung oder dem Urtlbachplatz. Die kleine Einkehr war im Wirtshaus in Ried gleich neben der Linde. Dies war einer der kurzen Ausritte mit gut einer Stunde Länge, passend für Werktage. An Sonntagen gings dann auf die Langstrecke über manchmal 3 oder 4 Stunden Ausreitzeit. 

Eintreiben der Enten 

Die Volieren im Hof waren damit natürlich hinfällig geworden und es wurden eben Gartenbeete daraus gemacht. Ein Problem mit den unterschiedlichen, zumeist freilaufenden,  Geflügelarten im Stall hatte mein Vater natürlich: Wer geht wann und wo abends in seinen Unterstand?



Am eigenwilligsten waren dabei die Perlhühner - die mit dem besonders lauten Geschrei - die gerne länger aufgeblieben wären. Jedenfalls war sein Spruch:"I muas nomoi owe in Stoi, weil de xxx no net aufgsessen sand" eine tägliche Ausrede, um Spätnachmittags noch einmal in den Stall zu fahren, und noch einmal. Nur die Gänse hatte er besser unter Kontrolle, denn diese waren seit der Kükenzeit auf ihn fixiert und folgten ihm überall hin. Gerne öffneten sie - aus Liebe oder Spieltrieb - seine Schuhbänder oder die Schnüre seiner Kniebundhosen und forderten andauernd Brotbrocken als Liebesbeweise, was für einen Bäcker ja kein Problem darstellte.
Von Zeit zu Zeit legte er übriggebliebenes - steinhartes - Brot in die Hafervorratskiste der Pferde, welches nach Tagen dann wieder etwas mürbe geworden war, um es anschließend aufzuschneiden und mit Genuss selber zu verspeisen. Eigentlich war es zum Einweichen für das Geflügel vorgesehen.
Den exotischsten Gast hebe ich mir bis zum Ende auf, ein Riesentrumm von einem Igel, der es sich unter den Haferboxen , die wegen der im Stall vorherrschenden Hochwassergefahr durch die Urtl auf Bodenfreiheit aufgestellt waren. 
2 Jahre unser Gast in der Futterkammer

In der Futterkammer wurden allabendlich auch die Katzen gefüttert und dann kündigte der Herr aus der Unterwelt mit lautem Knurren und Schmatzen sein Kommen an, schob sich mitten unter die fressenden Katzen, stellte sich mitten hinein in die Futterschüssel und genoss sein Leben
Die Graugänse, auf ihn fixiert und abgerichtet.
Beide Eltern hatten ja mit dem Reitsport begonnen, aber nach einigen schmerzhaften, aber
Gott sei Dank folgenlosen Bodenkontakten, ließ meine Mutter das Ganze dann doch
lieber sein. Noch dazu gingen ihr die permanenten Kommentare des Mannes und Sohnes, vom Rande des Reitplatzes, über ihre Körper-, Arm- und Fersenhaltung, die Handstellung, den Peitschenwechsel usw. auf die Nerven. Dabei wollten wir ihr doch nur helfen...... 


Auf dem obigen Bild kann man nebenbei auch noch gut erkennen, wie frei das Wiesengelände gelegen war. Der Kiefernhang ist bereits JENSEITS der Westumgehungsstraße. Auf unserer Seite stehen heutzutage die großen und mächtigen Fichten; damals war da nichts als eine steile Böschung.

Doch zurück zum Haus am Marktplatz

Mitte der 60er Jahre kam es dann zu einer ersten Sanierung des Marktplatzes. In der Bahnhofstraße waren die ersten Parkuhren aufgestellt worden und diese neue, moderne Zeit sollte auch am Marktplatz Wirklichkeit werden. Also rückten die Baufahrzeuge an und entfernten die Reste des, sicherlich schon seit Jahrhunderten, bestehenden Pflasterbelags vor unserer Häuserreihe. Es entstand. eine Granitmauer mit Geländer und markierte Parkboxen.
Bilder von den Bauarbeiten Mitte der 60er Jahre

