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Samstag, 25. Mai 2019

Ein Jahresrückblick auf 1949

eine kleine Jahreschronik von 1949


1949 hat sich bei unserem Pfingstfest (Volksfest, Pfingstfestspiel, Kranzlübergabe am Marktplatz) so viel geändert, dass ich das große Thema Pfingsten 1949 ja schon im letzten Monat in einem separaten Beitrag umfassend zusammengestellt habe.

Wie lebte es sich also in Kötzting im Jahre 1949, nach der Einführung einer neuen Währung und was war los:

Ein großes organisatorisches Problem für die Kötztinger Behörden - ich nenn jetzt die Militärregierung der Amerikaner ebenfalls eine Kötztinger Behörde, weil die jeweiligen Offiziere sehr bemüht waren, die Verhältnisse in Kötzting zu verbessern - waren die vielen Vertriebenen und deren Grundbedürfnisse. 
 Nach wie vor musste das Kötztinger Landratsamt wöchentliche Meldungen an die Militärregierung abgeben und von den Vorkommnissen berichten.
 

Staatsarchiv Landshut Militärregierung Fiche 100 vom 12.1.1949
Von 488 in Kötzting wahlberechtigten Vertriebenen ließen sich 82 Personen zur Wahl einschreiben, davon gingen dann 45 zur Wahl eines Vertrauensmanns und wählten Herrn Heinrich Pirschke. In Grafenwiesen, ein anderes Beispiel, befanden sich 135 Vertriebene. Laufend liefen bei den Amerikanern die Pflichtmeldungen ein, es war in diesen Jahren eine reine Mängelverwaltung. Nach einem Keuchhustenausbruch in Hohenwarth, zum Beispiel, wurden dort die Schule geschlossen. 
Interessant war die Meinung des Landratsamtes über die Stimmung innerhalb der Bevölkerung:
Staatsarchiv Landshut Militärregierung Fiche 100 vom 12.1.1949: die Silvesterfeierlichkeiten verliefen beinahe so wie in Friedenszeiten. Die öffentliche Stimmung kann man als teilnahmslos beschreiben, die Leute sind an Politik nicht sehr interessiert.
Wie sehr unsere Vorfahren unter der Mangelsituation zu leiden hatten und wie detailliert die Berichte sein mussten zeigen einige Berichte vom Landrat an die Militärregierung: (in englischer Sprache)

Kötzting wöchentlicher Bericht 

am 19. Januar trafen sich die Wirte im Gasthaus Miethaner um ihren Vertrauensmann zu wählen: Herr Heinrich Wagerer aus Grafenwiesen wurde bestätigt.
Am 20.1.1949 wurde das Drama "Des Teufels General" von Carl Zuckmayer durch das Städtetheater Straubing in der Turnhalle in Kötzting vor vollem Haus aufgeführt. Die in dem Stück dargestellten Problemstellungen wurden in den folgenden Tagen sehr lebhaft innerhalb der Kötztinger Bevölkerung diskutiert.
Am 22. Januar trat überraschenderweise ein großes Loch  in der Regenbrücke nahe der Metzgerei Oberberger auf.  Es ist bereits der zweite schwere Schaden in diesem Winter und es ist daher zweifelsfrei notwendig, die Brücke richtig zu reparieren, um schwerere Schäden zu vermeiden, ist vorgesehen, die Brücke für den Verkehr mit Lastwägen zu sperren.

Am 9. Februar ereignete sich ein schwerer Unfall nahe der Eisenbahnlinie bei Gillisberg, Gemeinde Chamerau. Der 18jährige Manfred MERKL aus Chemnitz beschäftigte sich mit herumliegender Flakmunition, welche er sammelte, aufhäufte und anzündete. Um 15.45 Uhr hörten zwei Männer nahe der Eisenbahnlinie eine Detonation und Hilfeschreie. Sie fanden Merkl schwer verletzt, sein linkes Bein schien zerrissen, er wurde ins Krankenhaus nach Kötzting gebracht, wo er verstarb. Da er keine Angehörigen hatte wurde vermutet, dass er Selbstmord verüben wollte.
Am 10.2.1949 kam es zu einem ersten Treffen des Aufsichtsrates der Kreissparkasse Kötzting. Zum ersten Mal nach der Währungsreform konnte ein Überschuss an Einlagegeldern ermittelt werden.
Am 9.2.1949 trafen sich die Erzeuger von Saatkartoffeln im Januelsaal auf Einladung der BAYWA. Die gut besuchte Veranstaltung bewies wie viele Bauern an dieser Art der Bewirtschaftung interessiert sind.
Am selben Tag wurde in Kötzting die Volkshochschule geöffnet

Kötzting, 21.Februar 1949, wöchentlicher Report vom 14. bis zum 19. Februar 1949
Während der Berichtswoche sprachen 116 Personen bei uns im Amt vor. Betrachtet man die allgemeine Rationierung, so gab es keine besonderen Vorkommnisse. Das Besucheraufkommen war etwas geringer als in der vergangenen Woche, was sicherlich der Tatsache geschuldet ist, dass bekannt ist, dass die Textilmarken (30 Coupons) demnächst verteilt werden. Übrigens ist die Nachfrage nach Textilien so groß als zuvor, weil die fraglichen Geschäfte die Marken für Bettbezüge und Leinen in vollem Umfang verlangen. So schließen wir halt die weniger Bedürftigen aus und kontrollieren die Rückläufe. Insgesamt wurden 2907 Marken verteilt.
Alle Marken für Seife, Petroleum usw. wurden ausgegeben und mit den Rückläufern nach Weisung verfahren.
Die Zuteilung an Kohle ist sehr gut, leider haben wir Kohle erhalten, die weder in Firmen noch in Haushalten verwendet werden kann, so dass wir uns in der letzten Woche anderweitig behelfen mussten. .......

