Eugen
Hubrich schrieb um 1952 mit dem Manuskript: „Der Pfingstritt zu
Kötzting“ eine volkskundlich- geschichtliche Würdigung unseres
Traditionsrittes. In diesem Manuskript verwendete er Archivalien, die
heutzutage als verschwunden gelten. Diese transkribierten Akten der
Jahre 1783 und 1784, zusammen mit neueren Funden in den staatlichen
Archiven, ergeben ein interessantes aber ganz anderes Bild vom Ablauf
des Pfingstrittes im 18. Jahrhundert
Im
Zusammenhang mit der Erstellung des Buches über und für den
Jubiläumsritt 600 Jahre Pfingstritt wurde ich von einem Kötztinger
Redakteur gefragt, ob man denn noch „etwas“ Neues, bisher Unbekanntes,
über den Pfingstritt in den überregionalen Archiven finden könne, wenn
mal nur noch mal so richtig suchen würde? Ich hatte es kategorisch
ausgeschlossen, diese Wiese sei wohl schon vor 100 Jahren vollständig
abgegrast worden und Neues könne sich da nirgends mehr verstecken. Nun
manchmal täuscht man sich und fast genau zum Herausgabezeitpunkt des
Jubiläumsbuches, das ja unseren derzeitigen/damaligen Wissenstand über
den Pfingstritt und seine Feier bündeln sollte, kommt von unerwarteter
Seite doch noch bisher unbekanntes Material zutage.
Doch der
Reihe nach. Es gibt im Stadtarchiv einen Akt über den Pfingstritt, der
nur noch aus dem Umschlagsdeckel und der Signatur besteht. Der Inhalt
ist seit langer Zeit verschwunden und nur durch vorbereitende Arbeiten
des Kooperators Riederer im Zusammenhang mit dem 500er Jubiläumsritt
1912 – damals hatte der Akt noch einen Inhalt – wissen wir, dass es um
Streitigkeiten von Kötztinger Bürgerssöhnen mit der Regierung in
Straubing gegangen war. Bei Renovierungsarbeiten im Büro unseres
Stadtpfarrers Mader tauchten plötzlich zwei Manuskripte aus der Feder
von Eugen Hubrich auf, der sich die Aufgabe gestellt hatte, die
Entstehungsgeschichte unseres Pfingstrittes in volkskundlicher Hinsicht
zu untersuchen und sich sehr fleißig in die Fachliteratur und
Archivalien eingearbeitet hatte. Das Manuskript ist im Jahre 1950/51
geschrieben worden.
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Offensichtlich
stand Eugen Hubrich, einem Oberstudienrat in Straubing und Leiter des
Kötztinger Stadtarchivs, der fragliche Akt noch zur Verfügung und, anders als Kooperator Riederer 40 Jahre zuvor, fasste Hubrich nicht
einfach die amtlichen Schreiben zusammen, sondern transkribierte die
meisten der Briefe wortwörtlich und gibt uns somit nicht nur einen ganz
neuen Einblick in den Ablauf des Kötztinger Pfingstrittes vor dem Verbot
desselben, sondern gibt uns auch die Möglichkeit, einen verschwundenen
Aktenbestand in Teilen wieder zu rekonstruieren. Zuerst aber bleibt
natürlich grundsätzlich ein Verdacht, da Hubrich als Leiter des
Kötztinger Stadtarchivs und gleichzeitig Schullehrer in Straubing, sich
möglicherweise seine Arbeit dadurch erleichterte, dass er Materialien
aus dem Archiv mit nach Straubing genommen hatet. Eugen Hubrich,
Kötztinger Ehrenbürger seit 1953, ist zumindest, bis jetzt, die letzte
Person, von der wir wissen, dass sie den Inhalt des Aktes gekannt hatte.
In den Unterlagen, die im Stadtarchiv – als Nachlass Eugen Hubrichs –
liegen, findet sich aber nichts in dieser Richtung und eine Rückfrage bei
seinen Erben blieb ohne Ergebnis.
