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Mittwoch, 10. Juli 2019

Alte Zeiten 1. Teil

Es gibt sicherlich nichts langweiligeres als eine alte Zeitung - wobei, wenn diese nur alt genug ist, wird sie schon wieder interessant.
Ganz anders verhält es sich mit den Bildern aus der Zeitung und hier haben wir einen Riesenschatz ins Kötztinger Archiv bekommen.
SW-Negative aus den Jahren ab 1968, zum Teil undatiert und in einer wilden Mischung aber zum Teil auch mit genauem Datum versehen.
Während es dann meist nur ein Bild zu einem Artikel in die Zeitung geschafft hatte, sind in unserem Bestand manchmal ganze Bildreportagen enthalten und ein paar Beispiele aus den Jahren 1968-1975 möchte ich nun hier vorstellen.
Zum ersten im November 1975 der Kreisstraßenbau ab Lederdorn, - damals war dies eine der schlimmsten Straßen im Landkreis Kötzting. Ich erinnere mich, dass bei einem Besuch des damaligen Politikers FJ Strauß auf einer Wahlkampfreise ausdrücklich diese Straße für die Anfahrt seines Convoys gewählt wurde, damit er, so richtig durchgeschüttelt,  die Notwendigkeit für Straßenbauzuschüsse ja ganz sicher im Hinterkopf behielte.
Die Kreuzung nach Runding

Hier der Blick in die Gegenrichtung

Dieser Straßenabschnitt war eine Riesenerleichterung gegenüber vorher, wo sich die Straße in engen Kurven hreaufschlängelte

Links gehts nach Bärndorf

Die neue Straßenschüttung

Vorher gings über die Hügel hinauf und hinunter, nun der Böschungseinschnitt

Links noch der alte Straßenverlauf

Hier ist die alte Straße rechts noch zu sehen, schmal und voller Schlaglöcher

Wir bleiben im November 1975, der Winter steht vor der Tür und die Kohlenvorräte müssen aufgefüllt werden. Einer der Hauptlieferanten damals Haymo Richter mit seinem Lagerplatz am Bahnhof gegenüber der Speditionshalle und runter bis zur Laderampe.
Wenn mich nicht Alles täuscht ist der Kunde der erst vor kurzem verstorbene Herr Xaver Wellisch
 Weiter im Bild die Anlieferung des Brennmaterials in Kohlesäcken.









 Nun ein Sprung ins Jahr 1971 - auch um zu zeigen wie dringend bei einigen Negativen Handlungbedarf besteht. Offensichtlich wurden dieser Filmstreifen nach der Entwicklung nicht richtig gewässert bzw. fixiert, so dass ein schleichender Zerfallsprozess eingesetzt hat.
Wir sind in der Auwiese und gegen viele energische Widerstände - es gab, angeführt von Herrn Voithenleitner, die erste schriftliche Antibürgerbewegung - werden die Bodenuntersuchungen für den Bau der FA. Winter durchgeführt. Hier zur Erinnerung die leere Auwiese vor jeder baulichen Veränderung
Im Hintergrund der Linderbräu



Hier wird gebohrt

hier ein Beispiel für die schleichende chemische Zerstörung der Negative und wie wichtig es ist den Bestand nun zu digitalisieren.

Wir bleiben im Jahre 1971. Auch wenn die Bilder zuerst einmal aus Haibühl stammen, es ist der frühere Jugendpfarrer und unser späterer Kötztinger Stadtpfarrer Max Heitzer, dem die Pfarrei Haibühl 1971 übertragen worden war. Von seiner Amtseinführung gibt es eine ganze Reihe von Bildern








 Wie immer, diesmal sind der Ort, die Zeit und die Umstände bekannt, wenn jemand Hinweise auf einzelne Personen hat, solche erkennt, wir sind für alle Hinweise dankbar.

Dienstag, 25. Juni 2019

Die Kötztinger Friedhöfe Teil I

Mitten in unserer Kirchenburg, Kötztings erster Friedhof

St. Veitskirche am Marktplatz
Unser früherer Stadtpfarrer Heitzer entwickelte vor Jahren einmal eine Theorie, in welcher er meinte, die St. Veitskirche am oberen Markt könnte Kötztings Urkirche gewesen sein. Da es höchstwahrscheinlich ist, dass zwei der Kötztinger Urhöfe im oberen Markt gelegen waren (der Voglhof und der Ecklshof), könnte es tatsächlich so gewesen sein, ABER, bei keiner der vielen - auch tiefgründigen - Sanierungsarbeiten rund um die Veitskirche und am oberen Marktplatz sind zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur kleinste Spuren eines frühen Friedhofs aufgetaucht. Solch ein (eingefriedeter) Hof rund herum um eine Kirche/Kapelle wäre aber der entscheidende Hinweis, dass diese Kirche das erste religiöse Zentrum des frühen Kötztings gewesen war. Den einzigen Fund von menschlichen Überresten kenne ich nur von unseren eigenen Umbaumaßnahmen in der Metzstraße, anlässlich der Tieferlegung und Umbauung einer früheren Wohnung in den jetzigen Laden des Schildermalers Rio. Bei diesem Fund spricht aber alles dafür, dass es sich dabei um ein Opfer der "schwedischen" Brandschatzung im November 1633 während des Dreißigjährigen Krieges gehandelt hatte, der räumliche Abstand zur Veitskirche, als möglicher Urkirche, ist einfach zu groß