Soweit nun der Einblick von der behördlichen Seite.
Neben der Einrichtung und Unterstützung der Volkshochschule und der öffentlichen Bücherei im Kötztinger "Amerikahaus" in der Marktstraße war es der Militärregierung ein Anliegen, an die deutschen Jugendlichen in einem demokratischen Sinne heranzukommen, deren quasi paramilitärischen Beeinflussung in der HJ- und der BDM-Bewegung es zu begegnen galt. Im ersten Vierteljahr seit seiner Eröffnung im Dezember 1948 hatte die Bibliothek im "Amerikahaus" bereits über 6000 Besucher und Nutzer zu verzeichnen.
Ein Ergebnis war eine bayernweite Seifenkistenrennenausscheidung zu welcher auch "Der Große Preis von Kötzting" gehörte, was bereits vor einigen Jahren Thema eines Blogs gewesen ist.











Nun mal weiter im Jahresverlauf, wie er sich in den lokalen Zeitungen abbildete.

Silvesternacht 1948

es "weitzt" in Kötzting in der Rathausgasse

Kötztinger Umschau Januar 1949 ein Stadtgespräch in den lichtarmen Nächten in Kötzting

Januar 1949

Wo bleibt der Burschenverein?

Nach 100jähriger Tradition Zerfallserscheinungen 
titelte die Kötztinger Umschau im Januar. Was war da los: der Burschenverein, erst seit kurzem wieder mit einer offiziellen Zulassung, kämpfte mit der geringen Mitgliederbeteiligung. 130 Mitglieder hatte der BWV aber bei der Mitgliederversammlung beim "Wieser Girgl" (am Ende der Schirnstraße) waren nur 36 Burschen anwesend, so dass die Vorstandswahl verschoben werden musste. Nur bei den Pfingstfeierlichkeiten würde man die Mitglieder antreffen, sämtliche geplante Wanderungen des vergangenen Jahres mussten abgesagt werden. Es geht ans Eingemachte, schlichtweg um die Erhaltung des Burschenvereins. "Kötztings männliche Jugend sollte sich dessen bewusst werden. Daß auch die Flüchtlingsjugend hierzu gehört, dürfte ohne Zweifel sein" (!)

Die provokante Überschrift zeitigte Folgen:

Neues "Frisch auf" beim Burschenverein

Bei der Wiederholung der Vorstandswahl kamen dann 110 Burschen und Ehrenmitglieder und so konnte zur Wahl geschritten werden. Oexler Franz wurde der neue Vorstand und  Karl Liebl zu seinem Stellvertreter gewählt. Besonders Josef Barth, der 1919 die Geschicke des Burschenvereins übernommen hatte appellierte an den Burschenverein, er müsse zum Sammelbecken der Kötztinger Jugend werden und der Flüchtlingsjugend müsse der Verein zu einer neuen Heimat werden.

Auch der Fasching ist nun wieder etwas Besonderes, das Dünnbier ist Vergangenheit, durch die Einführung der D-Mark sind endlich wieder - vermutlich zurückgehaltene - Waren in den Handel gekommen. Offensichtlich waren auch MASKEN vorher verboten gewesen, nun konnte der Kötztinger also zuerst einmal wieder inkognito "Maschkera" gehen.
Das Cafe Regina und Klingseisen, Joe Schuhbauer, der Pächter der "wohldekorierten" Turnhalle und Betreiber eines vollkommen untermotorisierten "Taxi"unternehmens, all das sind Namen, an die sich ältere Kötztinger gerne erinnern, aber nur noch wenige werden es sein, die tatsächlich dort noch Fasching gefeiert haben.
Kötztings Faschingskalender: auch der Kreisverband der KPD feiert ein Faschingskränzchen....

DIA Repro Arbeitskreis 1804 Theaterstück Glück vom Riedhof, siehe Trachtenvereinsartikel



Probleme sind da, um gelöst zu werden, pragmatische Lösung in Grafenwiesen

 Februar

die Volkshochschule beginnt
Wie in den einleitenden Berichten des Landratsamtes an die Militärregierung bereits berichtet wurde, begannen in Kötzting, nach Genehmigung durch das Kultusministerium in München, im Februar die Vorträge im Rahmen der Volkshochschule. In einem Nebenzimmer des Gasthauses Kollmaier finden zukünftig an jedem Mittwoch, jeweils in der Zeit von 8 bis 10 Uhr, zwei Vorträge von etwa einer Stunde Dauer statt.


Die Kötztinger Hütte wieder aufgebaut

Kötztinger Hütte, so wie sie bis zum 2. Mai 1945 ausgesehen hat, Bild vermutlich vom Kötztinger Lehrer Josef Bock. Am 2. Mai 1945 wurde dieser Bau von einer in Wettzell stationierten amerikanischen Artilleriestellung unter Beschluss genommen, weil man dort versprengte Wehrmachtsangehörige vermutete, bzw. solches gerüchtweise verbreitet worden war.1948 war dann erneut der Baubeginn des Wiederaufbaus und im Februar 1949 war es soweit:


hier die Kötztinger Hütte in derselben Ansicht wie in der Zeichnung von Hermann Seiler: die feierliche Einweihung der Kötztinger Hütte erfolgte am 26. Juni, an dem Tag, als auf den umgebenden Hügeln die Johannisfeuer brannten......
In seiner Festrede anlässlich der (Wieder)Eröffnung der Kötztinger Hütte stellt Herman Seiler die vielen Personen heraus, die tatkräftig zu dieser Erfolgsgeschichte beigetragen hatte.
Maßgeblichen Anteil hatte wohl der Chef der amerikanischen Militärregierung in Kötzting Mr. Pearce, der es selber zwar nicht schaffte zur Eröffnung zu kommen es sich aber vorbehielt später zu einer kleineren Feier auf den Mittagsstein zu kommen.
Hier nun drei Ausschnitte aus der Eröffnungsrede Herman Seilers:
Krämerarchiv im Stadtarchiv Kötzting: Seilers Rückblick auf die Zerstörung der "alten" Kötztinger Hütte

