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Montag, 4. September 2017

Die Spitalrechnungsbücher - Kötztings älteste Archivalien

Besondere Dokumente im Kötztinger Stadtarchiv

auch:
Digitalisierung als Mittel der Bestandserhaltung


Es muss passiert sein, als das Kötztinger Marktarchiv - also lange bevor Kötzting 1953 zur Stadt erhoben worden war - noch ein stiefmütterliches Dasein im Speicher und unter einer Treppe im "Alten Rathaus" fristen musste. Einige alte Stapel wurden nass und der folgende Papier- und Tintenfraß zerstörte Teile wertvoller Archivalien.
Es traf leider den Bestand der Kötztinger Spitalrechnungen und von denen auch noch gerade die ältesten. Gott sei Dank sind aber noch alle überkommenen Spitalrechnungen vorhanden, denn in einem Schreiben an das Bistum Regensburg 1790 werden alle Spitalrechnungsbände aufgeführt und diese Liste deckt sich mit dem vorhandenen Bestand.
der sogenannte Schwedenstein am Ludwigsberg, der an die
Kötztinger "Schreckensnacht" erinnert
Für den Aktenbestand im Stadtarchiv Kötzting gibt es eine sprichwörtliche Stunde Null, den Angriff der "schwedischen Truppen" auf Kötzting vom 29.11.1633, der nicht nur das Leben der meisten Kötztinger Bürger kostete, sondern mit dem damaligen Rathaus auch sämtliche Kötztinger Dokumente einäscherte.
So gibt es im Archiv eben nur Dokumente, die jüngeren Datums sind. Ältere Materialien, die wir mittlerer weile ebenfalls ins digitale Stadtarchiv integriert haben, stammen ausnahmslos aus überregionalen Archiven wie den Staatsarchiven in Landshut und Amberg oder aus dem Hauptstaatsarchiv in München.
Dieser, im Moment gerade sehr intensiv aufgebaute, Bestand wird Thema eigener Beträge werden.
Es dauerte selbstverständlich einige Zeit nach der Brandkatastrophe von 1633 bis wieder die kommunalen Strukturen griffen und bis wieder der notwendige, geschäftsmäßige Schriftverkehr einsetzte.

Das Kötztinger Spital war ja erst kürzlich in aller Munde, weil die dazugehörige und ungefähr 450 Jahre alte Spitalstiftung des Marktes ( Mitte des 16. Jahrhunderts war in Kötzting das Spital gegründet worden), im Laufe der Jahrhunderte aus den unterschiedlichsten Ursachen weggeschmolzen war und der verbleibende Kapitalrest im Bahnhof der Stadt Kötzting steckte.
Wir kennen in Kötzting ja den Spitalplatz, benannt nach einem Gebäude am Rande des Platzen, in dem die Spitaler untergebracht waren. Diese Spitaler, früher "Pfriemdter" genannt, waren sozial bedürftige Menschen und für solche war die Spitalstiftung auch angedacht gewesen. 
Den Namen erhielt der Spitalplatz aber erst in den Jahren nach 1867, nach dem großen Marktbrand, denn vorher lag das Spital inmitten unseres Ortes.
Auszug aus der Uraufnahme von 1833: zu sehen ist das Spital, 102 ist das Schuhhaus Liebl, 124 gehörst zum Modehaus Schödlbauer, Hausname beim Drunkenpolz, 101 ist die ehemalige Metzgerei Graf, später Wolf. Interessant ist der mitten auf dem Platz gelegen Badbrunnen.
Der letzte Rest des alten Spitals ist das private Parkplatzgebäude an der Ecke Gehringstrasse/Pfeffergraben, deutlich erkennt man an der Außenwand noch ein Spitz zugebogenes Fenster. Der jetzige Spitalplatz hieß übrigens vorher einfach: "vor der Pruckhen", also vor der Brücke, die übrigens damals auch nicht Oberbergerbrücke sondern Kollmaierbrücke genannt wurde.

 Die Gründung des Kötztinger Spitalwesens:


