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Donnerstag, 1. Dezember 2022

Michael Heigl - eine Dokumentation Teil 7

 

Michael Heigl 

Die erste Heigl-Bande und das Jahr 1847

Zuerst jedoch ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:
Hier der link auf die bisher veröffentlichten Teile zum Thema Räuber Heigl


Bild KB Krämer: Die Heigl-Linde inmitten von Gotzendorf

Es wird Frühjahr 1847 und erneut kommt Josef Pritzl  - Bewohner des Laumer-Hauses - in Verdacht, Unterschlupfgeber für Michael Heigl zu sein, weshalb das kleine Häuschen am Rande der Straße nun dauerhaft überwacht werden soll. Zeitgleich mit dieser Entscheidung ordnet Carl von Paur an, die  Gemeindebereiche und die Waldungen um Beckendorf, Watzlhof und Gotzendorf - jedoch ohne Resultat - durch die Gendarmerie zu durchforschen.

Gedenkstein Carl von Paurs im Alten Friedhof, nun nach Einsturz der Mauer und später
dem Abbruch des Leichenschauhauses in sicherer Verwahrung des städtischen Bauhofes

Während die Kötztinger Gendarmerie Heigl noch im Bereich rund um Gotzendorf suchte, schlug er im Landgericht Viechtach zu. Am 26.März 1847, nachts, überfiel er das Ehepaar Schaeffer in Amersberg. Er drang mit Gewalt in das Haus ein und zwang das Ehepaar " unter lebensgefährlichen Drohungen zur Herausgabe ihres Geldes - die Eheleute Schaeffer erkrankten infolge der grausamen Misshandlungen und des Schreckens." Die Angreifer waren vier Mann und ihre Beute war gerade mal gut 27 Gulden wert, darunter eine Gabel mit der Gravur "W.H. .....   bei Josef Pritzl, Inwohner im Laumerheusl, wo die Geliebte des Heigl herstammte und Heigl sich häufig einfand, in einem Mantel gesteckt gefunden.
Die subjektive Thaeterschaft des Heigl zweifellos. Beruht auf seiner Vernehmung"

 Anfang April gelingt Michael Heigl ein ganz besonderer Coup, ein Einbruch im Landgerichtsgebäude in Kötzting, heute das Kötztinger Rathaus.
Dies ist deshalb so besonders, weil ja Carl von Paur, der damalige Landrichter, die Räume über den Amtsräumen bewohnte, Heigl also genau in das Haus einbrach, in dem sein "Jäger" bzw. zumindest dessen Familie friedlich schlief.

StA Landshut Rep. 168-1 Nr. 63944-II_0011
17. 1847 
Am 6. April 1847 wurde im Landgerichts Gebäude zu Kötzting ein Einbruch gemacht und ein Gewehr /:Doppel:/ im Werthe von 16 fl gestohlen und ein Siegel. Betrag nach ein Vergehen.
Zunächst war der Täter unbekannt, jedoch hatte später eine "gewisse Barbara Schmid" nach ihrer Verhaftung gestanden, dass "sie vereint mit Heigl und einem dritten Compl(izen) diesen Einbruch verübt und Heigl am Fusse des Landgerichts Wache gestanden /: Pongratz Complice der äusserte, das Siegel sei ihm lieber als 100 fl.
Verdacht nicht sehr gegründet.   Beruht auf Vernehmung des Heigl.

Am 10.4.1847 "wurde der hiesige Gerichtsdienergehilfe Huber des Abends 6 1/2 Uhr auf eine sehr freche Weise bei Schönbuchen auf der Strasse von den beiden  Flüchtlingen [Heigl und Pongratz] durch zwei Schrottschüsse, jedoch nicht gefährlich verletzt, seinen bei sich führenden Hund aber erschossen haben"

Der Staatsanwalt schrieb über die Begleitumstände dieses Überfalls:
"Hund zuerst erschossen, dann fiel Schuß gegen Huber, der den Zeugefinger verletzte und den linken Fuß. Dreitägige Arbeitsunfähigkeit. Huber sah zwei Personen entfliehen, Heigl angeschuldigt.
Wurde zweimal in der Nähe von Schönbuchen gesehen - machte gegen einen Zeugen drohende Äusserungen, daß er noch einen erschiessen werde.
War am fraglichen Abend 5 Uhr /:die That geschah um 6 1/2 Uhr :/ im Hirterhaus zu Gotzendorf und ging häufig auf die neben diesem Hause liegende Strasse, wie wenn er jemanden erwartete.
"

KÖZ von 1956 Artikel von Dr. Sommerfeldt

Drei Tage später kommt es am 13.4.1847 zu einem ähnlichen, aber verhängnisvolleren Zusammentreffen im Wald bei Wölkersdorf. Es ist 8 Uhr abends und der Inwohnersohn Josef Bauer von Wölkersdorf bleibt nach dem Zusammenstoß mit Heigl blutend im Wald liegen. Heigl hatte ihn mit einer Schrotflinte an beiden Beinen verletzt. Die sofort eingesetzte große Suchaktion blieb wieder einmal ohne Erfolg und die eingesetzten Gendarmen benannten in ihrem "Protokoll" die Ursachen ihres erneuten Misserfolgs.

"Die Bewohner der Gemeinden Arndorf, Gotzendorf, Hohenwarth und Grafenwiesen, wo sich die Mehrzahl von ansässigen schlechter Gesindel befindet, mit diesen in Verbindung stehen, dieselben auf alle mögliche Art und Weise zu ihrer Flucht behilflich sind, selbst mit Lebensmitteln  unterstützen und größtenteils Bauern durch gemachte Drohungen aus Furcht heimlichen Unterschlupf zur Nachtzeit geben."  Unterschrift:  Josef Haas Brigadier.

Am nächsten Tag, dem 14.4.1847 meldete der oben genannte Brigadier, dass er nun in der Lage sei, bei den in Frage kommenden Ortschaften jeweils - zu deren eigener Sicherheit - Patrouillen zu zwei Mann durchführen zu lassen, die mit Jagdgewehren ausgerüstet seien und "sich in den Wäldern zur Tagszeit herumtrieben". 
Nun folgte der nächste Erlass des Landrichters von Paur, der ausdrücklich festhielt, dass Heigl nun schon fast vier Jahre und Pongratz auch schon bereits zwei Jahre im Landgericht ihr Unwesen trieben und es nun nötig sei, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, weil diese Verbrecher in jüngster Zeit sogar Angriffe auf das Leben des Aufsichtspersonal gewagt hatten.

Folgende Maßregeln wurden am ergriffen:

1. Arndorf - Grafenwiesen - Gotzendorf - Hohenwarth - Ansdorf - Kolmstein - und Atzlern werden unter besondere Polizeiaufsicht gestellt. >>>>kein Einwohner darf daher eine Hausvisitation ablehnen.
2. Gemeindevorsteher müssen ihre Flur- und Dorfwächter zu erhöhter Tätigkeit auffordern und müssen auf Anforderung bei Tag und Nacht ausreichende Gemeindeglieder zur Streife zur Verfügung stellen. Eine Renitenz der Gemeindevorsteher wird im ersten Falle mit 10 fl. (ca. 1000 Euro), im Wiederholungsfalle mit Arrest bestraft. Gemeindemitglieder, welche sich der Streife, aufgefordert, entziehen, werden mit Geld oder Arrest bestraft.
3. Die Streuschupfe der Bauerswitwe Mühlbauer von Gotzendorf, welche bisher dem Gesindel zum Unterschlupfe diente und unmittelbar an der Straße liegt, daher die Passage unsicher macht, ist durch unverzügliches Niederreißen zu entfernen.
4. Das Laumerhäusl zu Gotzendorf, Eigentum das Gemeindevorstehers von dort, ist von den gegenwärtigen Bewohnern Resch und Pritzl, als bekannte Diensthehler der beiden gemeinen Verbrecher, augenblicklich zu räumen und in dasselbe Inhaus sind künftig nur Inleute von gutem Leumund mit landgerichtischer Bewilligung einzunehmen.
5. Die Auslichtung der Waldungen in der normal mäßigen Breite von der Beckendorfer Höhe an bis Hohenwarth ist unverzüglich zu bewerkstelligen bei Vermeidung der schon im Vorjahr angedrohten Exekution.
6. Sollte dies nicht greifen, dann sollten auf Kosten der Gemeinden Soldaten des Jägerbataillons in den Gemeinden stationiert werden.

Am 23.4.1847 kommt die Hohenwarther "Glasspinnersstochter" Anna Fuchs in Verdacht, mit Heigl zusammengetroffen zu sein und ihm Lebensmittel verschafft zu haben, worauf diese sofort verhaftet, vernommen und eingesperrt wurde. Im Nachgang dieser Vernehmungen erwischte es danach den ledigen Inwohnerssohn Michael Neuberger aus Hafenberg, der, ebenfalls des Umgangs mit Heigl verdächtig, "arretiert und sofort unter Androhung des Arbeitshauses zur Strafe von 10 Ruthenstreichen verurteilt und sodann entlassen wurde."