Krämerarchiv im Stadtarchiv Kötzting: die Hilfe zum Wiederaufbau durch die Militärregierung in Kötzting

Krämerarchiv im Stadtarchiv Kötzting: Der Moment der Einweihung


März



Rückschau: wir schreiben den Mai 1945, die 11. Panzerdivision kapituliert und ca 11.000 Mann mit Waffen und Gerätschaften biwakieren im Großraum Kötzting. Aus Platzmangel wird auch in Sperlhammer - dem von Captain Sperl so geliebten "Weißen Haus"- eine Baracke für die Soldaten errichtet. Eigentlich gedacht als ein Provisorium, sind die Behörden später, nach Eintreffen der Flüchtlings- und Vertriebenenmassen, glücklich solch einen freigewordenen Wohnraum zur Verfügung zu haben, und nichts hält eben länger als wie ein gutes Provisorium. Nun im März 1949 soll die Baracke endgültig verschwinden.
Sta La Rep 164-8 Nr. 3520 Baracke der 11. PD in Sperlhammer
Die Fraktion der Bayernpartei, in Person des "Fraktionsvorsitzenden und Revierförsters Volkholz in Watzlsteg", beantragte die Baracke abzureißen um dem Grundstücksbesitzer wieder einen ungetrübten Nutzen aus seiner Wiese zu ermöglichen. Dazu gibt es einen Akt im Staatsarchiv in Landshut, allerdings gibt das Landratsamt angesichts der andauernden Wohnungsnot nicht nach, sondern verweist auf die ursprünglich vereinbarten Bedingungen.

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Die Pfadfinder beziehen den Pulverturm

Schon vor mehreren Jahren habe ich die Geschichte der Kötztinger St. Georgspfadfinder mit ihren ruhmreichen Anfängen und dem kläglichen Ende zusammengestellt.





























Im März 1949 nun beginnt die Erfolgsgeschichte mit dem Umbau des früheren Pulverturms. Interessant an dem Artikel ist - ich wusste es vorher nicht - das in diesen Räumen - vermutlich nur nach dem Kriege - die Gemeindekanzlei von Arndorf, Gehstorf und Haus untergebacht war. Arndorf zumindest war bis zur Gebietsreform mit seinem Standesamt dann in einem kleinen Häuschen beim Gschaider in der Pfingstreiterstraße untergebracht.




Der Fremdenverkehr

Es ist sicherlich nur eine Binsenwahrheit, aber man kann ein Bett und ein Zimmer nur einmal belegen. Angesichts der anhaltenden Wohnungsnot durch die immer noch großen Vertriebenenzahlen, sind auch die in der Vergangenheit vorhandenen "Fremdenzimmer und Betten", der Not gehorchend, mit Flüchtlingen belegt worden. Die Statistik spricht ein deutliches Wort, von den 342 Fremdenbetten des Marktes Kötzting im Jahre 1938 standen 1949 nur noch 27 für diesen Zweck zur Verfügung. 1938 hatte Kötzting in der Sommersaison noch 16000 Übernachtungen aufzuweisen. Es besteht der dringende Wunsch, die zweckentfremdeten Gasthausbetriebe und Privatwohnungen wieder ihren ursprünglichen Bestimmungen zuzuführen, denn "allem Anscheine nach sind Kötzting und Lam wieder bereit, im Fremdenverkehr ihren Platz zurückzuerobern. Der Markt Kötzting gibt in diesem Jahre wie früher die hübschen Briefverschlussmarken heraus, welche besonders eine Werbung für das Pfingstfest erzielen sollen.

Die Neukirchener Kirchenglocken, die im Zuge der Buntmetallabgaben im Weltkrieg vom Turme abgenommen und folgend eingeschmolzen worden waren, wurden 1949 neu gegossen und feierlich in Neukirchen wieder geweiht


OGV Kötzting wieder gegründet

das BRK, mehr als nur für Krankentransporte zuständig:

Wie in den alten Zeiten: Holztrift herunter von den Arberwäldern:
Nicht mehr lange wird es diese Form des Holztransportes in unserer Gegend geben, in dem Maße, wie die Straßenverbindungen hinauf zum Arber ausgebaut werden, wurden diese Transporte dann auf die Straße verlegt. Noch aber fehlt diese Möglichkeit und auch die Kosten waren damals offensichtlich mit dem Triften leichter in den griff zu bekommen. Im Artikel wird das genaue Prozedere, auch was die Kontrollen am Flussverlauf betrifft, sehr gut beschrieben.


April

April 1949, das Kriegsende und dessen Folgen sind überall mit Händen greifbar, trotzdem erscheint im April eine erste Rückschau und Zusammenstellung der Ereignisse vom April 1945, die vor Allem die Auswirkungen der großen Bevölkerungsverschiebungen durch die Vertreibungen in den Mittelpunkt stellte.

