Viele der Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte für unsere Zivilgesellschaft, unsere Wirtschaft, ja sogar unsere Demokratie scheinen durch die unterschiedlichsten Krisen - hier bei uns im Lande und vor allem auch weltweit - ein Stück in Gefahr zu geraten.
Vielleicht ist es daher geraten, auf eine wirkliche "Stunde Null" zurückzublicken und zu sehen, was passierte, als die Frontlinie des Zweiten Weltkriegs im April 1945 dann auch im Bayerischen Wald angekommen war.
Ich möchte mich bei meinen Ausführungen nur auf den Raum um Kötzting konzentrieren und mit Bildmaterial belegen.
Weil hier - neben all den grundsätzlichen Entbehrungen und Verlusten während des Krieges - unsere Vorfahren durch all das, was über sie ab Ende April 1945 hereinbricht, sehr leicht als Opfer erscheinen könnten, ist es für mich unerlässlich darauf hinzuweisen, dass all das nur die Folge dessen gewesen war, was Ende der Dreißiger Jahre seinen Anfang von Deutschland aus genommen hatte, und zwar durchaus auch von Kötzting aus.
Und so schaue ich zusammen mit Ihnen durch den Fotoapparat des Kötztinger Hauptlehrers Josef Bock von dessen Terrassenbrüstung herab auf die Kötztinger Bahnhofstraße, als am 1.10.1938 - die Überschrift der Zeitung lautete: Führer befiel, wir folgen! - das angrenzende Sudetenland besetzt wurde.
Foto Josef Bock |
Foto Josef Bock |
Foto Josef Bock |
Eigentlich ist es eine Sensation, dass wir in unserer Sammlung sogar ein Foto von der Sprengung des ehemaligen Grenzsperre in Neumark haben.
Foto Josef Bock: Die später gesprengte Schlagbaumvorrichtung gehört ebenfalls nach Neumark. |
Foto Josef Bock: Die Sekunde der Sprengung |
Foto Josef Bock: Der Einmarsch in Neuern 1.10.1938 |
Um den "Großbereich" Neuern hatten sich die Behörden von Cham und Kötzting zu kümmern. |
Die 3. US-Armee, die hier in den Süden drängte bestand aus 5 Divisionen, von denen nur 2 für unseren Raum wichtig werden. Eine davon, die 90. Infanteriedivision stand am 22.04. noch in Weiden und Amberg; am nächsten Tag bereits, am 23.04.wird Cham eingenommen, von wo aus dann auch die 11th Armored Div. ihren weiteren Auftrag bekam..
Die 11th Armored Division hatte den Auftrag, die heutige B85 bis nach Passau hinunter zu ziehen, um der 11. Deutschen Panzerdivision, die zu der Zeit noch bei Pilsen lag, den Weg abzuschneiden und diese kam dabei auch schnell vorwärts; noch am 24. April waren sie in Viechtach, am 26. April dann schon auf dem Weg in Richtung Linz.
Beispiel: Otto und Karl Gerstl
Es hat offensichtlich eine funktionierende Absprache zwischen den zivilen Stellen und dem militärischen Kommandeur für Kötzting und Viechtach, einem Herrn Bauer im Wehrmeldeamt (heutzutage Marktstraße 30) wegen der kampflosen Übergabe gegeben.
Apropos Wehrmeldeamt, im Jahre 1939, noch vor Kriegsbeginn wurden auch auf dem flachen Land Wehrmeldeämter eingerichtet und so kam damals die Anfrage an meinen Großvater, der kurz zuvor das Nachbaranwesen des Sattlers Rebstöck am Marktplatz gekauft hatte ( nun Marktstraße 30), dieses Haus für die Ansprüche eines Wehrmeldeamtes ( mit Dusch- und Waschräumen) umzubauen und zu vermieten.
Dies geschah und es kam dann auch noch zum Wunsch im, eigentlich zum Hause Markstraße 28
gehörenden, großen und vor allem langen Hofe eine Kleinkaliberschießanlage errichten zu dürfen.
StA Landshut Rep 164/8 BZA/LRA Kötzting: links auf dem Plan wäre die Rückwand des Gasthauses OSL |
Beim Einmarsch der Amerikaner - obwohl es ein sehr kaltes und feuchtes Frühjahr gewesen war-, hatte meine Großmutter bereits die hölzernen, großen und langen Blumenkästen auf der Hofseite auf den Fensterbretter bereitgestellt. Als die Amerikaner das WMA besetzt und damit eine erkleckliche Anzahl deutscher Gewehre erbeutet hatten, leerten sie einfach die Blumenkästen meiner Oma, füllten diese mit den Gewehren, nagelten sie zu und nahmen diese als Souvenirs mit.