Da er aber die fraglichen
Dokumente mitsamt deren Aktenzeichen, Datum und Anschriften übertragen
hatte, war es nun der erste Schritt zu versuchen, ob es im Staatsarchiv
in Landshut in den Beständen der Regierung Straubing nicht die
entsprechenden Gegenschriftstücke und Briefe zu finden gäbe. Dr.
Paringer vom Staatsarchiv in Landshut konnte aber schnell klarstellen,
dass es da im Aktenbereich nichts in dieser Richtung gab. Der nächste
Versuch waren dann die Rechnungsbände des Kötztinger Pfleggerichts; dies
sind Bücherbände, die bis wenige Jahre vor dem zu suchenden Zeitraum, die eigentlich nüchternen und nackten Zahlen über Ausgaben bzw. Einnahmen in kurzen
aber anschaulichen und lebendigen Kurztexten erläuterten.
Leider
hatte die Regierung für die Unterbehörden wenige Jahre zuvor (ab 1764) neue Vorschriften für die äußere Form der
Rechnungsführung erlassen und die Folianten waren damit so interessant
und nichtssagend wie heutzutage auch, eben Zahlenkolonnen ohne
besondere Zusätze.
Also bleiben vorerst nur die übertragenen
Amtsschreiben, die Eugen Hubrich dankenswerter Weise wortgetreu
überliefert hatte, das Endurteil des Prozesses hatte er dann
eingekürzt, aber das beschreibt er selber so in dem Manuskript.
In
seiner Arbeit versucht Hubrich unseren Pfingstritt in Zusammenhang mit
vielen dokumentierten Frühjahrsbräuchen in anderen Gegenden zu bringen,
vieles davon ist nachvollziehbar, manches spekulativ. Auf jeden Fall
kann man sagen, dass er sich viele Gedanken über die Entstehung und die
Einordnung unseres Brauchtums in einem größeren Zusammenhang gemacht
hat.
Auch er sieht die grundsätzliche Entstehung weit in der
Vergangenheit, und bringt, wie auch der Magistrat Kötztings im Jahre
1782, die konkrete Entstehungslegende mit den Hussiten in Verbindung,
was natürlich im Widerspruch mit der Jahreszahl 1412 auf unserer
ältesten Fahne stehen würde. Neben der eher spekulativen Einleitung mit
Literaturquerverweisen bei den Drs. Schierghofer und Hindringer, stand
ihm natürlich all das Material zur Verfügung, das wir auch kennen und
haben und so beschreibt er ausführlich den Schriftverkehr von 1754
unseres Pfarrherrn Innocenz Mairs mit dem bischöflichen Stuhl, also der
ersten richtigen Beschreibung des Pfingstrittes und seiner Abwicklung.
Dann
allerdings schlägt er einen großen Bogen über die damaligen
weltgeschichtlichen Veränderungen, durch die sich immer stärker
durchsetzenden Ideen der Aufklärung und die daraus folgenden
Einflussnahmen auf die Art und Weise, wie zu Ende des 18. Jahrhunderts
die Religionsausübung gesehen und eingeschränkt wurde: Hier also z.B. die
Abschaffung von vielen Feiertagen, Kirchweihen, das Verbot von Maibäume aufzustellen und des Wetterläutens. Auch Wallfahrten und Prozessionen gerieten in
den Fokus der Aufklärer und so musste es wohl zum Konflikt kommen
zwischen der Obrigkeit, hier eher weltlich als kirchlich, und den
Kötztinger Bürgersöhnen, die sich ihre „besonderen“ Freiheiten nicht,
von oben diktiert, nehmen lassen wollten.
Hubrich siedelt, wie oben
bereits angeführt, den Ursprung unseres Pfingstrittes weit früher als
1412 an, zweifelt an vielen Details der Ursprungslegende und führt
selbst die Erklärungsversuche des Magistrats gegenüber der Regierung und
der Diözese ad absurdum, wie später zu sehen sein wird.