Politische Vertretung der Vertriebenen

Ziemlich genau ein Drittel der Bewohner im Altlandkreis Kötzting bestand in den Jahren 1945-48 aus Vertriebenen und Flüchtlingen - was ebenfalls bereits Thema eines Blogs gewesen ist -, ohne allerdings, wegen ihrer Zersplitterung auf die verschiedensten Ortschaften, mit entsprechendem politischen Gewicht ausgestatten gewesen zu sein. Dies sollte sich nun ändern. Nachdem die schiere Not einigermaßen gelindert worden war und sich die Dinge langsam, aber sicher zum Besseren wandelten, schlossen sich die unterschiedlichen Gruppierungen und Ortsvereinen nun auch politisch zusammen.
im April 1949 kam es dann endgültig zur Wahl des Vorstandes dieser Interessenvertretung: erster Vorstand wurde Herr Alfons Heiduk aus Kötzting

Die Kötztinger Konservenfabrik
 
Auch wenn diese Fabrik mittlerer weile schon seit vielen Jahren Geschichte ist und sich bald niemand mehr beim Fahren in der Pfingstreiterstraße daran erinnern kann, die Konservenfabrik war einmal einer der größten Arbeitgeber in Kötzting. Vor allem in der Sommersaison war es für Frauen ein gesuchter Arbeitsplatz.
Neben der sehr guten Beschreibung der Geschichte und des Geschäftsverlaufes der Konservenfabrik, fiel mir besonders das vorletzte Wort auf: "kostbares Volksgut", interessant und verständlich, angesichts der Nahrungsmittelkrise, aber sehr nahe an der Sprache des Dritten Reiches.

Marktgemeinderatssitzung beschließt große Änderungen:

Wie einleitend bereits angerissen, wird es in diesem Jahre an Pfingsten zu großen Änderungen gegenüber den Vorjahren kommen, viele Vorschläge wurden zumeist von Seiten des Burschenvereins gemacht, welche tatsächlich alle vom Marktrat angenommen wurden. Da es so viele Neuerungen sind, die bis heute Bestand haben, möchte ich den ganzen Komplex im nächsten Monat, rechtzeitig zum 70jährigen Jubiläum, in einem eigenen Beitrag vorstellen.

Einschub: In dieser Sitzung wurde auch das Rücktrittsgesuch als Marktgemeinderat meines Großvaters - ebenfalls Clemens Pongratz -  angenommen. 1933 war er, zusammen mit den anderen Ratsmitgliedern von der BVP und dem Bürgermeister Schödlbauer,  ja im Sommer von der NSDAP zum Rücktritt gezwungen worden und 1945 von den Amerikanern gleich wieder in Amt und auch als Beisitzer bei den Kötztinger Spruchkammerverfahren bestimmt worden. Aus letzterem Amt hatte er sich bald zurückziehen können - lt Aussage meines Vaters, weil er erleben musste, dass sich die "Kleinen" nicht vernünftig wehren konnten und daher bestraft wurden, während die "Größeren" durch entsprechende Hilfen eher aus dem Schneider waren. Nun kam also der, diesmal echt freiwillige, Rücktritt als Marktgemeinderat aus gesundheitlichen Gründen. Wie bei vielen anderen Kötztinger Bürgern seines Jahrgangs war es der Alkohol.....

Ludwig Volkholz betritt die politische Bühne:
Gegründet im Dezember 1947, kam es dann bereits im Folgejahr zu ersten Positionskämpfen zwischen der Kreistagsführung in Person des Landrats und der Fraktion der Bayernpartei. Nun wurde der Herr Revierförster Ludwig Volkholz als Kreisvorsitzender bestätigt und beschreibt in seiner Antrittsrede, dass zwar die Fraktion im Wesentlichen aus Kötztingern bestehen würde, sie aber zum Wohle des gesamten Landkreises kämpfen würden. Seit der Gründung sei der Mitgliederbestand von 95 auf 517 Personen gestiegen und habe es 157 Versammlungen gegeben. In einem Rundumschlag forderte er die Auflösung des Kreistages, lehnte die neu gegründete Volkshochschule und die Kulturabende ab und wandte sich gegen eine Verunglimpfung der Bauern bei Volksstücken.

Mai


Das Pfingstbrautpaar wird bekannt gegeben:
Anfang Mai wird es bekannt, von den sechs vom Marktgemeinderat vorgeschlagenen Bürgersöhnen hat das Pfarramt den Kaufmann Wolfgang Ludwig, den Vater unseres vorherigen Bürgermeisters, auserwählt, der sich Fräulein Maria Schaffer als Pfingstbraut nahm. Ihm zur Seite als Brautführer stehen der Schlossermeister Hans Graßl und der Kaufmann Hans Dattler.


Erste Umsiedlung von Vertriebenen in die französische Zone
Bayern erhielt eine Quote von 75000 Umsiedlern zugesprochen, nachdem sich die "französische Zone" grundsätzlich zur Aufnahme und damit zur Auflockerung der angespannten Situation in der "amerikanischen Zone" bereit erklärt hatte. Allerdings hatte sich die französische Seite die Möglichkeit einer Auswahl nach Berufszugehörigkeit ausbedungen. Kötzting hoffte, dass der Bayerische Wald als Notstandsgebiet vorrangig behandelt würde, wobei der Grundsatz der Freiwilligkeit in den Vordergrund der Umsiedlung gestellt wurde. In den Jahren zuvor hatten sich viele hier gestrandete Kulturschaffende eine Konzession ausstellen lassen. Nun mit der Möglichkeit der Umsiedlung sind dann in kurzer Zeit die meisten abgewandert. Diese "Szene" der Nachkriegszeit wäre es wert, einmal genauer untersucht zu werden.


 Kötztinger Wanderwege

 Geht man heutzutage, schön entspannt, am Wochenende auf den Ludwigsberg, macht man sich gar nicht bewusst, dass dies vor gar nicht so langer Zeit ganz anders ausgesehen hat. Um finanzielle Lücken zu schließen und um Heizmaterial zu gewinnen hat die Marktgemeinde auf dem Ludwigsberg Bäume schlagen lassen und auf dem Wiesenabhang türmten sich die militärischen Reste der 11. Panzerdivision. Nun aber in das Frühjahr 1949 hinein soll es endlich wieder besser werden:
zeitgenössische Bestätigung der Lagerplätze der Fahrzeuge der 11. PD.