Und Weg ist der historische Marktplatzbuckel. Bild Sammlung Serwuschok KU SW460

Schöne neue - autogerechte - Zeit Bild Sammlung Serwuschok


Dies ist in etwa die Zeit,  in der ich nach den Anfangsjahren im Gymnasium in Regensburg, ans Josef-von-Fraunhofer Gymnasium nach Cham wechselte (1968). 
Damals - in Regensburg - hatten wir noch bis Samstagmittag Unterricht. An den Heimfahrwochenenden (alle drei Wochen) bekam ich eine Befreiung von einer Viertelstunde, damit ich den 1-er Bus in Prüfening noch erreichen konnte, um die Heimreise über Schwandorf und Cham antreten zu können. Irgendwann am Spätnachmittag war ich dann in Kötzting und bereits nach 24 Stunden gings zusammen mit den anderen Kötztinger Internatsschülern, wieder zurück nach Regensburg. Erst später, nach meiner Internatszeit, kamen nacheinander der "Huber"- und der "Maier"- Samstag.
Die selbstsichere und gleichzeitig äußerst liberale Art meiner Eltern brachten mir dann als Jugendlichen eine, im Vergleich zu meinen Freunden und deren Eltern,  außergewöhnliche Freiheiten ein, für die ich heute noch dankbar bin.
Mein Jugendzimmer, gelegen genau oberhalb der Ladentüre, entwickelte sich zu einem "Szenetreffpunkt" mit separatem Hintereingang und Dauermusikbeschallung, bei offenem Fenster.
Das tägliche Leben meiner Eltern spielte sich im Erdgeschoss ab.
Einschub:
Die Lärmtoleranz muss damals wesentlich höher gewesen sein. Ich erinnere mich an viele Gelegenheiten - auch aus der Kinderzeit - in dem wir Kinder der Metzstraße einen höllischen Lärm und Krach verursachten und ich kann mich an keine einzige Gelegenheit erinnern, dass uns jemand ermahnt hätte.
Mein Vater schlief regelmäßig am Nachmittag in einem Sessel direkt über unserem hölzernen Garagentor, das wir ebenso regelmäßig zum Fußballspielen benötigten und beim "Spiel auf ein Tor" kracht es halt im Minutentakt. 
Einschubende
Ab dem Sommer 1970 - zu Weihnachten hatte ich eine durchaus leistungsfähige Anlage erhalten - durften sich die Bewohner des Marktplatzes über meine Musikauswahl freuen, die aus dem offenen Fenster nach außen drang. Es hat sie nie jemand beschwert, nur wollten manche Käufer im Laden - auch dort konnte man die Basslinie deutlich vernehmen - von meiner Mutter nur wissen, was bei mir im Zimmer denn da an der Zimmerdecke geschrieben stand. Meine Mutter erzählte mir oft von Personen, die mit gekipptem Kopf nach oben blickten und versuchten, aus den Wörtern schlau zu werden

Ich hatte dort oben, mit dem Ruß einer brennenden Kerze, mit großen Buchstaben einen äußerst sinnigen Spruch hingeschrieben.  Allerdings passierte mir bei der Durchführung - rückwärts stehend auf einer Staffelei - die Unachtsamkeit, dass ich zwar die Wörter in den jeweiligen Zeilen richtig, aber die Zeilen von unten nach oben geschrieben habe. Von der Straße aus konnte man zwar die einzelnen Zeilen richtig lesen, der Text ergab aber so, wie er dastand,  keinen Sinn, und so musste meine Mutter vielen Kunden erläutern, wie der Spruch denn richtig hieße:
"Nur der Verstand ist auf der Welt gleichmäßig verteilt, jeder glaubt genug davon zu haben."
Als die Mutter eines meiner Schulkameraden aus Furth im Wald dessen umfangreiche und beträchtliche Chemikaliensammlung rigoros aus ihrem Hause schaffen wollte, konnte ich meinen Vater überreden, diese Ansammlung in Furth abzuholen, und nun hatte ich mein eigenes Versuchslabor im Schlafzimmer, ohne Abzug natürlich, wer braucht denn sowas.
Damals wurden im Chemieunterricht, zumindest von den älteren Chemielehrern, noch richtige Versuche gemacht und die galt es nachzustellen und wenn möglich - und darin liegt die Krux des Halbwissens, analoge Zusammenstellungen zu finden. Hier eines der Beispiele, allerdings das unangenehmsts. 
Wenn also Eisenpulver sich so schön und spektakulär mit Schwefelpulver zu FeS abbrennen läßt, dann sollte das doch auch mit Aluminiumpulver und Schwefel gehen. Ging nicht
Also wenn Salpeter beim Schwarzpulver die ausreichende Temperatursteigerung erbringt, dann sollte dies doch auch das reaktionsträge Aluminium überreden können, sich mit dem Schwefel zu verbinden. Ging zuerst auch nicht. Dann aber plötzlich doch und zwar durch eine Explosion, die mir die 5 cm dicke Zeitungspapierlage auf meinem Schreibtisch sofort nach unten durchknallte, die Haare(!) ankokelte und mir auf der Brille einige schwarze Pünktchen hinterließ. Mit viel Wasser konnte ich das Malheur beenden, was mich aber nicht davon abhielt, weiter herum zu probieren mit mehr oder weniger viel Gestank....in meinem Schlafzimmer 