Sanierungsarbeiten am Sockel und Fundament der St. Veitskirche im Rahmen der Marktplatzsanierungen in den 80ern
sogenanntes Pestkreuz am früheren Dirnberger Haus, Bild von Bepp Fischer
Eine weitere Theorie für einen frühen Friedhof habe ich vom unvergessenen Friseur, Pongratz Max, dem "Bader" Max mit seinem Friseurladen im Fischerpeter-Anwesen, am Lindnerstammtisch erfahren. Über Stunden versuchte er mich vor Jahren zu überzeugen, dass hinter dem Dirnberger Haus in der Rathausgasse früher ein (Pest)Friedhof gelegen habe. Sein einziges Argument war das alte Pestkreuz, welches eben am alten Dirnbergerhaus außen angebracht gewesen war. Er war keinem einzigen Argument zugänglich, dass wir sehr genau räumlich und zeitlich, wissen, wo in Kötzting der Pestfriedhof angelegt worden war. Er war sich sicher, hinter dem Dirnbergerhaus und sonst nirgends. Manche Stammtischsitzungen beim Lindner können auch anstrengend sein.....









In diesem Ausschnitt aus der Uraufnahme Kötztings zu Anfang des
19. Jahrhunderts ist der Bereich rund um die Pfarrkirche noch
als Friedhof markiert. Das alte Pflegerschloss teilen sich zu der
Zeit der Pfarrer mit seinem Pfarrhof und das königliche Rentamt
also das damalige Finanzamt, später zog dort das Forstamt ein, bis Mitte
der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die Kirche  - unter Pfarrer Josef
Augustin - endgültig den ganzen Komplex übernahm.
Somit sind wir bei dem Friedhof, der in Kötzting bis zum Ausgang des 16. Jahrhundert Kötztings einziger und danach bis knapp herein ins 20. Jahrhundert einer der beiden Beerdigungsstätten gewesen war, der Innenbereich der Kirchenburg links und rechts der Pfarrkirche.
Leider haben wir von diesem Raum, als er noch ein Friedhof gewesen war, nur ganz wenig Bildmaterial. Eigentlich sind es nur zwei Bilder, die ich kenne, auf dem echte Gräber bzw. Grabstellen zu erkennen sind. Mit "unechten" Gräbern meine ich symbolische Grablegen im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg bzw. Erinnerungsstelen, die an verstorbene Vereinsmitglieder erinnern sollen.
rechts im Bild das Grabmonument der Brauersfamilie Schrank (Hotel zur Post), links daneben zwei unbekannte Gräber.
Nach der Auflistung später im Blog KÖNNTE es sich um die Grablege der Geistlichkeit handeln, die damals jedenfalls nachweislich auf dieser Seite des Friedhofes gelegen war.
Unsere historische Kirchenburg war in der Vergangenheit ein "Zwitterwesen", dort wo heutzutage das katholische Pfarramt, die Wohnung des Stadtpfarrers und die anderen kirchlichen Räume sich befinden, wohnte und arbeitete bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts der Landrichter mit all seinen Abteilungen und Mitarbeitern. Auch das Militär, also die Soldaten, die Waffen, die Munition (siehe der Pulverturm vulgo der Hungerturm) befanden sich in der äußeren Umbauung. Der Pfarrer selbst wohnte bis dahin in seinem Pfarrhaus (später das Priorat), welches heutzutage unser Rathaus ist. Im Inneren der Kirchenburg hatte der Pfarrer damals aber auch nur in der Kirche selbst und auf dem Friedhof seine Entscheidungsfreiheit.

Zu diesem (rechtlichen) Inneren der Kirchenburg gehörte eindeutig nicht der Zugang über die Brücke bis hin zum Eingangstor der Pfarrkirche. Dieses kleine aber wichtige rechtliche Detail benutzte der Landrichter, um in manchen Fällen Kötztinger Bürger verhaften zu lassen, deren er auf andere Weise nicht habhaft werden konnte. (Der Markt Kötzting war rechtlich selbstständig, der Bürgermeister -Kammerer - war, anders als heute, auch Richter und "Polizeichef" für und über seine Bürger). Der Landrichter durfte innerhalb der Grenzen des Marktes Kötzting mit seinem Dienstpersonal keine Verhaftungen vornehmen lassen, außer eben auf der Brücke über den Burggraben.
meines Wissens das einzige Bild, das uns den Zustand des "alten" Friedhofs rund um die Pfarrkirche zeigt.

