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Montag, 30. September 2024

Erinnerung an Altkötzting - Teil 50 der Trimm-Dich-Pfad

In der Bildersammlung des Stadtarchives befinden sich viele Beispiele von damals tagesaktuellen Veranstaltungen oder Berichten über Handel und Gewerbe, die uns einen kleinen "Blick zurück" erlauben; zurück auf Menschen, die schon lange verstorben sind oder auf Orte und Plätze, die es ebenfalls schon lange nicht mehr gibt. Mit dieser Reihe an Blogbeiträgen soll diese Erinnerungskultur ermöglicht werden; eine Erinnerung an ein Kötzting mit viel Handel, Handwerk, Vereinsleben und Gasthäusern, mit Jahrtagen,  Bällen, und vor allem mit Menschen.


Der Trimm-Dich-Pfad bei Gradis

Nachdem unsere Vorfahren in der Nachkriegszeit einiges an Speck angesammelt hatten, schwappte in den den 70re Jahren dann auch eine Gesundheitswelle in den Bayerischen Wald und als sichtbares Zeichen des guten Willens, sich zukünftig gesünder zu verhalten, wurde ein Trimm-Dich-Pfad vom Kötztinger Bauhof errichtet. Als den passenden Ort wählte man ein kleines Waldstück - ein Rechtlerwald - zwischen den Ortsteilen Gehstorf und Gradis, das man sinnigerweise eigentlich nur mit dem Auto erreichen konnte, da mit den damaligen Fahrrädern der Gehstorfer Berg eher nur schlecht erklommen werden konnte, zumindest von der Klientel,  für die dieser Gesundheitsparcours ja eigentlich vorgesehen war. 

Hier zwei Bilderserien vom Aufbau und der "Einweihung" dieses Parcours. Der Artikel und die Bilder stammen von Elisabeth Mühlbauer (em).

Bürgermeister Karl Seidl bei der "Kraftprobe"

Hans Steininger vom Kötztinger Bauhof


Stadtrat Wolfgang Schuierer


Wenige Wochen später war es dann soweit, der Gesundheitspfad konnte eingeweiht werden.
Der zweite Bildbericht und die Fotos stammen dieses mal von der Chefin selber. Frau Renate Serwuschok zeichnete ihre Artikel mit -na-.

Bürgermeister Karl Seidl sprach anlässlich der offiziellen Übergabe des Parcours vor den angereisten Zuhörern, die - lang aufgereiht - die große Anzahl der Autos verdeckten, die dafür nötig gewesen waren, um zum Trimm-Dich-Pfad zu gelangen.




Für Dr. Stefan Dittrich - mitte im hellen Mantel -  und Albert Gilch war dieser Gesundheitsweg ein neuer Schritt hin zum erklärten Ziel eines Kneippkurortes Kötzting

Albert Gilch, der Mentor des Kötztinger Kneippvereins als Vorturner





Donnerstag, 26. September 2024

Kötztinger Häuserchronik - alte Hausnummer 82



 Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen. Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.

Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden.


Alte Hausnummer 82
vom Hutmacher zum Bürgerspital 

Serwuschok Luftaufnahmen Nr. 144

Johann Gulder und Anna Maria Reitmeier




Dies ist wieder einmal ein Haus, dessen frühe Bewohner sich nur durch eine intensive "Rückwärtssuche" erschließen lassen.
Auf sicherem Grund befinden wir uns nur durch den Häuser- und Rustikalsteuerkataster von 1811 in dem es heißt:
StA Landshut Rentamt Kötzting B 27
"Hausnummer LXXVIII (mit Bleistift ergänzt HsN82)
Johann Gulder
a) das gezimmerte Haus mit angebautem Stall und Stadel, dann 
b) ein rückwärts liegentes kleines Gärtl
Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeindegründen
Der vorwärts den Haus liegenden Wurzgarten so ao 1803 aus einem Ödgrund cultiviert worden.
Gemeinsantheil am galgenberg ao 1803 zu Acker cultiviert."