Wie oben bei der Baubeschreibung bereits angedeutet, haben die beiden Häuser Zugang zu einem gemeinsamen Hof und dieser wiederum kann nur durch ein dicht schließendes Tor von der Metzstraße - so wie heutzutage auch noch - befahren und eingesehen werden. Jedesmal wenn die amerikanischen Soldaten hinten in den ruhigen Bereich des Hofes traten blickten sie mitten hinein in unsere Backstube und, so wie es eben in Bäckereien der Fall ist, hatten den ganzen Vormittag den Duft von Frischgebackenem in der Nase.
"No fraternisation" ist die eine Sache "Liebe geht durch den Magen" eine andere und meine Oma hatte ein sehr einnehmendes Wesen und ihrer Aufforderung zum Kaffetrinken - vermutlich von den Amerikanern gestiftet - und Frühstücken folgten die amerikanischen Soldaten anscheinend sehr gerne und mit voller Montur und auch bewaffnet - so der Bericht meines Vaters, damals 16 Jahre alt - , man weiß ja nie, was so eine bayerische, wohlgenährte Bäckermeisterin so im Schilde führen kann.
Genau diesem Zweck diente das der 345ten Feldartillerie Abteilung beigeschlossene Artillerie Batallion, das in der Senke bei Grub mit ihren Haubitzen und - gesichert mit MG-Nestern - Stellung bezogen hatte, um, über den Kaitersberg und den Hohenbogen hinweg, die deutschen Stellungen in Böhmen zu beschießen.
Dieses tiefer liegende Gebiet, die Weiherwiese genannt, stieß im Norden an die Arndorfer Grenze, wand sich zuerst östlich und bildete dann immergrüne Hänge, die an einen berühmten Berg auf der Landkarte von Georgia erinnerte, den Berg Kennesaw, berühmt aus dem Befreiungskriegen. Captain Crenshaw sah auf der Karte die Bezeichnung Kaitersberg, dessen dunkle Umrisse sich abzeichneten..
In diesen Erinnerungen ist auch der oben beschriebene Zeitraum erwähnt und auch am Rande das Gefecht bei Grub, an dessen Ende Krämer durch die Ortschaft Grub zurück nach Kötzting fliehen wollte.
Kötztinger Zeitung von 1989 mit der Schilderung des Einmarsches der amerikanischen Truppen in das Zellertal. |
Der Fall Stöger
Am Georgitag (23, April) heißt es plötzlich: die Amerikaner sind schon in Kotzting!
Allgemeine Aufregung!
Straßensperren hatten errichtet werden sollen, um die amerikanischen Auto schon in Kötzting aufzuhalten.
Die Wettzeller tun nichts, da zu fürchten war, dass die Amerikaner unser
Dorf zusammenschießen. Die Weißenregener hatten im Wald auf der Straße Kötzting- Wettzell unterhalb der Grenztafel (etwa 300 Meter unterhalb der Straßenkurve von Gstockat und
ist die Gemeindegrenze von Wettzell und Weißenregen) eine solche Sperre errichtet. Die Wettzeller, darunter der Schmied Josef Stöger, haben sie in der Nacht wieder entfernt. An der Schulhausmauer war das Hackenkreuz gemalt, auch dieses kratzte der Schmied herunter, da mit nicht etwa das Schulhaus von den Amerikanern zusammengeschossen wird. Hitlerbilder lind Parteifahnen wurden trotz des Sträubens des Stützpunktleiters Andreas Fischl aus dem- Parteizimmer entfernt und verbrannt. Da kam am 24. April „SS", das heißt Leute von der Sturmtruppe Hitlers, verhafteten unseren kerndeutschen Schmied Josef Stöger und lieferten ihn ins Kötztinger Gefängnis ein. Am anderen Morgen holen die SS unseren Schmied aus dem Gefängnis, fahren ihn in einem Auto fort und erschießen ihn in der Nahe des Zellertaler Bahnhofes.
Von der Ermordung des Schmieds gibt es sogar eine Augenzeugin, die mir diese schreckliche Tat erst vor wenigen Wochen erzählt hat.
Weil I hon no g´seng, weijs an Dings vo Wettzell daschossn ham.