Nun haben wir also den engräumigen Friedhof rund um die Kirche für eine einzelne Pfarrei, welche aber um einiges größer war, als sie es heutzutage ist. In den frühen Pfarrmatrikeln finden sich daher auch - später umgepfarrte - Orte wie Thenried, Meinzing, Haibühl, Hohenwarth, Hudlach, Grafenwiesen und all die vielen Orte ganz weit hinein in das Zellertal. In dem Gerichtsakt ist die Rede, dass die Pfarrei - ohne die Jugend - 1600 Kommunikanten umfassen würde.
Man muss sich dabei aber vor Augen halten, dass in diesem Rundgebäude auch die Pflegersfamilie mit wohnte, und es wäre auch heutzutage nicht unbedingt nach jedermanns Geschmack, dass Leichen der gesamten Pfarrei praktisch unter dem persönlichen Wohnzimmer und vor den Fenstern der eigenen Wohnung antransportiert und vergraben werden. Auf den möglichen Zustand der Leichen unter den damaligen vortechnischen Bedingungen und der damit einhergehenden Geruchsbelästigung der Schlossbewohner möchte ich nicht näher eingehen, aber wir wissen, dass mit Einsetzen der Pest in unserem Gebiet im ausgehenden 16. Jahrhundert dieser Zustand offensichtlich untragbar geworden war. Der Landrichter - angeschoben von seinem Ehegespons - drang an oberster Stelle auf die Errichtung eines neuen Friedhofes außerhalb des Marktgedings für die Pesttoten.


Staatsarchiv Landshut Regierung Straubing A 4135
..... dies einem fürstlichen Pfleger welcher in fürstlichem Schloß hausen muess und demselben die verstorbenen Leichnam strackh vor seinem Zymmer darynnen er wohnen thuet für und zur begrebnus tragen werden, hoch beschwerlich genueg sein und fallen wurde.......
Der Kötztinger Pfleger Cornelius Meder, in Personalunion auch Kastenamts- und Vogtrichter im Landgericht, also auch für die Einnahmen an Steuern und Naturalien und für die rechtliche Herrschaft der Untertanen im Landgericht Kötzting zuständig, welche das Kloster Rott als Grundherren hatten, fand bei seinem Amtsantritt bereits einen Pestfriedhof oberhalb und außerhalb des Marktes vor. Gleichzeitig, wir schreiben das Jahr 1611, wurde eine Kompagnie Soldaten, das Viechtacher Fändl, nach Kötzting verlegt und deren Unterbringung hätte er gerne innerhalb des Schlosses organisiert. Was wäre dazu besser geeignet gewesen als der Friedhof rund um die Pfarrkirche?


Nun hatte er da aber die Rechnung ohne die Kötztinger Bürger gemacht. Zu Pestzeiten haben die sich ja den in ihren Augen "Ausweichfriedhof" eingehen lassen, aber in normalen Zeiten bestanden die Pfarrangehörigen auf ihren angestammten Beerdigungsplatz rund um die Kirche.


Nun gingen Schreiben und Schreiben hin und her und diese Briefe schildern uns im Detail, wie es um die Kötztinger Begräbniskultur um 1600 bestellt war. 1583 jedenfalls ist das belegte Datum für die Anlage des Kötztinger oberen Friedhofes, umfriedet mit eichenen Palisaden, geschlagen in den fürstlichen Wäldern auf dem Rossberg bei Chamerau und errichtet vom damaligen Pfleger Romanus von und zu Hochholtigen. Dies war aber nun schon 28 Jahre her, die Pest lange abgeklungen und die Kötztinger wollten sich nur unter den Bedingungen der "schlechten Luft und des Landtssterbens", also einer Epidemie, bereit auf den unteren Friedhof zu verzichten. Allenfalls gestehen die Kötztinger zu,  dass Pfarrangehörige, welche nicht im Markte wohnten dort beerdigt werden sollten. Nur zu diesem Zwecke sei der obere Friedhof eingerichtet worden.
Dies umso mehr, als der "obere" Friedhof offensichtlich nie richtig eingeweiht worden war.