Der Zusammenhang zwischen Johann Gulder und seinem Nachfolger Josef Gulder lässt sich nur schrittweise belegen und beweisen, da es in Kötzting mehrere Gulder-Linien gegeben hatte, die auch noch  zeitgleich lebten, arbeiteten und Kinder bekamen.
Berücksichtigt man aber die doch eher seltenere Kombination des Namens - Johann Gulder - mit dem Beruf eines Hutmachers und seiner offensichtlich hohen Verschuldung, so sieht es ganz danach aus, als ob es sich bei unserem gesuchten Johann Gulder um den Hutmacher handeln muss, der zunächst als neuer Kötztinger Bürger sich ein Haus oben vor dem Tor erworben hatte.
1745 erwarb ein Johann Gulder für fast 6 Gulden das Kötztinger Bürgerrecht. 8 Jahre zuvor hatte er, ein  pileator (=Hutmacher), eine Anna Maria Reitmeier, die Tochter des damaligen Kötztinger Sagmüllers geheiratet. Beide zusammen verkauften nun das Haus oben vor dem Markt und erwarben ein Haus in der heutigen Rathausgasse, das anschließend auch viele Jahrzehnte in Familienbesitz blieb.  


Johann Gulder und Magdalena Kollmaier
Johann Gulder und Anna Maria Henneberger


 Einschub Hans Gulder in der Rathausgasse - siehe Häuserchronik Hausnummer 46

Im Hauptstaatsarchiv in München liegt eine Kirchentrachtliste vom Kloster Rott, in dem unser Johann Gulder aufgeführt ist.
HStA München Landshuter Abgabe KL Rott B5

Johann Gulder Hueder
Joseph  Schneider Seiler
Dieses Durchstreichen des "Johann" bedeutet, dass in dem 10 Jahres-Zeitraum, den diese Steuerliste umfasste, ein Besitzwechsel von einem Johann auf einen Josef Gulder eingetreten ist.
Im Jahre 1785 leiht sich das neue Ehepaar erneut Geld aus und diesmal ist die Ursache eine ganz besondere.
StA Landshut Markt Kötzting P 47 von 1785

Für ihre "Hausnotturft und in specie zu Bezallung der auf Execution beruhenden Pfleger Dennerlischen Schuldforderung" nehmen die beiden erneut 100 Gulden bei der Pfarrkirche Kötzting auf.
Von diesem Herrn hatte sich Hans Gulder offensichtlich Geld geliehen - die Hofmark Runding führte eine eigene Briefprotokollreihe - und war nun so weit mit den Zahlungen in Verzug gekommen, dass Dennerle seine ausstehenden Gelder mit angedrohten Zwangsmaßnahmen einforderte. (=Execution) 

Am 2.12.1786 verkaufen Johann und Anna Gulder das Haus "hinter dem Rathaus" an den Krämersohn, Seilergeselle und angehenden 2. Seilermeister Kötztings um 600 Gulden. 
Im Einzelnen wird noch aufgeführt, dass der Verkauf  "mit Ausschluss der Hütergerechtigkeit, als welche sie Verkäufer  auf das neuerbaute Häusl zu transferieren  gedenken", erfolge dafür aber mit "einem Hirschgwey und dem eingemauerten Kasten im Flez"
An zu übernehmenden Grundschulden schlugen 100 fl bei der Kötztinger Pfarrkirche und weitere 100 fl bei der Kirche in Steinbühl zu Buche.

Einschub Ende



Johann Gulder hatte sich auf dem Kötztinger Schussanger im Bereich des heutigen Spitalplatzes ein kleines Hause erbaut. Die Rückzahlung der noch verbliebenen 100 Gulden Grundschuld bei der Kirche Wettzell  - für die sie - Anna Gulder -  ja auch ihr Haus in der Rathausgasse hatte verpfänden lassen, lösten sie dadurch, dass sie auf ihr neues Haus 100 Gulden bei der Kapelle Grafenwiesen aufnahmen und die Schuld aus Wettzell damit tilgen konnten.  

 Über diesen Hausbau und die Probleme, die dieser ausgelöst hatte, gibt es im Stadtarchiv einen eigenen Akt. AA XI 51
Am 29. August 1786 wurde ihm ein Platz "hart oben am Graben auf dem sogenannten Schußanger" zugewiesen, 32 Schuh in der Länge und 18 Schuh in der Breite. (ca. 10 auf 6 m).
Der Einfluss auf die Weidefläche wäre minimal und er verlange auch weder ein "Gärtl", noch wolle er Vieh halten. Der Platz würde ihm zu denselben Bedingungen wie beim " Maurermeister" - zeitgleich wurde damals das heutige Kamplmacherhaus von und für den Marktmaurermeister errichtet - überlassen und sein Hauswasser könne er selbst durch einen eigenen Brunnen erhalten.
Die Genehmigung zu diesem Bauer erhielt er vom mächtigen Wolfgang Samuel Luckner persönlich, der übrigens auch den Hausbau des Marktmaurermeisters forciert hatte.
StA Kötzting AA XI 51
"Nach selbstiger Zufriedeheit des Johann Gulders ist genau dessen offert memess verständigt.
Samuel Luckhner derzeit Vicekammerer mp (=mit eigener Hans gezeichnet)
Verstanter, so mit disem Löckher
Lorenz Hueber mit Luckher verstanden"

