Translate

Freitag, 4. November 2022

Michael Heigl - eine Dokumentation Teil 6

Michael Heigl wird zum Verbrecher

eine chronologische Zusammenstellung ab seiner Entweichung vom 25.4.1843

 Zuerst jedoch ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:

Zum Einstieg:  ein Bild und seine Geschichte: das Laumerhaus von Gotzendorf
Teil 1 der Dokumentation: Der Familienverband des Michael Heigl
Teil 2 Die Heigls in Beckendorf
Teil 3 Michael Heigl im Spiegel der Veröffentlichungen
Teil 4 Michael Heigl und seine Brüder geraten ins Blickfeld der Behörden
Teil 5 Michael Heigl und seine Unterstützer - die Entstehung einer prekären Unterschicht im Bayr. Wald


Foto Kretschmer: Historischer Festzug 900-Jahr-Feier 1985: Festwagen Kaitersberg mit der Räuber-Heigl-Höhle


Die Jagd beginnt

In den vorhandenen Akten der Untersuchungsbehörde liegen bereits zwei chronologisch zusammengestellte - ja man möchte sagen fast moderne tabellarische - Auflistungen   der eingelaufenen Anzeigen, Razzien, Untersuchungen und der weiteren behördlichen Maßnahmen vor, die es ermöglichen, den Umfang und den Ablauf seiner Taten nachzuvollziehen. 

In der ersten Zusammenstellung geht es ausschließlich um die Aufarbeitung der für den Strafprozess relevanten Straftaten sogar im Einzelnen mit Verweis auf die Vernehmung des MH nach seiner Festnahme. In Summe waren es 46 Straftaten, die die Untersuchungsbehörde für den späteren Strafprozess in Straubing für ihre Anklage vorbereitete. 


Chronologische Zusammenstellung der Polizeiübertretungen, Vergehen und Verbrechen 

In der zweiten, wesentlich detaillierteren Zusammenstellung geht es um die polizeilichen Verfügungen, mit denen Heigls Umfeld  "ausgetrocknet" werden sollte.
Darin geht es dann auch eher um Anzeigen wegen Hehlerei, Unterschlupfgewährung, Racheakte, zwischenzeitliche Verhaftungen von Unterstützern und auch um Berichte über andere Bandenmitglieder.

"Summarische Uebersicht über die polizeilichen Verfügungen des königlichen Landgerichts Kötzting
seit Ende des Jahres 1845 bezüglich der Verhaftung des flüchtigen Verbrechers Michel Heigl von Beckendorf und der Beseitigung seines Anhangs
"

Diese zweite Liste wurde für den Regierungskommissar, Herrn Assessor Christoph, zusammengestellt, der im Frühjahr des entscheidenden Jahres 1853 nach Kötzting gekommen war und alle Vertreter der umliegenden Gemeinden in den "Postsaal" zitiert hatte. Dort hielt er ihnen eine Bußpredigt und Standpauke und ließ sie anschließend auch alle eigenhändig unterschreiben - viele nur mit einem Kreuzchen -, dass sie nicht nur versprachen, zukünftig bei der Jagd zusammenzuhalten, sondern sich auch der Konsequenzen klar waren, wenn dies alles nicht zum Erfolg führen würde. 
Es steht durchaus zu vermuten, dass manche der angezeigten - zumeist - Diebstähle gar nicht von Michael Heigl verübt wurden bzw. ihm dann doch nicht nachgewiesen werden konnten. Die schiere Menge an Anzeigen aber, die im Zusammenhang mit MH standen, führten jedoch zu einem Zustand der Unsicherheit sowohl auf Seiten der Bevölkerung als auch der Behörden.  
Als Folge dieser Lage mussten die beiden hauptbetroffenen Landgerichte, Kötzting und Viechtach, regelmäßig Berichte über ihren Sicherheitszustand abliefern.
Mit dieser Auflistung der polizeilichen Maßnahmen wird auch erkennbar, wo sich MH in der Anfangszeit seiner Flucht aufgehalten hatte. Der Rechtspraktikant Adolph Desch schrieb in dieser zweiten Auflistung - mit Stichtag des 2.3.1850 - auch bereits von mehr als 40 Reaten (Anklagepunkte), die gegen HM bereits vorlägen, sodass mit einer Verurteilung des MH mit Sicherheit zu rechnen wäre.
Der Regierungskommissar fasste die schiere Menge der Akten folgendermaßen zusammen:

ber diese strafrechtlichen Untersuchungsakten und hierher gehörigen polizeilichen Untersuchungsakten sind beim k. Landgerichte dahier 42 Faszikel (=Aktenbündel) erlaufen, welche die Höhe eines Tisches einnehmen, von dem k. Regierungscommissär durchgesehen und mit der vom k. Landgericht Kötzting zunächst dem geprüften Rechtspraktikanten Adolph Desch mit größtem Fleiße und vorzüglichster Sachkenntnis so bündig als möglich angefertigten chronologischen Zusammenstellung vom 3. des Monats verglichen wurde, wobei man die Überzeugung gewann, daß diese Zusammenstellung auch vollkommen wahrheitsgemäß abgefasst ist.

Bei den folgenden Blogbeiträgen über den Räuber Heigl werden wir zunächst diese beiden Zusammenstellungen zusammenführen, also sowohl die polizeilichen und die strafrechtliche Auflistung. Dieses Datengerüst wird dann jeweils ergänzt durch die Berichte der Gendarmeriestationen, die Reaktionen von Seiten des Landgerichts mit all den manchmal sehr hilflosen Erklärungsversuchen, warum dieser Mensch noch immer nicht gefasst werden konnte.

Seit Ende April 1843, nach seiner Entweichung gesucht, kommt es im Wirtshaus von Schönbuchen zu einem ersten Aufeinanderprallen mit der Obrigkeit. 
Die Staatsanwaltschaft stellte den Sachverhalt kurz und prägnant so dar: "Verbrechen der Widersetzung in idealer Conkurrenz mit dem Vergehen der Körperverletzung, verübt an dem Gerichtsdienersgehilfen Stangl im Wirtshause zu Schönbuchen." Entsprechend dem damaligen Strafgesetzbuch forderte die Staatsanwaltschaft alleine dafür bereits 4-8 Jahre Arbeitshaus.

Im selben Jahr fanden sich bei einer Hausdurchsuchung bei dem Häusler Josef Amberger in Watzlhof "verschiedene Gegenstände", die Diebstählen zugeordnet werden konnten. Das Ehepaar und die Kinder gaben an, dass die Gegenstände von Einbrüchen des MH stammten und sie diese nur verwahrt hätten. Dafür spräche auch, so die Staatsanwaltschaft, "der häufige Aufenthalt des Heigl in diesem Hause und sein mit Mutter und Tochter unterhaltenes Concubinatsverhältnis."

Es wird 1844 und am 8.1. werden MH und seine Freundin Anna Maria Gruber im Wirtshaus zu Heitzelsberg gesehen und auch, dass sie anschließend in Richtung der "Bleiche" gingen, wo sie die Wäschestücke des Bauern Josef Schreiner entwendeten, die dort frei in der Sonne lagen. Bereits eine Viertelstunde nach der Beobachtung des Paares wurde der Diebstahl entdeckt. Aufgrund des Wertes der Waren wird dieser Diebstahl bereits als Verbrechen eingestuft.

In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1844 kommt es zu einem Einbruch beim Metzger Wolfgang Zachmann in Grafenwiesen. Im Nachgang zu diesem Einbruch kam es fast zu einem Aufgriff.

Am 23. Juni d. Jhrs traff eine Gendarmerie=Patrouille beim sogenannten Bergpritzl den flüchtigen Verbrecher Michael Heigl und dessen Concubine, die durch die Flucht entkamen.
Man fand eine ziemliche Quantität Schaffleck daselbst vor nebst anderen Effekten. Kein Zweifel, daß sie von den dem erwähnten Metzger entwendeten Schafhammeln herrühren u. Heigl den Diebstahl verübte. Beruht auf der Vernehmung des Heigl"

Detail aus der Uraufnahmenkarte ca. um 1831 aus Bayernatlas.de
Hier das Laumerhaus und der "Bergpritzl" beide Anwesen stehen auch für die "Wohnstätten" der Therese Pritzl, heutzutage genannt die "Roude Res"

Am 28. Juni 1844, also nur wenige Tage später, nutzt MH erneut die günstige Gelegenheit und schnappt sich in der Sonne zur Bleiche ausgebreitete Leinwandstücke. Interessant an dieser Sache ist besonders der Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass solch einem Diebstahl als erschwerend angesehen werde, weil diese "Gegenstände unter einem besonderen Schutz des Gesetzes stünden." Der Geschädigte war der Bauer Paul Schlamminger aus Bärndorf.
Ein Tatzeuge beschrieb den Täter mit so genauen Einzelheiten, dass es keinen Zweifel darüber gab, dass es MH gewesen war, da "insbesonders diese Person im Gesicht zerkratzt war, und Heigl kurz zuvor bei einem rencontre mit dem Gerichtsdiensersgehilfen Stangl solche Gesichtsverletzungen erhalten hatte. Die Weibsperson glich der am 29. Juli d Jrs. eingelieferten Anna Maria Gruber."
Zusätzlicher Hinweis in den Akten : "Beruht auf seiner Habhaftwerdung beziehungsweise Vernehmung. Anna Maria Gruber befand sich also nun - zeitweise - in Polizeigewahrsam

"Diebstahl mit Einbruch - an sich Verbrechen - dem Betrage nach Vergehen 14 fl 34 xr zum Schaden der Bauerswittwe Walburga Weiß von Arndorf verübt am 15. Juli".
Überführt wurde MH in diesem Falle dadurch, dass die Mutter seiner Geliebten mit den entwendeten "Gegenständen" gesehen wurde.

Den nächsten "Bruch" musste er beim Kötztinger Hutmacher Josef Gulder verübt haben - Wert 33 Gulden. Überführt hatte ihn dabei die Tatsache, dass bei der Verhaftung seiner Geliebten, Anna Maria Gruber, sich bei Ihr Gegenstände fanden, die aus dem Einbruch stammten. 


5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01
Das Haus des Hutmachers Josef Gulder - heutzutage mitten im Markt Kötzting am Spitalplatz gelegen - war damals ein richtiger Außenposten der Kötztinger Bebauung. Weiter draußen kam damals nur noch die freistehende Wiesmühle.