Die Kötztinger Bürger schrieben, dass .....vor unnß bei ihr Fürstlicher Herr Bischoff zue Regenspurg, niemals umb die Consecration angehalten worden, und selbiger nur durch Herrn Pfarrer zu Chamerau, dazumalen Dechantsverwalter per aquam benedictam begossen worden........
Nur der damalige Dekanatsverwalter, der Chamerauer Pfarrer, hatte die Erde mit Weihwasser begossen, es wäre also keine "richtige" geheiligte Erde.
Der Landrichter Meder jedoch wollte nicht nachgeben und ließ, sogar ausgehobene Grabstellen wieder zuschütten, um weitere Beerdigungen  zu verhindern und um den Innenraum der Kirchenburg für seine Soldaten zu sichern. Wieder gingen die Kötztinger gerichtlich dagegen vor und berichteten, dass eben diese Soldaten, bei dem Versuch, die Holzpalisaden (Staketa) der Marktbefestigung zu erneuern bzw. zu erweitern, quer durch den oberen Friedhof gegraben hatten und dieser nun den Hunden und Schweinen frei zur Verfügung stehen würde, die Hälfte des Friedhofes wäre weggenommen und der "verbleibende kleinnste Thaill des Freithoffs was wässrig, also daß die verstorbenen Leuth maistens im Wasser liegen und begraben werden muessen."
Weiters vermuteten sie, dass der, dann verbleibende, Restfriedhof rund um die Kirche nur denen von Adel vorbehalten bleiben sollte, und beharrten auf ihren alten herkömmlichen Rechten. Noch nie hätten die Kötztinger Pfarrangehörigen beim Pfleger wegen einer Beerdigung nachfragen müssen und beriefen sich bei der Straubinger Obrigkeit grundsätzlich auf die Unabhängigkeit der Pfarrei in religiösen Dingen und auf ein fürstliches Mandat von 1598, welches den "Missbrauch und die Unsauberkeit an gewichten Orthen und Stetten" unter strenge Strafe stellte.
Dies war nun das gewichtigste Argument, welches die Waagschale auf die Seite der Kötztinger  Bürger und gegen den Pfleger senkte, der Friedhof blieb und der Pfleger durfte sich nicht mehr einmischen - außer in Zeiten der "schlechten Luft", einem umschreibenden Begriff für epidemische Krankheiten wie die Pest.

Nun hatten die Kötztinger Bürger also wieder alle Rechte in ihrem alten angestammten Friedhof rund um die Kirche und, da wenige Jahre später im 30jährigen Krieg die Bevölkerung der Pfarrei sehr stark dezimiert wurde, ( im Status Animarum, der Seelenbeschreibung im ersten Kirchenbuch Kötztings von 1636 zählt man nur noch weniger als 300 Seelen, nun aber mit Kindern, Mägden und Knechten) reichte der Platz im Friedhof sicherlich viele Jahrzehnte, bis dann im 18. Jahrhundert wieder die vorherige Bevölkerungsgröße erreicht worden war. Ab nun wurde es wieder eng rund um die Kirche, aber ein Ausweichplatz am oberen Friedhof war ja immer gegeben und dieser wurde auch nicht mehr als der "Pestfriedhof" angesehen. Die erste Seelenkapelle dort oben wurde von der damaligen Kötztinger Unternehmerfamilie Nr. 1, den Besitzern des heutigen Hotels zur Post, damals Krieger, durch Legat in ihrem Testament vermacht.
Im 18. und 19. Jahrhundert jedenfalls galt weiterhin der "alte" Friedhof als der Hauptfriedhof für die Kötztinger Bürger, aber die alten Probleme blieben, Kötzting wuchs, Hygiene und Volksgesundheit wurden durch die Einführung eines Amtsarztes ein großes Thema und irgendwann kam das Thema: "wir wollen den Friedhof für Beerdigungen schließen"  wieder auf die Agenda.
Und wiederum kam der Anstoß vom Pfleger und Landrichter.
1835 gings los, der Kötztinger Landgerichtsphysikus (Arzt) Dr. Müller - dieser Herr tauchte bereits in vielen zumeist humoristischen Beiträgen auf, er führte mit Stolz ob seiner Gedichte und Kurzgeschichten den literarischen Kampfnamen "Saumüller" - präsentierte am 31. Oktober das Gutachten der Ortsbegehung, welche er zusammen mit dem Kötztinger Pfarrherrn Plöd, dem Bürgermeister Magg und den Gemeindevorstehern von Arndorf, Grafenwiesen und Gehstorf vorgenommen hatte.
Der Pfarrer stellte zuerst einmal fest, dass die Pfarrei Kötzting, mit Ausnahme der Expositur in Hohenwarth und der Filialkirche in Steinbühl, welche aber beide eigene Friedhöfe hätten, folgende Gemeinden umfassen würden: der Markt Kötzting, Arndorf, Gehstorf, Grafenwiesen und Teile der Gemeinde Voggendorf mit einer Gesamtseelenzahl von 2980 Menschen.