Foto Rabl-Dachs Das Marterl des Stöger-Schmieds am Totenbacherl |
Die Kapitulation der 11. Panzerdivision
Ende April sind Teile von General Pattons Armee schon auf den Weg nach Linz in Österreich, andere Truppenteile biegen zusammen mit Einheiten der 2. US Cavalry, quasi auf der Ostmarkstraße, scharf nach links ab und dringen über Bayrisch Eisenstein in das damals noch zum Deutschen Reich gehörige Sudetenland und weiter tief hinein in das so genannte Protektorat Böhmen und Mähren bis nach Pilsen.
Das war nun die militärische Situation zum Monatswechsel April/Mai 1945. In der Führung der Division hatte es in den vergangenen zwei Wochen - genauer seit dem 15.April - einen Wechsel gegeben. GLt von Wietersheim wurde abberufen um die Schlacht um Berlin mit dem 41. Panzerkorps zu führen. Generalmajor von Buttlar war nun der neue Kommandeur. Wend von Wietersheim entschloss sich in dieser Situation, - und im Wissen um die Ausweglosigkeit überhaupt nach Berlin durchzukommen - dazu "krank" und damit unabkömmlich zu werden. GLt von Wietersheim war also noch da, aber eigentlich nicht mehr der rechtmäßige Kommandeur der 11. Panzerdivision.
Flugblatt der US Army vom Jahreswechsel 44/45 |
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Wie dann doch nicht ganz so gut die US Spionage war zeigt sich an der anfänglichen Fehleinschätzung über die Mannschaftsstärke, die die Amerikaner anfänglich auf 1500-3000 Mann schätzten. Allein mit der Kampfgruppe Wietersheim kapitulierten am Ende 9050 Mann.
Der Großteil der Division war im Kommandobereich von GLt von Wietersheim und dieser - nun sind wir endgültig im Mai 1945 angekommen - versammelte am 2.Mai, durch seine eigene Funkstelle über die Aussichtslosigkeit der Kämpfe gut im Bilde, seine Offiziere im Divisionsgefechtsstand.
Vorausgegengen war ein einlaufender Tagesbefehl von General Schöner, dem Oberkommandeur des Heeres, welcher befahl, dass die 11. Panzerdivision sich sofort in Richtung Osten in Marsch zu setzen habe, wenn nötig zu Fuß unter Zurücklassung der Panzer und Geschütze, falls nicht mehr ausreichend Treibstoff vorhanden sei.
GLt Wend von Wietersheim |
In dieser Besprechung mit seinem Stab und seinen Offizieren machte GLt von Wietersheim den Vorschlag, bei Zustimmung, mit den Amerikanern in Kontakt zu treten und eine ehrenvolle Waffenruhe auszuhandeln. Die Kampfgruppe von Buttlar sollte in diese Vereinbarungen miteingeschlossen werden. Dieser Vorschlag wurde in vollem Bewusstsein gemacht, dass es ein militärischer Hochverrat war, den er damit initiierte. Als alle in der Runde ihre Zustimmung signalisierten, übernahm von Wietersheim ausdrücklich wieder das Kommando über die gesamte Division, um die Verhandlungen auch über die KG von Buttlar führen zu können, der ja bereits 60 km weiter südlich und eigentlich - in Bezug auf die Verhandlungen mit den Amerikanern - nicht mehr im Einflussbereich der 90. Inf Division war.
Col. Reed von der 2nd Cav. |
- keine Auflösung der einzelnen Einheiten in der Gefangenschaft.
- alleinige Kommandobefugnisse der deutschen Vorgesetzen bis zur Entlassung
- Belassen aller Rangabzeichen, Orden und Ehrenzeichen
- Behalten der Offiziers Handfeuerwaffen
- eigene Gerichtsbarkeit
- eigene Verpflegung
- schnellste Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft
Festlegung einer Route auf der die Fahrzeuge der Division in den bayerischen Raum einrücken sollten.
Am Morgen des 4. Mai machten sich der 2. Generalstabsoffizier und der Divisionsadjutant zusammen mit zwei Dolmetschern auf den Weg, überschritten die Hauptkampflinie und trafen auf den ersten amerikanischen Posten. Von dort ging die Informationsstaffette schnell weiter und mit verbundenen Augen wurden die Unterhändler zum amerikanischen Divisionsgefechtsstand - in Cham - gefahren.
Ausgewiesen durch die schriftliche Vollmacht von Wietersheim war das einzige Pfund mit dem sie wuchern konnten, die vollständige Kampfbereitschaft der Division und stellten ihre vorher abgesprochenen Forderungen.
Vollmacht von Wietersheim für seine Verhandlungsdelegation |
Die amerikanischen Offiziere in Cham konnten und wollten solch eine weitreichende Entscheidung nicht alleine treffen, unterbrachen die Verhandlungen kurzerhand und informierten den Bataillonskommandeur General Patton.