Der nächste Diebstahl fand in Vordereschlsaign statt, eine gewaltsamer Einbruch beim Bauern Josef Aschenbrenner. Auch hier gelang die Überführung durch Funde, die sich bei der Gefangennahme der Anna Maria Gruber ergaben und diese dabei nicht belegen konnte, dass sie diese Gegenstände legal hatte erwerben können.

Weiter geht´s in Grub, beim Gärtner Paul Dimpfl wird eingebrochen und auch von diesem Raubzug finden sich Gegenstände bei Anna Maria Gruber, die allerdings hier angab, sie hätte diese vom Michael Heigl geschenkt bekommen.

 Der letzte Tatort des Jahres 1744 befindet sich in Hohenwarth und der Geschädigte ist der Austragsmüller Dionys Höherl. Diesen Diebstahl hatte Heigl wohl zusammen mit mindestens einem Komplizen durchgeführt, denn einer seiner Mittäter - Simon Kreuzer mit Namen - hatte nach seiner Entlassung aus dem Arbeitshaus zugegeben, bei dem "Bruch" dabei gewesen zu sein und "seine genauen Lokalkenntnisse und Personalwissenschaft lassen an der Wahrheit seiner Behauptungen nicht zweifeln".

All diese bisherigen - detaillierten - Einzelbeschreibungen - kurz zur Erinnerung - sind Teil der Vorbereitung der Staatsanwaltschaft auf den Strafprozess - enthalten jeweils am Ende den Hinweis:  "Beruht auf der Vernehmung des Heigl"

Gleichzeitig gibt es natürlich auch noch die Protokolle der Gendarmeriestation, wo sich Anzeigen und Arbeitsnachweise vermischten.

31.1.1844 wurde der Bauer Josef Milbauer von Oberhudlach wegen nächtlicher Unterschlupfgebung des flüchtigen Michael Heigl durch Brigadier Hertwich angezeigt.

8.3.1844 wurde der Bauer Josef Karl von Kolmberg wegen nächtlicher Unterschlupfgebung des flüchtigen Heigl durch Brigadier Bichler angezeigt.

10.4.1844 wurde dem flüchtigen Heigl bei einer Verfolgung im Walde ein Mantel und sonstige Effekten durch Gendarm Bichler abgejagt und mittels Anzeige eingeliefert.

16.5.1844 wurde Michael Heigl wegen Uhr- und Schuhmacherwerkzeug Diebstahlverdachts zu 18 fl. Werts durch Brigadier Hartwich angezeigt

23.6.1844            wurde der Söldner Josef Geiger von Gotzendorf wegen Diebshehlerei und Unterschlupfgebung des flüchtigen Heigl mit Effekten durch Brigadier Hertwich arretiert.

Im Jahre 1844 bereits versuchte die Polizeibehörde - allerdings vergeblich - das Umfeld Heigls auszutrocknen, hatte aber noch keine Vorstellung davon, wie groß und umfangreich das Unterstützerfeld Heigls damals bereits (oder grundsätzlich) war.

In der Auflistung der Staatsanwaltschaft ist auffallend, dass vom Sommer 1845 bis zum Herbst 1846 keinerlei - nachgewiesene - Straftaten Michael Heigls aufgeführt sind.
Ähnlich gelagert ist es bei den Polizeiakten, auch dort gibt es eine "Fund"leere vom Sommer 1844 bis Herbst 1845. 

17.11.1845          Gendarmerieanzeige:  Verhaftung des Josef Dobmeier von Watzlhof der Verbindung mit Heigl verdächtig und wegen Müßiggangs angezeigt. War mit Heigl im Wirtshaus zu Thenning zusammen mit Josef Schuderer von Thenning.  beide wurden verhaftet:  Strafe Dobmeier  18 Tage im Gefängnis und 15 Rutenstreiche Schuderer 10 Rutenstreiche im Berufungswege erlassen aber sofort für 4 Monate ins Arbeitshaus

Dies passt nun zeitlich genau mit dem Amtsantritt des neuen Landrichters Carl von Paur zusammen, dessen Amtsantritt der Oktober 1845 gewesen war und offensichtlich schnell daran gehen wollte, den Problemfall Heigl sich vom Hals zu schaffen.

Carl von Paur, der neue Kötztinger Amtsrichter

Jede Person, der ein Kontakt oder Unterstützung des MH nachgewiesen werden konnte, wurde nun zum Ziel der Verfolgung.

13.12.1845          Michael Fechter ledig aus Gotzendorf des Umgangs mit Heigl dringend verdächtigt Strafe: muss sich innerhalb von 8 Tage um eine Bauernsarbeit annehmen bei Vermeidung körperlicher Züchtigung.
Einschub
Diese von Seiten des Landgerichts kategorische  - um eine körperliche Bestrafung zu vermeiden - Aufforderung, sich eine Arbeitsstelle zu suchen, steht im krassen Gegensatz zu der Lageanalyse desselben Landgerichts, dass es für die viel zu vielen heranwachsenden jungen Menschen im "Waldrevier" keinerlei Arbeitsmöglichkeiten gab und ausserhalb der Heimat auch nur in den Sommermonaten.
Einschub Ende

15.11.1845          Gendarmerieanzeige:  Heigl war am 12.11.im Wirtshaus zu Thenning , trank, aß und ließ sich aufspielen  durch die Musiker Wolfgang und Franz Brandl von Ansdorf. Strafe: Wirt Geiger 5 fl.  und in die Kosten des Beschlusses verurteilt, den beiden Musikern wurden die Patente entzogen und 3 Tage in Arrest. Dieses "Schurkenstück" Heigls in aller Öffentlichkeit war vermutlich der Grund, dass der neue Landrichter eine große Suchaktion gestartet hatte.

12.12.1845          "Johann Liebl, Inwohnerssohn von Hundzell, Gemeinde Ansdorf, angeschuldigt mit Heigl vom Wirtshause zu Thenning auf das Wirtshaus zu Schönbuchen in Gesellschaft von Musikanten gezogen zu sein.>>>> 8 tägiger Polizeiarrest und ein ganzes Jahr unter Polizeiaufsicht gestellt.

17.12.1845          Suche unter Leitung von Carl von Paur :  "unter größtem Eifer" von 2-8 Uhr früh mit Gendarmerie, Forstpersonal und Gerichtsdiener, Suche nach den Schlupfwinkeln in den Gemeinden: Gotzendorf, Arndorf, Grafenwiesen und Ansdorf. Erfolg: erfolglos

20.12.1845          Josef Schreil  Häuslerssohn von Reitenstein der Teilnahme und Verbindung mit Heigl verdächtig, wurde vernommen und anschließend unter strenge Polizeiaufsicht gestellt.

Seine Freundin Anna Maria Gruber kommt wieder frei:

Die im Sommer 1844 verhaftete Anna Maria Gruber wurde danach verurteilt und ins Arbeitshaus gesteckt, wovon sie erst im Dezember 1845 wieder nach Hause zurückkehren durfte, dabei war es aber nicht geblieben: Lapidar heißt es in der Zusammenstellung der Gendarmerie:

Dezember 1845          "Die aus dem Arbeitshause zurückgekehrte Geliebte Anna Maria Gruber ledig von Reitenstein,  Gemeinde Arndorf, zog neuerlich die Aufmerksamkeit des Gerichts auf sich. Da sie in einem ständigen Dienst nicht treten konnte, wurde durch Beschluss vom 20.Dezember 1845 ihre neuerliche Einschaffung ins Zwangsarbeitshaus beschlossen und sie sofort dahin abgeliefert. Dieser Beschluss aber durch hohe Regierungsentschließung vom 14/19 Jänner 1846 außer Wirksamkeit gesetzt."

21.3.1846            "Anzeige der Anna Maria Gruber bei Amt, dass sie von Heigl, mit dem weiterzugehen sie sich geweigert, arg misshandelt worden und er im Berghäusl bei Arndorf sich aufhalte

8.10.1846            Anzeige durch Brigadier Haas, dass Heigl in Gesellschaft des Anton Pritzl, Dienstknecht beim Bauern Vogl in Gotzendorf gesehen worden sei.

9.10.1846            die beiden Dienstknechte Anton Pritzl und Michael Bilmayer von Gotzendorf wegen gefährlicher Verbindung mit dem flüchtigen Heigl durch Brigadier Haas angezeigt.

18.10.1846          wurde dem flüchtigen Heigl in einer Waldung durch die beiden Gendarmen Baumann und Süß durch Verfolgung eine Pistole und Effekten abgejagt und mittels Anzeige eingeliefert.

19.10.1846          wurde Michael Heigl wegen ausgestoßener gefährlicher Drohungen über die Gendarmerie durch Brigadier Haas angezeigt.

20.10.1846          wurde der "Wirt Josef Mühlbauer von Liebenstein wegen unangezeigter Aufenthaltsgestattung und verdächtigem Unterschlupfgeben der flüchtigen Michael Heigl und Pongratz durch Gendarm Baumann angezeigt".

22.10.1846          Anzeige der Gendarmeriebrigade Kötzting: Heigl und sein Komplize Josef Pongratz vulgo Maulaffenhiesl wurden durch Gendarmen Baumann im Wirtshaus zu Liebenstein angetroffen, konnten sich aber widersetzen und wegen der Hilfe der Wirtsleute entkommen.>>>> der Wirt Mühlbauer musste nach eingehender Untersuchung 3 Gulden Strafe zahlen.

25.10.1846          wurde Michael Heigl wegen mutwilligen scharfen Schüssen nach dem Häuslerssohn Michael Asam von Reitenberg durch Brigadier Haas angezeigt.

Bereits zwei Wochen vorher war Heigl bei einer Verfolgungsjagd eine Pistole "abgejagt" worden, kurz danach hatte er vor Zeugen Drohungen gegen den Brigadier Haas ausgestoßen und nun hatte er -aus Rache gegen diesen einen und gleichzeitig als Warnung an alle andere - sogar auf einen Menschen geschossen. Damit hatte er aber endgültig die Grenze zwischen einem kleinen Ganoven mit Gelegenheitsdiebstählen und einem Verbrecher überschritten.
Jetzt beginnt auch die Phase, ab der man von einer "Räuber Heigl Bande" sprechen konnte, denn ab nun ist er bei den vielen seiner "Aktionen" im Verein mit wechselnden Spießgesellen. Hier ist erstmals sein Komplize Josef Pongratz aus Kager, vulgo Maulaffenhiesl, aufgeführt, der allerdings schon im Jahre drauf aufgegriffen und auch separat abgeurteilt wurde.