Kurz zusammengefasst war für die Kötztinger Burschen der Zeitraum vom Pfingstsonntag bis zum Pfingstdienstag so etwas wie eine ausführliche Freinacht über mehrere Tage und Nächte hinweg - 1783 dann sogar auch noch an Fronleichnam.
Was
zuerst wie ein einmaliger Exzess im Jahre 1783 ausgesehen hat, bekommt
nun durch meine neueren Funde einen ganz anderen Anstrich. Für die
Kötztinger Bürgersöhne war es, zumindest im nachzuweisenden Zeitraum von
1690 bis eben 1783, guter Brauch, auf den sie auch vor Gericht beharrten, - auch wenn sie mit ihrer Meinung nicht durchdrangen - den Pfingstritt
in der Nacht zuvor und während des Rittes und danach mit unzähligen
Böllerschüssen zu begleiten, obwohl ihnen dieser Brauch laufend sowohl
von kirchlicher als auch weltlicher Seite verboten worden war.
Angesichts
der grundsätzlichen Fundleere im Zusammenhang mit dem Pfingstritt sind
die nun dokumentierten Fälle sicherlich stichhaltig für das Benehmen der
Kötztinger Pfingstreiter in der Zeit vor dem Verbot unseres
Pfingstrittes.
Um was ging es nun?
Bereits in einigen,
zugegebenermaßen spärlichen, Fundstellen war schon Jahre zuvor im
Zusammenhang mit dem Pfingstritt vom Schießen und allerlei Unfug die
Rede.
Umb das Andre Zistler in der nach Stainbichl
Versezten Schuß[2],
Straf 1 Pfund verrichten procession, aus Unvorsichtigkeit,
Maistens aber ainer Prallerey dem Veithen Pern
ainen Schuß mit Papier versetzt, wie in dem
Protokoll fol 21 fündig, ist derselbe per 1 Pfund
gestrafft worden ist,
1 Gulden 8 Kreuzer und 4 Heller.
Andreas
Zissler hatte also sein Gewehr bzw. seine Pistole beim Ritt dabei und
diese/s offensichtlich nicht nur, wie einen Böller, mit Pulver geladen
sondern noch - vermutlich mit Spucke - eine Papierkugel geformt und mit
dem Ganzen dann auf Veith Pern gezielt UND getroffen, während des
Pfingstrittes!
Die Kötztinger Pfleggerichtsprotokolle sind erst ab
1745 überliefert, so dass wir den Verhörseintrag des obigen Vorganges
nicht mehr nachlesen können, aber offensichtlich wurde hier nicht das
Schießen selbst, sondern nur seine Unvorsichtigkeit bzw. seine Absicht, den Anderen zu treffen, bestraft. Die Schießerei war wohl damals
geduldet, so steht zu vermuten. Ebenso kann man wohl zwischen den Zeilen
herauslesen, dass es üblicherweise nur mit Pulver geladene Schusswaffen
gewesen waren und hier hat Andre Zistler mit seiner Papierkugel des
Guten zu viel getan und auch noch auf einen Vordermann gezielt und
getroffen, bzw. diesen verletzt.
Nun könnte dies auch ein einzelner
Ausrutscher gewesen sein, wenn sich da nun nicht noch einige weitere
Fälle gefunden hätten, manchmal hilft eben der Zufall in den Archiven
und bringt Dokumenten zutage, nach denen man gar nicht gesucht hatte: es
folgt nun ein Sprung um gut 50 Jahre, bis wieder von Verstößen beim
Pfingstritt die Rede ist, mit dem Einsetzen der überlieferten
Verhörsprotokolle findet sich ein Eintrag über die jungen Kötztinger
Bürgerssöhne und deren Verhalten beim Pfingstritt:
In den
Pfleggerichtsrechnungen Kötztings(P45) im Staatsarchiv Landshut findet
eine Verhandlung vom 23.7.1745 seinen Niederschlag. Details in der
Verhandlung lassen nun den sicheren Schluss zu, dass das Lärmen und
Schießen zu dieser Zeit vor und während des Rittes Gang und Gäbe gewesen
war: Wäre es nur eine einmalig Ausnahme gewesen, wäre der
Verbotsaufwand – kirchlich und weltlich, von der Kanzel und durch
Ausrufen – im Vorfeld nicht zu verstehen.