Schulplatznot in Kötzting

Unvorstellbar sind die Zahlen, die hier  genannt werden. 10 Jahre später, als ich dann eingeschult wurde, waren wir zwar im ersten Kurs - beim Lehrer Mieleithner - immer noch über 50 Schüler und im Jahr drauf bei Herrn Ertl waren bei uns Zweitklässler dann noch die Drittklässler mit im Raum, aber danach gings lockerer, bis hin zu ersten Englischstunden beim Krämer Schorsch, aber immer noch mit der -für mich- "ekligen Schulmilchspeisung" aus den braunen Glasflaschen und bald dann auch mit der ersten Schluckimpfung gegen Kinderlähmung. 1949 aber war das Bild in der Volksschule ein ganz anderes:



Juni

Auch wenn ich mich wiederhole, Pingsten 1949 wurde wegen der vielen Änderungen ein eigenes Thema, doch ganz ohne Pfingsten wäre solch eine Jahreschronik nicht komplett, daher hier nur kurz die Zusammenfassung von Pfingsten 1949 in der Presse, sozusagen die Pfingstbeilage von 1949. das Bild der Kranzlübergabe des Vorjahres kann natürlich nur falsch sein, ab 1949 geschah dieses auf dem Marktplatz.




ein schönes Detail:
der Pfingstbräutigam und seine beiden Brautführer, spielten gemeinsam in der Meistermannschaft von 1949


Juli


Politisch gings hoch her in diesem Monat, die Bayernpartei, angeführt von ihrem Kreisvorsitzenden Ludwig Volkholz nahm sich nun die Vertriebenenvertreter - in Person von Alfons Heiduk - zur Brust. (Zwei Monate zuvor waren es noch der Landrat Scholz und die CSU Fraktion, die zum Ziel seiner Angriffe geworden waren). Er schrieb davon, dass seine Partei um die Freiheit Bayerns kämpfe und um Reinigung von allen norddeutschen Insekten, die Norddeutschland ausstauben würde. Inhaltlich ging es dabei um Forderungen der Vertriebenenverbände, denen er einen ungezogenen Ton vorwarf.
 Ansonsten gings im Juli eher beschaulich zu, der Haidstein feierte sein Patrozinium

Auf der Ostmarkstraße außerhalb von Miltach wurde um den "Großen Preis von Kötzting" gekämpft


ich glaube mich noch an den Tierpräparator -vulgo Ausstopfer- von Haus erinnern zu dürfen, wenns derselbe ist, an den ich mich erinnere, so hatte er sein Haus gleich schräg gegenüber dem Kramerladen der "Moama Linerl" in Haus. Von diesem haben wir unsere ersten Goldhamster erhalten, die er nicht umbringen und ausstopfen wollte...... 


der Tierpräparator Karl aus Haus


 August

Es bleibt politisch und es ist wiederum die Bayernpartei: bei der Bundestagswahl am 14. August 1949 erzielt der "Revierförster Ludwig Volkholz aus Watzlsteg bei Kötzting" mit einem Drittel der abgegebenen Stimmen im Wahlkreis Deggendorf den Sieg und zieht damit in den Bundestag nach Bonn ein.
 Aber schon in seiner Stellungnahme gegenüber dem Reporter, der ihn nach dem Wahlsieg aufsuchte und zu interviewen versuchte, kommt seine Gegnerschaft zur CSU deutlich zur Sprache. Der Reporter ist hörbar begeistert von seiner Energie und wohl auch Ausstrahlung.
In dem vorhergegangenen Wahlkampf ging´s hoch her, die SPD versammelte ihre Anhänger beim Januel und keilte gegen CSU und BP. Die KPD, mit 150 Besuchern in die Jahnhalle ausgewichen, bezog ganz klar Position gegen die USA und deren Marschallplan und für die UdSSR und die Unterstützung der "Ostzone". Schwer zu schaffen machte der Partei aber die ausgesprochene Exkommunikation der KPD Mitglieder durch den Vatikan genau jetzt im Bundestagswahlkampf.


 Neuer Krankenwagen fürs Kötztinger Rote Kreuz:

Wie weiter oben in dem Rechenschaftsbericht des BRKs bereits angedeutet, gipfelte die Forderung des Verbandes in eine Ersatzbeschaffung für ihren Sanka, der noch aus Wehrmachtsbeständen, - ich bin mir sicher aus dem Fuhrpark der 1.PD - stammte. Nun gabs einen umgebauten VW Käfer. Auch wenn das Zeitungsbild sehr unscharf ist, so erkennt man doch die technischen Details, die beeindruckend sind. 25 PS also 19 KW bei den damaligen Straßen UND Steigungen sind anspruchsvoll. Aber es geht aufwärts.


























Geburtstage: Josef Blau und Josef Liebl


Wer immer sich mit der Geschichte unserer Heimat beschäftigt, kommt um Josef Blau nicht herum. Weniger als Dichter, sondern vor allem als Heimatforscher unseres Grenzraumes ist er unverzichtbar und heute noch ziehe ich in vielen Fällen seine Veröffentlichungen heran. 


 Am Ende des Monats noch ein weiterer Geburtstag:




Der Kötztinger Jedermann

Im August 1949 probten die Kötztinger Pfadfinder unter der Regie von Herrn Röhrich aus Lam, den Jedermann ein und führten ihn vor der St. Anna Kapelle auch auf.
Mehr Infomaterial zu dieser Ausführung und zu den Pfadfindern in Kötzting gibts hier:
Die Jugend in Kötzting Teil II

In dem Blog ist auch die Entstehung eines  Kötztinger Fanfarenzuges dargestellt, der später zunächst zusammen mit dem Spielmannszug der FFW auftrat und Jahre später von diesem allein gespielt wurde. integriert wurde. Auch die Kötztinger Herolde haben hier ihren Ursprung.