Dass sich die Aufgriffe von jungen Männern - wegen Unterstützung des MH - im Landgericht Kötzting gerade immer im Herbst häuften, hatte sicherlich auch eine Ursache darin, dass diese, wie Carl von Paur in seinem unten folgenden Bericht beschrieb, im Sommer sich im Gäuboden verdingten, dann aber, nach der Erntezeit, mittellos und ohne jegliche Aussicht auf eine Verdienstmöglichkeit sich wieder in der Heimat einfanden.

 

Vermessungsamt Cham Liquidationsprotokoll
Schaut man sich diese Detailaufnahme genauer an, so finden sich eigentlich auf der ganzen Karte Wald und wieder Wald. Inmitten des Waldgebietes, das fast die komplette Karte ausfüllt, finden sich ein paar kleine Inseln von Besiedelung.
Aus dem Laumer/Pritzlhaus stammte seine spätere Freundin Therese Pritzl, ihr Vater war schon vorher einer von Heigls Hehlern und Unterschlupfgeber gewesen. In Waid, beim Schillinger wohnte zeitweise seine erste Geliebte Anna Maria Gruber, mit der er sich übrigens später offensichtlich wieder weitgehend versöhnt haben musste, da sie im großen Heiglprozess auch eine der Angeklagten gewesen war. 
Dann gab es da noch sein Lieblingslokal in Schönbuchen und dazwischen jede Menge an Wegen, Schleichwegen, Gebüsch, Wald und damit gute Versteckmöglichkeiten.

Am 12.11.1846 schrieb Carl von Paur an das Gendarmeriekommando von Niederbayern und bat um Verstärkung seiner Gendarmeriemannschaft.
Zuerst bedankt sich v.Paur beim Kommando, dass diese Behörde ihm bereits bei seiner Ankunft eine so gut ausgebildete Gendarmeriemannschaft zur Verfügung gestellt hatte, jedoch "vermag die Brigade ungeachtet der rastlosesten Anstrengung kaum die Masse des liederlichen und diebischen Gesindels im Zaume zu halten. Daher der Antrag einer Station mit 3 Mann im Markte Neukirchen."
Weiter führt er aus: 
"…dass das Gerichtsbezirk mit sehr hohen Bergen und vielen großen zusammenhängenden
Waldungen
durchzogen für den Kontrolldienst insbesondere im Winter bei der sehr tiefen Schneelage einer der beschwerlichsten Bezirke im Kreise ist. Dieses so ungünstige Terrain Verhältnis erschwert den Sicherheitsdienst wesentlich und ,macht es dem arbeitsscheuen und diebischen Gesindel möglich sich der Aufsicht zu entziehen, und so allein nur ist es erklärbar, dass sich Diebe und Verbrecher als namentlich Michael Heigl von Beckendorf und Josef Pongratz, vulgo Maulaffenhiesl, von Kager, 5 Jahre lang größtenteils im Freien halten und dem Aufgriffe sich entziehen konnten. Derlei Gesindel bewohnt Höhlen und Schluchten auf den Waldbergen, die nicht leicht auf findig und schwer zugänglich sind.

Es wurden im heurigen Sommer und erst jüngst wieder solche Schlupfwinkel auf dem Hohenbogen
 von der k. Gendarmerie entdeckt und zerstört. Ferner ist ein großer Teil der jüngeren Bevölkerung namentlich die Söhne der Inwohner den Winter über beschäftigungslos, da die Bauern dieser Gegend, nur sehr wenige ausgenommen, keine Dienstboten halten und ihre ökonomischen Arbeiten größten
Teils durch die Inleute verrichten lassen. Die Söhne dieser Inleute fuhren den Sommer über im Flachlande Verdienst als Ökonomietaglöhner, oder sie arbeiten bei Eisenbahn und Festungsbauten und kehren im Spätherbst in die Heimat zurück, in der Regel ohne Ersparnis, und leben zudem von unsicherem Erwerbe.
Die vielen Inwohner sind ein wesentliches Hindernis der Sicherheit, da sie die Diebereyen durch Diebshehlerei oder Verschleppung gestohlener Effekten begünstigen.
Weiters ist zu berücksichtigen, dass das Landgericht einer größten Ausdehnung nach an die böhmische Grenze anliegt, an welcher der sehr demoralisierende Schmuggelhandel bei Tag und Nacht betrieben wird, der viele Einwohner, namentlich rüstige Burschen, vom ehrlichen Verdienste ab und zu einer vagierenden Lebensweise hinzieht.
Den unter Polizeiaufsicht gestellten Personen angemessene Beschäftigung zu geben ist teils wegen Mangel an Arbeitsgelegenheit teils wegen Scheu der Gefahr bei Aufnahme solcher Personen in ein ordentliches Haus gar nicht möglich, sie sind daher mehr oder minder auf unsicheren und unredlichen Erwerb angewiesen.
"

Nun wurde, noch im Herbst 1846, angeordnet, dass bei der Reparatur der Distriktstraße von Kötzting nach Lam, welche die von Heigl gefährdeten Bereiche durchschneidet, die Auslichtung des an die Straße stoßenden Waldes auf die verordnungsmäßige Distanz von 15 Schritten zu geschehen habe.



Am Ende noch der link auf die bisher veröffentlichten Teile zum Thema Räuber Heigl

Mittwoch, 2. November 2022

Ein Unterhaltungsabend für die Kötztinger „Senioren“ in der Jahnhalle

Viele der Filmnegative - eigentlich die meisten -, die wir nach dem Toden von Frau Serwuschok erhalten haben, haben einen kleinen Zettel angepinnt, auf dem die Zeitungsausgabe vermerkt war, für die die Bildern gemacht bzw. ausgesucht wurden. Es gab jedoch einen "wilden" Haufen von einzelnen Negativstreifen, bei denen uns das Datum fehlt und deshalb sind wir auf Mithilfe angewiesen, um die Bilder auch zeitlich zuordnen zu können.

Die hier folgende Bilderserie haben wir undatiert in unsere Sammlung aufnehmen können und wird von uns auf das Ende der 60er Jahre geschätzt.
Die allermeisten der dargestellten Personen - sowohl die bewirteten und unterhaltenen Gäste, als auch die Helfer und Musikanten - leben schon lange nicht mehr unter uns.
Im Prolog der "Pfingstrittehr" von Eugen Hubrich" ist von vergangenen Gestalten die Rede und eben - aus heutiger Sicht -  solche Mitbürger aus vergangenen Zeiten feierten in der Jahnhalle vor mehr als 50 Jahren einen vergnügten Abend mit der damaligen "Familienkapelle" Traurig. (Man beachte Hans Traurig an der Gitarre).

Passend zum heutigen Allerseelentag - als Erinnerung an unsere verstorbenen Mitbürger- diese Bilderserie eines "Seniorenabends" in der Turnhalle. 


Wie immer sind wir dankbar auf Hinweise auf die abgebildeten Personen

Die Kapelle Traurig. v.l. Michl Traurig sen, Wack und Hans Traurig vor Boxen, die einer Rockkapelle 
gut angestanden wäre.
Bgm Josef Dullinger



Dien ältere Dame könnte Frau Post, Frau Katharina Schmidt gewesen sein.

Frau Dittrich mit einem Mädchenchor

Der Saal war gut gefüllt

Im rechten Hintergrund: Josef Dullinger - Hans Auzinger - Betz Erich 



Ohne die fleißigen Helferinnen wäre der Abend sicherlich nicht möglich gewesen.
V.l. Liesbeth Auzinger, X, Therese Costa, Zenta Traurig, Lisbeth- Elis -  Pongratz, 
Sitzend Josefa Dullinger

Donnerstag, 27. Oktober 2022

Kötztinger Häuserchronik - beim Wensauer

  Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen.

Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.
Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden. 




Alte Hausnummer 49
Beim Wensauer

Stadtarchiv Kötzting Sammlung Schwarz DIAs: Das Wensauer Haus

Detail aus der Uraufnahme von 1831 von Bayernatlas.de

Bei diesem Haus ist die Besitzerfolge erst mit dem Einsetzen der Briefprotokolle möglich, da es mit Ausnahme einer möglichen Besitzernennung eines Webers  "Wolf Pachmayr" aus dem Jahre 1651 zunächst keine weiteren Hinweise gibt.


Pachmayr Wolf und Barbara


Wenig ist von ihm bekannt. Beim Hausverkauf des benachbarten Hauses der Katharina Diener heißt es, dass dieses (alte Hausnummer 54) zwischen denen des Sattlers Georg Dorsch (alte Hausnummer 53) und des Webers Wolf Pachmayr liege. 
Im Jahre 1657 ist die Geburt einer Tochter Ursula beurkundet, wobei sich gleichzeitig - er oder ein Namens- und Berufsvetter - ein Bürger und Leineweber Wolf Pachmayr ab dem Jahre 1655 auf einem  Marktlehen (alte Hausnummer 37) nachweisen lässt.
Hier bricht also zunächst die Liste der belegbaren Hausbesitzer ab und beginnt erst wieder mit einem Eintrag in den Spitalrechnungen von Hans Georg Müller und seiner Frau aus dem Jahre 1695, in dem auf den Vorbesitzer (oder aber auch Vertragsvorgänger )
Georg Raab verwiesen wird. 
In der Schuldverschreibung wird kein Objekt beliehen,  (Hans) Georg Müller tritt belegbar nur als Nachfolger in denselben Vertrag ein. 

  
 

 

Hans Georg Müller und Maria



Wie bei manchen anderen Häusern kommt es im Zeitraum vor dem Beginn des 18. Jahrhunderts - wenn die überlieferten Briefprotokolle einsetzen - zu Schwierigkeiten, die Besitzerfolge zu belegen.
Hier hilft nur weiter, danach wieder den ersten belegten Besitzübergang zu finden und von diesem aus rückwärtssuchend zu versuchen, diese Lücke zu schließen.