 

Wir sind ja jetzt in der Zeit mit Willy Brandt als Bundeskanzler, von der Regensburger Uni kamen Psychologiestudenten zu uns, die uns in der Chamer Bahnhofsgaststätte - gleich neben dem Billardtisch - das kritische Lesen von rechten Kampfblättern, mit Beispielen aus dem Bayernkurier und dem Regensburger Bistumsblatt mithilfe ihren eigenen Vorlesungsskripten näher brachten.
In Cham gründeten wir eine eigene, vom Direktorat unkontrollierte, Schülerzeitschrift, die von der Polizei, vermutlich nach Anzeige durch den damaligen Schuldirektor, konfisziert wurde. Diesen Herrn zeigten wir dann postwendend an, was dem "JOINT" (der Name der Schülerzeitschrift), uns, ihm und der Schule einige interessante Presseartikel einbrachte. 


Während wir die Ausgabe 1 noch vor den Schultoren zu verkauften versuchten, wichen wir dann mit der Nummer 2 und 3 einfach auf die weitere Schulumgebung aus. Es half nichts, die Zeitschriften wurden wieder, nach Anzeige, konfisziert.
Ich besitze noch zwei Ausgaben dieser "Schülerzeitung", bei der wir natürlich schamlos mit Schere und Kleister bei anderen Zeitschriften abstaubten.
Auch die Kötztinger Zeitung berichtete über unseren Fall. Gerd Straßer, einer der beiden führenden Köpfe des Redaktionsteams, wohnte auf dem Schulberg und war deshalb auch an der vordersten Front bei den Auseinandersetzungen.  

Mein Vater, der in seinem Leben sicherlich nie etwas anderes als die CSU gewählt hatte, sponserte unser Projekt mit regelmäßigen Werbeanzeigen. Weil der Chamer Schuldirektor aber sämtliche Anzeigenkunden schriftlich darüber informierte, dass sie mit ihrer Anzeige eine sehr obskure Zeitschrift mitfinanzieren würden, bekamen wir die Reaktionen des Direktorats direkt mit der Post nach Hause geliefert.



Ostern 1972 Maja Schiel, nun eine Webermeisterin und
Künsterlin, verheiratet mit dem Kunstmaler Richard Vogl
in Bernhardswald, und ich, damals noch mit Haaren. 
Nach dem letzten Schultag vor den Osterferien 1972 hatte ein Reporter der Umschau bei meinen Eltern angefragt, ob sie mir und einigen Freunden ein paar Fragen stellen könnten. 
Später am Abend, ich hatte gerade meine Sachen gepackt, denn am nächsten Morgen sollte es ab nach Croydon bei London gehen, englische Sprachübungen vor dem Ablegen der Sprache im Vorabitur könnten nicht schaden, meinten meine Eltern. Für meinen Freund aus Lam und mich war allerdings das wichtigste an Croydon die Zugverbindung nach London, und dass wir täglich in den unterschiedlichsten Clubs, Lokalen und Läden von Soho, Carnaby Street und der Kings Road unterwegs waren, brauchten sie ja nicht zu wissen. Aber der Besuch im British Museum mit der Ägyptenausstellung wird mir auf ewig in Erinnerung bleiben. Als ich Jahrzehnte später mit meiner Familie dort ein zweites Mal war, fanden wir die Ägyptische Abteilung vollkommen dem Zeitgeist angepasst, nichts mehr von den Hunderten an Mumien und Sarkophagen war mehr zu sehen, die political correctness hatte zugeschlagen.
Doch zurück zum Interview: Der Reporter wollte von uns wissen, was wir denn von Ostern halten würden, und notierte sich manche unserer Aussagen, die wir so von uns gaben, es war ein sehr lustiges und lebhaftes Gespräch. Ich finde kaum eines unserer Schlagworte in dem Artikel wieder, aber was solls, ich fuhr ab und die Osterausgabe erschien.

Von links: Reinhard Schiel, ??, Maja Schiel, ich im Lotossitz und meine Schwester Christine.



