Ein Stück von Altkötzting wird spurlos verschwinden
Um es gleich vorwegzusagen, es geht hier nicht darum, Alles
und Jedes einfach für alle Zukunft zu
erhalten, sondern nur darum, bei Veränderungen, die im Gesicht einer jeden
Stadt im Laufe der Jahre eintreten, ein wenig innezuhalten und das, was
unweigerlich verschwinden wird, daraufhin abzuklopfen was es einmal für seine
eigenen Bewohner und die Bürger Kötztings möglicherweise bedeutet hatte.
Da „Miche“, vor wenigen Jahren verstorben, war zumindest für
die Bewohner des oberen Marktes eine gewohnte Erscheinung – auch bei mir im
Stall schlurfte er gelegentlich vorbei – und in den 60er bzw. 70er Jahren war es ein
gewohntes Bild ihn entweder mit seiner Tante und Mutter, oder an der Hand des
Zoll-Liebls aus der Westsiedlung den Marktplatz herunter gehen zu sehen.
Sein Haus, bzw. sein gesamter Besitz, werden nun zum Teil in
ein Wohnbaugebiet und zum anderen Teil wohl in eine Gewerbefläche für einen
Lebensmittelsupermarkt umgewandelt
werden.
Was ist nun das geschichtlich Besondere am "Stauner" „Hermann“- oder
„Martin“- Haus zwischen Kötzting und Gehstorf, denn das war früher die besondere
Lage, ganz alleine gelegen außerhalb von Kötzting und Gehstorf. Schon bei den
Flurumgängen, die ja hinein in die Feldflur Kötztings führten bzw. führen sollten war hier
traditionell ein Altar. Bei diesem Haus angelangt war die Prozession früher bereits inmitten der Feldflur angekommen, nun aber gelegen inmitten der Bebauung.
Das Anwesen war früher das sogenannte „obere“ Spital. Wobei "früher" hier in der Zeit nach dem dreißigjährigen Krieg einsetzt.
Das Anwesen Stauner-Martin-Hermann: Aufnahme von Nik Heinrich |
Es ist nicht viel, was aus der Vergangenheit zu uns in die Gegenwart gedrungen ist, und bis vor wenigen Jahren war uns auch die Geschichte dieses Hauses unbekannt. Korrekt muss gesagt werden, dass wir zwar von der Existenz eines „oberen“ Spitals wussten aber eben nicht um welches Haus es sich dabei gehandelt hatte. Erst neueste Untersuchungen im Zusammenhang mit einer Häuserchronik Altkötztings, haben die Verbindung dieses Anwesens mit dem so genannten „oberen“ Spital weitgehend belegen können.
Den ersten Hinweis auf ein „oberes“ Spital finden wir im
Stadtarchiv, in der ersten erhaltenen Spitalrechnung von 1638, welche sich in
einem sehr schlechten, vermoderten, Zustand befindet. Dort heißt es
unter den Ausgaben für Baufälle:
Für ainen
Tachwercher welcher in bemelt oberen Spitall dass von dem Sturmb wündt
zerrissene und sonsten paufellige Dach wiederumben eingedeckht bezahlt 12 xr
Wolfen Reschen alhir von Eindeckhung der Tächer im undtern Spitall entricht 24 xr
Stadtarchiv Kötzting, altes Archiv Spitalrechnung von 1638
Am 9. Oktober 1652[i]
verkaufte der Bäcker und Rat Oswald Parella unter Beistandsleistung des
churfürstlichen Leutnants Pollinger einen Acker in der Urtl (das ist der Bach,
der längs durch meine Pferdekoppeln rinnt und mich alljährlich bzw.
allsommerlich unter Wasser setzt).
Er verkaufte also seinen „freiledigen Agger an Urtl so
zwischen gemainer Marktseigenen zu
Westlhaus gehoerigen Acker und Hansen Schreiners Bürger des eissern Rats und Bäcken allda Äckern
liegend mit einem Ort auf Herrn Pfarrers
Leutten und mit dem andern Ort auf den
Rhain, wie man von der Honigwiesen gegen den oberen Spital heraufgehet stosst.
Die hier genannte Honigwiese entspricht ziemlich genau
meinen Pferdekoppeln, das Flurstück heißt heute noch im Kathaster "Honigwiese am Urtlbach".