Es ist bekannt, dass im Jahre 1725 Maria Müller/Miller, die Witwe des Hans Georg Miller, das hier zu dokumentierende "Bürgershäusl ufm Pichel zunegst des Andern Koppen Häusl stosset,  mit lebenslanger Herberge" an ihren Sohn Joseph übergibt, welcher mit einer Elisabeth verheiratet war.
In den Spitalrechnungen von 1726 wird eine Schuldverschreibung über 30 fl protokolliert, die bereits der Vater Georg Miller aufliegend gehabt hatte. Diese nun  -1726  - umgeschriebene Grundschuld nimmt Bezug auf eine Schuldverschreibung, die vom Vorjahr - 1725 - bis zurück ins Jahr 1692 textgleich Jahr für Jahr übertragen wurde. Nun mit der Beweisführung des Jahres 1726 kann auch die zuvor eher unsichere Grundschuld ebenfalls diesem Haus zugeordnet werden.
Dies ist nun der Originaleintrag aus dem Jahre 1695
Spitalrechnung 1695: Dies ist eine Schuldverschreibung, bei der eine Schuldsumme - hier 30 fl - nicht über eine Gebäude, sondern durch zwei Bürgen dem Geldgeber sichergestellt wird.
Ursprünglich hatte ein Georg Raab diese Summe ausgeliehen und Georg Müller ist in diesen Vertrag eingestiegen. Die beiden Bürgen waren Michael Hofmann und Hans Müller.


Hier dann als Beleg der Folgevertrag aus dem Jahre 1726, nun mit dem Haus als Sicherstellung.

Spitalrechnung von 1726: "Joseph Müller - verbürgerter Fluderknecht alda und Elisabetha dessen Eheweib haben ienige 30 fl Capital, so anvor Vermög der 1726ten Rechnung fol 10 deren leiblicher respective Schwigervatter Georg Müller seel. schuldig gewesen, zu bezallen ybernommen, wesstwegen Sye dan Ihr iezig und konfftiges Vermögen, auch inhabentes Bürgersheusl zwischen dem Koppen und Rieder entlegen neben Verzicht der weiblichen Freyheiten vermög....."

Es gibt viele Funde für Kötztinger Vorfahren mit dem "Allerweltsnamen" Hans Müller/Miller. 
Mit dem Wissen, dass es auch noch andere Familien mit diesem Namen zu dieser Zeit in Kötzting gab, verbietet es die Sorgfalt, solche Funde hier anzuführen. 
Es gibt einen Geburtseintrag für einen Johann Joseph Miller - 6.5.1699 - dessen Vater Georg Miller als incola, also als Inwohner - bezeichnet wurde. Dies würde auch erklären, weshalb Georg Müller zunächst zwei Bürgen aufzubringen hatte.  
Wir wissen also, dass Josef Müller und seine Frau Elisabeth ihr Haus im Jahre 1725 von der Mutter/Schwiegermutter um 100 Gulden haben kaufen können.
StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokoll 1725

Kopf der Verkaufsurkunde, bei der Maria, "weilland Hans Georgen Müller gewester burgers alhier seel: nachgelassene Witwe," als Verkäuferin auftritt; hier also heißt der Vater Hans Georg. Ihr Beistand bei diesem Vertrag - Frauen waren zu dieser Zeit per definitionem nicht geschäftsfähig - war der (Hans) Michael Hofmann, der auch als Bürge bei der Schuldverschreibung aufgeführt war. 


Josef Müller und Elisabeth Mayr



Am 4.2.1721 hatte Joseph Müller die Kötztinger Zimmermannstochter Elisabeth Mayr geheiratet und wenige Tage fanden sich die beiden vor dem Kötztinger Magistrat wieder, wo sie sich einem Prozess wegen Leichtfertigkeit stellen mussten.

"Einnamb an Gelt
Straffen von denen redo Leichtfertigkheiten
Schwängerung nata (vor der) Copulation  
Joseph Müller, lediger burgers Sohn alhir zu Közting, hat Elisbaetha Mayrin auch ledige Bürgerstochter alda, in der redo Leichtfertigkheit aines Khündts geschwangert. Dahero man beede weillens zusamben heurathen, und sich, mitls keuflicher Einthuung aines Heusl alhir ansessig machen, denen generalien gemess, neben der hinach fol 19 zu Einkhomben gefenckhnus, armueths halber punctirt per 2 Pfund Pfennige thuet 2 fl 17 xr 1 H:
"

PfA Kötzting Matrikel Band 14 Seite 3
Heiratseintrag des Josephus Müllner, Sohn des Georg und der Maria, mit der Elisabeth Mayr, Tochter des Bürgers und Zimmermanns Georg und seiner Frau Walburga.

 
Anders als bei den vorigen Besitzern kann man von Josef Müller einiges in den Akten finden.
Im Jahre 1727 begann das Kloster Rott mit einer tabellarischen Auflistung der Kirchentrachtzahlungen, in der es die Reihenfolge der Anwesen ziemlich gut abbildete.
Nach Andreas Kopp folgte - wie in der Wirklichkeit - Josef Müller mit seiner geringen Abgabe als Häusler.
HStA München Landshuter Abgabe KL Rott B 4 1727-1736
Als er im Jahre 1731 beim "nächtlichen Spielen" erwischt wurde, musste er erneut mit der Arrestzelle Bekanntschaft machen.
StA Kötzting von 1731


"Josef Müller Fluderknecht, und Albrecht Fuhrman Weisspöckh beede Burger der orthen, seint weegen Unzuelessig spatt nächtlichen Spillens in tutu pauportatis nebst ernstl: Verweis in obigen Arrest condemniert worden.  1/2 Tag lang"
StA Landshut Pfleggerichtsrechnung 1732
"Joseph Müller burgerlicher Fluderknecht alhir, hat Wilhelmb Fünckhen auch burgerlicher Fluderknecht derorthen ein S:V: Schelmben verschmächt, Derohalben man selben negst Ex Officio Ufhebung der iniuri in Ansehung seiner Armueth gepisst per 2 Schilling Pfennige seint 17 xr 1 H:"
In den schweren Zeiten des Österreichischen Erbfolgekriegs kommt Josef Müller mit seinen Kreditzinsen in Rückstand. Im Jahre 1745 wird im Magistrat protokolliert, dass er bereits die letzten drei Jahreszinsen nicht bezahlt hatte.
Nach dem "Rechnungsabschluss" all der Lasten des Österreichischen Erbfolgekrieges wurde eine Repartionsliste  aufgestellt und die Restsummen zwangsweise auf die Kötztinger Bürger umgelegt, die je nach Status (Marktlehner - Söldner - Häusler)  und Einkommen eingruppiert wurden.

StA Kötzting AA IV 1

"Joseph Mühler derley Heusler  2 fl 20 xr
Ander Kopp in gleichen             2 fl"


Durch einen Eintrag in den Kötztinger Marktrechnungen erfahren wir eine Kleinigkeit darüber, wie damals "Pflegemaßnahmen" an den Straßen ausgesehen haben.

"Josef Müllers Sohn et 3 cons. umb selbe in dem Kroith Grasset gestimblet und in den Strassen eingelegt, warmit sie bey .5. Täg verbraucht, iedem 12 xr in allem aber beweis Scheins gelöhnet 4 fl."
Das Flurstück mit dem Namen "Kroith" ist der Wald, der sich westlich des heutigen Schinderbuckels anschließt. Dort wurden also Fichten/Tannenäste abgeschnitten und wohl als "Traktionshilfe" in matschige Straßenteile eingelegt.

Lange, überaus lange blieb das Haus in Besitz des Josef Müller, bis dieser am 29.1.1771 verstarb und der Kötztinger Magistrat versuchte, das überschuldete Häuschen zu versteigern.
Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass das kleine Haus mittlerweile auch wegen Baufälligkeit unverkäuflich geworden war, und so stimmten Kammerer und Räte einem Verkauf zu einem stark reduzierten Preis an den bürgerlichen Inwohner und Sohn des Vorbesitzers zu, ebenfalls ein Josef Müller. Dieser war allerdings auch der einzige Bieter bei der Zwangsversteigerung. 
Einen Kaufpreis von 72 Gulden und die Übernahme der 30 Gulden  beim Spital musste der Sohn schultern. 

Josef Müller und Hamann Katharina


Im Briefprotokoll sind die Kaufbedingungen sogar genauer aufgedröselt. Für 71 Gulden für das Haus und 1 Gulden Leikauf hatte Josef Müller den Zuschlag erhalten. Die fehlenden Schuldzinsen beim Spital seit dem Jahre 1764 hatten sich auf fast 11 Gulden aufsummiert, die Kosten für die Inventur betrugen ebenfalls fast genau denselben Betrag.
Viele Beträge aus der Beerdigung des Vaters standen noch offen, so 30 Kreuzer für den Pater Prior, 36 xr für den Mesner, 17 xr für den Schulmeister, 30 xr für das Totenweib, 20 xr für die Leichenträger, 30 xr für den Totengräber und 6 xr für den "Fähnltrager". Der Schreiner erhielt für den Sarg und das "Truhenkreuz" 1 fl. 10 xr; insgesamt standen noch fast 4 Gulden offen.
Der verbliebene Rest der Kaufsumme wurde auf die verbliebenen Schuldner aufgeteilt.
Wenige Jahre später wird das "Straubinger Landl" und mit ihm das Landgericht Kötzting für eine kurze Zeit von Österreich annektiert und das, sich nun  K. und K. - also Kaiserlich und Königlich nennende- , Rentamt Straubing forderte zwecks einer gründlichen Bücherrevision die Kötztinger Marktrechnungen der Jahre 1763 bis 1775, die Ratsprotokolle von 1767 bis 1775 und die Briefprotokolle von 1773 bis 1775 an.  Dem Kötztinger Bürger Josef Müller wurden für diesen Transport nach Straubing 1 Gulden 30 Kreuzer bezahlt, ein schwer verdientes Geld.
Der Ton der Bücheranforderung war kurz und knapp: "Von einem K + K hochloblichen Rentamt Straubing ist vermög anliegender Patents Abschrift von 13. Februar ao dieses hochgnädig anbevolchen worden, daß sambtliche vorhanden unjustificierte Rechnungen samt denen verantwortteen Bedenkhens puncti in Zeit 14 Tägen bey Vermeidung dises eigens abschickenden Rentamtspothen eingeschickt werden solle
Es war dies auch die große Zeit des Kötztinger Kammerers Wolfgang Samuel Luckners, dessen sehr "freie" Rechnungsführung - vor allem im Zusammenhang mit dem Streit um die Hofmark Reitenstein - ihn bereits in der Vergangenheit in Konflikt mit der Revisionsabteilung der Regierung gebracht hatte, die ihm regelmäßig einige bis viele Posten aus der Rechnung strichen, die er dann aus der eigenen Tasche zu bezahlen hatte.
HStA München Landshuter Abgabe KL Rott B 5 1777-1800
Erneut ist es ein Kirchentrachtregister des Klosters Rott, das uns hier einen Nachweis bringt.
Wir wissen, dass 1793 der nächste Übergang erfolgt ist, aus diesem Grunde finden wir auch den Vornamen Josef durchgestrichen und durch Johann Müller ersetzt.