Schon ein Monat - 25.9.1786 - nach dieser "Baugenehmigung" kamen die Einsprüche seiner Nachbarn, die - in Abwesenheit der beiden Kammerer, also ohne Luckner - gegen diesen Bau protestierten, da dieser schon "morgen" vorhabe, mit dem Bau zu beginnen.
Sie protestierten, weil "das Hochgewässer im Ausfluß über die Angerwieße gehen" würde und nun aber das "verstandtne Wasser samt dem Eys mit mehrer Gewalt an ihren Höäusern und Gebäu hintenwärts getrieben" würde.
Noch dazu hätten sie die Erfahrung gemacht, dass " keine von denen neuen Häuseln bei seinem ausgesteckten Terrain" verbleiben würde und "also die Obrigkeit für beständig überloffen "würde.
Kötztings neue Bauwerber würden sich - so die Erfahrung der Ansässigen - nie an die Vorgaben der Baugenehmigungen halten.
Noch dazu habe er im Markt ja ein Haus und er habe auch bereits geäußert, dass er dieses neue Haus möglicherweise verkaufen würde. Der Ausschuss - wohl nicht beschlussfähig - vertagte sich auf den nächsten Tag, nur um sich auch am folgenden Tag nicht zu einer Entscheidung durchringen zu können, vermutlich aus dem Grunde,  da die beiden Kammerer immer noch nicht vor Ort waren.
Ihre Salomonische Entscheidung war es dann, Johann Gulder könne ja einmal mit dem Hausbau anfangen.....allerdings auf das Risiko hin, dass dieser Bau dann nachträglich doch noch verhindert werden würde.
Bei der Sitzung vom 17.11.1786 hatte sich das Rad schon ein wenig weiter gedreht, da der Protest bereits nach Straubing weiter gereicht worden und eine eigene Kommission sich bald vor Ort mit dem Fall beschäftigen sollte.
Von dieser Seite unter Druck gesetzt,  rollte der Magistrat den Fall noch einmal von vorne auf und protokollierte unter Vorsitz des Kammerers Kollmaier folgende Erklärungen und Auflagen:
1. Sei es unstrittig, dass der Bau den Waidbesuch schmälere und daher eigentlich an dieser Stelle unzulässig sei.
2. Allerdings habe Gulder bereits so viel investiert, dass er ruiniert wäre, würde man nun eingreifen.
3. Ausdrücklich sei festgehalten: Gulder bekommen keine Gartenfläche
4. Sein gegen jede Regel ausgeführter überweiter Dachvorsprung würde ihm kein weiteres Recht zukommen lassen.
5. Das Haus solle für alle Zeit das Hutmacherhaus und es auch später Niemanden erlaubt sein, einen Inmann in das Haus aufzunehmen und diese Beschränkung gelte auch für spätere Besitzer.
6. Würde Gulder oder ein späterer Besitzer gegen diese Auflagen verstoßen, hätte der Magistrat das Recht das Haus wieder einzuziehen und abreißen zu lassen.
Mit seinem Handzeichen bestätigte Johann Gulder mit Unterschrift und "Handglib" (Handschlag) dass er sich an alle diese Punkte  - ausdrücklich einschließlich des Abbruchs - halten würde.
"Johannes Gulder HuedtmacherMeister alda"