Obere Reihe von links: 1. Fischer Pepp (RA-Sohn) 2. Mühlbauer Annelies (Schuhgeschäft Marktstraße) 3. XX Schwester von Simml Max aus Beckendorf) 4. Foerster Heini (LRA/FWV) 5. Schelenz Irene (Lindner) 5a Heiduk Alfons oder Hans 6. X.X. Hauptdarsteller wohnhaft in Beckendorf) 7. Lickleder Helmut "Jedermann" 8. Attenberger Ludwig (Notar) 9. Mühlbauer Hans (Bergfrieden) 10. Teufel 11. Brandl Ludwig Requisiteur
Zweite Reihe von links: 1. Rektor Röhrich, Lam Regisseur, 2. Heiduk Magda, 3. Sperl A. (Mannig) 4. X.X. 5. Heiduk Klaus, 6. Stadler Lina (Miethanner) 7. Kaminski (Bruder Viktor) 8. Schmidl Lisbeth (jetzt Cham) 9. Liebl Hilde (Lebzelter/Bahnhofstraße) 10. Pater Augustin
Untere Reihe von links sitzend 1.XX, 2. XX 3. Sobania (+Kind) 4. X.X und Kind
5. Gruber Ferdl (Hammermühle) 6. ein Gietl 7. Schmiel Kurt  (Teufelchen)




 September

 10 Jahre Lebensmittelkarten:  seit Ausbruch des Weltkrieges im September 1939 mussten die Kötztinger mit einer Mangelwirtschaft und deren Folgen leben:



 eine besondere Ehrung: Karl Lindner, vulgo der Major



 Beckendorf erhält seine neue Kapelle:

Plan der Beckendorfer Kapelle



Baubeginn war bereits im Jahre 1948


 Zur Erinnerung, neben dem allseits bekannten Ostmarkonkel, ein anderer Förderer des Kötztinger Trachtenvereins:


  Das Problem mit den Kötztinger Brücken


Kötzting ist langsam vom Verkehr abgeschnitten, nachdem im ausgehenden Winter bereits die Oberbergerbrücke (damals meistens noch Kollmeierbrücke genannt, wegen des Wirthauses Kollmaier an der Engstelle, später in Besitz der Familie Meimer) für den LKW Verkehr gesperrt werden musste, erwischte es nun die Höcherlbrücke (bei der Sagmühle). Wie problematisch dies war wird erst erkennbar, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Straße nach Blaibach und Miltach erst 17 Jahre später erbaut wurde. Die LKWs von der Konservenfabrik mussten, wenn sie am Kötztinger (Haupt) Bahnhof Ware abholen wollten, den Weg über Grafenwiesen, Thenried, Haus und Kötzting nehmen, und ein Miltacher Fuhrunternehmer, der von der Zellertaler Ziegelei Material brauchte musste den Weg über Viechtach und Wettzell nehmen. Das Ganze noch unter dem Einfluss der damals noch vorherrschenden Benzinzuteilung.  Der Markt Kötzting appellierte an den Landkreis, diese Maßnahmen unter die Notstandsarbeiten einzugliedern und vorrangig bereinigen zu lassen. Das Deggendorfer Straßen und Flußbauamt stellte fest, dass die letzte Reparatur, vorgenommen am 5. August, bereits 14 Tage später zu erneuten Bedenken geführt hatte. Die Ausbesserungen könnten keine Tragfähigkeit garantieren. Deggendorf habe bereits um die Bereitstellung entsprechender Mittel gebeten und würde sofort nach der Zusage den alten Belag  und die Schotterdecke entfernen und einen neuen Fahrbahnbelag aus Holz aufbringen lassen.


Oktober

 Was wird aus dem Kötztinger Gefängnis?



Das Kötztinger Krankenhaus wird eröffnet

Nach dem abschnittsweisen Abriss des alten Krankenhauses und dem folgenden Neubau, war es im Oktober soweit, das Krankenhaus, für einige Jahre in den Gasthof "Hotel zur Post" umgezogen - offensichtlich auch mit den Kindern, da die Kindergartenbilder im Postgarten aufgenommen worden sind - erhält seine feierliche Einweihung und Wiedereröffnung im Oktober 1949. Pater Emmeram, der diesen Bau entscheidend auch über die Schwelle der Währungsreform getragen hatte, erhält dafür im selben Jahr auch die Kötztinger Ehrenbürgerwürde.







Diarepro 1024 des Arbeitskreises Luftaufnahme mit dem erkennbaren Teilabriss des Krankenhauses
Kindergartenkinder im Freien im Postgarten, links im Hintergrund das Gefängnis/Gesundheitsamt, im Schatten der Bäume das "Salettl" des Postgartens aus dem Jahre 1909



Ehrenbürgerrechtsurkunde für Pater Emmeram Glasschröder angefertigt vom Kötztinger
Universalkünstler Henneberger



Jugendarbeit in Gemeinschaft der Schulen und der Pfarrei:



Hier in diesem ehemaligen Pulverturm der Burganlage in Kötzting war zuerst eine Gemeindeverwaltung und dann das Jugendheim der Kötztinger St. Georgspfadfinder untergebracht. Lange Jahre diente es auch als Unterkunftsstätte für auswärtige, durchreisende Pfadfindergruppen aus dem ganzen Bundesgebiet.  Vom Pater Augustin als Pfadfinderstamm aufgebaut,  diente das Gebäude nach der Vertreibung der Pfadfinder durch den Stadtpfarrer Augustin  zuerst einmal den Kötztinger Ministranten für deren Gruppenstunden und beheimatet nun des Kötztinger Pfarrarchiv.


November

Eugen Hubrich schreibt....