Johann Müller und Elisabeth Gonnetz


Auch durch eine Schuldverschreibung über 150 Gulden vom 30.7.1805 bekommen wir eine Bestätigung, dass der nächste Hausbesitzer Johann Müller heißt.
Im Häuser- und Rustikalsteuerkataster von 1811 finden wir unseren Johann Müller.
Am 8. Februar 1793 hatte Johann Miller(!), Sohn des Josef Miller und der Hamann Katharina, Elisabeth Gonnetz, eine Inwohnertochter von Johann und Walburga Gonnetz, geheiratet.
7 Kinder bekamen die beiden, für uns ist die zuletzt geborene Tochter Maria Anna - geboren am 4.2.1812- wichtig, denn über ihre Person verläuft der nächste Besitzwechsel.

Staatsarchiv Landshut Rentamt Kötzting B300

Markt Kötzting Nr: XLVII (=47, noch sind die Veitskirche und das Amtshaus nicht mitgezähl, deshalb hinkt die Hausnummernvergabe noch um zwei Zähler zurück)
Johann Müller
Das gemauerte Haus mit einem kleinen Stall
Dessen Stadel
Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeindegründen
Gemeindeantheil am Galgenberg ao 1803 zu Acker und Wiese cultiviert
Von dem vertheilten Strohhof bei Grub: 1 Ackerl
Es ist sehr wenig, was sich von Johann Müller in den Archiven erhalten hat. Im Jahre 1822 wird ein Mann dieses Namens vom Magistrat als Wegmacher eingestellt, jedoch ist der Name "Johann Müller" in Kötzting damals kein Alleinstellungsmerkmal gewesen.
Mit dem "Mieterkatastser" des Jahres 1842 kennen wir eine genauere Beschreibung des Hauses und seiner Bewohner.
StA Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5045 8-23-9 Mieterkataster von 1842

1. Johann Müller, Häusler /Hauseigenthümer/
unter der Erde 1 Keller
erster Stock (=Erdgeschoss) Wohnzimmer und 1 Kammer und Bodenantheil unterm Dach
Hz. x
(= beglaubigtes Handzeichen, er konnte also nicht schreiben) des Johann Müller
2. Michael Sagmeister Schneider /Miether/
zweiter Stock
(=heutzutage 1. Stock) 1 Wohnzimmer und 1 Kammer 
Bodenantheil unterm Dach
Unterschrift Michl Sagmeister

3. Johann Müller , Eigenthümer
Nebengebäude 1 Stallung
Nebengebäude: 1 Scheune mit Dreschtenne
"


1843 bei der Anlage des Grundsteuerkataster findet sich (ein) Johann Müller immer noch als Besitzer, es könnte sich jedoch bereits um den Sohn  handeln.
Staatsarchiv Landshut Grundsteuerkataster Nr. 5038 Hausnummer 49


Laut Brief vom 17.1.1793 vom Vater Joseph Müller mit Lit. B um 150 fl übernommen
Laut Brief vom 12.8.1845 von den Johann Müllerschen Relikten um 800 fl übernommen einschließlich Lit B und C.

Wer nun diese "Müllerschen-Relikten", also die Erben des Johann Müller gewesen sind, kann mangels eines Hochzeitseintrags des Elternehepaars nur nachträglich erforscht werden, über den nächsten Besitzer, denn bei 
der nächsten Besitzübergabe helfen uns nun endlich auch wieder die Akten und möglicherweise kann von diesen aus - rückwärts suchend - auch das eine oder andere Rätsel der "Müller-Familie" gelöst werden.

Wensauer Johann Baptist und Müller Anna Maria.


Im Jahre 1845 stellt der Johann Wensauer beim Magistrat einen Antrag: "Gesuch um Verleihung einer Gürtlerkonzession". Wensauer bringt alle Papiere und es kommt zu einem  Anschlag bei der Gemeinde für 4 Wochen. Der Gold- und Silberarbeiter Leszkeur - der Nachbar auf der Hausnummer 47 - protestiert. In Lambach, Neukirchen und Lohberg sind bereits Gürtler, weswegen der Antrag auch abgelehnt wurde, weil er damit in Kötzting kein Auskommen haben würde. Wensauer legt von den umliegenden Pfarrämtern Schreiben vor, dass sehr wohl Bedarf für gute Silberarbeiten bestünde und dass diese es sehr wohl befürworten würden, wenn ein Gürtler in die Nähe käme. Lezskeur protestiert weiter. Wensauers Eingabe an die Regierung hat aber Erfolg. Er bekommt die Genehmigung.
Anschließend kommt es dann zu seiner Heirat mit  Müller Anna Maria, nachdem der Gürtlergeselle Johann Wensauer aus Voggendorf am 11.8.1845 vom Magistrat die Heiratserlaubnis erhalten hatte. Seine Braut erhielt einen Beistand vom Schuhmachermeister Franz Schödlbauer gleich aus der Nachbarschaft.

Einschub
Was ist das für ein Beruf, ein "Gürtler" und woher kommt der Name?
Internet sei Dank:
Die Bezeichnung »Gürtler« stammt aus dem Mittelalter, das Handwerk selbst lässt sich bis in die Bronzezeit zurückverfolgen, als metallene Beschläge, Schnallen und Schließen typische Bestandteile der Kleidung waren.
DEWiki weiß hier Genaueres:
Der traditionelle Beruf des Gürtlers (von mittelhochdeutsch gürten „umgürten“[1]) ist auch heute in Deutschland nach der Handwerksordnung (HwO) noch ein anerkannter Ausbildungsberuf.[2] Die heutige Bezeichnung lautet Metallbildner/in – Gürtler- und Metalldrücktechnik. Der Beruf gehört in den Bereich der Bearbeitung von Eisen-, Blech- und Nichteisenmetallwaren und ist eher kunsthandwerklich ausgerichtet. Die Ausbildung dauert drei Jahre.  (https://dewiki.de/Lexikon/G%C3%BCrtler)
https://dewiki.de/Lexikon/G%C3%BCrtler


Aus dem Jahre 1803 kennen wir eine Zusammenstellung von "Kirchengeräten" im LG Kötzting und dort findet sich zum Beispiel aus d3r Kirche Steinbühl folgende Zusammenstellung.
HStA München KB-Kriegsdeputation-A_5
"Monstranz samt Lunula: Gürtlerarbeith ....
Kreuz oder Reliquien=Partikel: Gürtlerarbeit
Kirchenleuchter 8 (Stück)  Gürtlerarbeit
"



Einschub Ende

Diese Hochzeit lässt sich in den Matrikeln finden und daher kennen wir weitere Details:
Johann Wensauer, der Gürtlermeister, ist der Sohn von Joseph und Katharina Wensauer, einer geborenen Fuidl. Anna Maria, seine neue Ehefrau, ist die Tochter von Johann Müller und Elisabeth, einer geborenen Gonnetz.
In den Marktrechnungen des Jahres 1848 findet sich ein Eintrag über die Reparatur des Ordonanzsäbels der Kötztinger Gendarmerie, fast 2 Gulden erhält der Gürtler Wensauer für diese Arbeit.
Im Jahre 1849 ist ein Grundstücksverkauf protokolliert, bei dem auch eine Unterschrift unseres JB Wensauer zu finden ist.

"18. Septb. 1849
Anna Maria Müller verehelichte Wensauer HsNr 49 in Kötzting verkauft an Josef Gulder HsNr. 82 v.d. Lit C K(ataster) S(seite) 276 das Gruberackerl PlNr. 729 per 0,27 dez. zur Änderung um die Summe von 51 fl 20 xr 
Laut Unterschrift 
Joh Baptist Wensauer
Josef Gulder
"
Am 21.7.1868 machte der Nachbar und Goldarbeiter Josef Leszkier eine Eingabe beim Magistrat, "der hiesige Bürger Johann Baptist Wensauer setzt neben seiner Stallung immer noch und noch Abweichsteine, so daß man mit den Wägen und zuletzt mit der Feuerspritze nicht mehr fahren kann."
Unter diesen "Abweichsteinen" kann man wohl sogenannte Radabweiser verstehen, die gerne an den Hauswänden und Hausecken angebracht wurden - und auch heutzutage noch zu finden sind -, um Beschädigungen von den eisenbeschlagenen Wagenrädern zu verhindern. Es seinen bereits Unfälle mit Fuhrwerken vorgekommen.
Unterzeichnet: Josef Leßzkeur
StA Kötzting 140-2 Unterschrift Leßzkeur
Eine "Commission" von Seiten des Magistrats  musste sich die Sache ansehen und fand vor Ort 3 große Steine bei der Wensauerschen Stallung.
Nun wird der Gürtler vorgeladen, der erklärt, dass die Stallung bereits "seit unfürdenklicher Zeit"  neben dem Haus stünde, welches er 1845 durch seine Heirat übernommen hatte und bereits zu diesem Zeitpunkt seien die Steine vorhanden gewesen. Er hätte an diesen keinerlei Veränderungen vorgenommen, außer es sei einmal ein solcher umgefallen gewesen. 
Im Gegenteil, der Goldschmied habe an seiner eigenen Hausfront Abweichsteine angebracht, die angesichts des Straßengefälles hin zum Wensauerhaus ohnehin zwecklos seien. Wegen dieses vorhandenen Gefälles  - hin zu seiner Stallung - könne er auf seine Abweichsteine unmöglich verzichten, weil er sonst andauernd Schäden an seiner Mauer befürchten müsse. 
Im Übrigen gestatte er sich einzuwenden, dass das fragliche Gässchen "zum öffentlichen Verkehre nicht geeigenschaftet(!) ist und auch nie wird, daß schwere Fuhrwerke dieses Gäßchen nie befahren haben und auch künftig nicht befahren können"
StA Kötzting 140-2
Unterschrift Wensauer J.B.