Das Protokoll wurde umgehend nach Straubing geschickt, um eine - wie der Magistrat meinte -  unnötige Reise der Kommission zu verhindern.
Ein paar Jahre später - Samuel Luckner ist Geschichte und der neue Amtskammerer heißt Dreger Andreas - schreibt Johann Gulder eine Eingabe ans Kameralamt in Straubing.
Im Jahre 1786 habe ihm der Magistrat nicht nur einen Platz für das Haus sondern "in der Froschlacke" auch einen Platz für einen Backofen ausgewiesen. Beide Flächen wären von Kammerer Luckner ausgewiesen worden.
Das Aufschütten der "Froschlacke" mit Steinen wäre viel zu kostspielig gewesen und so benutzte er den ausgewiesenen Bauplatz nicht, sondern setzte den Ofen in sein Haus hinein.
"Am heurigen Charsamstag in der Frühe von 2 Uhr fing die hölzerne Pruck, worauf der Bachofen ruhete, mitls einer durchgefahlenen Glut Feuer und mein Haus samt allem Haab wer beinahe ein Raub der auflodernden Flamme geworden."
Nun machte er sich doch daran, den früheren Bauplatz baufertig zu machen und als er bereits 25 Fuhren an Steinen eingebracht hatte, wurde ihm vom Kammerer Dreger der Bau eingestellt,
In einem mehrseitigen Schreiben versuchte nun JG den Bau wieder aufnehmen zu dürfen, kämpfte aber wie gegen Windmühlen und musste am Ende sogar einen Abriss des neu und fast fertig errichteten Backofens erleben.
Nun musste der Magistrat dem Gericht Rechenschaft ablegen und argumentierte, dass JG den Platz auf dem Schußanger nur gegen und unter Protest der Anlieger zugewiesen bekommen und JG dabei auch auf jedweden weiteren Grund - selbst unter dem Dachüberstand nicht - verzichtet hatte. 
Sogar den Brunnen wollte er im Hause graben und keinen Garten "eröffnen".
"Allein dieses Versprechen war bald vergessen, Gulder errichtete ein Gärtl, baute den Brunnen außer dem Haus, erweiterte sein Gebäu unter dem hintern Dachüberschuss, auf den Gemeindegrund nahm einen solchen auf etlich 20 Schuh zu einer Holzleg, und Dungstatt ein, und nun will er auf etlich 50 Schuh vom Haus einen Backofen errichten."
Der Ausschuss rügte dabei das Handeln des Kammerers obwohl JG den Bau trotz  des Baustopps weitergeführt habe. Der gesamte Bericht des Ausschusses war für den Amtskammerer Dreger wenig schmeichelhaft. Dreger sollte das Schreiben mit seinem Amtssiegel siegeln, ohne dass er den Bericht durchlesen durfte, weshalb er sein Dienstsiegel nicht herausrücken wollte.
Nun siegelte eben der Vicekammerer mit seinem eigenen Petschaft und notierte den Sachverhalt am Ende des Schriftsatzes.
Hintergrund dieser Intrige war die damalige Spaltung der Kötztinger Gesellschaft - und natürlich auch des Magistrats - über den zu diesem Zeitpunkt bereits jahrzehntelang andauernden Streit über die Reitensteiner Anteile.
Aus dem Jahre 1806 hat sich sogar noch der eigene Handschriftliche Wahlzettel des Johann Gulder erhalten.
StA Landshut LGäO Kötzting Nr. 793:
Johann Gulder giebt seine Stim auf dise niderschriebne Birger
Peterus Graus  als Abskammerer
Joseph Gerstl
Andoni Mack
Leonhard Hass
Caspar Görnhuebas als Radtsfreindt
"



 

Joseph Gulder und Kunigunde Simman



Bei der Anlage des ersten Grundsteuerkatasters 1841 heißt es dass Joseph Gulder das Haus im Jahre 1820 von seinem Vater - ebenfalls ein Joseph Gulder - übernommen habe. Dies war allerdings ein Übertragungsfehler und hätte Johann Gulder heißen müssen, siehe die folgende Erklärung.
StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5038






"Laut Brief vom 5. Februar 1820 vom Vater Joseph (ist falsch, siehe weiter unten)  Gulder mit einem Theil von Plnr. 666 ......und Dareingabe im Anschlage von 990 fl übernommen."


Im Übergabevertrag vom Januar 1820 heißt es, dass er "sich mit den Gläubigern seines Vaters Johann Gulder" verglichen habe, das Anwesen mit 990 Gulden unter folgenden Bedingungen zu übernehmen.
1. Die jährlichen Abgaben auf das Haus (27 xr und 6 H je zweimal im Jahr) zu bezahlen.
2. Die Marktgilt in Höhe von jährlich 33 xr. zu entrichten.
3. Die Schulden zu bedienen, als da wären:
- an seine Schwiegermutter (eher Stiefmutter) die noch ausstehenden 160 Gulden
- schrittweise Rückzahlung der Stiftungskapitalien der Marktkammer, sich auf 736 Gulden beliefen. 300 Gulden davon würden ihm gegen 5 Prozent Zinsen weiter verliehen. Die restlichen 436 Gulden versprach er innerhalb eines halben Jahres zu tilgen.
4. Er versprach, seinen Vater zu sich zu nehmen "und gänzlich zu ernähren." 