Einschub 
Die Bestrafung der Anna Fuchs
Am 20.5.1847 sprach der Hohenwarther Glasspinner Georg Fuchs bei der Regierung in Landshut vor und beschwerte sich über die ungerechte Bestrafung seiner Tochter.
Der Gotzendorfer Gemeindevorsteher habe Jahre zuvor Ansprüche auf das Wirtsanwesen in Schönbogen (wohl Schönbuchen) erhoben, dabei aber im Rechtswege gegen seinen Schwiegervater Stoiber verloren und seither einen Groll sowohl gegen seinen Schwiegervater als auch gegen "ihn und seine Familienangehörigen auf auffallende Weise an den Tag gelegt". Nachdem von Seite des k. Landgerichts Kötzting einige verdächtige Zubauhäuser zu Gotzendorf abgesperrt werden mussten, wovon namentlich einige dem Gemeindevorsteher Schmid angehörten, machte derselbe beim k. Landgerichte Kötzting die falsche Anzeige, daß meine sich bei ihren Großeltern in Schönbogen (wohl Schönbuchen) aufhaltende 15jährige Tochter Anna mit jenem berüchtigten Heigl in einem unerlaubten näheren Verhältnis stehe. Diese meine Tochter wurde ohne weiteres Gehör über die ihr fälschlich zur Last gelegte Beschuldigung von Seite des k. Landgerichts Kötzting deßhalb mit einem viertägigen Arreste bestraft, während doch 2 Weibspersonen in der Nähe von Gotzendorf, welche außereheliche Kinder von jenem Heigl geboren haben, gänzlich ungestraft gelassen werden.""
Er fühle sich in seiner Ehre als Familienvater durch diese Behandlung seiner Tochter zutiefst verletzt und wäre grundsätzlich auch willens, den Rechtsweg zu beschreiten, jedoch wurde ihm von Seiten des Landgerichts die Einsicht in die Akten verweigert. Er bitte also bei der Regierung um Akteneinsicht und um "Genugthuung für die ungeeignete Behandlung seines Kindes".
Gleich als Beweis für den guten Leumund legt er noch das Schulzeugnis seiner Tochter bei.

Geistesanlagen                   gute
Fleiß                                   groß  
Religion                              vorzüglich
Lesen                                    sehr gut
Schreiben                            genügend
Kopfrechnen                        gut
Tafelrechnen                        hinlänglich
Gemeinnützige Kennnisse   schwach
Sittliches Betragen               sehr lobenswert

Landshut fordert das Landgericht auf, sich dazu zu äußern. Carl von Paur gibt nur in kurzen Worten Auskunft und beruft sich dabei auf die Maßregeln, die von Landshut selbst gekommen waren und die Personen beträfen, die des Umgangs mit Heigl in Verdacht gekommen waren, auch wenn sie noch feier
tagsschulpflichtig wären oder sind.


Einschub Ende


Ende April 1847 kam es zum nächsten großen Raubüberfall. Die Opfer: die Greilschen Eheleute im sogenannten Pritzlhaus in Pirka im LG Viechtach.
Hier der Bericht des Staatsanwaltes - als Vorbereitung für den Heigl-Prozess -  in seinem nüchternen Amtsdeutsch:


"20. 1847

Verbrechen des Raubes IV Grades in idealer Conkurrenz mit dem nächsten versuch des Mordes verübt im Complotte und Zusammenfluß mit dem Verbrechen der Notzucht am 24. April d. Js zum Schaden der Georg und Anna Maria Greilschen Eheleute auf dem Pritzlheusl zu Pirka, Landgericht Viechtach in realer Conkurrenz mit dem Verbrechen der Notzucht, unter voraus gegangener complottmäßiger Verbindung. Wurde ein Pistol abgeschossen auf den Anwesensbesitzer.
Grausame Mißhandlung des Georg Greil mit einem Gewehre, wurde er an Händen und Füssen gebunden, zu wiederholten malen misshandelt, hielten immer die Hand auf den Mund, ob er noch athme und dies dauerte volle zwei Stunden.
Der Räuber waren vier.
Das Eheweib des Damnifikanten wurde zweimal von zwei Räubern genothzüchtigt.
Werth des geraubten: 108 fl.
Michael Heigl angeschuldigt, flüchtig damals in Verbindung mit Pongratz und Penzkofer wurde er oft gesehen.
Überführung:
Unter den geraubten Gegenständen befand sich ein rothgestreifter Seidenzeug, ein Filigrankreuzel, sowie mehrere Kronenthaler. 7 Kronenthaler, Kreuzel und Seidenzeug wurden durch die Gendarmerie bei der jetzigen Geliebten des Heigl, der Theres Pritzl von Gotzendorf gefunden, die damals noch nicht flüchtig war und die unumwunden einstand, sie vom Heigl erhalt zu haben.
Beruht auf Vernehmung des Heigl."
Erst am 30.4.1847 kam die Nachricht des Überfalles in Pirka beim Kötztinger Landrichter an und gleich wurden erneut Verhaftungen angeordnet.
Gleich am nächsten Morgen wurde der Inwohner Resch im Laumerhaus verhaftet und anschließend im Polizeibericht festgehalten, dass die beiden Inwohner Resch und Pritzl dem Befehl der Räumung des Laumerhauses nicht Folge geleistet hatten.
Am 5.5.1847 wurde Martin Fendl von Reitenstein verhaftet, der, obwohl dienstlos, einen "auffallenden Aufwand" machte und sich daher der Verdacht erhob, dass er, mit Heigl verbündet, den Raub in Pirka mitgemacht habe. Im Nachgang wurden bei ihm Gegenstände gefunden, die diesen Verdacht erhärteten und von dem ausgeraubten Ehepaar auch wiedererkannt wurden.
In gleicher Weise wurde mit dem Bruder des Räubers Josef Pongratz verfahren. Georg Pongratz aus Kager wurde verhaftet, vernommen und zunächst in Haft belassen.
Wieder einmal rief Carl von Paur als Amtsvorstand "unter Zuziehung vielen Landvolkes zu einer Streife auf, bei der alle Gegenden disseits und jenseits des Regens in großen Dimensionen durchstreift wurden .....ohne Resultat."
6. Mai 1847 Michael Schindlatsch, Schuster von Hofern, kommt in Verdacht und am selben Tag wird auch die Therese Pritzl, "Tochter des erwähnten Pritzl" beschuldigt mit Heigl öfters zusammen zu kommen.
Am 12.5.1847 kommt es gleich zu einer Reihe von Festnahmen und Strafen.

"Adam Heigl, Bruder des Michl Heigl led. von Beckendorf wird der Unterstützung seines Bruders verdächtigt.
Wolfgang Heigl, jüngerer Bruder des vorigen in gleichem Verdachte stehend
Joseph Betz led. Inwohnerssohn von Oberzettling, Gemeinde Gotzendorf der Verbindung mit Heigl verdächtigt."
Adam Heigl erhält 10 Ruthenstreiche, Wolfgang nur verwarnt und angewiesen, sich einen Dienst zu suchen, und Joseph Betz wird nach drei Tagen aus der Haft entlassen.

Mit Datum des 25. Mai  1847 findet sich eine kuriose Anzeige:

"Anzeige des Brigadier Haas, daß der bürgerliche Gastwirth Fest zu Kötzting den Michl Heigl in seinem Hause längere Zeit schon beherbergt habe und am Pfingstmontage die ganze Nacht gespielt worden sey."
Der Gastwirt Franz Fest hatte wenige Jahre zuvor die Witwe Franziska Dreger geheiratet und betrieb zusammen mit ihr den Gasthof, den wir heute als den Amberger Hof bezeichnen. Franz Fest wurde vernommen. Es konnte aber weder seine Schuld bewiesen, noch konnte er ganz seine Unschuld nachweisen. So wurde er "von der Instanz entlassen, jedoch in alle Untersuchungskosten verurteilt". Wohl ein Freispruch zweiter Klasse. Damit können wir möglicherweise davon ausgehen, dass Heigl erst kurz vor dem Pfingstritt 1847 das Gasthaus nach einer vergnüglichen Nacht verlassen hat.
Auch Dr. Sommerfeldt beschreibt in seinem Heigl-Beitrag einige der Heiglschen Schurkenstücke vom Sommer 1847, die vom obigen Kötztinger Wirtshausbesuch, über einen Mundraub bis hin zu einem richtig schweren Raub reichten.

KÖZ 1956 aus dem Teil 2



Erneut muss sich nun Carl von Paur für die Erfolglosigkeit, Heigl zu fangen, rechtfertigen und zitiert Gemeindevorsteher, als diese gefragt worden waren, weshalb niemand sich fände, die Schlupfwinkel der Verbrecher zu entdecken: "Verrath ist gleich einem Todschlage, wer wird diesen auf sein Gewissen nehmen wollen" oder "Die Flüchtlinge sind keine Raubmörder oder Brandstifter" oder "Wer wird sie verrathen wollen, da sie nach kurzer Haft wieder entlassen, Rache an denjenigen üben werden, die zu ihrem Aufgriffe beigetragen haben". Er liefert auch gleich die dahinter liegenden Ursachen mit, zum einen da "der größte Teil der Bevölkerung an der bayerisch-böhmischen Grenze Erwerb durch Schwärzen sucht" und zum anderen, "eine bittere Armuth, die jedes Mittel erlaubt findet, wenn nur das Leben gefristet wird, erzeugt theils durch Arbeitsunlust, theils durch unverschuldeten Mangel an Arbeit und Verdienst, aber auch Luderlichkeit und Genußsucht unter den ledigen leuten im hohen Grade."
Carl von Paur beschreibt auch seine Personalprobleme bei den "über 200 sicherheitsgefährlichen Personen und 52 Individuen, die unter Polizeiaufsicht stehen" 
Aus 10 Mann würde im Moment die Gendarmeriebrigade Kötzting bestehen, von denen in Kötzting 4, in Eschlkam 3 und in Lam ebenfalls 3 Mann stationiert seien.
Carl von Paur fordert nun nicht nur, die Mannschaftsstärke zu erhöhen, sondern zum ersten Male auch die Auslobung einer Fangprämie in Höhe von 50 Gulden für jeden der zwei meistgesuchten Verbrecher, Heigl und Pongratz. 
Unterthänigst gehorsamstes
 königl. Landgericht Kötzting
Paur
k. Landrichter

Möglicherweise war den beiden Räubern der Verfolgungsdruck im LG Kötzting zu hoch, weshalb sie ihre Aktivitäten zunächst auf das LG Viechtach konzentrierten.
In den "Heigl-Akten" erscheinen seit dem Überfall in Pirka nun auch regelmäßig die  Sicherheitsberichte vom Nachbarlandgericht und dort wird sichtbar, in welchem Ausmaß die Heigl-Bande dort zuschlug. Die Bande bestand zu der Zeit aus Michael Heigl, Josef Pongratz aus Kager - genannt Maulaffhiesel -  und Peter Penzkofer Inwohnerssohn aus Geiersthal - genannt Laumer Peter.
Weiter wird in ihrer Gesellschaft auch eine "Weibsperson" gesehen und ein weiterer Bursche, der einen großen "Fanghund" führt. Zwei dieser Personen seien mit Doppelgewehren und Pistolen bewaffnet
Seit sie sich im LG Viechtach aufhielten hätten sie neben vielen anderen Diebstählen folgende "Raube" verübt.
1. Bei den Schafferschen Eheleuten zu Amensberg
2. im sogenannten Pritzlhaus außerhalb Pirka
3. bei den Stadlerbauerntöchtern von Mausmühl
4. bei der Austräglerin Blüml zu Wetzelsdorf
5. Bei der Austräglerin Walburga Zitzelsberger zu Piflitz
6. Bei den Austragseheleuten Köppl von Ogleinmais
7. bei den Kleingütlers Eheleuten Schreiner zu Kollnburg und
8. auf der Schweinberger Mühle.