Der Magistrat entscheidet, es solle alles so bleiben, wie es ist, Wensauer würde die Steine dringend benötigen, die Steine des Leßzkier allerdings seien unnötig.
Leßzkier informiert den Magistrat kurz und knapp, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden ist und sich bereits an das Bezirksamt gewandt hatte und auch die königliche Kreisregierung und dort die "Kammer des Inneren" einzuschalten gedenke. Leider endet an dieser Stelle der Akt beim Stadtarchiv. 
DIA-Repro 0141 Auf dem Bild kann man die großen Abweichsteine am Hauseck gut erkennen.

Etwa 10 Jahre später kommt es zu einem kuriosen Streit um Oberflächenwasser.

 
5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_2_1-01
Der Polizeidiener Neumeier protokolliert  im Juni 1874:
"Der Stein welcher den Graben beschloß, der das Gießwasser in die Stierwiese (Grundstück 990) beim Hofbauerkeller leitet, herausgesprengt worden sey und zwar muthmaßlich durch den Gürtler Johann Wensauer.
J.B. Wensauer, nun aufgefordert, seinen Kaufbrief (für das Grundstück Nr. 991) vorzulegen, weigert sich, dem Folge zu leisten. Nun wird er vorgeladen und verweigert erneut eine Einsichtnahme in den Kaufbrief und Katasterauszug.
Die Marktgemeinde Kötzting ist nicht gewillt, auf ihr Recht der Wiesenwässerung nur aufgrund einer Behauptung des JB Wensauer zu verzichten und fordert nun schriftlich einen Beweis von ihm. Zeitgleich geht ein Schreiben an das Rentamt, um von dort eine Auskunft zu erhalten, ob auf den Plannummern 990 und 991 irgendwelche Wässerungsrechte im Grundbuch eingetragen wären.
Eine Woche später kommt das überraschende Ergebnis: Der Besitzer der Plannummer 991 - also Wensauer - hat das geschriebene Recht, mit dem Oberflächenwasser  aus dem Straßengraben seine Fläche zu wässern, die märktische Stierwiese - Plannummer 990 - hat dieses Recht nicht.
Im Jahre 1878 beschwert sich der Stierhalter Georg Rötzer, der die Stierwiese vom Markt gepachtet hatte, erneut über JB Wensauer.
Sein Grundstück "sei nun ganz versandet und vergißt, was daher kommet, daß Wensauer bei starken Gißen diese in die Stierwiese kehrt, während er sonst das Wasser in seine Wiese richtet."
Auch Schlosser Haas richtet das Grabenwasser in seine Wiese und dadurch entbehrt die Stierwiese ieder Bewässerung.
Rötzer möchte nun Gräben ziehen und das Grundstück einebnen, wofür er - mit Auflagen - die Genehmigung vom Magistrat erhält.
Nun legt Wensauer doch sein Schweigen ab; so erfahren wir genauer, wie die Oberflächenwassersituation im Markt Kötzting in diesem Ortsteil gehandhabt wurde.
"Vor Zeiten bestand weder der Kanal bei Haas noch sonstige Kanäle, das gesamte heroben zusammenlaufende Wasser ging in den Graben rechts der Straße - also auf der Barth Seite - [das Anwesen Frauenreuther entstand aus einem Haus, das 1840 Bartholomaeus Barth erbaut hatte]
hinab bis in die Nähe der damals Windorferschen, jetzt mir gehörenden Wiese, dort war ein Straßenkanal angebracht, der das sammetliche Wasser in meine Wiese leitete. Darin besteht auch mein Wasserrecht, nämlich in dem gesammten Straßengrabenwasser. Erst unter Bezirksamtmann v. Paur wurde links ein Graben, dann vom Friedhof herab ein Kanal und beim jetzigen Notarhause ein Kanal angelegt und dieses gesamte Wasser in den neuen linken Graben geleitet.
Schon damals glaubte ich Anstände zu erhalten, was ich auch Bezirksamtmann v. Paur sagte.
"
Die Wasserfrage war nun also zunächst geklärt.
Am 4. Juni desselben Jahres kam es zur nächsten Anzeige, Georg Rötzer gab zu Protokoll, dass die Stierwiese vollkommen durchnässt sei, und zwar derart, "dass der Schlamm 1/2 Schuh tief auf der Wiese liegt und das Heu auf dem übergießten Theil lediglich als Dünger benutzt werden kann.
Dieses kam daher, daß der Wiesangrenzer Wensauer die Gieße in die Stierwiese durch Absperren kehrte. Auch Grummet ist für jenen Wiestheil vernichtet."

Er fordert eine Ortsbesichtigung und behält sich eine Klage vor. Das Augenscheinsprotokoll der Herren Drunkenpolz, Münch und Dreger bestätigt den Befund und beziffert den Ernteschaden  auf 4 Zentner Heu a´ 2 Mark.
Bereits am nächsten Tag erklärte Wensauer aber schriftlich, dass er definitiv weder an dem fraglichen Tag noch jemals vorher das Gießwasser in die Stierwiese abgeleitet habe. Bei dem gewaltigen Regen am 3. Juni sei die "Gieße" sowohl in seine als auch in die Wiese des Rötzer gelaufen. 
Die Genehmigung zur Einebnung und Dammerhöhung, die Rötzer im März erhalten hatte, wollte dieser wohl erst in der kommenden Herbst/Winterzeit durchführen,  
Im märktischen Sitzungprotokoll von 1845 ist vermerkt, dass der Hausbesitzer Wensauer künftig seine Dung- und Versitzgrube zu verschließen habe und er keinen Odel mehr auf die Straße rinnen lassen dürfe.


Bereits am 7.9.1865 verstarb die Gürtlerin Anna Wensauer im Alter von 52 Jahren an Herzbeutelwassersucht und wohl noch vor dem Jahresende 1865 - das erste Kind des neuen Paares wird im Jahre 1866 im Geburtsmatrikel eingetragen werden - kommt es zu einer Wiederverheiratung des Witwers

Johann Wensauer und Anna (Elisabeth) Seebald

Bei ihrer Hochzeit mit Johann Wensauer wird seine Frau nur als Anna Sebald angegeben, Bei ihrem Tode am 2.1.1920 im hohen Alter von 84 1/2 Jahren heißt sie dann aber Elisabeth Wensauer, eine geborene Sebald. Es steht also zu vermuten, dass sie in Wirklichkeit Anna Elisabeth Sebald hieß und Elisabeth später ihr Rufname geworden ist.

KA von 1920



Natürlich nutzte der Gürtler auch die Kötztinger Standmärkte. Aus dem Jahre 1872 findet sich eine genaue Ortsbeschreibung, wo die einzelnen Fieranten ihre Verkaufsstellen zu errichten hatten.


Der Gürtler Johann Wensauer musste sich neben dem Brunnkorb beim Rathaus aufstellen, gleich unterhalb der beiden Viechtacher Anbieter für Goldarbeiten und Regenschirme.
In den 1870er Jahren rückt Johann Wensauer auch in das Gremium der Gemeindebevollmächtigten auf - eine Art von 2. Kammer, die bei allen relevanten Entschlüssen um ihre Meinung/Zustimmung gefragt wurde -  und muss dort auch Farbe bekennen bei den Kontroversen mit dem Kötztinger Pfarrer, als es darum ging, diesen, wegen einer im Zellertal grassierenden Viehseuche, den alljährlichen Pfingstritt nach Schönbuchen umleiten zu lassen. J.B. Wensauer möchte nicht auf die Beteiligung des Priesters verzichten.


Der Pfingstritt geht nach Schönbuchen


Auf die in nebiger Sache [=Abhaltung des Pfingstrittes] vom Magistrat anher mitgetheilten Verhandlungen wird durch Stimmenmehrheit beziehungsweise Stimmeneinhelligkeit ncoh eingehender längerer Berathung folgender Beschluss gefasst:
1. Sey an das katholische Pfarramt dahier unter Darlegung der Verhältnisse nochmals das Ansuchen um Abhaltung des Rittes nach Schönbuchen zu stellen.
2. Im Falle wiederholter Ablehnung wird sich dem Magistratsbeschlusse angeschlossen, wonach der Ritt für heuer unterbleibt, indem den vom Pfarramte gestellten Bedingungen nicht stattgegeben werden kann.

Bei dem Punkte ad 1: war Stimmeneinhelligkeit.
Zum Punkte ad: 2 wurde ein weiterer Antrag gestellt, daß nämlich der Ritt auch ohne Betheiligung der Geistlichkeit abgehalten und die Vertheilung des Kränzchens durch ein Magistrats Mitglied geschehen soll.
Diesem Antrage konnte jedoch die Mehrheit des Collegiums nicht beigestimmt werden, weil: a: ein Ritt ohne Geistlichkeit dem Zwecke entfremdet
b: der Unfug beim Ritte selbst ein größerer, und 
c: dadurch eine Neuerung geschaffen wird, die für die Wiedereinführung des früheren Zu-


standes hinderlich sein könnte. 
Für den Beschluss aus 2 stimmten die Mitglieder Lucas, Decker Paul, Wensauer, Denk, Münch und Amberger, während für den Antrag auf Ritt ohne Geistlichkeit stimmten die Herren Windorfer X., Dreger Andreas, Dreger Michl und Dimpfl Johann. 
Von Seiten des Gemeindevorstandes wird noch constatiert, daß sich mit der Bedingung ad 1 des Pfarramtes auf Wegfall des Dienstages aus Gründen der Sittlichkeit und Ordnung einverstanden erklären müsste, während er die Beziehung eines Kindes als Braut nicht nur für unthünlich, sondern auch für unpassend halte.
Gemeindekollegium Lukas
"

Was war hier los?
Herr Rektor aD Baumann Ludwig veröffentlichte in der Pfingstbeilage von 2020 einen Beitrag über die Wiedereinführung des Pfingstrittes und dort beschreibt er auch das Zerwürfnis zwischen dem Magistrat und dem Pfarrherrn Jäger.