Bey der Pfingstmontagsprozession mit Schiessen und in anderweg Verordnungen und Ärgernuß zu stüfften
Gerichtsstraf 23.07.1745
Weillen
Christoph Kollmayr, Josef Greyll, Caspar und Hans Adam Parzinger, item
Johann Dirnberger dann Paul und Christoph Hofmann, Martin Pachmayr,
Michael Paur, Jakob und Paul Haselsteiner sametlich ledige Bürgers söhn
alhir zu Kötzting, item Ruppert Pachmayr dermalliger Lederergsell zu
Camb Anthony Schillinger Färbergsell dann Wolf Frisch dermaliger
Pöckhenknecht alhir sich freventlich unterstanden am verwichenen
Pfingstmontag, da man das hochwürdtigste Guett von der hiesigen Pfarr
und Muetterkürchen gewohnlicher maßen zu Pferdt nacher Stainpichel und
wider zurückh processionaliter begleittet und sich der schuldigsten
Ehrerbittigkeit und Auferpauung aller Anwesentten befleißen sollen,
ohneracht des Nachtruckhsamist sowohl von geistl. Als weltl. Obrigkeit
bey würckl. communicierter
Straf
in und außer der Kürchen ordentl. verkündiget und publicierten Verbotts
mit fast beständigem Blenkhen und Schießen vor und hinter dem Priester,
so den lebendigen großen Gott in seinen Händen getragen und mit solchen
sich umbgewendet und umb unterlassung dieser insolensten selbst gebeten
recht geflissenlicher weis und zu hand greiffl Trutz und Verachtung der
welt und geistlichen Obrigkeit nit anders als ob ihnen niemand zu
gebieten oder Gott selbsten nit zu achten wäre, Unordnungen und
allgemeinses Ärgernis anzustifften, als würdt hiermit ein solches denen
selben nit allein ernstlich verwiesen sondern auch dabei uffgetragen in
zuekunft dergleichen nit zur Ehre Gottes dienenden Ungebührnissen bei
Vermeydung schwerer Einxxx zu underlassen.
Für dermalen aber
zur wohlverdienten Straf zu ihme würdigen unser liben Frauen Gottehaus
als hier ieder ½ Pfund wax ohne Anstand zuerlegen und das solches also
geschehen von denen verordneten Kirchenprobsten die erforderliche
Bescheinigung längstens einer 8 Tägen bei Gcht zu produzieren mit dem
sonderbaren Anhang, dann wenn diese noch alzu guete Starf nit verfangen
solle man in zuekunfft solche genedigsamb vergrössern und die gebirende
Pistolen und anderes Schießgewöhr wie sie es anietzo schon verdient
hätten als wirklich der hiesigen Gchts obrigkeit verfallen würde,
act. et publ. den 23.7. ao 1745
Was
sagt uns nun der Text, neben dem, was offensichtlich während des Rittes
„vor und hinter dem Priester“ passiert ist: Solch ein Verhalten, und
damit ein Ärgernis in den Augen der Obrigkeit, ist wohl vorher schon
öfters vorgekommen. Offensichtlich durchaus in einer Heftigkeit und
Häufigkeit, dass die Obrigkeit, sowohl in Gestalt des Pfleggerichts als
auch von Seiten der Kirche, sich bemüßigt gesehen hatte, ganz deutlich im Vorfeld
bereits vor solch einem Verhalten zu warnen, dieses zu verbieten und auch eine
Strafandrohung in den Raum zu stellen.