Zugleich findet sich hier auch ein Hinweis, dass die Bande sich auch noch mit anderen, eher pfiffigeren Mitteln Bargeld verschaffte. Möglicherweise bedienten sie sich dabei des in der Kanzlei des Landgerichtsgebäudes Kötzting erbeuteten Dienstsiegels. Dr. Sommerfeld packte die "Räuberpistole" in seinem Zeitungsbericht in ein lebhaft erzähltes einzelnes Kapitel.



Josef Pongratz verhaftet

Am 5.7.1847 berichtete das LG Kötzting an das Gendarmeriekompagnie-Kommando in Landshut unter dem Betreff "Der Zustand der öffentlichen Sicherheit" endlich einen ersten Erfolg.


"Wird hiermit angezeigt, daß es dem Brigadier Heuder und den Gendarmen Benkert und Schaller von Cham unter Beihilfe von den Polizeisoldaten gelungen ist, den höchst sicherheitsgefährlichen, wegen Notzucht, Raub so anderen verbrechen steckbrieflich verfolgten, seit Jahr und Tag flüchtigen Verbrecher Josef Pongratz von Kager, vulgo Maulaffenhiesel und dessen Conkubine Barbara Schmid von Kolmstein unterm 3. d. M.[genauer im Brauhause zu Brunnendorf, der Vorstadt Cham]  zu Brunnendorf bei Cham zu ergreifen, und ungeachtet Widersetzung und Gegenwehr zu Verhaft zu bringen. Beide Personen befinden sich nunmehr dahir
 zur strafrechtlichen Untersuchung in der Fronfeste."
Josef Pongratz also befand sich nun seit Anfang Juli in Haft und 
Nachdem ja auf die Ergreifung des Verbrechers ein Kopfgeld ausgesetzt war, musste von Paur nun den beteiligten Personen auch ein "Zeugnis"  über den ganzen Aufgriff ausstellen, das uns noch weitere Details übermittelt.
"Der signalisierte Verbrecher, bewaffnet mit einer scharf geladenen Pistole und einem Messer, setzte sich in verwegener verzweiflungsvoller Gegenwehr und nach einem kurzen aber sehr hitzigen und gefährlichen Kampfe ist es der genannten Sicherheitsmannschaft, ohne dass eine Verwundung vorgefallen ist, gelungen, jenen Verbrechers Meister zu werden und ihn in die Frohnfeste des k. LG Chams einzuliefern, von wo er am nächsten Tage darauf /:4. July d. Jrs. :/ in die hiesige Frohnfeste eingeliefert wurde.



Dies bezeugt auf Grund der Akten
den 22. November 1847 
Königliches Landgericht Kötzting als Criminal Untersuchungs-gericht
v. Paur 
k. Landrichter.

Einschub 

Das Urteil gegen Josef Pongratz vom 4.7.1850


Im Namen 
Seiner Majestät des Königs von Bayern
erkennt der Schwurgerichtshof von Niederbayern in Sachen des Josef Pongratz, v.Maulaffenhiesl, ledigen Inwohnersohn von Kager, Landg Kötzting wegen Raubes, Notzucht und Diebstähle zu Recht, was folgt:
I: Josef Pongratz, 36 Jahre alt, le. Inwohnerssohn von Kager, wird wegen des von ihm am 13. Mai 1847 verübten Verbrechens des erschwerten Raubes III. Grades im Hause des Zimmermanns Joseph Bräu Aepflet bei Furt, wegen des Verbrechens der Notzucht I. Grades, begangen an der Müllerswittwe Anna Weber wegen des Verbrechens der Notzucht II. Grades, vollbracht an der 43 jährigen Pechlersehefrau Franziska Aschenbrenner von Höllhöh, dann wegen des Verbrechens des ausgezeichneten Diebstahls, welcher auch der Summe nach ein Verbrechen ist, zum Schaden des Müllers Franz Gmach von Stockmühle, und wegen des auch dem Betrage nach als Verbrechen strafbaren doppelt ausgezeichneten Diebstahls am Häusler Martin Knott zu Unterlohwies zur Kettenstrafe, und in die Kosten des Verfahrens, welche jedoch wegen seiner Mittellosigkeit dem Aerar überbürdet werden, verurteilt.

Eine Kopie des Urteils ging gleich ans Landgericht Kötzting und befindet sich aus diesem grunde immer noch in den Heigl-Akten.
Josef Pongratz   stellte gleich noch eine "Nichtigkeitsbeschwerde"; diese wurde aber am 16.8.1850 verworfen und die Kettenstrafe damit bestätigt. 
Einschub Ende


Nun war also das erste Glied aus der frühen Räuberbande Heigls in Haft, deren Raubzüge aber gingen  zunächst  im LG Viechtach weiter.

Am 27. Juli meldete das LG Viechtach in seinem monatlichen Sicherheitsbericht - neben weiteren zwei Überfällen der Heigl-Bande in deren Geschäftsbereich -, dass sie Nachricht erhalten hatten, "dass in der Nähe von Piflitz (Gemeinde Geiersthal) in einem mit großen Felsenmassen versehenen Waldberg, in welchem sich geräumige Höhlungen befinden, 2 verdächtige Burschen .... haben sehen lassen, bei denen sich jener Hund befunden habe, den Michael Heigl gewöhnlich bei sich hatte"
Nun rückten Ende Juni, in der Annahme, dass sich die "Kameraden" in der Nacht hindurch in der Waldung aufhalten würden, auf Anordnung des Viechtacher Landrichters der Viechtacher LG Funktionär Höflinger, das Gerichtsdienerpersonal, die Gendarmeriemannschaft, mehrere freiwillige Bürger Viechtachs aus - alle mit Gewehren versehen - und mehrere bewaffnete Bauern und Bauernsöhne, insgesamt 150 Mann, die den Wald und die ganze Umgebung durchkämmten. Wie immer ohne Erfolg.
Tage später bekam der Viechtach Landrichter die Nachricht, dass andere Zeugen MH gesehen hätten, wie er aus dieser Waldung herausgegangen und sich in Richtung des LGs Kötzting bewegt hätte. Kötzting war informiert worden und deren sofort eingeleitete Streife hätte dann auf den Peter Penzkofer geschossen (und ihn möglicherweise verletzt habe)
Nun kommt der Viechtacher Landrichter zu folgendem Schluss:
"Seit obiger Streife, durch welche Heigl sich verfolgt sah, und aus dem Gerichtsbezirk versprengt wurde, sah und hörte man nichts mehr von ihm und ebenso wenig auch vom Penzkofer und man gibt sich der Meinung hin, daß sich Heigl, nachdem inzwischen Joseph Pongratz und seine Geliebte in Verhaft gebracht wurden, mit dem Peter Penzkofer in das nahe Böhmen geflüchtet habe, um sich vielleicht dort von einem Bader heilen zu lassen."
Zu dieser Überlegung, dass MH im Juli 1847 der Boden unter seinen Füßen in der Heimat etwas zu heiß geworden war, passt auch die Meldung der Gemeinde Gotzendorf, die am 13. Juli in Kötzting als Anzeige bei der Gendarmerie Station eingelaufen war. Bereits seit Monatsanfang war die ganze Familie Pritzl in Gotzendorf unter Polizeiaufsicht gestellt worden, und nun diese peinliche Situation.



"13/14 Juli 1847  Anzeige der Gemeinde Gotzendorf, daß Theres Pritzl aus dem elterlichen Hause sich entfernt habe."
Nach der Therese Pritzl wurde nun ebenfalls gefahndet und wenige Tage vorher waren bereits bei der Anna Maria Gruber von Reitenstein "verschiedene Effekten" gefunden worden. A.M. Gruber wurde nun verhaftet und vernommen, doch nach einigen Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt. 
MH hielt wohl zu der Zeit noch Kontakt zu beiden Frauen; auf seine Flucht nahm er aber wohl nur die junge Therese Pritzl mit; A.M. Gruber hatte ja auch noch Kinder zu versorgen.
Mit dieser Nachricht, dass Therese Pritzl von Zuhause verschwunden sei, enden zunächst die Nachrichten im Gendarmerie-Report im Juli des Jahres 1847. 
Es kehrt Ruhe ein im Landgericht Kötzting , bis zum nächsten  - vermuteten - Auftauchen Heigls im Sommer des drauffolgenden Jahres.


Nach dem Aufgriff Josef Pongratz und dem offensichtlichen Ausweichen des MH hinein ins Böhmische  stellte das LG Kötzting einen Bericht für das bayerische Innenministerium zusammen, in dem zum ersten Male seit Jahren die öffentliche Sicherheit als "sehr befriedigend" dargestellt wurde.
Von Paur führte die Verbesserung vor allem auf die Vergrößerung der Gendarmeriemannschaft und insbesondere auf die Errichtung einer provisorischen Station in Hohenwarth zurück..
Insgesamt hätten sich im LG Kötzting im Zeitraum zwischen dem 1.10.1846 und Ende Juli 1847 114 "Sicherheitsstörungen" ereignet, darunter 62 einfache Diebstähle, 51 Diebstähle mit Einbruch und 1 Raub. Der Landrichter errechnet sich für diesen Zeitraum von 10 Monaten einen Monatsdurchschnitt von 10-12 Vorfällen, während es im Monat August nur 2 solcher Ereignisse gewesen wären.
In Böhmen hatten die bayerischen Beamten natürlich keine Handhabe, jedoch versuchte Carl von Paur auf dem Schriftwege Auskünfte zu erhalten und informiert den Kollegen im  "Fürstlichen Oberamt in Pistritz im Klattauer Kreis". Auch dort wurde eine "Spähe" angeordnet, die jedoch ebenso wie im bayerischen Grenzraum erneut ohne Ergebnis verlief.