Josef Gulder blieb nichts anderes übrig, als sich von den meisten Grundstücken zu trennen, die er bei seiner Übernahme mit gekauft hatte. In den nächsten zwei Jahren sind 3 Grundstücksverkäufe protokolliert. Nur so konnte er offensichtlich seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen, die ja alle mit sehr kurzen Fristen versehen waren.
Im Jahre 1839 bekam er Probleme mit der Marktverwaltung, da er "sich nächst seinem Haus rechts gegen die Strasse einen Garten errichtet" hatte.

Sein 
Haus selber wird 1840 beschrieben mit:


"Hausnummer 82 in Kötzting, beym Hutmacher Joseph Gulder
Das Haus mit realer Hutmachergerechtigkeit
Gebäude
Wohnhaus, Stall und Stadl aneinander, dann Hofraum
Garten
Gras und Baumgarten, der Hausgarten
"

Schaut man aber unter diesem Datum nach, so kann man schnell erkennen, dass auch die Schreiber damals nicht fehlerfrei gewesen waren. Der übergebene Vater, bzw. der Vorbesitzer war nicht Joseph sondern, wie im H+R Kataster vermerkt, Johann Gulder gewesen. Hier der wörtliche Eintrag im Umschreibebuch des Kötztinger Rentamtes auf den der Schreiber des Grundsteuerkatasters Bezug nimmt..

"Den 5. Febr. hat Joseph Gulder in Kötzting des Joh. Gulderische Hutmachersanwesen alda von der dasigen Kreditorschaft um 995 fl käuflich an sich gebracht, dermal ohne Änderung."

Da Josef Gulder das Haus ja nicht von seinem Vater übernommen hatte sondern von den Gläubigern, konnte der Vater auch keinen Austrag von seinem Sohn fordern. Dieser versuchte nun sein Leben im Kötztinger Bürgerspital fristen zu dürfen.
StA Kötzting Beschlussbuch 1820/1821
"Bitte des Johann Gulder v. hier um Verleihung einer Spitalpfründe
 - dem Gulder beruhiget, da dermal eine Pfründe nicht vacant ist."

Im Bürgerspital war derzeit nachweislich kein Platz mehr für einen "Spitaler" frei und Johann Gulder musste/sollte halt schauen, wie er zurechtkomme.
Johann Gulder gab jedoch nicht auf  und hatte wohl die Information bekommen, dass eine der Kötztinger Pfründtner verstorben war. Daher stellte er Wochen später noch einmal einen Antrag:
"Ansuchen des Johann Gulder um die erledigte Spitalpfründe"

Aus dem Jahre 1841 gibt es eine genauere Beschreibung des kleinen Hauses:
StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5045 Mieterkataster
"Joseph Gulder Hutmacher /:Hauseigenthümer:/
1. Hauptgebäude
unter der Erde: 1 Keller
I. 1 Wohnzimmer, 1 Kammer und 1 Werkstätte
II. 2 Wohnzimmer und 2 Werkstätten dann 2 Hausböden unterm Dach

1. Nebengebäude:
1 Stallung mit Futt4erboden
2. Nebengebäude
Eine Scheune mit Dreschtenne

Unterschrift Gulder"


Aus einem erhalten gebliebenen Platzverzeichnis für den Kötztinger "Kirta" aus dem Jahre 1841 wissen wir - und die Standplätze sind vermutlich wie heutzutage auch immer dieselben geblieben - dass er seinen Verkaufsstand als Hutmacher "von dem Eck des Fleischmann aufwärts". Der "Fleischmann war damals das heutige Schuhgeschäft Mühlbauer neben dem "Achtler".