... der eine Friedhof befindet sich bei der Pfarrkirche und besteht in zwey Abtheilungen, rechts und linkerseits der Kirche. Linker Seite bestehen nur Familiengrabstätten seit unvordenklicher Zeit welche ihr Dasein wahrscheinlich unter einem onerösen Titel suquiriert wurden. Derselbe ist sehr steiniget, so daß manches Grab schon mittels Ausschießens (darauf muss man kommen, Ausheben eines Grabes mit Schwarzpulver !!)gemacht werden mußte.
In der anderen Abteilung sind solche Familien begraben, welche es ausdrücklich verlangten, mußten aber hirfür ein gewisses Quantum an Geld zur Stiftungsverwaltung der Pfarrkirche entrichten. Derselbe ist sehr überfüllt, so daß die Grabdenkmäler ganz aneinander stossen. Es wäre zu wünschen, wenn mit den neuen Leichenbestattungen in den zweiten Friedhof in so lange geschehen, bis man die in vorgenannten Kirchhofe eingesenkten Särge wieder ausheben könnte. Der alte Friedhof solle also nur zeitweise geschlossen werden, bis die Gräber neu belegt werden könnten.
Es folgt nun eine genauere Beschreibung der Lage und der Bodenverhältnisse und auch hier wird ausdrücklich noch einmal erwähnt, dass, um die vorgeschriebene Tiefe von 6 Schuh zu erreichen, auf der rechten Seite häufig zum Mittel der Sprengung (Ausschießen) gegriffen wurde. Linksseitig soll der Boden sandig und tiefgründig gewesen sein. Die durchschnittlichen jährlichen Beerdigungen der letzten zehn Jahre betrugen 85 Personen. Es folgt eine genauer Berechnung mit durchschnittlicher Belegezeit, zu erwartenden Beerdigungen auch bei einer einmaligen epidemischen Krankheit und der Bezug zur Friedhofsgröße: Resultat: der Raum reicht aus.
Trotzdem kommt im Januar 1836 der Beschluss der Regierung: auf die Dauer von 10 Jahren wird der "untere Friedhof" wegen "Überfüllung und Ungeeignetheit des Bodens" geschlossen.
Der Magistrat fragt zuerst einmal nach, ob dies erstens auch für die rechte Abteilung gilt, auf der die Bürgersfamilien ja seit unvordenklichen Zeiten ihre Familiengräber besitzen und stellt fest, dass von Überfüllung keine Rede sein könne, auch der Boden wäre in Ordnung. Der obere Friedhof wäre, müsste er alleine für alle Pfarrangehörigen dienen, viel zu klein.
Nun geht's ans Eingemachte,
Magistrat und Kirchenverwaltung möchten zuerst einmal die einzelnen Familien festhalten, welche ihre Gräber im unteren Friedhofe besitzen. Zusammen mit seinen beiden Totengräbern Hastreiter und Schreiner erstellte der Gemeindeschreiber Schwarz die Liste anhand der Grabdenkmäler:
Auf der Sakristeiseite:

Messner Arendt von Kötzting
Müller Gmach von der Engelmühle
Schullehrer Schweikl
Schneider Lanzl
Wagner Brebeck
Bauer Pongratz von Matheshof
Brauer Schrank von hier
die Geistlichkeit von hier
die übrigen Honoratioren des Marktes Kötzting
Seiler Holmeier
Kaminfeger Diermeier
Heinrich Leßzkier Gold- und Silberarbeiter
Marktschreiber Schwarz
Messner Mang
Müller Aubeck
Lederer Witwe Katharina Stoiber
Häuslerswitwe Katharina Parzinger


Interessant bei der Liste ist, dass die Honoratioren nicht namentlich aufgeführt sind, man kennt sich wohl gut untereinander.


Auf der anderen Seite, zur St. Anna Kapelle hin, ist die Liste wesentlich länger, hier natürlich auch viele bekannte Kötztinger Namen wie: Windorfer, Auzinger, Robel, Reinhold oder der ehemalige Wiesmüller Rabenbauer, ein Gegenspieler Samuel Luckners.  Auf einem der, wie oben angedeutet, ganz seltenen Bilder des alten Friedhofes, ist eines, das wir von der Familie Staudinger erhalten haben. Bei dem Staudinger Grab dürfte es sich um dieses Rabenbauergrab gehandelt haben, ebenso wie es sich beim Schrankgrab auf der anderen Seite wohl um die Lucknersche Grablege handelte. (siehe: Eine unbekannte Tote.)