Auch im LG Viechtach habe sich die Sicherheitslage enorm entspannt. Carl von Paur schlägt vor, die Männer der provisorischen Station in Hohenwarth dauerhaft in Neukirchen beim hl. Blut zu belassen.
Kötzting 

Anfang September 1847 bereiste der Kompagnie-Chef Ritter von Sturm persönlich die Gendarmeriestationen Hohenwarth, Eschlkam, Lam und Kötzting und kam zu der Überzeugung, dass sich Michael Heigl, Peter Penzkofer und die 16jährige Hüterstochter Therese Pritzl im Grenzbereich zu Böhmen sich aufhielten sich wohl erst dann wieder ihren früheren Schlupfwinkeln nähern würden, wenn die Station Hohenwarth aufgelöst werde.
"Der ebenso thätige als schlaue und muthige Brigdier Haase und seine braven Gendarmen, die sich jetzt genaue Lokalkenntnisse und verlässige Denuntianten verschafft haben", würden die drei Gesuchten dann sicherer  verhaften können, als es jetzt möglich sei.
Er plädiere daher dafür, die Station Hohenwarth aufzulösen oder zumindest zu verkleinern.
Da die bayerischen Behörden in Böhmen keine Zugriffsrechte hatten, wollte er die drei Gesuchten somit erneut über die Grenze locken, um sie danach umso sicherer fangen zu können, so der Plan....
Noch im September 1847 wurde verfügt, dass die Station Hohenwarth auf die halbe Mannschaftsstärke reduziert würde.
Um sich ein Bild der Arbeit dieser Station zu machen, genügt ein Blick in deren Abrechnungen. In der Woche vom 22. bis 31. August 1847 hatte die Station 30 Patrouillen durchgeführt, "darunter 1 Streif und 6 Nachtpatrouillen". Vom 1.-8. September erneut 29 Patrouillen mit 1 Streif und 4 Nachtpatrouillen. In der letzten Woche dann, vom 9.-17. September waren es erneut 22 Patrouillen, danach blieben nur noch der Brigadier Haase und seine 2 Gendarmen in Hohenwarth, die zusätzlich stationierten Soldaten rückten zu ihren Bataillonen ab. 
Dieser Brigadier Haas stellte nun aus den ihm zur Verfügung stehenden Akten eine erste Liste an Straftaten zusammen, die 34 Delikte umfasste und vom ersten Diebstahlsverdacht vom 3.11.1841 - als der junge Michael Heigl und sein Bruder Adam wegen eines Uhrdiebstahls in Vrdacht geraten waren - bis hin zum Raubüberfall im LG Viechtach im Juli 1847 reichte.


Peter Penzkofer verhaftet



Der nächste Aufgriff. Vielleicht war es eine Folge der Logik, die Polizeistationen auszudünnen, die es mit sich brachte, dass zumindest Peter Penzkofer sich wieder in die Heimat wagte. 
Carl von Paur konnte jedenfalls den nächsten Erfolg nach München melden:
"Peter Penzkofer, vulgo Laumerpeter, Inwohnerssohn von Linden, Consorte des flüchtigen Michael Heigl wurde am 1ten November lJs zu Fernasdorf K. Landgericht Viechtach von der k. gendarmerie von Viechtach aufgegriffen und heute zur Untersuchung hier eingeliefert. was unterthänigst gehorsamst zur Anzeige gebracht wurde

Bei der Vernehmung des Peter Penzkofer kam auch ein Racheanschlag an dem Gemeindevorsteher Sterr aus Beckendorf  heraus, den Penzkofer im Auftrage des Michael Heigl durchgeführt haben will.
 
Im Landgericht Kötzting herrschte jedenfalls nach der Festnahme der beiden Heigl-Kumpane, Pongratz und Penzkofer, und dem Ausweichen Heigls und seiner Freundin ins Böhmische zunächst eine trügerische Ruhe. Dieser Zustand hielt, bis am 14. Mai 1848 Heigl zwei Gendarmen mit dem Gewehr in Anschlag bedroht und beschimpft hatte. Damit war klar, Heigl Michael ist wieder im Lande.

Freitag, 4. November 2022

Michael Heigl - eine Dokumentation Teil 6

Michael Heigl wird zum Verbrecher

eine chronologische Zusammenstellung ab seiner Entweichung vom 25.4.1843

 Zuerst jedoch ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:

Zum Einstieg:  ein Bild und seine Geschichte: das Laumerhaus von Gotzendorf
Teil 1 der Dokumentation: Der Familienverband des Michael Heigl
Teil 2 Die Heigls in Beckendorf
Teil 3 Michael Heigl im Spiegel der Veröffentlichungen
Teil 4 Michael Heigl und seine Brüder geraten ins Blickfeld der Behörden
Teil 5 Michael Heigl und seine Unterstützer - die Entstehung einer prekären Unterschicht im Bayr. Wald


Foto Kretschmer: Historischer Festzug 900-Jahr-Feier 1985: Festwagen Kaitersberg mit der Räuber-Heigl-Höhle


Die Jagd beginnt

In den vorhandenen Akten der Untersuchungsbehörde liegen bereits zwei chronologisch zusammengestellte - ja man möchte sagen fast moderne tabellarische - Auflistungen   der eingelaufenen Anzeigen, Razzien, Untersuchungen und der weiteren behördlichen Maßnahmen vor, die es ermöglichen, den Umfang und den Ablauf seiner Taten nachzuvollziehen. 

In der ersten Zusammenstellung geht es ausschließlich um die Aufarbeitung der für den Strafprozess relevanten Straftaten sogar im Einzelnen mit Verweis auf die Vernehmung des MH nach seiner Festnahme. In Summe waren es 46 Straftaten, die die Untersuchungsbehörde für den späteren Strafprozess in Straubing für ihre Anklage vorbereitete. 


Chronologische Zusammenstellung der Polizeiübertretungen, Vergehen und Verbrechen 

In der zweiten, wesentlich detaillierteren Zusammenstellung geht es um die polizeilichen Verfügungen, mit denen Heigls Umfeld  "ausgetrocknet" werden sollte.
Darin geht es dann auch eher um Anzeigen wegen Hehlerei, Unterschlupfgewährung, Racheakte, zwischenzeitliche Verhaftungen von Unterstützern und auch um Berichte über andere Bandenmitglieder.

"Summarische Uebersicht über die polizeilichen Verfügungen des königlichen Landgerichts Kötzting
seit Ende des Jahres 1845 bezüglich der Verhaftung des flüchtigen Verbrechers Michel Heigl von Beckendorf und der Beseitigung seines Anhangs
"

Diese zweite Liste wurde für den Regierungskommissar, Herrn Assessor Christoph, zusammengestellt, der im Frühjahr des entscheidenden Jahres 1853 nach Kötzting gekommen war und alle Vertreter der umliegenden Gemeinden in den "Postsaal" zitiert hatte. Dort hielt er ihnen eine Bußpredigt und Standpauke und ließ sie anschließend auch alle eigenhändig unterschreiben - viele nur mit einem Kreuzchen -, dass sie nicht nur versprachen, zukünftig bei der Jagd zusammenzuhalten, sondern sich auch der Konsequenzen klar waren, wenn dies alles nicht zum Erfolg führen würde. 
Es steht durchaus zu vermuten, dass manche der angezeigten - zumeist - Diebstähle gar nicht von Michael Heigl verübt wurden bzw. ihm dann doch nicht nachgewiesen werden konnten. Die schiere Menge an Anzeigen aber, die im Zusammenhang mit MH standen, führten jedoch zu einem Zustand der Unsicherheit sowohl auf Seiten der Bevölkerung als auch der Behörden.  
Als Folge dieser Lage mussten die beiden hauptbetroffenen Landgerichte, Kötzting und Viechtach, regelmäßig Berichte über ihren Sicherheitszustand abliefern.
Mit dieser Auflistung der polizeilichen Maßnahmen wird auch erkennbar, wo sich MH in der Anfangszeit seiner Flucht aufgehalten hatte. Der Rechtspraktikant Adolph Desch schrieb in dieser zweiten Auflistung - mit Stichtag des 2.3.1850 - auch bereits von mehr als 40 Reaten (Anklagepunkte), die gegen HM bereits vorlägen, sodass mit einer Verurteilung des MH mit Sicherheit zu rechnen wäre.
Der Regierungskommissar fasste die schiere Menge der Akten folgendermaßen zusammen:

ber diese strafrechtlichen Untersuchungsakten und hierher gehörigen polizeilichen Untersuchungsakten sind beim k. Landgerichte dahier 42 Faszikel (=Aktenbündel) erlaufen, welche die Höhe eines Tisches einnehmen, von dem k. Regierungscommissär durchgesehen und mit der vom k. Landgericht Kötzting zunächst dem geprüften Rechtspraktikanten Adolph Desch mit größtem Fleiße und vorzüglichster Sachkenntnis so bündig als möglich angefertigten chronologischen Zusammenstellung vom 3. des Monats verglichen wurde, wobei man die Überzeugung gewann, daß diese Zusammenstellung auch vollkommen wahrheitsgemäß abgefasst ist.

Bei den folgenden Blogbeiträgen über den Räuber Heigl werden wir zunächst diese beiden Zusammenstellungen zusammenführen, also sowohl die polizeilichen und die strafrechtliche Auflistung. Dieses Datengerüst wird dann jeweils ergänzt durch die Berichte der Gendarmeriestationen, die Reaktionen von Seiten des Landgerichts mit all den manchmal sehr hilflosen Erklärungsversuchen, warum dieser Mensch noch immer nicht gefasst werden konnte.