Eugen Hubrich, der Autor des Spieles von der "Pfingstrittehr", dessen Premiere an diesem Pfingstfest so hoch gefeiert worden war, konnte dieser Premiere nicht persönlich beiwohnen. Sein Spruchkammerverfahren wegen seinen Entnazifizierung war noch nicht abgeschlossen und eigentlich war er, der ursprünglich als Belasteter eingestuft, mit einem Schreibverbot belegt. Im Frühjahr 1949 sah er die Chancen, dass er in der Berufungsverhandlung dann von diesem Bann befreit werden könnte. So bat er im Vorfeld der Pfingstaufführung den Kötztinger Bürgermeister Hans Kroher um eine wohlwollende Beurteilung seines Stückes anlässlich der positiven Aussichten seiner Berufungsverhandlung. Der Coup gelang, Hubrich erhielt eine Ausnahmegenehmigung wegen der positiven Aussichten in einer zukünftigen Berufungsverhandlung, und so konnte das Stück ohne Probleme aufgeführt werden und im Herbst dann durfte Eugen Hubrich auch wieder öffentlich als Autor auftreten und seine Werke vermarkten.

Ignaz Steger aus Ried:





Die endlose Geschichte: die Zellertalbahn







Donnerstag, 9. Mai 2019

Wer weiß es noch? Teil 2

Heute habe ich wieder einmal eine Mischung aus echten Suchbildern, von denen ich bei manchen gerne wüsste wer auf den Bildern ist, oder wo diese aufgenommen worden sind und bei anderen einfach nur Erinnerungen wach rufen will....
Also los geht's, wir sind im Jahre 1975......




Ich gehe davon aus, dass dies die Gehstorfer Feuerwehr ist, bei den vorhergehenden Bildern dieser Bilderserie marschieren die Burschen oben beim Friedhof vom Lebensmittelladen Plötz her herein in den Markt.






Diese Bild ist mit "altes Schulhaus" beschriftet, Frage wo steht dieses?  Die alte Kötztinger Volksschule - jetzt Parkhaus - ist es nicht, es muss vom Umland sein.






Baustelle auf der Straße nach Cham in Gehstorf


 


 Eine Baustelle in Kötzting am Marktplatz....... die Auflösung kommt ganz am Ende
 



hier eine andere Ansicht, vielleicht ist die Entscheidung hier schon leichter.....



Hier wieder etwas für mich unbekanntes: wo und wer pflügt denn da mit seinem Pferdegespann
vermutlich da Deijdl Vater in Gehstorf


 vielleicht erkennt jemand diese Landschaft?


Es ist die Feuerwehr in Haus bei einer Ehrungsversammlung, ich kenne nur den damaligen Bürgermeister Karl Seidl.


Versuchen wirs mal: 1 Meimer Josef,  2 Hofmann Josef (Hartl Sepp), 3 unbekannt, 4 Semmelbauer Dionys, 5 Bgm Karl Seidl, 6 Andreas Asam (Wastl Anderl), 7 Kurz Sepp, 8 Hausladen Max (Simmerl Max),  9 Jobst Joserf, 10 Unterholzinger Georg, 11 Rädlinger Georg (KBM), 12 Hausladen Mich, 13 Hupf Josef, 14 Fischer Ludwig

Eine lustige Runde bei Seniorinnen  (Frauenbund ??) Frage ist Wer und Wo ?
Rechts Außen: "die alte Hofner Baderin" (der Ausdruck stammt nicht von mir ;-)), also samma wohl in Kötzting im Pfarrheim irgendwo....
ganz links: Frau Maria Dachs - ganz rechts Frau Hofner



Hier eine andere Ansicht




Und nun die Auflösung der Kötztinger Baustelle: die Veitsapotheke


Montag, 8. April 2019

Der Kötztinger Spartakistenaufstand vom April 1919

Die Zeiten waren schlecht in der Nachkriegszeit in Deutschland und sicherlich besonders trüb im Bayerischen Wald, der damals auch als besonderes Notstandsgebiet galt. In den Kötztinger Zeitungen beklagten sich die Arbeiterräte, also die Vertretung des Arbeiterstandes, dass die "Brüderlichkeit" der  Beamten, Bürger und Bauern den Arbeitern gegenüber, welche an der Front geherrscht hatte, nun, nach dem Kriege, wieder der Vergangenheit angehören würde und sich die Besitzenden nicht um die Not der zumeist arbeitslosen Arbeiterschaft kümmern würden.
In Kötzting kam es laufend zu Versammlungsaufrufen der verschiedensten Interessenverbände und Parteien und vor allem ein Herr Stöger, in anderen Quellen Steger genannt, wirbelte die öffentliche Meinung gehörig durcheinander.
wenn nicht anders gekennzeichnet stammen die Zeitungsausschnitte
alle aus dem Kötztinger Anzeiger von 1919





Bei der Generalversammlung am 23.2.1919 wird der "Einberufer" mit Namen genannt: Stöger, der Mann, dessen Verhaftung  später der Auslöser des Aufruhrs in Kötzting gewesen ist.












Eine Versammlung folgte der nächsten, hier nur ein kleiner Ausschnitt der verschiedensten Interessengruppen, welche in der Zeitung erschienen waren.













































Schon im Januar gab es in München Streitigkeiten zwischen dem Vollzugsrat der Arbeiter und der Landesregierung, wobei der Vollzugsrat die Macht beanspruchte.  Nach der Ermordung Eisners und der Bestimmung eines neuen Ministerpräsidenten kam es kurze Zeit später zu einem erneuten Putsch, worauf die Regierung Hoffmann nach Bamberg übersiedelte und München in der Hand der Räterepublik verblieb.