1844 musste sich der Hutmachermeister JG dem Kötztinger Vermittlungsamt stellen, Georg Schrank hatte ihn angezeigt. Hier der protokollierte Auszug der Verhandlung:
"29. August 1844: Georg Schrank led. Bräuerssohn v. hier tritt gegen den bürgerl. Hutmachermeister Josef Gulder deshalb klagbar auf, weil der Letztere vor einigen Tagen sich im Gasthause des 
bräuenden Bürgers Weiss dahier äußerte, der verstorbene Bierbrauer Georg Schrank habe von den Gemeindegründen dahier den größten Teil gestohlen. Er als Sohn des Verlebten könne sich 
diesen Vorwurf nicht gefallen lassen und müsste auf Widerruf und Abbitte den Antrag stellen. Josef Gulder erklärt, dass er sich nicht erinnern könne, die besagte Injurie gegen den verstorbenen Georg Schrank ausgestossen zu haben und widerrufe hiermit feierlich diese Äusserung, wenn er solche je gemacht haben soll, indem Georg Schrank ihm nur Wohltaten erwiesen habe, viel weniger dass er gegen ihn etwas Nachteiliges sagen könnte, womit sich der Kläger zufrieden stellt. "
Zwei Wochen später dann die nächste Verhandlung:
"12. September 1844: Josef Windorfer Handelsmann von hier belangt den Hutmacher Josef Gulder deshalb, dass er unlängst im Gasthaus des bräuenden Bürgers Weiß dahier gegen  ihn beleidigende ì
Äusserungen und namentlich den Vorwurf eines größten Gemeindediebes ausgestossen habe, und bittet den Beklagten zum Widerruf zu veranlassen. Josef Gulder erklärt hiermit dass wenn er die fraglichen Äusserungen wirklich gemacht haben sollte, er solche hiermit ausdrücklich zurücknehme hiermit Abbitte leiste und den Kläger deshalb um Verzeihung bitte, womit sich Josef Windorfer zufrieden stellt". 

Vermutlich wegen seiner - für einen Einbruch - exponierten Lage, wurde Joseph Gulder auch ein frühes Opfer des Beckendorfer Räubers Michael Heigl. Dieser "Bruch" beim Hutmacher Gulder wurde später sogar im Prozess gegen diese Räuberbande mitverhandelt: 

  

8. Verbrechen des ausgezeichneten Diebstahl an dem Hutmacher Jos. Gulder von Kötzting

Landshuter Zeitung





Am 24.8.1846 starb der Kötztinger Hutmachermeister Josef Gulder im Alter von gerade mal 55 Jahren an Brustwassersucht. Mit derselben Todesursache verstarb seine Frau Kunigunde ein Jahr später, am 10.6.1847 mit 57 Jahren. Ihrer beider Sohn tritt dann die Nachfolge an.



Gulder Joseph und Simeth Anna


Noch 1847 hatte Joseph Gulder für 15 Gulden das Kötztinger Bürgerrecht erwerben können.
Am 7.6.1848 hatte Joseph Gulder, Sohn des gleichnamigen Hutmachers und dessen Frau Kunigunde Simmon aus Amberg, die Ansdorfer Söldnerstochter Anna Simeth geheiratet und im selben Jahr wird er auch in die Meisterrolle der Hutmacher aufgenommen.  
Meisterrolle
der
Färber, Hutmacher, Tuchmacher
Kammacher, Sailer
und Buchbinder
im k. Bezirksamte Kötzting


Meisterwerdung  1848
"Joseph Gulder burgerl. Hutmacher zahlt Meisterwerdung 8 fl."


8 Kinder bekamen die beiden miteinander.
Im Grundsteuerkataster von 1860 findet sich folgende Aufstellung:
StA Landshut Grundsteuerkataster 5047 von 1860


"Haus=Nummer 82 in Kötzting, beim Hutmacher Joseph Gulder junior
Das Haus mit Hutmachersgerechtigkeit
Wohnhaus, Stall, und Stadel aneinander, dann Hofraum .....
Laut Anmeldeprotokolls Nr. 74 und Briefs vom 15. April 1847 von der Mutter Kunigunda Gulder mit dem Besitzungen ..... um 2000 fl übernommen."



Amberger Johann und Baumann Barbara


Am 28. April 1860 hatte der Hutmacher und Marktmüllerssohn  Johann Amberger das Gulder-Haus gekauft und im Jahre 1865 auch vom Kötztinger Magistrat seine Heiratserlaubnis für die Ehe mit Barbara Baumann aus Oberdörfl erhalten.
bereits im Jahre 1869 ist im Amtsblatt des Bezirksamtes Kötzting die Gantsache des Hutmachers Johann Baptist Amberger veröffentlicht. 
Eine Woche vor dem Pfingstfest 1867 war in Kötzting eine Brandkatastrophe geschehen. Ausgehend von der Ausbruchsstelle in einem Hintergebäude des heutigen - geschlossenen - Gasthauses Dreger, breitete sich diese Katastrophe bis hinauf zum Alten Friedhof und hinunter bis zum heutigen "unteren" Oexler" aus...... und dazwischen lag seit Jahrhunderten das altehrwürdige Kötztinger Bürgerspital.