Seit Ende April 1843, nach seiner Entweichung gesucht, kommt es im Wirtshaus von Schönbuchen zu einem ersten Aufeinanderprallen mit der Obrigkeit. 
Die Staatsanwaltschaft stellte den Sachverhalt kurz und prägnant so dar: "Verbrechen der Widersetzung in idealer Conkurrenz mit dem Vergehen der Körperverletzung, verübt an dem Gerichtsdienersgehilfen Stangl im Wirtshause zu Schönbuchen." Entsprechend dem damaligen Strafgesetzbuch forderte die Staatsanwaltschaft alleine dafür bereits 4-8 Jahre Arbeitshaus.

Im selben Jahr fanden sich bei einer Hausdurchsuchung bei dem Häusler Josef Amberger in Watzlhof "verschiedene Gegenstände", die Diebstählen zugeordnet werden konnten. Das Ehepaar und die Kinder gaben an, dass die Gegenstände von Einbrüchen des MH stammten und sie diese nur verwahrt hätten. Dafür spräche auch, so die Staatsanwaltschaft, "der häufige Aufenthalt des Heigl in diesem Hause und sein mit Mutter und Tochter unterhaltenes Concubinatsverhältnis."

Es wird 1844 und am 8.1. werden MH und seine Freundin Anna Maria Gruber im Wirtshaus zu Heitzelsberg gesehen und auch, dass sie anschließend in Richtung der "Bleiche" gingen, wo sie die Wäschestücke des Bauern Josef Schreiner entwendeten, die dort frei in der Sonne lagen. Bereits eine Viertelstunde nach der Beobachtung des Paares wurde der Diebstahl entdeckt. Aufgrund des Wertes der Waren wird dieser Diebstahl bereits als Verbrechen eingestuft.

In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1844 kommt es zu einem Einbruch beim Metzger Wolfgang Zachmann in Grafenwiesen. Im Nachgang zu diesem Einbruch kam es fast zu einem Aufgriff.

Am 23. Juni d. Jhrs traff eine Gendarmerie=Patrouille beim sogenannten Bergpritzl den flüchtigen Verbrecher Michael Heigl und dessen Concubine, die durch die Flucht entkamen.
Man fand eine ziemliche Quantität Schaffleck daselbst vor nebst anderen Effekten. Kein Zweifel, daß sie von den dem erwähnten Metzger entwendeten Schafhammeln herrühren u. Heigl den Diebstahl verübte. Beruht auf der Vernehmung des Heigl"

Detail aus der Uraufnahmenkarte ca. um 1831 aus Bayernatlas.de
Hier das Laumerhaus und der "Bergpritzl" beide Anwesen stehen auch für die "Wohnstätten" der Therese Pritzl, heutzutage genannt die "Roude Res"

Am 28. Juni 1844, also nur wenige Tage später, nutzt MH erneut die günstige Gelegenheit und schnappt sich in der Sonne zur Bleiche ausgebreitete Leinwandstücke. Interessant an dieser Sache ist besonders der Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass solch einem Diebstahl als erschwerend angesehen werde, weil diese "Gegenstände unter einem besonderen Schutz des Gesetzes stünden." Der Geschädigte war der Bauer Paul Schlamminger aus Bärndorf.
Ein Tatzeuge beschrieb den Täter mit so genauen Einzelheiten, dass es keinen Zweifel darüber gab, dass es MH gewesen war, da "insbesonders diese Person im Gesicht zerkratzt war, und Heigl kurz zuvor bei einem rencontre mit dem Gerichtsdiensersgehilfen Stangl solche Gesichtsverletzungen erhalten hatte. Die Weibsperson glich der am 29. Juli d Jrs. eingelieferten Anna Maria Gruber."
Zusätzlicher Hinweis in den Akten : "Beruht auf seiner Habhaftwerdung beziehungsweise Vernehmung. Anna Maria Gruber befand sich also nun - zeitweise - in Polizeigewahrsam

"Diebstahl mit Einbruch - an sich Verbrechen - dem Betrage nach Vergehen 14 fl 34 xr zum Schaden der Bauerswittwe Walburga Weiß von Arndorf verübt am 15. Juli".
Überführt wurde MH in diesem Falle dadurch, dass die Mutter seiner Geliebten mit den entwendeten "Gegenständen" gesehen wurde.

Den nächsten "Bruch" musste er beim Kötztinger Hutmacher Josef Gulder verübt haben - Wert 33 Gulden. Überführt hatte ihn dabei die Tatsache, dass bei der Verhaftung seiner Geliebten, Anna Maria Gruber, sich bei Ihr Gegenstände fanden, die aus dem Einbruch stammten. 


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Das Haus des Hutmachers Josef Gulder - heutzutage mitten im Markt Kötzting am Spitalplatz gelegen - war damals ein richtiger Außenposten der Kötztinger Bebauung. Weiter draußen kam damals nur noch die freistehende Wiesmühle.

Der nächste Diebstahl fand in Vordereschlsaign statt, eine gewaltsamer Einbruch beim Bauern Josef Aschenbrenner. Auch hier gelang die Überführung durch Funde, die sich bei der Gefangennahme der Anna Maria Gruber ergaben und diese dabei nicht belegen konnte, dass sie diese Gegenstände legal hatte erwerben können.

Weiter geht´s in Grub, beim Gärtner Paul Dimpfl wird eingebrochen und auch von diesem Raubzug finden sich Gegenstände bei Anna Maria Gruber, die allerdings hier angab, sie hätte diese vom Michael Heigl geschenkt bekommen.

 Der letzte Tatort des Jahres 1744 befindet sich in Hohenwarth und der Geschädigte ist der Austragsmüller Dionys Höherl. Diesen Diebstahl hatte Heigl wohl zusammen mit mindestens einem Komplizen durchgeführt, denn einer seiner Mittäter - Simon Kreuzer mit Namen - hatte nach seiner Entlassung aus dem Arbeitshaus zugegeben, bei dem "Bruch" dabei gewesen zu sein und "seine genauen Lokalkenntnisse und Personalwissenschaft lassen an der Wahrheit seiner Behauptungen nicht zweifeln".

All diese bisherigen - detaillierten - Einzelbeschreibungen - kurz zur Erinnerung - sind Teil der Vorbereitung der Staatsanwaltschaft auf den Strafprozess - enthalten jeweils am Ende den Hinweis:  "Beruht auf der Vernehmung des Heigl"

Gleichzeitig gibt es natürlich auch noch die Protokolle der Gendarmeriestation, wo sich Anzeigen und Arbeitsnachweise vermischten.

31.1.1844 wurde der Bauer Josef Milbauer von Oberhudlach wegen nächtlicher Unterschlupfgebung des flüchtigen Michael Heigl durch Brigadier Hertwich angezeigt.

8.3.1844 wurde der Bauer Josef Karl von Kolmberg wegen nächtlicher Unterschlupfgebung des flüchtigen Heigl durch Brigadier Bichler angezeigt.

10.4.1844 wurde dem flüchtigen Heigl bei einer Verfolgung im Walde ein Mantel und sonstige Effekten durch Gendarm Bichler abgejagt und mittels Anzeige eingeliefert.

16.5.1844 wurde Michael Heigl wegen Uhr- und Schuhmacherwerkzeug Diebstahlverdachts zu 18 fl. Werts durch Brigadier Hartwich angezeigt

23.6.1844            wurde der Söldner Josef Geiger von Gotzendorf wegen Diebshehlerei und Unterschlupfgebung des flüchtigen Heigl mit Effekten durch Brigadier Hertwich arretiert.

Im Jahre 1844 bereits versuchte die Polizeibehörde - allerdings vergeblich - das Umfeld Heigls auszutrocknen, hatte aber noch keine Vorstellung davon, wie groß und umfangreich das Unterstützerfeld Heigls damals bereits (oder grundsätzlich) war.

In der Auflistung der Staatsanwaltschaft ist auffallend, dass vom Sommer 1845 bis zum Herbst 1846 keinerlei - nachgewiesene - Straftaten Michael Heigls aufgeführt sind.
Ähnlich gelagert ist es bei den Polizeiakten, auch dort gibt es eine "Fund"leere vom Sommer 1844 bis Herbst 1845. 

17.11.1845          Gendarmerieanzeige:  Verhaftung des Josef Dobmeier von Watzlhof der Verbindung mit Heigl verdächtig und wegen Müßiggangs angezeigt. War mit Heigl im Wirtshaus zu Thenning zusammen mit Josef Schuderer von Thenning.  beide wurden verhaftet:  Strafe Dobmeier  18 Tage im Gefängnis und 15 Rutenstreiche Schuderer 10 Rutenstreiche im Berufungswege erlassen aber sofort für 4 Monate ins Arbeitshaus

Dies passt nun zeitlich genau mit dem Amtsantritt des neuen Landrichters Carl von Paur zusammen, dessen Amtsantritt der Oktober 1845 gewesen war und offensichtlich schnell daran gehen wollte, den Problemfall Heigl sich vom Hals zu schaffen.

Carl von Paur, der neue Kötztinger Amtsrichter

Jede Person, der ein Kontakt oder Unterstützung des MH nachgewiesen werden konnte, wurde nun zum Ziel der Verfolgung.

13.12.1845          Michael Fechter ledig aus Gotzendorf des Umgangs mit Heigl dringend verdächtigt Strafe: muss sich innerhalb von 8 Tage um eine Bauernsarbeit annehmen bei Vermeidung körperlicher Züchtigung.
Einschub
Diese von Seiten des Landgerichts kategorische  - um eine körperliche Bestrafung zu vermeiden - Aufforderung, sich eine Arbeitsstelle zu suchen, steht im krassen Gegensatz zu der Lageanalyse desselben Landgerichts, dass es für die viel zu vielen heranwachsenden jungen Menschen im "Waldrevier" keinerlei Arbeitsmöglichkeiten gab und ausserhalb der Heimat auch nur in den Sommermonaten.
Einschub Ende

15.11.1845          Gendarmerieanzeige:  Heigl war am 12.11.im Wirtshaus zu Thenning , trank, aß und ließ sich aufspielen  durch die Musiker Wolfgang und Franz Brandl von Ansdorf. Strafe: Wirt Geiger 5 fl.  und in die Kosten des Beschlusses verurteilt, den beiden Musikern wurden die Patente entzogen und 3 Tage in Arrest. Dieses "Schurkenstück" Heigls in aller Öffentlichkeit war vermutlich der Grund, dass der neue Landrichter eine große Suchaktion gestartet hatte.

