Kurze Zeit später kam er mit einer Stofftüte und legte mir das
Original einer Wettzeller Kirchenrechnung aus dem Jahre 1727
auf den Tisch. Nun folgte natürlich sofort meine Frage, woher und wieso.
Herr Miethaner erklärte mir dann, dass er ein passionierter Sammler von Sterbebildern sei und als solcher auch viele Kontakte zu gewerblichen Händlern habe und wollte wissen, was denn so ein Rechnungsbuch kosten dürfe oder was wir bezahlen würden.
Dazu gibt es nun eine Vorgeschichte: 1996 (damit feiern wir unser 20 Jähriges im nächsten Jahr (!) Wahnsinn, wie die Zeit vergeht) wurde unser Arbeitskreis Heimatforschung im August gegründet und nach den vielen Ankündigungen und Veröffentlichungen anlässlich der Gründung dieses Arbeitskreises in der Presse, meldete sich kurz darauf Frau Kirschbauer, Witwe des so früh verstorbenen Bauunternehmers Franz Kirschbauer, bei mir und übergab dem Arbeitskreis einen Stapel von Wettzeller Kirchenrechnungen. Bei einer Baustellenbegehung während einer Renovierung des Wettzeller Kirchturmes habe der damalige Wettzeller Pfarrer zu Herrn Kirschbauer sinngemäß gesagt, er könne sich bei dem alten Zeug (gemeint waren die Aktenbündel bzw. Kirchenrechnungen) bedienen, wenn er etwas haben wolle. Nun kamen also 1997 einige Wettzeller Kirchenrechnungen aus dem Zeitraum um 1730-50 zurück in die Öffentlichkeit und wurden dann im Kötztinger Pfarrarchiv eingelagert, weil wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wussten, wie und ob das Wettzeller Pfarrarchiv überhaupt geordnet ist.
Nun gab es natürlich auch die Möglichkeit, dass dieser neue, Herrn Miethaner angebotene Bestand, auch von ganz woanders herstammte. Rechnungen - auch Kirchenrechnungen - wurden, so wie heutzutage auch, höheren Orts kontrolliert und geprüft und wurden deshalb von angestellten Schreibern mehrfach ausgeführt. Solche übergeordneten weltlichen und kirchlichen Behörden trennten sich im 19. Jahrhundert dann öfters aus Platzmangel von den Aktenbergen und verkauften das Material an Papiermühlen zum Kilopreis. Auch damals gab es bereits Sammler, privat oder in Vereinen organisiert, welche den Wert solcher Abfallmengen erkannten und zuschlugen. Es könnte also auch von dieser Seite her stammen.
Wie sollte es also weitergehen.....
Herr Josef Miethaner mit seinem Fund |
der Band von 1713 mit dem deutlich sichtbaren Zerstörungen des Papiers |
Dankenswerter Weise begnügte sich Herr Miethaner mit dem, mir genehmigten, Höchstbetrag, bezahlte aber selber um Einiges mehr, und schenkte der Stadt Bad Kötzting die Differenz. Nochmal Herzlichen Dank von Seiten der Stadt Bad Kötzting.
Nun, nachdem ich die Bücher vor allem zeitlich zuordnen konnte - 1713 bis 1727 in Lücken- wird im Vergleich mit dem noch vorhandenen Repertorium der Pfarrei Wettzell aus dem Jahre 1933 klar, dass es sich wohl bei diesen Exemplaren - wie bei dem Teilbestand von Frau Kirschbauer - ebenfalls um die Originalrechnungen aus dem Wettzeller Pfarrarchiv handelt - und nicht um mögliche Doubletten.
Das Repertorium zeigt als den ältesten Rechnungsband ebenfalls das Jahr 1713 an und es wäre schon ein Riesenzufall, wenn unter all den möglichen Jahresbänden ausgerechnet dieser Band bei beiden Reihen nun als der Älteste auftreten würde.
So, ein überaus angenehmer Arbeitsbeginn nach dem Urlaub, und natürlich habe ich mich gleich in die Bücher hineingearbeitet um stichprobenartig mal nachzulesen was, neben den Standartangaben der Schuldverschreibungen, an Schmankerln drin stehen könnten.
Hier nur ein kleines Beispiel, was wir grundsätzlich aus solchen Rechnungen für Informationen erhalten können, Dinge also, die wir vorher nicht wussten:
In den Jahren 1713 und 1716 lesen wir von Ausbesserungsarbeiten im Pfarrhof, Friedhof und dem Mesnerhaus, welches zu der Zeit, wie auch an vielen anderen Orten, so zum Beispiel in Kötzting selber, als Schulhaus benutzt worden war.
1713 bekam dieses kombinierte Schul- und Mesnerhaus einen neuen Stadelboden und auch im Pfarrhof wurde umgebaut, so wurde unter anderem ein neues "Hofthor" errichtet und auf dem Friedhof erstellte der Zimmermann ein neues hölzernes Kreuz. Weiter finden sich in diesem Buch auch Angaben über Ausbesserungsarbeiten an den Kirchenfenstern und viele andere Kleinigkeiten.
1716, als anderes Beispiel, kauft die Kirche Wettzell 4 Klafter Legschindel zur Umdeckung des Schulhauses, mit welcher Arbeit dann zwei Tagwerker zwei Tage beschäftigt waren. Anschließend bekommt noch ein Zimmermann 28 Kreutzer dafür, dass er die Wasserröhren welche in das Schulhaus hinein zu legen waren, zuerst gebohrt - mit Hilöfe eines zweiten Mannes - und dann in das Haus hinein geführt hatte. Die Wettzeller Schule hatte also im Jahre 1716 bereits nachweislich einen Wasseranschluß.
Vieles steckt noch unentdeckt in diesen Rechnungsbüchern und wird in den nächsten Jahren sicherlich ausgewertet werden. Seine Heimat sollten diese Bücher aber im Gesamtbestand das Pfarrarchivs finden so dass zumindest der Bestand an Rechnungsbüchern des Pfarrarchivs Wettzell nun wieder komplett sein sollte.
Leider fehlt dort noch das wertvollste Stück, das Salbuch der Pfarrei aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, - im Repertorium noch aufgeführt, aber im Archiv nicht mehr vorhanden - aber vielleicht hilft uns dabei noch einmal der Kommissar Zufall.