Nun kam es auch in Kötzting zu Aufrufen, in die sich bildenden Freikorps einzutreten. In Cham bildete sich ein Grenzschutz-Bataillon und forderte die Bürger, Arbeiter und Bauern Kötztings zum Beitritt auf, um München zu schützen.  
In Kötzting ging es nun Schlag auf Schlag: Am 13. April fand die Gründung einer "sozialen Bürgervereinigung" statt, ausgesprochen als Protestkundgebung gegen die Räterepublik und als Kundgebung für die Regierung Hoffmann. 2 Säle im Gasthaus Graßl reichten nicht, um die Teilnehmer aus dem ganzen Bezirke aufzunehmen. Der stellvertretende Vorsitzende der Bürgervereinigung, der Kaufmann Kroher (der Vater unseres späteren Bürgermeisters) ermahnte die anwesenden Arbeiter und "Nichtbesitzenden" zur Geduld mit der Regierung Hoffmann, diese werde alles ihr Mögliche tun um ihre Lage zu verbessern.  Das Schimpfen auf den Kapitalismus sei sinnlos und die Sozialisierung von Betrieben in der gegenwärtigen Situation gefährlich und keine Spielerei.  Am Schluss seiner Rede forderte Kroher die wohl 1000 Teilnehmer zu einem dreifachen Hoch auf die Regierung Hoffmann auf, "in das von der gesamten Volksmenge begeistert eingestimmt wurde. Die anwesenden wenigen Kommunisten, Spartakisten und Bolschewiken, welche sich während des Vortrages ziemlich ruhig verhalten hatten, kamen nun in große Erregung, denn sie mussten fühlen, wie ihnen das Wasser auf ihre Mühlen abgegraben worden, und dass ihr unheilvoller Stern im sinken ist." Der Redakteur - schon in seiner Berichterstattung der Kundgebung sehr einseitig- gibt seinen Lesern und den Bürgern noch ein paar Leitlinien mit: "Die staatstragenden Elemente .....mögen sich aber gesagt sein lassen, dass die Zeit einer königlich bayerischen Ruhe seit der Revolution für immer vorbei ist und das das zwingende Gebot der Stunde heißt, organisieren, handeln und gegenseitig schützen. Nur durch festes Zusammenstehen der mittleren Stände unseres Volkes werden die staatszersetzenden unsauberen Elemente in Schach gehalten und schließlich auch wieder zur Vernunft gebracht!"



Nun, die Reaktion folgte bereits am nächsten Tag:
gewalttätige Demonstration in Kötzting - Bürgermeister Schödlbauer verprügelt
Am 14. April kam es dann in Kötzting zum großen Knall. "Unter lautem Schreien und Lärmen zug gegen 8 Uhr abends gestern eine Menge Demonstrierender, meistens Arbeiter, die allem Anschein nach durch gemeine, äußerst infame Lügereien aufgehetzt wurden, vom Bahnhof herauf in die Bahnhofstraße, bewaffnet mit Stöcken und Steinen um gar so manchem friedliebenden Bürger, wie man aus den furchtbaren Drohungen entnehmen konnte, den Garaus zu machen. Einfach scheußlich, wenn man den Vorgang mitansehen mußte, mit welch wildem Gebrüll das vor sich ging. Nicht genug mit dem furchtbaren Geschrei warf die Menge Herrn Vogl die Fenster, dann in ihrer blinden Wut und unüberlegter Handlungsweise dem Buchbindermeister Wilhelm Oexler die Fenster ein, beschädigten Türe und Auslage sowie Glasaufsatz, ein Schaden von ungefähr 450 Mark. Herr Bürgermeister Schedlbauer ermahnt die Menge zum Auseinandergehen aber statt diesen in seinen Ratschlägen zu folgen gebärdeten sich diese wie wilde Tiere und fielen über ihn her und bearbeiteten ihn mit Stöcken. Heute nun wurden die Hauptschuldigen verhaftet und mittels Lastwagen fortgebracht. Dass die Sache sich nicht gerade so leicht abschütteln läßt, wird sich zeigen, zumal wir im Belagerungszustand uns befinden."  


Georg Rauscher, der Kötztinger "Stadtschreiber" war als junger Mann selber Augenzeuge dieser Vorgänge und beschreibt die chaotischen Tage in einem seiner Kurzberichte.
Georg Rauscher in der Kötztinger Umschau vom 19. und 20. April 1969
Kötztinger Umschau vom 5.4.2019
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Bericht in der Umschau der letzten Woche, als es um die Nachkriegsgeschichte in Miltach ging, der dortige Expositus Karl Kirchgartner bekam ebenfalls Nachrichten von den Vorgängen in Kötzting und befürchtete als Folge davon sogar einen Bürgerkrieg in Bayern.














Was war nun die Reaktion in Bayern auf die gewalttätigen Unruhen im Lande: die Regierung Hoffmann, die die Nachfolge nach der Ermordung Kurt Eisners angetreten hatte und angesichts der Ausrufung der Räterepublik in München nach Bamberg ausgewichen war, verhängte bayernweit das Standrecht und auch in Kötzting bildete sich eine Einwohnerschutzwehr, die zwar zum Üben ausrückte, aber nie zum Einsatz kam, im Gegensatz zu den Freiwilligen aus unserer Gegend, welche sich der Regierung bei der sogenannten "Weiße Truppe" zur Verfügung gestellt hatten.



Damit endete zwar nicht die Not der Menschen in Kötzting, aber die Unruhen fanden hier, nach einem kurzen Aufflackern, ein schnelles Ende. Mehr zu diesem Thema zuerst einmal in der Pfingstbeilage der Kötztinger Zeitung in diesem Jahre. Vor Allem der schroffe Gegensatz der Lebenswirklichkeit der arbeitslosen Kriegsheimkehrer mit dem Wunsche der Jugend und vor Allem der Frauen und Mädchen nach all den Jahren des Tanz- und Vergnügungsverbotes endlich wieder mit Freude leben zu können, äußerte sich in schrillen Angriffen auf das "vergnügungssüchtige Weibervolk" in den Leserbriefspalten des Kötztinger Anzeigers