12.12.1845          "Johann Liebl, Inwohnerssohn von Hundzell, Gemeinde Ansdorf, angeschuldigt mit Heigl vom Wirtshause zu Thenning auf das Wirtshaus zu Schönbuchen in Gesellschaft von Musikanten gezogen zu sein.>>>> 8 tägiger Polizeiarrest und ein ganzes Jahr unter Polizeiaufsicht gestellt.

17.12.1845          Suche unter Leitung von Carl von Paur :  "unter größtem Eifer" von 2-8 Uhr früh mit Gendarmerie, Forstpersonal und Gerichtsdiener, Suche nach den Schlupfwinkeln in den Gemeinden: Gotzendorf, Arndorf, Grafenwiesen und Ansdorf. Erfolg: erfolglos

20.12.1845          Josef Schreil  Häuslerssohn von Reitenstein der Teilnahme und Verbindung mit Heigl verdächtig, wurde vernommen und anschließend unter strenge Polizeiaufsicht gestellt.

Seine Freundin Anna Maria Gruber kommt wieder frei:

Die im Sommer 1844 verhaftete Anna Maria Gruber wurde danach verurteilt und ins Arbeitshaus gesteckt, wovon sie erst im Dezember 1845 wieder nach Hause zurückkehren durfte, dabei war es aber nicht geblieben: Lapidar heißt es in der Zusammenstellung der Gendarmerie:

Dezember 1845          "Die aus dem Arbeitshause zurückgekehrte Geliebte Anna Maria Gruber ledig von Reitenstein,  Gemeinde Arndorf, zog neuerlich die Aufmerksamkeit des Gerichts auf sich. Da sie in einem ständigen Dienst nicht treten konnte, wurde durch Beschluss vom 20.Dezember 1845 ihre neuerliche Einschaffung ins Zwangsarbeitshaus beschlossen und sie sofort dahin abgeliefert. Dieser Beschluss aber durch hohe Regierungsentschließung vom 14/19 Jänner 1846 außer Wirksamkeit gesetzt."

21.3.1846            "Anzeige der Anna Maria Gruber bei Amt, dass sie von Heigl, mit dem weiterzugehen sie sich geweigert, arg misshandelt worden und er im Berghäusl bei Arndorf sich aufhalte

8.10.1846            Anzeige durch Brigadier Haas, dass Heigl in Gesellschaft des Anton Pritzl, Dienstknecht beim Bauern Vogl in Gotzendorf gesehen worden sei.

9.10.1846            die beiden Dienstknechte Anton Pritzl und Michael Bilmayer von Gotzendorf wegen gefährlicher Verbindung mit dem flüchtigen Heigl durch Brigadier Haas angezeigt.

18.10.1846          wurde dem flüchtigen Heigl in einer Waldung durch die beiden Gendarmen Baumann und Süß durch Verfolgung eine Pistole und Effekten abgejagt und mittels Anzeige eingeliefert.

19.10.1846          wurde Michael Heigl wegen ausgestoßener gefährlicher Drohungen über die Gendarmerie durch Brigadier Haas angezeigt.

20.10.1846          wurde der "Wirt Josef Mühlbauer von Liebenstein wegen unangezeigter Aufenthaltsgestattung und verdächtigem Unterschlupfgeben der flüchtigen Michael Heigl und Pongratz durch Gendarm Baumann angezeigt".

22.10.1846          Anzeige der Gendarmeriebrigade Kötzting: Heigl und sein Komplize Josef Pongratz vulgo Maulaffenhiesl wurden durch Gendarmen Baumann im Wirtshaus zu Liebenstein angetroffen, konnten sich aber widersetzen und wegen der Hilfe der Wirtsleute entkommen.>>>> der Wirt Mühlbauer musste nach eingehender Untersuchung 3 Gulden Strafe zahlen.

25.10.1846          wurde Michael Heigl wegen mutwilligen scharfen Schüssen nach dem Häuslerssohn Michael Asam von Reitenberg durch Brigadier Haas angezeigt.

Bereits zwei Wochen vorher war Heigl bei einer Verfolgungsjagd eine Pistole "abgejagt" worden, kurz danach hatte er vor Zeugen Drohungen gegen den Brigadier Haas ausgestoßen und nun hatte er -aus Rache gegen diesen einen und gleichzeitig als Warnung an alle andere - sogar auf einen Menschen geschossen. Damit hatte er aber endgültig die Grenze zwischen einem kleinen Ganoven mit Gelegenheitsdiebstählen und einem Verbrecher überschritten.
Jetzt beginnt auch die Phase, ab der man von einer "Räuber Heigl Bande" sprechen konnte, denn ab nun ist er bei den vielen seiner "Aktionen" im Verein mit wechselnden Spießgesellen. Hier ist erstmals sein Komplize Josef Pongratz aus Kager, vulgo Maulaffenhiesl, aufgeführt, der allerdings schon im Jahre drauf aufgegriffen und auch separat abgeurteilt wurde.

Dass sich die Aufgriffe von jungen Männern - wegen Unterstützung des MH - im Landgericht Kötzting gerade immer im Herbst häuften, hatte sicherlich auch eine Ursache darin, dass diese, wie Carl von Paur in seinem unten folgenden Bericht beschrieb, im Sommer sich im Gäuboden verdingten, dann aber, nach der Erntezeit, mittellos und ohne jegliche Aussicht auf eine Verdienstmöglichkeit sich wieder in der Heimat einfanden.

 

Vermessungsamt Cham Liquidationsprotokoll
Schaut man sich diese Detailaufnahme genauer an, so finden sich eigentlich auf der ganzen Karte Wald und wieder Wald. Inmitten des Waldgebietes, das fast die komplette Karte ausfüllt, finden sich ein paar kleine Inseln von Besiedelung.
Aus dem Laumer/Pritzlhaus stammte seine spätere Freundin Therese Pritzl, ihr Vater war schon vorher einer von Heigls Hehlern und Unterschlupfgeber gewesen. In Waid, beim Schillinger wohnte zeitweise seine erste Geliebte Anna Maria Gruber, mit der er sich übrigens später offensichtlich wieder weitgehend versöhnt haben musste, da sie im großen Heiglprozess auch eine der Angeklagten gewesen war. 
Dann gab es da noch sein Lieblingslokal in Schönbuchen und dazwischen jede Menge an Wegen, Schleichwegen, Gebüsch, Wald und damit gute Versteckmöglichkeiten.

Am 12.11.1846 schrieb Carl von Paur an das Gendarmeriekommando von Niederbayern und bat um Verstärkung seiner Gendarmeriemannschaft.
Zuerst bedankt sich v.Paur beim Kommando, dass diese Behörde ihm bereits bei seiner Ankunft eine so gut ausgebildete Gendarmeriemannschaft zur Verfügung gestellt hatte, jedoch "vermag die Brigade ungeachtet der rastlosesten Anstrengung kaum die Masse des liederlichen und diebischen Gesindels im Zaume zu halten. Daher der Antrag einer Station mit 3 Mann im Markte Neukirchen."
Weiter führt er aus: 
"…dass das Gerichtsbezirk mit sehr hohen Bergen und vielen großen zusammenhängenden
Waldungen
durchzogen für den Kontrolldienst insbesondere im Winter bei der sehr tiefen Schneelage einer der beschwerlichsten Bezirke im Kreise ist. Dieses so ungünstige Terrain Verhältnis erschwert den Sicherheitsdienst wesentlich und ,macht es dem arbeitsscheuen und diebischen Gesindel möglich sich der Aufsicht zu entziehen, und so allein nur ist es erklärbar, dass sich Diebe und Verbrecher als namentlich Michael Heigl von Beckendorf und Josef Pongratz, vulgo Maulaffenhiesl, von Kager, 5 Jahre lang größtenteils im Freien halten und dem Aufgriffe sich entziehen konnten. Derlei Gesindel bewohnt Höhlen und Schluchten auf den Waldbergen, die nicht leicht auf findig und schwer zugänglich sind.

Es wurden im heurigen Sommer und erst jüngst wieder solche Schlupfwinkel auf dem Hohenbogen
 von der k. Gendarmerie entdeckt und zerstört. Ferner ist ein großer Teil der jüngeren Bevölkerung namentlich die Söhne der Inwohner den Winter über beschäftigungslos, da die Bauern dieser Gegend, nur sehr wenige ausgenommen, keine Dienstboten halten und ihre ökonomischen Arbeiten größten
Teils durch die Inleute verrichten lassen. Die Söhne dieser Inleute fuhren den Sommer über im Flachlande Verdienst als Ökonomietaglöhner, oder sie arbeiten bei Eisenbahn und Festungsbauten und kehren im Spätherbst in die Heimat zurück, in der Regel ohne Ersparnis, und leben zudem von unsicherem Erwerbe.
Die vielen Inwohner sind ein wesentliches Hindernis der Sicherheit, da sie die Diebereyen durch Diebshehlerei oder Verschleppung gestohlener Effekten begünstigen.
Weiters ist zu berücksichtigen, dass das Landgericht einer größten Ausdehnung nach an die böhmische Grenze anliegt, an welcher der sehr demoralisierende Schmuggelhandel bei Tag und Nacht betrieben wird, der viele Einwohner, namentlich rüstige Burschen, vom ehrlichen Verdienste ab und zu einer vagierenden Lebensweise hinzieht.
Den unter Polizeiaufsicht gestellten Personen angemessene Beschäftigung zu geben ist teils wegen Mangel an Arbeitsgelegenheit teils wegen Scheu der Gefahr bei Aufnahme solcher Personen in ein ordentliches Haus gar nicht möglich, sie sind daher mehr oder minder auf unsicheren und unredlichen Erwerb angewiesen.
"

Nun wurde, noch im Herbst 1846, angeordnet, dass bei der Reparatur der Distriktstraße von Kötzting nach Lam, welche die von Heigl gefährdeten Bereiche durchschneidet, die Auslichtung des an die Straße stoßenden Waldes auf die verordnungsmäßige Distanz von 15 Schritten zu geschehen habe.