Die Regierung gibt aber nicht auf, 1845 jedenfalls kommt der nächste Versuch über die "Absperrung des unteren Friedhofes". Neben einer neuen Beurteilung der Umstände wird verlangt, dass der ganze Vorgang einen eigenen Akt zur Berichterstattung bekommt. Diesmal ist der Landrichter, der die Untersuchung leitet,  kein Geringerer als Carl von Paur, der Erbauer unseres Ludwigsturmes.
Wieder sträubt sich der Magistrat und wieder werden die beiden Friedhöfe verglichen: der untere mit 57 Dezimal ist geringfügig größer als der (damals noch viel kleiner als heutzutage gestaltete) obere Friedhof mit 50 Dezimal. In den letzten 10 Jahren wurde durchschnittlich nur jede 6. Beerdigung  im dem unteren Friedhof durchgeführt. Man schlägt grundsätzlich vor, dass die vorhandenen Grablegen bis zum jeweiligen Aussterben der einzelnen Familien Bestand haben sollten. Im Laufe der Zeit würde damit wieder viel neuer Raum gewonnen, weil der obere Friedhof für die große Pfarrei alleine viel zu klein sei. Ein zusätzliches Argument der Kötztinger war, dass auch die Gräber der Beamtenfamilien sich dort befänden.
Staatsarchiv Landshut BZA/LRA Kötzting Nr. 3303
Schließung des alten Friedhofes betreffend:
Unterschriftenliste inkl. Carl von Paur und Dr. Müller
Dies kontert Carl von Paur sofort, indem er alle seine untergebenen Beamten - auch er selber unterschreibt - für sich und deren Familien unterschreiben lässt, dass sie zukünftig - im Falle des Todes - auf die Beerdigung im unteren Friedhof verzichten würden.
Der nunmehrige Pfarrherr Henneberger sieht kein ernsthaftes Mittel gegen eine drohende Schließung und möchte durch ein Protestschreiben zumindest erwirken, dass der Friedhof nicht irgendwelchen profanen Zwecken zugeführt wird, sondern der Kirche als Eigentum und zu kulturellen Zwecken , z.B. einer Kirchenerweiterung, erhalten bliebe.
Der anwesende Bürgermeister und Handelsmann Michl Schrank erklärt, dass er
für sich und seine Familie, welche gegenwärtig nur aus seiner Ehefrau besteht,
auf die Erdbegräbnis im heruntern Gottesacker bestehe, Unterzeichnet: Michl Schrank
Derselbe Versuch der Freiwilligkeit, der Carl v Paur bei seinen Untergebenen glückte, lief aber bei 
den Kötztinger Bürgersfamilien ins Leere. Reihenweise geben die Kötztinger Bürger zu Protokoll , dass sie auf ihr angestammtes Recht, im Kirchhofe beerdigt zu werden,  sowohl für sich als auch für ihre Familienangehörigen bestehen und bestätigen dies mit ihrer Unterschrift.
ABER, einige gehen auch Kompromisse ein, indem sie entweder tatsächlich ihr Recht aufgeben bzw. insofern einschränken, dass es nur noch für sie selber, aber nicht mehr für ihre Kinder gelten solle.
Alle diese Widersprüche bzw. Einverständniserklärungen mussten persönlich beim Landrichter protokolliert und unterschrieben werden.
Nimmt man einen Überblick über das gesamte Protokoll, so verzichtet die überwiegende Mehrheit auf ihre angestammten Grablegen über die eigene Generation hinaus. Nur wenige bestehen grundsätzlich auf das Herkommen.

1846 nun entscheidet die Regierung in Abstimmung mit dem bischöflichen Ordinariat die "successive Absperrung" des Friedhofes und beauftragt das Landgericht, dies zu organisieren und vom jeweiligen Pfarrer regelmäßig Nachricht einzufordern, wenn einzelne Personen ihr Begräbnis im untern Friedhof einfordern würden.
Dies geschieht auch regelmäßig, so berichtet Pfarrer Franz Xaver Henneberger  im Januar 1850, dass im abgelaufenen Jahr 1849 zwei Personen, die Bäckerswitwe Caecilia Haselsteiner und eine Totgeburt des Bürgermeisters Michael Schrank im untern Friedhof beerdigt worden waren. In diesen Schreiben finden sich aber auch Details, die einem heutzutage eher gruselig vorkommen sind:
in seiner Liste für 1852 schreibt Pfarrer Henneberger u.a.:
daß auch außereheliche Kinder daselbst beerdigt wurden, so ist das eine der Katharina Kollmaier, Wiesmüllerstochter, nun verheirathete Mühlbauer, Bäckerin von hier, in Abwesenheit des Unterzeichneten (eben er, Pfarrer Henneberger) gegen seinen Willen und ohne sein Wissen dahin zur Erde bestattet worden .....
Auch Albert v. Sperl, der Besitzer von Sperlhammer, verzichtet mit Unterschrift auf die Familiengrablege, obwohl sein Schwiegervater, der Herrschaftsrichter v. Garreis aus Winklaern, im Kirchhof beerdigt sei.
1857 muss sich Dr. Müller mit der Frage nach den beiden Familienverbänden Kollmaier, Christoph und Balthasar (der Wiesmüller und der Gerber) befassen und klären in wieweit auch deren Kinder noch berechtigt seien. Solange diese also noch im väterlichen Hause wohnten bliebe auch ihnen das Recht erhalten.
1859 nun möchte der Bezirksarzt und mit ihm das Landgericht langsam zu einem Ende kommen mit dem unteren Friedhof, und stellt immer mehr die Nachteile des unteren und die Vorteile des oberen Friedhofes heraus.
Eng, von Gebäuden umgeben ---- weiträumig liegt außerhalb des Ortes
Bei Epidemien die Leichen durch den Ort ---- ohne den Ort durchqueren zu müssen
Der Boden verhindert eher die Verwesung ------ der Boden erleichtert die Verwesung