Auch hier, wie in der Strafe
55 Jahre zuvor, bleibt allerdings der Eindruck, als würde die weltliche
Behörde den ganzen Vorgang nicht ganz so ernst nehmen, ½ Pfund Wachs
und die Warnung, beim nächsten Mal würden sie ihre Waffen verlieren, ist
ja eher so etwas wie ein erhobener Zeigefinger.
Der
Vollständigkeit halber sei hier aber auch noch das Gegenstück
aufgeführt, das sich in den Kötztinger Marktrechnung finden hat lassen:[3]
Ausgab Auf Gemaine
MarktsStrittigkeiten, bestöhlte
Advocaten, Pothenlohn und Canzley Tax
Den
11. July rove (=bezüglich) deß Pfingstl Rittß und alda beschechenen Schiessens,
Schreibgebiehr zur Churfürstlich Hochloblich Regierung Straubing, neben
dem Canzley Tax entricht 2 Gulden und 15 Kreuzer
Also hatte auch
der Markt seine Ausgaben wegen des Verhaltens seiner jungen
Bürgerssöhne. Wenn man nun sich die beiden aktenkundigen Vorgänge der
Jahre 1690, und dann wieder 1745, vor Augen hält, und vor allem die große
Prozessserie von 1782 bis 1784, die später ausführlich dargestellt wird,
berücksichtigt, so muss man sich wohl von der Vorstellung der
Durchführung des Pfingstrittes und des Pfingstfestes, wie wir sie heute
kennen lossagen. Vielleicht kann man sich dem Thema auch zuerst von
einer anderen Fragestellung her nähern:
Warum findet sich so wenig
Material über den Pfingstritt in den Archiven und was kann uns diese
Fundleere trotzdem über den Brauch sagen?
Vergleicht
man nur zum Beispiel einmal den Pfingstritt und die
Fronleichnamsprozession – nicht inhaltlich, sondern nur wegen der
Überlieferung in den Archivalien – so wird man finden, dass das Fronleichnamsfest sowohl in den Marktrechnungsbüchern als auch in den
Kirchenrechnungen alljährlich ein seitenfüllendes Thema war.
Geldausgaben für die verschiedensten Teilnehmer und Zwecke wurden
penibel dokumentiert, für den Pfarrer, den Mesner, den Organisten, den
Schützen, für Pulver, Freibier und vieles mehr. Der Pfingstritt ist dem
Markt in der Regel gerade mal einen kleinen und kurzen Satz wert, der
von Jahr zu Jahr zumeist unverändert übernommen wurde:
Den Kötztinger Bürgerssöhnen und Knechten welche das hl. Guett nach Stainbichl begleittet zur Verehrung gereicht 33xr
So
und so ähnlich, mal ein klein wenig kürzer, mal etwas ausführlicher,
mal mit dem Zusatz: „wie vor unvordenklichen Zeiten“ und in manchen
Jahren ohne jeden Eintrag, das ist Alles, was über unseren Pfingstritt
in all den Jahrhunderten in den Akten des Marktes zu finden ist, wenig
aber immerhin.
Zumindest
Verehrung hatte der Magistrat den Geldbetrag genannt, und nicht einfach
nur „Spende wegen lästiger Bettelei“, denn die Kötztinger Burschen sind
nach dem Ritt umhergezogen und haben sich bei den Bürgern die
Verehrungen, (=honorariy), zusammengebettelt anschließend wurde dann damit Pfingsthochzeit gehalten. Dies bedeutete dann am Pfingstmontag Tanzmusik
für Alle, was für sich alleine schon eine Herausforderung für die
Obrigkeit war. Noch schlimmer war aber, das auch am Dienstag gefeiert
und getanzt werden sollte, wenn auch die Einladungen nur – so sagten die
Kötztinger - für die bürgerlichen Honoratioren galten, alle anderen,
die Dienstknechte und Ehhalten durften nicht teilnehmen bzw. konnten
auch nicht teilnehmen weil der Dienstag ja ein Arbeitstag war – und
schon war der erste Konflikt mit den Behörden da, der Pfingstdienstag
war schließlich als Feiertag Ende des 18. Jahrhunderts abgeschafft
worden. Was erlaubten sich hier die Kötztinger, so fragten die Behörden.