.... "Ein halbes Jahrhundert [nach der Wiedereinführung 1820 Anm. des Verfassers]später wurde der Kötztinger Pfingstritt von einer weiteren Epidemie bedroht. Diesmal traf es die Menschen. Im Jahre 1875, zwei Wochen vor Pfingsten, wurde vom Bezirksamt eine niederschmetternde Nachricht ins Rathaus hinaufgebracht: „Nachdem in der Gemeinde Niederndorf die Blatternkrankheit [Pocken] epidemisch aufgetreten ist, so hat der ‚Pfingstritt‘ nach Steinbühl für heuer zu unterbleiben.“ Der Magistrat wollte „aus mehreren Gründen“ im Pfingstbrauchtum keine Unterbrechung riskieren und stellte an das Pfarramt „das höfliche Ansuchen, den Ritt nach Schönbuchen abzuhalten“. Das war eine heikle Geschichte. In der dortigen Kapelle, die inzwischen im Besitz des Marktes Kötzting war, wurden seit drei Jahren altkatholische – nach dem Urteil Pfarrer Michael Jägers ketzerische – Gottesdienste gefeiert. Jetzt hatte der Pfarrer ein Druckmittel in der Hand. Nach heftigem Hin und Her ließ er den Kooperator mit den Pfingst­reitern doch nach Schönbuchen ziehen, als die Marktbehörde die zweite Pfingsthochzeit am Dienstag abgesagt hatte. Die war dem Pfarrer Jäger immer schon ein Dorn im Auge. Aber die Pfingsttradition war trotz Streit und Epidemie nicht unterbrochen."

Es war also der damalige erbittert ausgetragene Streit zwischen dem altkatholisch dominierten Magistrat Kötztings und dem katholischen Pfarrherrn Jäger, der hier ein weiteres Mal zum Tragen kam. 
Siehe auch Jahre zuvor die beschämenden Umstände um die Beerdigung des Kötztinger Bezirksamtmannes Carl von Paur.


Pfingsten im Hause Wensauer


Aus dem Jahre 1893 kennen wir das damalige Pfingstbrautpaar. Der Schuhmacher Johann Schödlbauer wählt sich die Nachbarstochter Marie Wensauer als seine Pfingstbraut.


Repro 0706 Maria Wensauer Pfingstbraut 1893

Aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts finden sich "Bekanntmachungen" in den Bezirksamtsblättern von Zivilklagen, die JB Wensauer angestrengt und offensichtlich gewonnen hatte.






 Am 7. Januar 1894 nachmittags um 11 1/2 Uhr verstirbt der Gürtler Johann Wensauer in seinem Hause im Alter von 74 Jahren. 

Als seine Erben sind angegeben:
Die Witwe Elise und die Kinder Anna - eine Hilfslehrerin in Lam -, und Johann und Maria, die beide in Kötzting wohnten und offensichtlich aus der ersten Ehe des JB Wensauer stammten.
Aus der zweiten Ehe waren erbberechtigt die Tochter Emilie und der Sohn Alois.
Für die beiden letzteren wurde Gerhard Lukas als Bevollmächtigter eingesetzt und alle unterschrieben ein Protokoll.


Am 6. März 1894 kamen die beiden beauftragten Schätzleute, Wolfgang Münch und Josef Stauber, ins Haus und begannen, in Anwesenheit der Erben, mit der Aufstellung des Vermögens in Form einer Inventurliste. Für die vorhandenen Gold- und Silberwaren und die Schmuckstücke wurde ein extra "Schätzmann" hinzugezogen, der Kötztinger Pfarrmesner Michael Obermaier.
In den Vorbemerkungen erscheint ein Ehevertrag vom 23.11.1865, in dem der nunmehrigen Witwe Elise ein Heiratsgut von 300 Gulden sicher geschrieben wird.
Während die früheren Hausbesitzer gerade einmal Nutzungsrechte an den märktischen Gründen hatten und ein kleines Ackerl vom Strohhof, erscheint nun in der Besitzliste neben dem Haus auch das eine oder andere Grundstück.
Plannummer 950 Acker
Plannummer 950 182 Acker
Plannummer 951 Wiese
Plannummer 951 b
Plannummer 101 Stadel beim Brauhaus
Plannummer 991 Wiese 
Plannummer 436 Acker
Plannummer 437 Acker
Steuergemeinde Weißenregen Plannummer 870 1/2 
Neben einer typischen Hauseinrichtung in einem kleinen Kötztinger Bürgerhaus ist hier die Werkstattausstattung und das Materiallager sicherlich interessanter.


Gürtler- und Goldarbeiterwerkzeug werth 30 M
Hälftewerth.    15.00

Einschub
Diese Halbierung des Wertes erklärt sich durch die Art des gemeinsamen Erbvertrages. Da der Witwe zunächst eine Hälfte komplett durch den Vertrag gehört, kommt nur noch die andere Hälfte des Vermögens zur Inventur und in die Erbmasse.
Einschub Ende

Vierundfünfzig Paar Ohrringe aus double, Weet 35 Mark Hälftewert 17,50 M
Neunundvierzig Paar Ohrringe aus Gold, Werth 150 M Hälftewerth 75.00 M
Vier Collektion gewöhnlicher Halsketten Werth  1 M  Hälftewerth 0,50 M
Sieben Uhrketten aus Silber Werth 9 M Hälftewerth 4.50
Fünf Halsketten und vier kleine Uhrketten Werth 4 M Hälftewerth 2 M
Zehn Stück Karabinerhaken und einige kleine Springringe Werth 4,50 M Hälftewerth 2,25 M
Auslegewaren aus Nickel und Double Werth 4 M Hälftewerth 2,00 M
6 Broschen mit Silberwand getrieben Werth 6 M Hälftewerth 3.00 M
16 Broschen aus Double Werth 5 M Hälftewerth 2,50 M
Dreiundzwanzig Paar Hohle Ohrringe aus Gold Werth 11 M Hälftewerth 5,50 M
verschiedene Schmuckgegenstände aus Double 

Vierundfünfzig Fingerringe und einige Münzen
Vierundzwanzig Doubleringe
Fünfundvierzig Ringe aus getriebenem Gold
Zwanzig kleine silberne Ohrringe
Fünfzehn silberne Brochen
Sechs silberne Haarnadeln und Anhängsel
drei silberne Rosenkränze
Manschettenknöpfe
Rosenkränze
Tabakstotzeln und Halsketten aus falschen Korallen
Messingschließen, Nadeln und sonstige Gürtlerwaren
Einhundertachzig alte silberne Geldknöpfe
eine silberne Spindeluhr mit defektem Werk
zwei weitere Uhren
Fünf Leuchter zwei aus Kupfer getrieben und drei aus Messing.


Die Vornahme der Inventur gestaltete sich dermaßen aufwändig, dass das Schätzteam die Arbeit am Ende des Tages unterbrach, um sich für den nächsten Tag zu verabreden. Schaut man sich die Liste der Beteiligten an, so verwundert es nicht, dass die Inventurvornahme länger als üblich benötigte.



Der Abgleich der Aktiva mit den Passiva erbrachte einen Vermögenswert (Halbwert) von 7743 Mark, die es nun unter die Erbberechtigten zu verteilen gab,
Im Grundsteuerkataster wird Elisabeth Wensauer ab dem Jahre 1894 als Besitzerin vorgetragen.
Die nächste Änderung ist im Jahre 1898, nun heißen die neuen Besitzer Wensauer Johann Baptist und Kunigunde.

Wensauer Johann Baptist und Kunigunde Moller


Repro 0123 Das Bild stammt so ungefähr aus der Zeit, als JB Wensauer das Haus von seinen Miterben übernommen hatte. Da das Bild einen "gestellten" Eindruck macht, vermute ich, dass der Mann am Treppenansatz des Wensauer Hauses der Goldarbeiter JB Wensauer selber ist.
Da mit Errichtung der Druckwasserleitung im Jahre 1904 der Marktbrunnen am unteren linken Bildrand rückgebaut worden war, kann man das Bild sicher in die Zeit um die Jahrhundertwende einordnen.

DIA-Repro 0141 Leider besitzen wir kein Bild des damaligen Kötztinger Bürgermeisters, ich würde jedoch mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Mann links im Bild JB Wensauer ist, auch wenn in den Pfarrmatrikeln keine Kinder von ihm auftauchen und auf dem Stalldach Kinder sitzen.






Ein Abgleich mit den Heiratsmatrikeln zeigt uns Genaueres.
Am 6.9.1898 heiraten der Goldarbeiter Johann Wensauer - Sohn des Johann und der Elisabeth Sebald - und die Moller Kunigunda aus Dünzling. Sie ist die Tochter des Amberger Revisors Michael Moller und seiner Frau Anna, einer geborenen Scharf. In den Kötztinger Taufmatrikeln finden sich keine Kinder des Paares.

Wie sahs aus auf Kötztings Straßen und Gassen?



Am 26. April 1907 stellt JB Wensauer beim  Magistrat den Antrag, das kleine Gässchen zwischen ihm und dem Bäcker Fredl (Hausnummer 50) käuflich zu erwerben.
Die Fläche mit 1/2 Dezimal würde er kaufen, er sei " um die Differenzen mit Fredl hintanzusetzen, bereit, diesen Gemeindegrund zu kaufen und biete hiefür pro Dezimal 100 M".

Sein Vorgänger im Amt des Bürgermeisters schreibt an den Antrag: Zur nächsten Sitzung. Liebl.