Am Ende noch der link auf die bisher veröffentlichten Teile zum Thema Räuber Heigl

Freitag, 23. September 2022

Michael Heigl - eine Dokumentation Teil 5

 

Michael Heigl und seine Unterstützer
die Entstehung einer prekären Unterschicht im Bayerischen Wald


Zuerst jedoch ein Hinweis auf die Teile der Dokumentation, die bereits veröffentlicht sind:

Zum Einstieg:  ein Bild und seine Geschichte: das Laumerhaus von Gotzendorf
Teil 1 der Dokumentation: Der Familienverband des Michael Heigl
Teil 2 Die Heigls in Beckendorf
Teil 3 Michael Heigl im Spiegel der Veröffentlichungen
Teil 4 Michael Heigl und seine Brüder geraten ins Blickfeld der Behörden


StA Landshut RegvNB KdI Rep. 168-1 Nr. 63944 Karte des LG Kötztings von 1822
Die Original-Landkarte des Landgerichts Kötzting, die der Landrichter Carl von Paur und seine Behörde benutzten und "bearbeiteten" bei ihrer Suche nach dem Michael Heigl.
Dies ist ein ganz besonderes Schmankerl in den Heigl-Akten, die faltbare Landkarte des Landgerichtes Kötzting aus dem Jahre 1822. Diese Karte benutzten die Kötztinger Beamten und in diese Karte haben sie auch ihre besonderen Schwierigkeiten hineingezeichnet, die sie mit dem örtlichen Terrain hatten, die Vorwälder und Birkenberge. Auch wenn sie es bei der Illustration etwas übertrieben haben, so liegt doch dort einer der Schlüssel, wie es Heigl gelingen konnte, sich solange dem Zugriff zu entziehen.


Schaut man sich die Karte im Detail an, so haben die "Heigljäger" den Waldsaum der umliegenden Bergzüge jeweils fast bis herunter ins Tal verlängert, der Weg von Beckendorf über Schönbuchen, Gotzendorf bis Hohenwarth verläuft nach dieser Karte somit eigentlich komplett im Wald. Es bleiben also gerade mal die Nahbereiche der Fluss- und Bachläufe als freies Gelände übrig.

Zu diesem, von den Behörden als ein so unzugängliches, stark bewaldetes und zerklüftetes beschriebenes Gelände kam nun eine ganz besondere Form der Besiedlung, besser gesagt der Zersiedlung dieser Waldsäume durch eine offensichtlich nur bei uns so stark vertretene und stark angewachsene Bevölkerungsgruppe, die Inleute mit ihren Inhäuseln.
Selbst auf heutigen Luftaufnahmen kann man manchmal noch die damaligen Landschaftsstrukturen erahnen. Hier eine Luftaufnahme aus der Nähe von Hohenwarth


Dazu muss ich aber zuerst einmal auf die grundsätzliche Bevölkerungsentwicklung eingehen, die  vermutlich in ganz Bayern zunächst ähnlich sich entwickelt hat.

Das Kötztinger Land im beginnenden 19. Jahrhundert mit seinen Problemen



In all den Jahren, in denen Michael Heigl sich dem Zugriff der Behörden entziehen konnte, stellten die Beamten, die ihr Versagen, den Verbrecher zu fangen, ihren Vorgesetzten irgendwie zu erklären hatten, immer wieder zwei Problemfelder heraus: das äußerst unwegsame Gelände und die „Charakterlosigkeit“ der viel zu vielen Inleute, die es in dem Landgericht Kötzting gab.
Nun gab es Inleute, also Familien ohne jeden Besitz an Grund und Boden und zumeist auch ohne handwerkliche Ausbildung, in allen Bereichen Bayerns. Diese Inleute verdienten sich ihr tägliches Brot zunächst einmal als kostenlose Mithelfer auf dem Bauernhof, dessen Besitzer sie ausgeliefert waren, und in einem geringen Maße vielleicht auch als Tagelöhner. Anders als bei den großen Höfen außerhalb des Bayerischen Waldes verdrängten hier die Inleute teilweise sogar die Knechte und Mägde, die den Bauern ja Geld kosteten. Nun war die Struktur der Bauernhöfe im Wald aber nicht so, dass es für die immer weiter steigende Anzahl an Inleuten Arbeit gegeben hätte, und wenn doch, dann eben nur für den Vater, der ja als Inmann im Inhaus eingemietet war und nicht mehr für die vielen, vielen Kinder, welche die Inleute  natürlich auch bekamen, und die sehr schnell ins arbeitsfähige Alter heranwuchsen.. In den Folgejahren wandten die Behörden das Mittel der Heiratserlaubnis für viele Inleute immer restriktiver an,  weshalb dann auch die Zahl der unehelichen Kinder regelrecht explodierte.

Ich habe mir vor vielen Jahren einmal ein Programmtool geschrieben, das die verkarteten Pfarrmatrikel auch statistisch auswerten konnte und mir die Entwicklung der unehelichen Geburten im Verhältnis zu den ehelichen herauspicken lassen. Um hier mit dem Zahlenwerk nicht zu sehr zu ermüden, habe ich hier nur 4 Zehnjahresblöcke aus den 250 Jahren der Kötztinger verkarteten Pfarrmatrikel herausgepickt


 

In dieser ersten Tabelle sieht man wie sich die Geburtensituation, offensichtlich sehr schnell, nach der Katastrophe des Schwedeneinfalls 1633, wieder normalisiert hatte.

In der nächsten Tabelle -zwei, drei Generationen später - sind es tendenziell eher weniger Geburten darunter aber bereits erkennbar ein Anstieg der unehelichen Kinder. Man muss allerdings berücksichtigen, dass ab 1704 der Spanische Erbfolgekrieg viele, viele Soldaten nach Kötzting brachte, was den Peak auch erklären kann



Gehen wir erneut 2 Generationen weiter – dazwischen gab es noch den Österreichischen Erbfolgekrieg, erneut mit einem Ausbruch der unehelichen Kinder nach oben – man sieht, die Geburtenzahlen steigen an, nun dauerhaft über 150 und manchmal sogar die 200er Marke übersteigend. Aber noch viel stärker steigen die Geburten der unehelichen Kinder.

 

Und nun die Situation in dem Zeitraum, nur 15 Jahre später, den Zeitraum, in dem Michael Heigl geboren wurde und seine vielköpfige Familie existieren musste. Michael Heigl ist im Mai 1817 geboren, in seinem Prozess ist fälschlicherweise die Jahreszahl 1816 genannt. Im beginnenden 19. Jahrhundert haben sich die Geburten im Bereich der durch staatliche Eingriffe sogar verkleinerten Pfarrei Kötzting auf dem hohen Niveau stabilisiert, aber die Zahl der unehelichen Geburten geht fast durch die Decke. Es sind die Kinder der Inleute, die selber am Existenzminimum leben, welche dann folgend keine Heiratserlaubnis erhalten und deren Kinder sich in die Zahl derer einreihen, die in der Gesellschaft im Bayerischen Wald eigentlich keine Zukunft haben werden. 

 

Diese Entwicklung ist auch die Hauptursache für die explodierenden Zahlen der Auswanderer. In den Jahren von 1846 bis 1933 sind direkt 1871 Männer und Frauen nach Amerika ausgewandert. 1810 hatte der damalige Landrichter Pechmann nach München berichtet, dass im Winter im Landgericht Kötzting bis zu 8000(!) Spinnräder sich drehten, auch die Knechte wurden dazu angehalten. Noch 1830 hatte man im Landgericht 190 Weber. Der einsetzenden Mechanisierung der Tuchherstellung hatten die Waldler nichts entgegenzusetzen. Es kam sogar zu dem verzweifelten Versuch mancher Gemeinden (siehe Dr. Sommerfeldt am 3.1.1952) Gelder zusammenzulegen um den „armen Teufeln“, die der Gemeinde auf der Tasche lagen, eine Überfahrt ins Amerika zu ermöglichen. An den Zahlen kann man ermessen, welch eine Explosivkraft gepaart mit Hoffnungslosigkeit in der Entwicklung der sozial untersten Schicht steckte.
In diese Situation – nichts zu arbeiten und zu essen – wurde Michael Heigl hineingeboren, in eine „geschichtete“ Dorfgemeinschaft, die in Beckendorf auch ein paar „große“ Bauern mit prächtigem Grundbesitz kannte und im nahen Markt Kötzting eine prosperierende Bürgerschaft, die zusammen mit den königlichen Beamten ein fröhliches Leben führte. (Das Lebensbild des königlich bayerischen Amtsgerichts, mit dem Herrn Rat war es nicht mehr weit entfernt, auch wenn der "Herr Rat" der Fernsehserie im Jahre 1850 noch der Herr Landrichter gewesen war).