Das
war aber jetzt schon alles, was schriftlich aus dieser Zeit in den
Akten des Marktes beschrieben war, in den Kirchenrechnungen, quasi das Gegenstück, kommt der Pfingstritt dann gleich mit keinem einzigen Wort
vor.
Keinerlei Ausgaben ergaben sich für den Pfarrer (besser für die Pfarrei!) beim Pfingstritt
– natürlich auf der anderen Seite auch keine Einnahme für ihn - sonst
stünden diese im Rechnungsbuch der Pfarrei.
Der Ritt verursachte mit
Ausnahme der 33 Kreuzer, die der Magistrat bezahlte, keinerlei Ausgaben,
weder von Seiten des Marktes, noch der Kirche und auch nicht von Seiten des
Gerichtes. Gäbe es diesen Sammlungsbetrag in den märktischen
Rechnungsbüchern nicht – er reichte nach der damaligen Währung gerade
mal für 15 Maß Bier – so würde unser Pfingstritt in den Akten erst und
ausschließlich mit der Beschreibung des Pfarrers Mayr existieren.
Nur
einmal in den Diözesanmatrikeln findet sich vorher, im Jahre 1723, ein
Hinweis auf eine Prozession von Kötzting nach Steinbühl zu Pferde mit
dem Allerheiligsten, ein Satz, mehr nicht.
Was bedeutet das aber nun
für die Tradition des historischen Pfingstrittes: obwohl kein Kötztinger
Magistrat (heutzutage Stadtrat und Pfingstkomitee) und auch kein
Kötztinger Pfarrherr als die treibende Kraft hinter dem Pfingstritt
gewesen waren – ab der Wiedereinführung im Jahre 1821 schaut es dann bis
heute allerdings ganz anders aus – ist der Pfingstritt über all die Jahrhunderte
offensichtlich ohne große Kontrolle und ebenso offensichtlich wohl sich
selbst organisierend – mit mancherlei Exzessen, wie man gesehen hat,
bzw. wie man noch deutlich sehen wird - durchgeführt worden.
Schon
oben wurde in den beiden Beispielen die Unsitte des Schießens beim
Pfingstritt angeführt, die Strafe, die ausgesprochen wurde, ist
verhältnismäßig gering und die Vorgänge wurden auch nicht besonders
herausgestellt, man muss den Eindruck haben, als ist solch ein
Verhalten regelmäßig beim Pfingstritt vorgekommen bzw. ist regelrecht erwartet
worden.
Dieser oben geschilderte kleine Prozess von 1745 war
Eugen Hubrich, der nur die Akten im Marktarchiv Kötzting kannte, noch
unbekannt, aber im Vergleich zu dem was 1783/1784 passierte, war der
Vorgang beim Pfingstritt 1745 ja eh harmlos.
Nun setzt die
Überlieferung ein, die Eugen Hubrich nachweislich 1951 noch in Händen
hatte und die er dankenswerterweise teilweise wortgetreu transkribiert
hatte. Seine dokumentierten Vorgänge passen aber genau zu den oben
beschriebenen Schwierigkeiten, die die Kötztinger Bürgerssöhne mit der
Obrigkeit hatten, also sowohl mit der kirchlichen als auch mit der
weltlichen Seite.