StA Kötzting 631/38



Im Juni schrieb dann der Magistrat an das Ehepaar Fredl, die beiden sollten die "Gegenstände", die sie in dem Gässchen angehäuft hatten, binnen 3 Tagen entfernen, ansonsten würde Anzeige erstattet werden.
Dies ging nun JB Wensauer zu weit, er erklärt, es sei ihm nicht darum gegangen die Fredls zu bestrafen, sondern er wolle nur sich vor Schaden bewahren, da durch die "Lagerung von Pferde- und Schweinemist, der mit Odell durchtränkt ist" sein Haus geschädigt würde, indem " abgesehen vom Gestank der besonders bei Regenwetter ablaufende Odel in die Mauer dringt", weil  sein "Haus so 1-   1 1/2 m tief in der Erde steckt".
Dieses Gässchen sei seit Menschengedenken frei gewesen und es wurde auch auf stetige Reinlichkeit geachtet. Als Fredl 1898 das Haus gekauft hatte, hatte er seine Düngerstätte in dem Gässchen zwischen ihm und dem Huberschen Haus (Hausnummer 51), welches Fredl nach einigen Jahren aber überbaut hatte und nun, nachdem er sich neu Vieh angeschafft hatte nutzte er nun das untere Gässchen zu seiner Mistablage.
Das Gitter an dem Gässchen ist seinerzeit von den Besitzern, seinem verstorbenen Vater und dem nunmehr in München wohnhaften Leibl angebracht worden, allerdings "lediglich aus dem Grunde, um Verunreinigungen des Gässchens seitens der Kinder vorzubeugen. Das Gitter war noch niemals versperrt, sondern wird nur von einer Kinder nicht erreichbaren Vorrichtung zugehalten, so daß im Bedarfsfalle  bei Brandfällen u.s.w., der Durchgang sofort benutzt werden kann.
Seit 1845, in welchem Jahr mein verstorbener Vater das Haus kaufte, wird  von den Besitzern der beiden Häuser die Straße beim Tünchen der Häuser, beim Hervorräumen des Schnees usw. benutzt, ohne daß einer der beiden Hausbesitzer ein spezielles Eigenthumsrecht an der Straße geltend gemacht hätte".
Der Magistrat beschloss, da diese Gasse auch im Interesse der Nachbarschaft sei, diese nun zu befragen und zu einer Stellungnahme aufzufordern.
Der Bäcker Fredl geht nun aber einen Schritt weiter und beginnt eine Mauer zu errichten, zunächst nur durch loses Aufschlichten von Mauersteinen.
Nun fordert auch Wensauer eine Bestrafung seines Nachbarn und fordert eine Augenscheinnahme durch Sachverständige, vor allem um Schaden von seiner Mauer abzuwenden.
Sechs Tage nach dem Anwaltsschreiben Wenauers kontern die Fredls und behaupten, der Abort des Wensauer würde sich teilweise auf deren Grund befinden. Sie fordern ihn auf, diesen zu entfernen, da sie vor hätten, dort eine Mauer zu errichten.
Nun treffen sich die Besitzer der Häuser 50,53 und 54, also Wensauer, Futscher und Krämer, und stellen fest, dass Fredl das Gässchen an seiner unteren Seite vermauert hätte, so dass der Durchgang zwischen den vier Häusern nicht mehr offen sei.
Dieses Gässchen sei seit Jahrhunderten wegen der öffentlichen Sicherheit offen gewesen und diente zum allgemeinen Durchgang. Jeder der vier Hausbesitzer habe bzw. hatte einen Ausgang in dieses Gässchen hinein.

Auch der Vorbesitzer des Fredlschen Hauses, der in München lebende Leidl, wurde befragt und bestätigte schriftlich, dass dieses Gässchen eigentlich nur zum Wasserablauf genutzt wurde und nie be. oder überbaut worden war.
Der Kötztinger Bautechniker Windisch schrieb an die Kötztinger zurück, es läge nur am Magistrat zu entscheiden, ob dieses Gässchen als ein öffentlicher Durchgang anzusehen sei. Dann allerdings dürfe dieser nicht durch Zäune abgeschlossen werden. Gleichzeitig dürfe dann in dem Gässchen auch nicht das Geringste gelagert werden.
Die Fredls wollten aber anscheinend nichts an dem Zustande ändern, denn noch im Jahre 1909 wurde der Kötztinger Polizeidiener Meidinger aufgefordert, eine Kontrolle durchzuführen, und schrieb kurz und knackig an den Magistrat: "daß die Fredl`schen Eheleute an dem gerügten Zustande nichts änderten."
Nachdem die Bäckerseheleute Fredl aber ab dem Jahre 1909 als die neuen Besitzer auf dem Haus Nummer 72 jenseits der Brücke auftauchen, hat sich das Problem wohl auf diese Weise einfach erledigt.

Nun aber weiter mit unserem Gürtler JB Wensauer.
Aus dem Jahre 1910/12 haben wir im Stadtarchiv seine Mitgliedskarte beim Deutschen Schützenbund.
StA Kötzting 622-1

Im Nachlassakt seines Vaters wurde die Schwester Anna als Hilfslehrerin bezeichnet und es ist bekannt, dass seine andere Schwester Maria ebenfalls Lehrerin geworden ist. Aus diesem Grunde ist es nicht eindeutig, welche der beiden Wensauer-Schwestern hier bei dem folgenden Bild als Lehrerin abgebildet ist. Es spricht aber einiges dafür, dass es sich um Anna Wensauer handelt, denn beim Klassenbild 1924/25 wird die Lehrerin als Anna Wensauer bezeichnet. Bei den früheren Bildern fehlt der Vornamenzusatz
Auf diesem Bild, das ich von Frau Vogl, einer geborenen Mieleithner, habe abbilden dürfen, steht als Kommentar: Volksschule KÖZ 3. Reihe Hilde Hummel. Ganz rechts Lehrerin Frl. Wensauer "Wensin". Sie war in Jerusalem und hatte ihren ausgestopften Mops am Pult. Sie kam immer zu Besuch [vermutlich zu Hummels nach Hause] wenn es ausnahmsweise was Gutes (Kuchen vom Klingseisen) gab.

DIA-Repro 44 Ein weiteres Bild mit dem Zusatz: Lehrerin Wensauer.
Sogar einige Schülerinnen sind bekannt: 
Lehrerin Wensauer, Foto von 1924 oder 1925 von vorne links
1. Reihe: Weingut Reserl, ?, Pagany Betty, , Januel Zenzl (Leboid) alle anderen unbekannt,
2. Reihe 3.v.links Mühlbauer (Rickerl) Berta (Frau Schätzle) alle anderen unbekannt.
3. Reihe von links 7. Pleier Gusti, 8. Hastreiter Zenzl (Frau Ellmann) 10. Kuchler Fanny (Praller) 11. Kirschbauer



DIA Repro 1146 links Frl. Amberger rechts Lehrerin Anna Wensauer

Anlässlich ihrer Pensionierung erschien in der Kötztinger Zeitung im November 1931 eine Würdigung ihrer Leistungen.




































Der Bericht über die Beerdigung der Oberlehrerin Anna Wensauer vom 15. Februar 1944


Das Wensauerhaus mit seinem Wandbild-Foto aus dem Krämerarchiv


Über das Wandbild - und anderen Häuserschmuck - schrieb KB Krämer in der Kötztinger Zeitung.




Wie sehr sich das sonnige Bankerl an der Südseite zum Rasten anbot, zeigt auch dieses Foto (Repro 1428), Meidinger Max, der uns das Bild gegeben hatte, vermutet, dass die beiden Buben "Rizotti" hießen.


Schwarze Mappe Serwuschok : Weiß auf der Höh und Wensauer um/nach 1900




Während sein Vater noch Mitglied im Gemeindekollegium gewesen war, kam nun der Sohn noch eine Stufe höher auf dieser Leiter, von 1912 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war der Gürtler Johann Baptist Wensauer Kötztinger Bürgermeister.
Bereits im Bezirksamtsblatt von 1911 heißt es lapidar: Johann Wensauer steht zur Wahl als Bürgermeister. Am 17.11.1911 wird die Wahl abgehalten und der Goldarbeiter Johann wird ins Amt als Bürgermeister gewählt; ein Amt, das er im Jahre 1918 niederlegt.

In seine Zeit als Bürgermeister fiel auch das große Pfingstjubiläum im Jahre 1912.



Hier noch einige paar markante Beispiele von öffentliche Anschlägen und Bekanntmachungen, die der Magistrat mit ihm an der Spitze im Jahre 1912 herausgab. .


Dieser Punkt, der Leichenhauszwang war vermutlich am schwersten Durchzusetzen.



In der im Jahre 1913 anstehenden Kirchenverwaltungswahl wurde er neben Joseph Decker, Josef Stauber und Franz Graßl in dieses Gremium gewählt.
Die meiste Zeit seiner Amtsperioden jedoch musste er sich mit den Kriegsfolgen herumschlagen, so auch mit den gegen Kriegsende immer häufigeren (Zwangs)Kriegsanleihen.
StA Kötzting AA I/58 Mobilmachung

StA Kötzting AA I/58 Mobilmachung

"4100 Mark rückte der Markt heraus aus dem Fond aus veräußerten Gemeindegründen
1000 Mark aus dem Fond zur Verbesserung der Schlachtvieh- und Fleischbeschau
1000 Mark aus dem Fond für den Gemeindeweg nach Weißenregen
alle angelegt bei der Sparkasse

500 Mark bar aus der Bürgerspitalkasse
400 Mark aus der Kapellenbaustiftung Schönbuchen
1000 Mark von der Krinnerschen Schulschwesternfond
angelegt beim Darlehenkassenverein
1000 Mark aus der Friedhofskasse"

Bereits im Frühjahr 1918 steht folgende Nachricht im Kötztinger Anzeiger.


Als im Frühjahr 1919 in Kötzting dann die Bürgerproteste und Unruhen ausbrachen, war Hans Schödlbauer bereits der Bürgermeister, der sich den Spartakisten in den Weg stellte.

Am 28.4.1896 fand auch Maria Wensauer, die andere Tochter von Johann und Elisabeth Wensauer, ihren Ehepartner. Sie heiratete den Ansdorfer Schulvorsteher Ludwig Steinbauer, der selben von Kollnburg abstammte.

Dies erklärt auch die Einträge im Grundbuchumschreibeheft, das für unser Haus folgende Besitzer noch aufführt.

Nach JB Wensauer und seiner Frau ging das Anwesen an die Schwester Anna über und nach ihr kamen offensichtlich ihre Nichten in Besitz des Hauses. Da die beiden Steinbauer-Kinder Emilia und Olga nicht in Kötzting geboren sind, kann ich hier nur aufgrund der Namensgleichheit diesen Schluss ziehen.

Kunigunde Wensauer verstarb im Alter von 71 Jahren. Ihr Ehemann, der im Jahre 1918 aus Gesundheitsgründen vom Amt des Bürgermeisters zurückgetreten war, überlebte sie noch viele Jahre.
Er durchlebte noch das gesamte Dritte Reich und dessen Zusammenbruch und starb erst an Atherosklerose am 19. Juli 1945, als Kötzting angefüllt war mit amerikanischen Soldaten, restlichen Angehörigen der 11. PD und vielen, vielen Flüchtlingen. 


In der Mitte des 20. Jahrhunderts war es dann die Familie Knauth, die in dem Hause gewohnt hatte und von dieser haben wir einige Bilder im Bestand unseres Arbeitskreises.
Von Herrn Knauth haben wir im Stadtarchiv auch viele Zeitungsbände leihweise zum Digitalisieren erhalten, mit denen wir manche Lücken haben schließen können. Darüber hinaus hatte er eine umfangreiche Sammlung an "Scheinwerfer"-Artikeln der Kötztinger Umschau.

Repro Frau Rabl-Dachs Knauth_11 Die Familie Knauth auf der "Gred"bank


Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung dieses Beitrags zur Kötztinger Häuserchronik steht in den Kötztinger Zeitungen eine Todesanzeige, mit der ich hier diesen Beitrag erweitern möchte.