Als ich nach 2 Wochen London ziemlich K.O. wieder nach Hause kam, lagen auf dem Tisch die Zeitungen der Osterausgabe, die damals wohl einige Menschen erschreckt hatten.
Meinen Eltern wars egal, sie fanden´s ebenso lustig wie ich damals.
Der Reporter hatte sich bemüht aus der langen und unterhaltsamen Besprechung eine
"Schlagzeile" zu basteln, welche dann zumindest in Hohenwarth "zuschlug"



Und dann kam im Herbst desselben Jahres Franz Josef Strauß nach Kötzting, es war Wahlkampfzeit, Bundestagswahl 1972
KÖZ vom Oktober 1972

Direkt vor/unter meinem Fenster auf dem Marktplatz wollte er eine Rede halten. Also rückte der komplette Chamer Freundeskreis mit Trillerpfeifen an und wir standen dichtgedrängt an meinem offenen Fenster. Unter uns eine Menge lauter Schwarze, und auf unserer Seite nur ein paar Kötztinger JUSOs mit Plakaten und wir oben am Fenster. 
KU vom 30.10.1972 Eine Stunde zu spät kam der damalige Landesvorsitzende der CSU, aber er wurde stürmisch gefeiert und unsere Pfiffe gingen im Wahlkampflärm weitgehend unter.
Rechts oben im gekennzeichneten Bereich die 3-4 Mitglieder der Kötztinger JUSOs.



Aber zumindest der Reporter hat uns ein wenig gehört, sehen hat er uns vermutlich nicht gut können, 
da das Redepodest zu weit Richtung Veitskirche versetzt war und wir daher hinter den Bäumen steckten. 



Dann folgte 1973 Abitur und Studium. Meine Schwester fand ihren Mann unter den GIs am "Mount Hohenbogen" - einem Techniker für die elektronischen Anlagen dort oben  - und beide entschieden sich nach einigen Überlegungen dazu, den Bäckersberuf zu erlernen. 
Jahre später allerdings wollte das junge Paar mit 5 Kindern dann doch nach Iowa auswandern, der Heimat meines Schwagers, mit kontinentalem Klima, wo der Winter ein Winter, aber auch der Sommer ein richtiger Sommer war. Und so kam es dann zur Besitzübergabe an mich und meine Frau. .

 
Bereits in den 80er Jahren, als sich der Chamer Arbeitskreis gegründete hatte, der seither die "Gelben Bände" herausbringt, konnte meine Mutter ihrem Interesse an Geschichte nachgehen und war von der ersten Stunde an bei den Sitzungen dabei, auch wenn sie selber nur einmal einen Beitrag veröffentlicht hat. Da ich zeitgleich mit meiner Familienforschung begonnen hatte, vereinbarten wir eine gemeinsame jährliche Forschungsreise in die unterschiedlichsten Archive. Zuerst, genealogisch angefixt, wollten wir die Pongratzfamilie, die ich bis dahin zurück nach Vollmau, im heutigen Tschechien, habe verfolgen können, näher unter die Lupe nehmen.
Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs war es gar nicht so einfach, im Archiv in Pilsen arbeiten zu können. Wie buchten also für 2 Tage ein Interhotel, bezahlen für zwei Tage den Zwangsumtausch und legten los. Nach 3 Stunden Sucharbeit hatten wir den Anschluss unserer Pongratzlinie in den dortigen  Kirchenbüchern gefunden. Es stellte sich dann aber schon bei der nächsten Pongratz-Generation heraus, dass diese aus dem "Bayerischen" stammten und damit zur Further Pfarrei gehörten und deren Bücher liegen natürlich im bischöflichen Zentralarchiv in Regensburg. Also Hotel und Zwangsumtausch hin oder her, die Suche in Pilsen war abgeschlossen und so ließen wir die Tschechoslowakei hinter uns und fuhren direkt nach Regensburg weiter.
Im Jahr drauf waren dann Berlin und Halle an der Saale Ziel unserer Forschungsreisen. 
Schon sehr früh bei meiner Beschäftigung mit der Familiengeschichte bin ich auf dem damals einzigen  genealogischen Verein in der Oberpfalz aufmerksam geworden und habe mit den "Leseübungen" , die ich damals mitmachen habe können, das Fundament für meine derzeitigen Fertigkeiten legen können.
In den, den Sitzungen vorgeschalteten, Stammtischsitzungen bekamen wir "Neulinge" auch einige gute Tipps mit auf dem nie endenden Weg der Familienforschung.
1. Warte nicht mit einer Veröffentlichung bis du fertig bist mit deiner Suche, denn das wird NIE der Fall sein.
2. Sprich mit den noch lebenden Familienangehörigen und schreib alles auf, was du erfahren kannst.
3. Eigne dir Wissen über die historischen Strukturen der Gegenden an, in denen du nach Vorfahren suchst, sonst wirst du in den staatlichen Archiven meistens an den falschen Stellen nach Funden suchen.
Beim Punkt 1: Ich  habe über Familienmitglieder einen - internen und nur der Familie bekannten - Blog geschrieben, von dem ich Teile hier mit benutzen konnte.
Beim Punkt 2 : Sehr schnell habe ich mit Teilen der Verwandtschaft Tonbandinterviews geführt - zumeist anhand und über deren Bildersammlung.
Beim Punkt 3: So bin ich im Prinzip vom Familien- zum Heimatforscher geworden
Nach den persönlichen Kontakten mit Verwandten, die ich vorher noch nie getroffen hatte, kam dann der nächste Schritt zur Ausführung: ein Familientreffen sollte stattfinden.
1987: Familientreffen der Nachkommen des Pongratz Heinrich, Heinrichnbeck, aus Roding.
Es war fast ein Bäckertreffen, die Bäcker aus Schwandorf, Straubing, Roding, Regenstauf und
Kötzting kamen zusammen, mit vielen Familienangehörigen.