Dieses Spital wurde wie gesagt Mitte des 16. Jahrhundert von Georg von Nussdorf zu Neuen Nussberg gegründet worden.  Es gibt zwar keine Gründungsurkunde mehr, aber bei einer Spitalrevision im Jahre 1627 (GL fasc 1818 dieses Material stammt aus dem Hauptstaatsarchiv in München) wird bereits der fehlende Fundationsbrief vermerkt aber gleichzeitig auf einen vorhandenen Kaufbrief aus dem Jahre 1555 verwiesen, in den oben angesprochener Georg von Nussdorf, Pfleger, Kastner und Vogtrichter zu Kötzting zusammen mit dem Bürgermeister und Rat ein "Behausung im Marckht zu einem Spital und Bruderhaus sambt einem halben Marktlehen von Ambrosius Carl, gewesten Castnern und damaligen Mitbürgern zu ermelten Khozting kheuflichen erkaufft" haben.
Derselbe Georg von Nussdorf vermachte dann 1566 auch noch einen Zehent als Donation für eine dauerhafte, allerdings Anfangs kleine, jährliche Einnahme.
Kötztinger Spital erhielt im Laufe der Jahrhunderte einen soliden Kapitalstock, zum ersten aus ganz bewusst eingesetzten bzw. "klug erbetenen" Erbschaften vermögender Kötztinger Bürger, dann zweitens durch die "Vermietung und Verpachtung" der ursprünglich beim Marktlehen vorhandenen Grundstücke. Drittens konnten sich die vorher genannten Pfriemdter regelrecht als Altenteiler ins Spital mit einem Kapitalstock einzahlen und damit lebenslang eine - allerdings sehr armselige - Herberge einnehmen. Für diese Herberge mussten sich die Spitaler aber einer sehr strengen Spitalsordnung unterwerfen, die zum Beispiel auch den sehr regelmäßigen Gottesdienstbesuch und das Gebet für die Stifter des Spitals beinhaltete. Wie oben bereits angemerkt, ist das Thema "Spital" so umfangreich, dass es eine spätere und besondere Veröffentlichung wert ist.
Das Kötztinger Spital war idR für 7 Spitaler ausgelegt und stellte eine untere Ebene der Sozialversorgung dar. In der oben angesprochenen Donation für die Spitalstiftung ist zusätzlich auch noch von einem "arm Ellent khlain Heusl vor der Pruckh darin man die gahr Arme Ellente Sunderseith und andre presthafte Persohnen underhalte" Auch für die Bewohner dieses Armenhauses müsse die Schenkung und die daraus resultierenden Einnahmen hergenommen werden.
Es gab also offensichtlich bereits ein "Vorläuferspital". In späteren Jahren ist von einem oberen Spital die Rede, dieses kann in der Straße nach Gehstorf lokalisiert werden, entweder in dem vor wenigen Jahren abgerissenen Anwesen Herrmann (meine Überlegung aufgrund der historischen Beschreibung wo das "obere" Spital zu liegen kam) von  bzw. weiter im Markt herinnen das kleine Haus stadteinwärts nach dem Wohnhaus der Firma Huber (nach Überzeugung von Herrn Ludwig Baumann).
Die Rechnungslegung für solch eine "Fromme Stiftung" lag gleichberechtigt beim Pfleger, beim Pfarrer und beim Kötztinger Kammerer. Darüber hinaus gab es noch den Posten eines oder zweier Spitalverwalter.

Doch nun zum eigentlichen Thema des Beitrages:
 
Die alten Spitalrechnungen, deren kläglicher Zustand und die gesicherten Inhalte.
Stadtarchiv Kötzting Spitalrechnung von 1638:
Spital Re(chnung)
Aller Gläubi(gen Seelen)
Bruderschaft und .......
Spitalmaister Als des .......
Hansen Raidten dann .......
Bürckhl beeder    dase(bst)
Einnemmen und Ausgebens ....
ruerth Irer Verwalttung dess
Jars an Gelt und getraidt ge....
Handlung wie volgt

Anno Domini
1638
Um es gleich vorauszusagen: der Schaden ist bereits eingetreten und mit den kontrollierten klimatischen Bedingungen im jetzigen Stadtarchiv wird der Zustand der Büchern auch nicht mehr schlechter werden, dies ist also nicht als Aufruf zu verstehen, am gegenwärtigen Zustand etwas zu ändern. Ich habe das Entgegenkommen der Medienzentrale an der Uni Regensburg genutzt und die sich bei Berührung immer weiter sich auflösenden Originalrechnungen noch einmal GANZ vorsichtig aufzublättern und mit höchster Auflösungsstufe - ohne Glasplatte - über Kopf einzuscannen. Das Ergebnis sind 1,5 GB große PDF-Dateien für die jeweils ca. 30-40 Seiten starken Rechnungsbücher. Die hier gezeigten Beispielsseiten habe ich aus "Blogspeichergründen" und Ladezeiten reduziert. Nur das erste Deckbild habe ich in der Originalauflösung belassen, damit man auch im kleinsten Detail sehen kann wie zerfressen die Bücher bereits sind. Die Originalbände sollten eigentlich nie mehr benutzt werden, sie erhalten auch einen entsprechenden Sperrvermerk in dem städtischen Repertorium.

Was steckt nur so Alles beispielsweise in den Kötztinger Spitalrechnungen?

Im Laufe der Generation erhielt das Spital Gelder aus Erbschaften, Einzahlungen der Pfriemdter und aus dem Abgaben der abgaben pflichtigen Bauernhöfe. Dieser Kapitalstock wurde gegen 5% Zins an andere Bürger ausgegeben, die dafür, wie heutzutage auch bei einer Hypothek, ihre Anwesen dafür einsetzten und Bürgen stellen mussten.
Zuerst bringt die Rechnung von 1638 einmal die Liste aller ihrer Kreditnehmer:
Liste der Kreditnehmer, die noch die Kreditzinsen seit 1636 schuldig geblieben waren: darunter auch "Hans Pachmayr der jünger", heutzutage Amberger Hof oder "Oswald Parella", saß auf der früheren Bäckerei Graßl in der jetzigen Metzstraße, damals Rindermarkt genannt..