Das Bürgerspital


Den Erfordernissen eines neuen modernen und passiven Brandschutzes gehorchend, wurde der Schnitt der Kötztinger Straßen abgeändert und es entstanden - zunächst nur auf dem Papier - die heutige untere Marktstraße, der gerade Pfeffergraben, die Verlängerungen der Metz- und Schirnstraße bis hinüber zu der neu projektierten späteren Gehringstraße.
Gerade die Verlängerung der unteren Marktstraße - übrigens noch 1949 als die obere Bahnhofstraße benannt -  bedeutete das Aus für das Bürgerspital und da fügte es sich gut, dass vor dem Markt und vor der großen Brücke ein kleines Haus zur Versteigerung anstand.

StA Landshut Grundsteuerkataster 5050 Umschreibeheft ab 1860

Noch im Jahre 1867 kommt es zu einem Beschluss der Gemeinde, das ehemalige Hutmacherhaus des Amberger Johann zu kaufen. Verhandlungen und Genehmigungen der Regierung benötigen aber Zeit und so sind erst im Juni 1869 die Verhandlungen abgeschlossen. Die Kosten des Baus belaufen sich auf 5560 fl, vorhanden sind zusammen mit der (Brand-)Versicherungssumme 4550 fl. Der  Rest von 1100 fl bleiben vom Markt aufzubringen.
Da die Geschichte des Kötztinger Spitalwesens in den kommenden Jahren - beginnend 2024 - in den sogenannten "Gelben Bänden", also den Beiträgen zur Geschichte im Landkreis Cham, veröffentlicht werden wird und den Themen in den gelben Bänden das Erstveröffentlichungsrecht vorbehalten ist, hier nur noch die Eckdaten der weiteren Entwicklung
Fast zeitgleich mit dem Einzug der ersten Pfiemdter nach der Renovierung und teilweisen Neuerbauung des Hauses finden sich reihenweise Beschwerden der jeweiligen Hausmeister über das Benehmen seiner "Pfleglinge".
Im Jahre 1891 kommt es zu einem Ausbau. Der vorhandene Stadel wird für weitere "Pfründezimmer" umgebaut. Auch unser Josef Gulder - geboren am 27.3.1822 - wird im Jahre 1898 als "Spitalpfriemdter und Hutmachergehilfe" erwähnt.

Ausbau des ehemaligen Stalles in einen Erweiterungstrakt




Berücksichtigt man die historische Beschreibungen des Bauplatzes des Hauses als "hart oben am Graben" und der des Backofens an der "Froschlacke", ist es kein Wunder, dass selbst in den 1950er Jahren der Spitalplatz zu manchen Zeiten eine Schlammfläche gewesen war.

Bilder aus dem Inneren des Kötztinger Bürgerspitals





Im Zuge der notwendigen Hochwasserfreilegung der Stadt Kötzting wurde viel Altes am Spitalplatz verändert oder abgerissen aber auch viel Neues geschaffen.
Die letzte Verkörperung des  uralten Kötztinger Bürgerspitals musste einem Wohn- und Geschäftshaus weichen und das dadurch freiwerdende Kapital wurde in den zum Verkauf stehenden Kötztinger Bahnhof investiert, bis auch dieser vor wenigen Jahren an Privat verkauft wurde.
Von Frau Christa Rabl-Dachs habe ich nachträglich noch eine Bilderfolge bekommen, die das „Ende“ - sprich den Abriss- des Spitalgebäudes dokumentieren, Danke Dir Christa für die Bilder.

Foto Rabl-Dachs


 
Foto Rabl-Dachs

Foto Rabl-Dachs

Foto Rabl-Dachs

Foto Rabl-Dachs

Foto Rabl-Dachs

Foto Rabl-Dachs

Foto Rabl-Dachs
 

Montag, 23. September 2024

Erinnerung an Altkötzting - Teil 49 das Postamt in der Bahnhofstraße

  In der Bildersammlung des Stadtarchives befinden sich viele Beispiele von damals tagesaktuellen Veranstaltungen oder Berichten über Handel und Gewerbe, die uns einen kleinen "Blick zurück" erlauben; zurück auf Menschen, die schon lange verstorben sind oder Orte und Plätze, die es ebenfalls schon lange nicht mehr gibt. Mit dieser Reihe an Blogbeiträgen soll diese Erinnerungskultur ermöglicht werden; eine Erinnerung an ein Kötzting mit viel Handel, Handwerk, Vereinsleben und Gasthäusern, mit Jahrtagen,  Bällen, und vor allem mit Menschen.