Hier fällt nun der bekannte Ausspruch General Pattons, welcher von den mit Spannung rückerwarteten Parlamentären den deutschen Offizieren berichtet wurde:
General Patton ist der Überzeugung, dass die 11. Panzerdivision die fairste und tapferste deutsche Division ist, gegen die er in diesem Krieg gekämpft hat. Er ist daher bereit, die von den deutschen Unterhändlern für die sofortige Waffenniederlegung vorgetragenen Bedingungen anzunehmen.
Bereits vorher hatten Einheiten der 2nd Cavalry aus dem Pferdegestüt in Hostau den gesamten Zuchtbestand der Lipizzaner in einem filmreifen (das wurde tatsächlich später in Hollywood verfilmt - und riskanten Aktion und dies auch bereits in Zusammenarbeit mit deutschen Offizieren - auf dem Sudetenland mit LKWs herausbringen, für eine Kavallerieeinheit natürlich eine Ehrensache.
Und Teile dieser Pferdeherde wurde nun ebenfalls nach Kötzting gebracht und musste dort auch versorgt werden, was in dem feuchten Frühjahr nicht einfach gewesen war.
Stichpunkt: Anna Rosmus und Gehlen, dem Chef der Abteilung des Geheimdienstes: "Fremde Heere Ost"
An Pfingsten 1945 jedoch waren noch einige der Pferde in Kötzting, doch dazu später.
111. Panzergrenadierregiment - nachdem die US Streitkräfte noch 135000 Liter Sprit geliefert hatten - ebenfalls in den Schutzbereich der US Kavallerie nach Kötzting ein.
Erschwerend kommt auch noch hinzu, dass im LK Kötzting sich mehr als 11000 Flüchtlinge eingefunden hatten:
Wir wissen von umfangreichen Einquartierungen der Soldaten in Haus, in Sperlhammer, in Gehstorf und natürlich in Kötzting. Und 1400 Fahrzeuge mussten ja auch noch untergebracht werden.
Ankunft der Soldaten in Gehstorf |
Dieses Bild muss sehr kurz nach der Kapitulation entstanden sein,. denn die beschlagnahmten Fahrzeuge stehen noch schön in Reih und Glied. |
Foto Barth |
GLt von Wietersheim vor seinem Büro in der Marktstraße |
Ein deutscher Feldjäger als Fahrer der Amerikaner |
So sah teilweise das "Camp" der Soldaten aus, hier auf dem heutigen Jahnplatz. |
Dies alles muss man in Zusammenhang bringen, mit den vielen Tausenden an Kriegsgefangenen, die in Cham auf offenem Feld zusammengepfercht waren und wohin auch weiterhin all die Deutschen Soldaten gebracht wurden, die sich bei anderen Gelegenheiten den US-Soldaten ergaben.
Soweit war es aber noch nicht, denn zunächst einmal kam das Pfingstfest 1945, 13 Tage nach dem Kriegsende.
Die Militärregierung
Bgm Kroher und der Landrat Fiesenig wurden wegen ihrer Parteizugehörigkeit sofort vom Amt entfernt und der Forstsrat Dr. Dr. Weiger wurde als der neue Landrat und der - von den Nationalsozialisten im April 33 aus dem Amt gezwungene - frühere Bürgermeister Hans Schödlbauer wieder als Kötztinger Bürgermeister eingesetzt.
Zuerst die Versorgung mit all den Dingen des täglichen Bedarfs
Die Anmeldungen für die neue Schulzeit im September, obwohl viele der Schulräume als Notunterkünfte verwandt wurden.
Die Beschaffung von Heizmaterial für den kommenden Winter.
Die vielen Umquartierungen in Kötzting selber, da die Militärregierung viele Anwesen in Kötzting für ihre Zwecke beschlagnahmt hatte.
Die Unmengen an scharfer Munition, die in der Umgebung lagen.
Sofort wurde die Herrenstraße für die Bevölkerung - außer für die Angestellten im Landratsamt - auf "off limits" gesetzt und auch im " Amerikahaus" - heute die Volksbank - herrschten strenge Regeln, hier war das Betreten des ersten Stockwerkes bei Strafe verboten worden, dort war zunächst das Reich des CIC, dem Vorläufer der CIA, die für die Entnazifizierung zuständig war.
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Gleich zu Beginn gingen täglich die unterschiedlichsten Anordnungen an das Landratsamt, welches diese dann an die Gemeinden weiterzuleiten hatte.
Am 29. Mai öffnete das Arbeitsamt wieder,
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