Wir befinden uns 1650 aber noch 150 Jahre von der Kunst des richtigen Planzeichnens entfernt, daher
werden die einzelnen Grundstücke/Häuser durch ihre Lage in Bezug auf die
Nachbarn beschrieben.
Hier ist also von einem Weg die Rede, der von der
Honigwiese herauf zum oberen Spital führt.
Oswald Parella saß auf dem Haus, das wie heute als
Grassl-Beck kennen, also in der Metzstraße – er verkaufte den Acker an Hans Scharrer,
den Sohn des Pellkoferschen Verwalters Wolf Scharrer, der ebenfalls ein
Kötztinger Bürger gewesen war.
Bereits 2 Jahre vorher begann Adam Türrigl von
Rieglstein, der Kötztinger Probstrichter, ein Häuserbuch[ii], das
allerdings ein Fragment geblieben war. In dieser stückweisen Zusammenstellung
sind für die einzelnen Bürgerhäuser die dazugehörigen Grundstücke verzeichnet
und auch dort finden wir die eine oder andere Ortsangabe, die auf das Spital
verweist: und diese Ecke Kötztings beschreibt:
Bei der Hausnummer
6 (heutzutage aufgegangen im Anwesen Amberger Hof) heißt es
Ein Acker im
kleinen Greuth (=Schinderbuckel heutzutage)...
Rain oder Gangsteig
welcher vom Herrn Pfarrerweyher bey der
Hönigwiese herauf gegen dem Markt geht.
Ein Acker in der
Urtl auf dem Hohlweg wo man von der Honigwiese herauf in den Markt führt.
Hausnummer 17
(Osl)
Ein Acker : mit
einem Orth auf dem Rain so zwischen beiden veldern von der Honigwiesen herauf gegen den
Siechhaus gehet
Hausnummer 39
(Gastwirtschaft Pfeffer)
Ein Hopfengarten
welcher dermalen öd bei dem Siechhaus zwischen der Chamerstrasse und alten Störrinagger liegt.
Lange Jahre haben wir keine Nachricht über das Anwesen,
erst im Jahre 1769 verkauft Fischer Hans, Häusler und Fluderknecht in Kötzting
an seinen Sohn Hans das Haus: vor dem
obern Tor so negst dem Armenhaus entlegen[iii] Hier könnte es sich allerdings bereits um einen Folgebau handeln, der näher an den Markt heran gerückt ist und später erst wieder geteilt wurde.
Die Marktgemeinde Kötzting verkaufte nun am 30.06.1832
das sogenannte Armenhaus um 300 fl an Hastreiter Johann. In den später anschließenden
Kathasterbänden taucht dann ca. ab Eintritt ins 20. Jahrhundert auf dem bzw.
auf dem dann geteilten Anwesen 153b der Familienname Martin auf.
Was bleibt an Zweifel: das verkaufte Armenhaus 153 war etwas weiter herinnen im Markt später ist in den Kathasterbänden dann von einem Haus 153a und 153b die Rede. Die Familie Martin ist dann mit drei Generationen auf dem Haus 153b. Es könnte also durchaus auch so sein, dass das obere Spital, von dem wir in den dazwischen liegenden Jahrzehnten so gar keine Nachricht erhalten, eingegangen ist und erst später dann wieder ein Haus an dessen Stelle errichtet worden ist . ein Restzweifel bleibt, aber die Ortsangaben im 17. Jahrhundert zeigen genau auf das Haus, wenn von dem oberen Spital die Rede ist.
In den Jahren um 1625 ist noch von einem Leprosenhaus auf dem jetzigen Spitalplatz die Rede, dieses ist wohl nach dem Schwedeneinfall nicht mehr errichtet worden, bzw. vielleicht hat danach dieses obere Spital diese Funktion übernommen, dafür würde auch die isolierte Lage ausserhalb der Marktbefestigung und zwischen den Ortschaften sprechen.
Ein geschichtsträchtiger Platz ist diese Ecke aber allemal, da der Angriff der "schwedischen" Truppen im November 1633 genau von dieser Seite aus erfolgte.
bald ist auch der letzte Rest verschwunden und bald kann man sich nicht mehr vorstellen, wie es hier ausgesehen hat. |
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