Im Jahre 1990 wiederholten wir dieses Treffen, eine meiner Tanten sponserte dieses anlässlich ihres 70. Geburtstages und so konnten wir zusammen mit der Kapelle Traurig im Amberger Hof einen tollen Nachmittag und Tanzabend verbringen.
Bereits im Jahre 1990 waren einige der Teilnehmer des Treffens drei Jahre zuvor verstorben und im nächsten Jahrzehnt trat dann fast ein kompletter Generationsverlust der großen Verwandtschaft ein.
Nach der Infotour bei allen erreichbaren älteren Verwandten, gings wieder in die Archive, im Winter dann erneut zusammen mit meiner Mutter.
Um 1991 war mein Vater dann aber bereits so krank. dass es sich verbot solche, "Vergnügungsfahrten" durchzuführen.

Erst nach dem Tode meines Vaters konnte ich meine Mutter wieder dazu überreden, die Archivfahrten erneut aufzunehmen, und nun fuhren wir jedes Jahr, bis zu ihrem überraschenden Schlaganfall, für eine Woche nach München ins Hauptstaatsarchiv und später, als ihr das zu anstrengend geworden war, verblieben immer noch Tagesreisen nach Landshut in Staatsarchiv.
1996, dann bei der Gründung unsers Kötztinger Arbeitskreises übernahm sie zuerst die Einsortierungen unserer Sammlungen und, nachdem sie nach kurzer Zeit täglich im Rathaus auftauchte, bat sie der damalige Bürgermeister Wolfgang Ludwig, die Verwaltung des Kötztinger Stadtarchives zu übernehmen, was sie nach  Absolvierung einiger Fortbildungsmaßnahmen auch gerne tat. Bis zum Tage vor ihrem Schlaganfall, mit fast 83 Jahren, ging sie täglich ins Rathaus und blühte dort mit dieser Aufgabe regelrecht auf..

Ihr Schreibtisch ist jetzt mein Schreibtisch, damals war noch etwas Platz in den Regalen....
Bis vor dem Tage ihres Schlaganfalls war sie bis ins hohe Alter von 83 Jahren jeden Werktag an IHREM Schreibtisch, an dem ich jetzt ebenfalls arbeite......


 
Arbeitszimmer des Arbeitskreises und gleichzeitig auch des Stadtarchives, wir platzen aus allen Nähten, aber bereits im Jahre 2021 wird vieles besser werden. .

Und so liegt meine Familienforschung seit locker 20 Jahren auf Eis und ich widme mich ausschließlich der Kötztinger Heimatforschung und eben der Erstellung der Kötztinger Häuserchronik.
Dieser Beitrag ist nun ein besonderes Exemplar dieser Häuserchronik. Im ersten Teil entspricht er dem Schema, das ich auch für die anderen Kötztinger Anwesen bisher benutzt habe. Hier im zweiten Teil, wollte ich einmal zeigen, was man alles durch Befragung von Familienangehörigen, Durchforsten der vorhandenen Dokumente, Briefe und Bilder und mithilfe der leicht zugänglichen Archivdaten so alles über seine Vorfahren herausfinden kann und wie man solches Wissen dann auch für nachfolgende Generationen oder auch nur für die eigenen Kinder aufbereiten könnte. 

Wer bis hierher durchgehalten hat, allen Respekt




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