Verweigerte Kranzlüberreichung:
Wenige
Jahre nach der oben beschrieben Verurteilung – ob im Zusammenhang mit
ähnlichen Exzessen oder nicht, geht aus den überlieferten Dokumenten nur
am Rande hervor – steht die Kranzlüberreichung ganz auf dem Spiel, denn
Mitte Mai 1757 schrieb der Kötztinger Marktschreiber eine Eingabe an das
bischöfliche Consistorium, welches von „sämtlichen Bürgerssöhnen“
unterschrieben war:
Das Originalschreiben hatte Hubrich, nach eigenen Worten, an den heutigen Sprachgebrauch angepasst:
Hochwürdigst-durchläuchtigster Herzog,d er heiligen Römischen Kirche Kardinal, Gnädigster Fürst und Herr, Herr
Euer
Durchläuchtigsten Eminenz sind wir untertänigst Gesetze in all
tristister Submission vorzutragen und zu bitten gedrungen, was messen
wir auf anliegenden zwei beilagen beweisen, daß es von unvordenklichen
Jahren her der übliche Gebrauch gewesen, daß vom allhiesigen löblichen
Herrn Pfarrer nach der eineinhalb Stunden weit entlegenen Filialkirche
Stainpühel eine Prozession zue Pferd mit dem Venerabilis unter Absingung
der vier heiligen Evangelien gehalten worden ist, wobei sich die
teilnehmenden Bürgerssöhne nicht nur ehrlich und löblich aufgeführt
haben, sondern auch mit vielen anderen vier und fünf Stunden weit
entlegenen Leuten zur größeren Ehre und Glorie des Allerheiligsten sich
eingefunden, nach welchem Ritte zu Vergelt und fernerer Auferbauung auch
dessen Fortpflanzung an einem aus den Bürgersöhnen ein Ehrenkränzel vom
löblichen Pfarrhof verehrt worden ist. Nun gnädigster Fürst und Herr,
Herr, ist dieses Kränzlaussteilung seit drei Jahren unterlassen worden,
alleinig aus der Besorgnis, dass abends beim Tanz Mißbräuche vor sich
gehen könnten. Also gelangt an euere Eminenz unsere untertänigst
gehorsambste Bitte, euere Eminenz wollen geruhen, daß die
Kränzelausteilung hinkünftig von dem hiesigen löblichen Pfarrhof, wie
vorher, je und allezeit gebräuchlich gewesen, wiederum geschehen dürfe.
Umsomehr als wir uns auch sonst von der Kirche bei den üblichen
Prozessionen jederzeit gebrauchen lassen, dessentwegen wir
unmaßgeblichst bitten, an die Pfarrbehörde henächst eine Anbefehlung
ausfertigen zu lassen. Wir empfehlen uns zu dauernder Huld und Gnade,
die Erhörung unserer Bitte erhoffend, als Euerer Durchlauchtigsten
Eminez untertänigst gehorsamste sämtliche Bürgerssöhne des
Kurfürstlichen Bannmarktes Kötzting.
Beilage 1: Der Magistrat mit dem Kammerer schreibt:
Da
hiesigen Orts dem uralten Herkommen gemäß von der Hochwürdigen
Geistlichkeit am Pfingstmontag allezeit eine Prozession mit dem
venerabile nach Stainbühel unter Absingung der vier heiligen Evangelien
zu Pferd gehalten wird, dabei einem aus den dortigen Bürgerssöhnen, der
sich während des Jahres ehrbar und löblich aufgeführt, nach dem
Zurückweg nach einer kurzen geistlichen Anrede ein Kränzlein, das dem
Sanctissiumum angehängt ist, seit unvordenklichen Zeiten überreicht
wird, welche Kränzelausteilung aber von einer hohen Geistlichen
Obrigkeit einige Jahre wegen der von den Bürgerssöhnen an solchem tag
nachmittags begangenen Missbräuche halber abgeschafft worden ist, hinfür
aber die Erwählung einer Braut zum Tanz nicht mehr geduldet an am
selbigen Tag gute Polizei gehalten wird und die Übertreter zur Strafe
gezogen werden sollen, wird dies auf geziemdendes Verlangen der
Bürgerssöhne hiemit bestätigt
Den 16. Mai anno 1757 Kammerer und Räte des Kurfürstlichen Bannmarktes Kötzting
Beilage 2: Das Pfarramt schreibt.