Ausnahmen über Ausnahmen:

Trotz dieser negativen Einstellung von Seiten der Behörde kam es aber immer wieder zu Beerdigungen im unteren Friedhof auch wenn der Pfarrer sich jedes Mal im Einzelnen erklären musste.
1870 war es dann der Brauer Ignatz Schrank - 1871 Mitglieder der Windorferfamilie und der Apotheker Bartl Jakob. Da die Apotheke damals im Gebäude der späteren Schmidtbank untergebracht war, wurde er fast vor seiner Haustüre beerdigt.
Für 1877 liegt ein umfangreicher Schriftwechsel im Akt, in dem die Familie Holzapfel um die Beerdigung eines Familienmitgliedes bittet, und wieder wurde die Erlaubnis von Seiten des Magistrats erteilt, was der Bezirksammann Dandl, der Nachfolger Carl von Paurs, nur nüchtern zur Kenntnis nehmen kann..
Aber es werden immer weniger Belegungen, in manchen Jahren dann auch schon mal niemand mehr.
Ganz am Ende des Aktes kommt es dann zum "Showdown", als die Familienmitglieder der Kollmaier, die Jahre zuvor bereits sich das Recht zusichern ließen, dann wirklich beerdigt werden sollten.
Balthasar Kollmaier wurde 1895 noch im alten Friedhof begraben und Karl Kollmaier wollte sich dieses Recht ebenfalls zusichern lassen: im Jahre 1903 spitzte sich die Sache dann zu:
Kötzting den 28.Februar 1903
Die Unterzeichneten bestätigen die Eröffnung der Verfügung des kgl Bezirksamtes Kötzting vom 25. Februar Nro 62 "Absperrung des Friedhofes zunächst der Pfarrkirche in Kötzting betr." nach welcher - falls wieder eine Leiche unbefugter Weise im alten Friedhofe beerdigt werden sollte - deren Exhumierung und Beisetzung im neuen Friedhofe auf Kosten der Beteiligten von Amtswegen angeordnet würde.
Der Unterzeichnete verzichtet nicht auf ob genannte Grabstätte, da für die Kollmaierischen diese Grabstätte im alten Friedhof für Zeit und Ewigkeit gekauft ist.
Karl Kollmaier

Christoph Kollmaier und dessen Ehefrau verweigern die Unterschrift

Staatsarchiv Landshut BZA/LRA Kötzting Nr. 3303 Plan um 1900 um den damals "alten" Friedhof neu zu belegen, hier sind
noch "Rest"gräber markiert.

S.o. auf der Seite der St. Anna Kapelle
das letzte der "alten" Gräber, das Grab der Familie Decker
 Karl Kollmaier gibt sich aber mit dieser seiner Erklärungsabgabe nicht zufrieden sondern reicht eine Beschwerde bei der Kammer des Inneren bei der Regierung von Niederbayern ein.
Im April 1903 weit die Regierung die Beschwerde ab und verweist auf die Regelung aus dem Jahre 1857, dass eben nur die Vatergeneration in den Friedhof dürfe.
So weit so gut und eigentlich eindeutig. Es ist aber dieselbe Kollmaierfamilie, die sich in Prozessen gegen den Zusammenschluss der Bahnstrecken in Kötzting mit Zähnen und Klauen gewehrt hatte und die den Bischof Senestrey erfolgreich verklagt hatte.....Aufgeben war keine Option.
Es kommt noch einmal zu einer Einigung zumindest mit der Marktgemeinde und mit der Kirche -, zu mindestens in einem Vertragsentwurf von 1932, Karl Kollmaier und seine Frau dürften danach bei ihrem Ableben im alten Friedhof beerdigt werden, wenn, er (Karl Kollmaier der jüngere) das jetzige Passauer/Kollmaier Grabmal entfernt und auch alle anderen sich auf den Namen Kollmaier beziehenden dazu. Dann würde ihm ein neuer Grabplatz zugewiesen werden. Die Ausführung des Grabsteines müsse aber vorher zur Genehmigung bei der Kirchenverwaltung vorgelegt werden. Diese Vereinbarung solle sich auf alle Beerdigungen im Hause Kollmaier erstrecken, solange die männliche Abstammung der Kollmaier existierte.  Das Bezirksamt lehnte diesen Vertragsentwurf entschieden ab.