Also nächstes sind die Einnahmen von diversen Bauernhöfen, ja ganzen Dörfern, aufgeführt, die dem Spital zehentpflichtig geworden waren:
erste Seite
(Einna)mb an bestendiger (Pfe)nninggilt und Stüfftleuth
Item der Hof zu Wäzlstorf zinst järlich 4 fl 40 xr 4 h
Wolf Kherscher von Wolferstorf vom gueth (da)selbst
..ür allen schuldigen Clainen diennst
Geörg Vogl zu Tennrieth
Hans Schwarz am Schafhof
Hans Müllpaur Im Kheyderspach
zweite Seite:
Hann? Jänckho Müller daselbst
Dise Underthanen sein dem S(pital)
järlichen die Stifft zekhommen und ...
pfennig zeraichen schuldig
Hernach folgende Underthan(en)
allain die Gülth und khainen Sti....
Perndorf
Trattersdorf

andere Beispiele: Grub:
Junckher Alexander Nothafftens seel. hünderlassene Erben vom Saaghof dasebsten
(vermutlich Sandhof !)

oder  Beckendorf
Michael Schiessl
Michael Seydl
Veith Schmidt
Wolf Maister vom halben Hof
Jakob Stöckher vom halben Hof
Thoman Pongraz



oder Zeltendorf:
Gabriel Wirttinger vom Hof
Andter Schmuckher
Adam Ernst vom Gütl   (der Ernsthof ist heute noch ein Begriff in Zeltendorf)
Sebastian Nürnberger von der Sölde
Wie man leicht erkennen kann, sind dies sehr wertvolle Besitzerfolgen, die für die Heimat- und Familienforschung unersetzlich sind.

Es geht aber noch weiter:
Nun folgt die Rubrik An- und Abstand:
Auch wenn in diesem, dem 1638, Jahr keine Veränderung protokolliert wurden, so ist damit dennoch klar, dass einige Bauernhöfe das Spital als regelrechten Grundherren hatten, denn den An- und Abstand kann man regelrecht mit der heutigen Grunderwerbsteuer gleichsetzen. Bei jedem Hofverkauf  bzw. Hofübergabe an die nächste Generation waren diese idR 5 % "Abgaben fällig.
"Einnamb an Ab- und Anstand
Diß Jahr hat Ab: und Anstand ertragen:
nihil
" (=nichts)
es wurden eben in diesem Jahr keine Besitzveränderungen protokolliert und damit fielen auch keine Abgaben an.


im wenig zerstörten Mittelteil kommt eine interessante Rubrik: Ausgaben auf Sold, also Lohn bzw. Bezahlung für Leistungen.
hier sind es vor Allem einmal Ausgaben für den Pfarrer, Mesner, Schullehrer für die Abhaltung und Feier verschiedener gestifteter Gottesdienst.

Am interessantesten aber ist die Abteilung über verliehene Gelder, weil dort die Kreditnehmer und deren Gewährsmänner genannt sind.



Ausgab an hingeliehe
nem Geldt
Oswald Parella Bürger alhir ist an Hauptsach selichen verlichen worden
25 fl (je nach Umrechnungsmethode sollte dies 2500 bis 3500 Euro entsprechen)
Georgen Denscherz ist auf sein bey Churfrtl hochlobl
Regierung Straubing beschechen undterthenigs Suppliciern
an dem bey Ime gelegenen 460 fl HaupotCapitall
durch Cammerer Inn: und äusseren Rathe, In anseh
ung seines großen verderbens 160 fl nachgelassen
und hernach von hochermelter regierung vdermög gdig
bevelchs ratifiziert worden, so alda in Abgang
oder ausgab gesezt ürdet id est
160 fl



Diese 160 Gulden musste das Kötztinger Spital also auf Befehl der Regierung in Straubing als Verlust abschreiben.

Am Ende des Buches kommen dann noch die Abrechnungen der einzelnen Getreidesorten, auch dieses kann im Zusammenhang über die Jahre betrachtet einen Hinweis auf Erntemengen, Erntekatastrophen und mögliche Hungersnöte bringen.
 

Staatsarchiv Landshut Rep 164-8 Akten des Bezirksamtes bzw. Landratsamtes Kötzting Nr.1089 Ansicht des Spitals von der jetzigen Gehringstraßenseite aus. Plan von 1856, also 11 Jahre vor dem verheerenden Marktbrand. Rechts. nach einem Anbau führt dann der Pfeffergraben nach hinten weg.





der letzte Rest des "alten" Spitals in Kötzting



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