Es hatten sich also in den 150 Jahren seit Mitte des 17. Jahrhunderts die Geburtenzahlen in etwa verdoppelt, während sich die Zahlen der unehelichen Geburten mehr als verzehnfacht haben. Insgesamt – bei vergleichbarer gewerblicher und landschaftlicher Produktion - mussten viele mehr Münder gefüttert und viel mehr Händen Arbeit gegeben werden, wobei der Bayerische Wald, aufgrund seiner Randlage eh eher unterentwickelt, nun aber immer mehr ins Abseits geriet.
Carl von Paur, der die Hauptverantwortung bei der Jagd auf Michael Heigl trug, benannte diese Problematik ganz deutlich und schrieb an das Innenministerium

"Die jungen Leute verdingten sich im Sommer außerhalb des bayerischen Waldes im Bereich der Landwirtschaft und wurden nach Abschluss der Ernte sofort nach Hause geschickt. " Weiter berichtet er von diesen damit verbundenen Problemen und beschreibt die Situation, dass "diese jungen Leute ihren Lohn meist vollständig bereits verbraucht hatten, wenn sie schlagartig Alle wieder nach Hause kamen und dann perspektivlos und ohne jedes Geld in der Tasche den langen, langen Winter vor sich sähen. Aus diesem Grunde würden sie jede, aber auch jede Gelegenheit nutzen zu hehlen und zu stehlen, um zu Geld zu kommen".
Dies war die Krux für die vielen Nachkommen der Inleute, es gab für sie keine Arbeit; lungerten sie  aber herum, so drohte ihnen wegen ihres "Müßigganges" eine Bestrafung in der Reihenfolge: Ermahnung, Rutenhiebe und als letzte Stufe die Einlieferung in ein  Arbeitshaus.
Auch der Kötztinger Brigadier Haas benutzte ähnliche Worte, als er beim k. Gendarmerie Compagnie=Commando um eine zusätzliche Wachmannschaft für Neukirchen beim hl. Blut am 12.11.1846 nachfragte.

Verstärkungsbedürfnis der Gendarmeriemannschaft
… vermag die Brigade ungeachtet der rastlosesten Anstrengung kaum die Masse des liederlichen und diebischen Gesindels im Zaume zu halten. Daher der Antrag einer Station mit 3 Mann im Markte Neukirchen.
…dass das Gerichtsbezirk mit sehr hohen Bergen und vielen großen zusammenhängenden Waldungen durchzogen für den Kontrolldienst insbesondere im Winter bei der sehr tiefen Schneelage einer der beschwerlichsten Bezirke im Kreise ist. Dieses so ungünstige Terrain Verhältnis erschwert den Sicherheitsdienst wesentlich und macht es dem arbeitsscheu und diebischen Gesindel möglich, sich der Aufsicht zu entziehen, und so allein nur ist es erklärbar, dass sich Diebe und Verbrecher als namentlich Michael Heigl von Beckendorf und Josef Pongratz, vulgo Maulaffenhiesl, von Kager, 5 Jahre lang größtenteils im Freien halten, und dem Aufgriffe sich entziehen konnten. Derlei Gesindel bewohnt Höhlen und Schluchten auf den Waldbergen, die nicht leicht auffindig  und schwer zugänglich sind.
Es wurden im heurigen Sommer und erst jüngst wieder solche Schlupfwinkel auf dem Hohenbogen von der k. Gendarmerie entdeckt und zerstört. Ferner ist ein großer Teil der jüngeren Bevölkerung, namentlich die Söhne der Inwohner, den Winter über beschäftigungslos, da die Bauern dieser Gegend, nur sehr wenige ausgenommen, keine Dienstboten halten und ihre ökonomischen Arbeiten größten Teils durch die Inleute verrichten lassen. Die Söhne dieser Inleute fuhren den Sommer über im Flachlande Verdienst als Ökonomietaglöhner, oder sie arbeiten bei Eisenbahn und Festungsbauten und kehren im Spätherbst in die Heimat zurück, in der Regel ohne Ersparnis, und leben zudem von unsicherem Erwerbe.
Die vielen Inwohner sind ein wesentliches Hindernis der Sicherheit, da sie die Diebereyen durch Diebshehlerei oder Verschleppung gestohlener Effekten begünstigen.
Weiters ist zu berücksichtigen, dass das Landgericht einer größten Ausdehnung nach an die böhmische Grenze anliegt, an welcher der sehr demoralisierende Schmuggelhandel bei Tag und Nacht betrieben wird, der viele Einwohner, namentlich rüstige Burschen, vom ehrlichen Verdienste ab und zu einer vagierenden Lebensweise hinzieht.
Den unter Polizeiaufsicht gestellten Personen angemessene Beschäftigung zu geben, ist teils wegen Mangel an Arbeitsgelegenheit, teils wegen Scheu der Gefahr bei Aufnahme solcher Personen in ein ordentliches Haus, gar nicht möglich, sie sind daher mehr oder minder auf unsichere und unredliche Erwerb angewiesen. 

Diese und ähnliche Erklärungsversuche werden in den folgenden Jahren immer wieder bemüht werden, wenn die Behörden in Landshut und München, in Unkenntnis der Situation, die Schuld bei den Beamten suchen.
Erneut ist es Carl von Paur, der an anderer Stelle den Landbewohnern des Landgerichts ein schlechtes Zeugnis ausstellt.


Der großen Mehrzahl der Bevölkerung ist die Abwartung des Heigl eine ganz gleich gültige Sache, und ein anderer, ebenfalls nicht unbeträchtlicher Teil der selben steht auf einer moralisch so tiefen Stufe, dass er die Aufbringung eines Verbrechers für Sünde hält, und eher zur Unterschlupfgebung und Verheimlichung, als zur Anzeige geneigt ist.

- Übrigens hat es bisher an geheimen und vertraulichen Mitteilungen über den Aufenthalt des Heigl keineswegs ermangelt, was auch eine vertrauliche Korrespondenz des Gehorsams Unterzeichneten mit dem Chef des K & K böhmischen Gendarmeriekommandos im Klattau und infolgedessen eine große Streife auf böhmischen Gebiete längst der bayerischen Landesgrenzen veranlasst hat, allein ebenfalls ohne Erfolg

- Es sind weniger die Besitzer der Bauernanwesen, als vielmehr die Inwohner welche der Unterschlupfgebung verdächtigt werden können, deren Wohnungen entfernt von den Höfen häufig ganz isoliert und zunächst wohl auch in den Waldungen an den Bergabhängen situiert sind. Diese Gattung der Bevölkerung ist bei dem häufigen Wechsel deren Wohnungen schwer zu überwachen, und als zumeist ganz arm und in tiefster Not lebend sehr geneigt, aus der Unterschlupfgebung eines Verbrechers Vorteil zu suchen




Hier ein weiteres Beispiel solcher "hinaus" gebauter Häusel am Waldrand


Die beste Zusammenstellung all der Gründe, warum es Heigl so lange gelang, stammte vom königlichen Rentbeamten Ludwig Härtl, der diese im Zusammenhang mit dem Besuch des Regierungsassessors Christoph gemacht hatte,  welcher in der Endphase der Jagd auf den Heigl sämtliche Gemeindevorstände und -schreiber des Landgerichts Kötzting ins Hotel zur Post beordert hatte und ihnen eine - an anderer Stelle vorgestellte - mit Vorwürfen gespickte Rede hielt, strenge Konsequenzen androhte und am Ende alle Beteiligten unterschreiben ließ.
Härtl führte aus:

"Generalia: Er sei bereits seit 4 Jahren Rentbeamter und von Anfang an mit Interesse bei der Heiglschen Angelegenheit dabei gewesen und möchte seine persönlichen Erfahrungen kurz zusammenfassen:

Die hiesige Verfolgung sei immer fruchtlos, da Heigl immer wieder – wenn man ihm hier zu Leibe ginge – auf andere Gebiete auswich: teils in Cham, teils in Viechtach, teils in böhmischen Bezirken, wo er sich dann ganz ungestört, so lange er mochte, aufhalten konnte. Es fehlte jedes Zusammenwirken der benachbarten Gebiete. Die Gendarmerie aber bestehe nur aus den gewöhnlichen Stationen, nur vor ein paar Jahren wurde auf Aufforderung – des Landgerichts - auch in Hohenwarth eine Station errichtet – für den Winter, aber erst im Sommer genehmigt - diese aber später wieder abgezogen. Auch mit viel Militär wäre es schwierig angesichts des Geländes und der Unterstützung den Flüchtling zu finden. Die Aufnahme von Gerichtsdienern sei unzweckdienlich, weil diese ausschließlich aus Taglöhner bestehe, welche einfach keine tauglichen Subjekte für solch einen Gehilfendienst seien.

Auch die Struktur der sogenannten hinausgebauten Häuseln“ (nicht Häusler!) sei etwas, was man eigentlich nur hier finden würde. Die Inwohner sind idR verheiratete Familien, die bei dem Bauern einen kleinen Fleck Grund haben und bei dem selben gegen Lohn von 4-6 Kreuzer und Kost im Taglohn arbeiten, übrigens selbst wieder völlig besitzlose Personen, ledige Weibspersonen mit Kindern bei sich haben, welche Umstände das Vorhandensein eines ordentlichen Dienstbotenstandes völlig verdrängen.

Solche Personen, die in Masse zu einem einzigen Hof gehören, bilden eine förmliche unzerreissliche Kette, welche durchaus nichts angeben und ihren Bauern mehr fürchten als die Behörden und die Gendarmerie, während ordentliche Dienstboten wegen der freistehenden Aufkündzeit viel unabhängiger seien.

Diese Inwohner und Afterinwohner befinden sich in s.g. Inhäuseln und hinausgebauten Häuseln….
Bei der Armut, dem Elend und der Abhängigkeit dieser Inwohner, welche weitaus die Mehrheit des Amtsbezirkes bilden, dabei dem völligen Mangel an gesetzlichem Sinn und einer völligen Abgestumpftheit für alles Bessere, zugleich der Herrschaft großen Aberglaubens und großer Leichtgläubigkeit bedarf es keiner ferneren Erläuterung dass ein Mensch, wie Heigl, von allen Seiten Unterstützung zu hoffen und zu genießen hat

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Zusammenfassend gab es also zunächst drei große Schwierigkeiten:
  • das große und unübersichtliche Waldgebirge entlang der böhmischen Grenze
  • eine Bevölkerungsschicht ohne jede realistische Lebensperspektive und daher jederzeit bereit, als Helfer, Hehler oder Unterschlupfgeber dem Heigl unterstützend zur Seite zu stehen
  • die Lage der Häuser genau DIESER Bevölkerungsschicht im Wald bzw. hart am Waldrand.

  • Später kam dann noch eine durchaus berechtigte Angst vor Heigls Rache hinzu, als er mehrmals auf grausame Art Vergeltung geübt hatte.

Am Ende noch der link auf die bisher veröffentlichten Teile zum Thema Räuber Heigl