Aber wie gesagt Aufgeben ist für die Familie Kollmaier zuerst einmal keine Option:
Karl Kollmaier der jüngere schreibt 1934 an das Bezirksamt:
Unterzeichneter bittet das Bezirksamt Kötzting um die Genehmigung der Überführung meines verstorbenen Vaters Karl Kollmaier in unser Erbbegräbnis im alten Friedhof, wo unsere Vorfahren nachweisbar seit Ende des 15. Jahrhunderts sämtliche dort begraben liegen, darunter große Wohltäter unseres Gotteshauses. Ich bitte das Bezirksamt mir das Erbbegräbnis zur Verfügung zu stellen und werde mich verpflichten ein künstlerisches Denkmal mit schöner Anlage zu schaffen, das zur Verschönerung des Friedhofes beiträgt.
L. U. Karl Kollmaier 

Seine Bitte wurde komplett abgelehnt, zugestanden wurde höchstens, nach der Vereinbarung von 1857, dass der Vater und wenn gewünscht auch die Mutter dort noch beerdigt werden dürften, danach sei Schluss.
  













In der Liste der Beerdigungen sind handschriftlich noch die letzten Personen aufgeführt, denen es noch erlaubt worden war, im unteren Friedhof beerdigt zu werden.

Nachtrag 1: die beiden Kollmaierbrüder, entsprechend der Vereinbarung von 1857









Nachtrag 2:
Noch einmal Kollmaier
dann Schrank Franziska und
Windorfer Fanny alle noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts.







Nun befindet sich im Umgriff der Kirche nur noch das "Priestergrab". Auch Frau Oberin, Kötztings Ehrenbürgerin,  ist dort begraben und das müsste dann bis jetzt die letzte Beerdigung in diesem Friedhof gewesen sein.

 

 










Wird fortgesetzt mit dem "oberen Friedhof", nun der sogenannte "alte Friedhof", welchen endgültig zuschließen in den 70er Jahren eine ähnlich langwierige, schwierige und umstrittene Handlung war, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist.

Dienstag, 4. Juni 2019

Pfingstrittehr 1949

Über die vielen Neuerungen und Änderungen beim Ablauf unserer Pfingstfeierlichkeiten habe ich ja bereits im April einen Beitrag geschrieben.
Die im April gezeigten Bilder der Uraufführung stammten alle aus dem Photoalbum des Ostmarkonkels Krämer. Nun gibt es noch einen weiteren Bestand an Bildern, geschossen vom damaligen Kötztinger Hauptlehrer Josef Bock, wobei es durchaus möglich - ja sogar sehr wahrscheinlich- ist, dass die Bilder aus dem Krämerschen Album ebenfalls von Herrn Bock stammen.. Dieser war einer der wenigen Bildchronisten unserer Heimatstadt und bereits in den dreißiger Jahren sehr aktiv mit dem Photoapparat unterwegs.
Die Uraufführung des historischen Schauspiels "Pfingstrittehr" vor dem alten Rathaus und die Menschenmengen am Pfingstmontag auf dem Marktplatz hat er in tollen Bildern eingefangen:
grundsätzlich aber gilt: Bildernachweis: Archiv Arbeitskreis Heimatforschung







das Pfingstbrautpaar im gutbürgerlichen "Biedermeierstil"







der große Chor


Menschenmassen zwischen Rathaus und Kranzlübergabe auf dem Marktplatz



Die Besucher warten auf den Einritt, zum ersten Male auf dem Marktplatz



Premiere, es ist soweit, der Bleichanger vor der Jahnhalle ist Geschichte, dort wartet ja jetzt das Volksfest auf die Besucher



So dicht standen früher die Kastanien und Lindenbäume vor unserer Bäckerei, lange ists her, dazwischen liegen 70 Jahre und zwei Marktplatzsanierungen. Ein Wunder, dass die beiden verbliebenen Bäume all die Abgrabungen überstanden haben


Und am Ende, noch einmal zum Nachlesen, das ganze Pfingstprogramm von 1949 und alle seine Änderungen und Neuerungen.

Hinweise auf die abgebildeten Personen nehmen wir vom Arbeitskreis sehr gerne entgegen, wer also jemanden aus der damaligen Aufführung erkennt, bitte an uns/mich wenden.

Vorausschauen kann ich jetzt schon sagen: Pfingsten 1950, davon haben wir tolle Bilder, eigentlich unglaubliche Bilder, also dann bis nächstes Jahr......