Als gleich Anfang der 90er Jahre die Deutsche Bundespost privatisiert worden war, änderte sich auch sehr schnell das Netz der Postämter. Sogenannte Postagenturen entstanden, die dann in der Folge bei verschiedenen Lebensmittelmärkten als "Shop-im-Shop" aufpoppten.
 



Das ehrwürdige Kötztinger Postamtsgebäude - übrigens ein Stück deutscher Architekturgeschichte - hat es vermutlich nur seinen auf der Straßenfront aufgemalten Pfingstreitern zu verdanken, dass es nicht bereits der Spitzhacke zum Opfer gefallen ist.

Einschub
Vom Kötztinger Architekten Hans Haselsteiner habe ich eine kurze Information über dieses Gebäude erhalten.
Das Thema Postamt Kötzting hat mir keine Ruhe gelassen und ich bin fündig geworden.
Franz Holzhammer war neben Robert Vorhoelzer einer der führenden Protagonisten der Bay. Postbauschule und damit des “Neuen Bauens”in Bayern.
Das wir eigentlich damit einen außergewöhnlichen Klassiker im Ort haben wäre sehr bemerkenswert, wenn es denn je registriert worden wäre. Zumindest hat das Bildprogramm des Pfingstritts das Gebäude vor einem noch übleren Schicksal bewahrt.

Einschub Ende

Aus dem Jahre 1976, also noch Jahre von seinem Ende entfernt, haben wir eine Bilderserie aus dem Inneren unseres Postamtes.





Diesen Raum kennen sicherlich noch viele von uns..... allerdings aus der Perspektive des Kundenraumes






Die Päckchenverteilung

Die Bilder und der Artikel stammten vermutlich von Herrn Kühn (-kü-). Da die Zeitungsbände im Archiv alle fest gebunden sind, ist es schwierig die Artikel "schön" abzubilden, weil es - ohne das Zeitungsmaterial zu beschädigen - nicht möglich ist, bis in den Rand der Bindung zu fotografieren.
Aus diesem Grunde ist der abgebildete Zeitungsartikel am linke Rande leicht verzogen.







Montag, 16. September 2024

Erinnerungen an Altkötzting Teil 48 Reitverein Kötzting/Grafenwiesen

 In der Bildersammlung des Stadtarchives befinden sich viele Beispiele von damals tagesaktuellen Veranstaltungen oder Berichten über Handel und Gewerbe, die uns einen kleinen "Blick zurück" erlauben; zurück auf Menschen, die schon lange verstorben sind oder Orte und Plätze, die es ebenfalls schon lange nicht mehr gibt. Mit dieser Reihe an Blogbeiträgen soll diese Erinnerungskultur ermöglicht werden; eine Erinnerung an ein Kötzting mit viel Handel, Handwerk, Vereinsleben und Gasthäusern, mit Jahrtagen,  Bällen, und vor allem mit Menschen.

Der Anfang der 70er Jahre maßgeblich vom Kötztinger Eduard Meimer gegründete Reitverein in Grafenwiesen zog vor allem viele junge Kötztinger an, die dort ihre Reiterfahrungen begannen oder fortführten. Auch die Kötztinger Zugleistungsprüfungen - zunächst vom Viechtacher Reitverein begründet  - wurden lange Jahre von den Grafenwiesener Vereinsmitgliedern organisiert und durchgeführt.
Vom Herbst 1975 haben wir eine kleine Bilderserie vom "Kameradschaftstreffen der Reiter" im Birkenhof in Grafenwiesen. Die Kötztinger Kapelle Traurig spielte auf und viele Kötztinger kamen zum Tanz nach Grafenwiesen.
Die Aufnahmen und der Artikel stammen von Herrn Kühn, Kötzting.

Ich denke hier tanzt Frau Benitta Vogl, geb. Heigl, aus Grafenwiesen mit dem damaligen Reitlehrer des RuFV Grafenwiesen, Herrn Kassens (wenn ich den Namen richtig geschrieben habe.) Der junge Mann, der zwischen beiden durchblickt, ist Josef Aschenbrenner.

In der Bildmitte könnte Frau Guggenberger gewesen sein.

Die Kapelle Traurig im Hintergrund mit Hans Traurig am Keyboard,  Alfons Treitinger am Schlagzeug und Wack Traurig am Sax. Weiter zu erkennen, Heinz Schötz mit Wieser Hildegard und Hofmann Albert.