Hochwürdigster Durchlauchtigster Herzog, der heiligen Römischen Kirchen Cardinal, Gnädigster Fürst und Herr, Herr
Daß
zu Kötzting an dem Pfingstmontag , wo nach Steinbühl, einer
Filialkirchen daselbst, eine Prozession mit dem Hochwürdigsten Gut,
unter Absingung der 4 Evangelien zu Pferd gehalten wird, einer aus den
Bürgerssöhnen, so sich dieses Jahr hindurch zum löblichsten aufgeführet,
bei dem Zurückweg nach zuvor gehaltenen kurzen geistlichen Sermon ein
Kränzlein, so an der Monstranz angehängt ist, um zur willigeren und
andächtigeren Begleitung des hochwürdigsten Gutes Anfrischung willen,
von altersher mitgeteilt worden, auch dabei gar nichts Unehrbietiges
vorbeigehet, hingegen aber abends der Mißbrauch, da derjenige, der das
Kränzlein bekommen, eine Braut zum Tanzen erwählet, von den
Bürgerssöhnen insgesamt hinfüran will unterlassen werden und die
Marktsobrigkeit gute Disziplin gemäß der Polizeiordnung selbigenAbend zu
halten anlobt, und versichert, hab ich solches Anersuchen einer
löblichen Marktsobrigkeit hiermit attestieren und mich untertänigst
empfehlen wollen.
Kötzting den 11. May 1757
P. Innocentiy Mayr Ord. D. Ben. P.t. Prior et Vicariy in Kötzting Capituliy archidecanatis Cambensis
Daraufhin ergeht am 14. May die Antwort auf die Bitte der Bürgerssöhne:
- ausdrücklicher Hinweis, die Bürgerssöhne haben die Bitte gestellt,
Magistrat und Pfarrherr lieferten nur Beilagen –
Johann Theodor, Cardinal von Freysing, Regensburg und Lüttich etz…
Unseren Gnädigen gruß zuvor, würdig und Andächtiger, besonders lieber Herr!
Was
an uns die dortigen Burgers Söhne supplicando hieher gelangen lassen,
ein solches thuen wir denen in remittierlicher origl
(=widerruflicherArt) zur Nachricht cummunicieren und bey diesen
Umbständen hiemit bewilligen, daß das angesuchte Cränzl auf diese
vorgeschriebene Arth und Weiß ausgetheilt werden derfe, wann anders
dabey keine Inconvenica sich ergeben, auch die Erwählung einer Prauth
ausbleiben und besonders das nächtliche zur Sündt anreizende oder gegen
die Polizey lauffende Tanzen künftighin unterbleiben wird.
Anbey wir dene mit Gnaden gewogen verbleiben Regenspurg, den 14. May 1757
Franc Ernst
Consistor.Rath Angerer
Der Adressat ist derselbe Pfarrer Innozenz Mayer, der 3 Jahre zuvor,
1754, die für uns erste zusammenhängende Beschreibung des Pfingstrittes
geschrieben hatte, wobei er die Pfingsthochzeit und das Tanzen und Trinken nur
beschreibend erwähnte. Offensichtlich aber stellte er, nach seinem
Berichtsschreiben, dann die Kranzlübergabe für drei Jahre vollständig
ein.
Nach all den amtlichen Schreiben kann man wohl davon ausgehen,
dass ab dem darauffolgenden Jahr wieder mit der Kranzlübergabe zu
rechnen war, ob sich die Kötztinger Burschen dann auch an den zweiten
Teil der Abmachung gehalten haben, würde ich wohl bezweifeln.
Auf
jeden Fall kommt hier nun auch die Aufklärung ins Spiel, eine
Geisteshaltung , die zum Ende des 18. Jahrhunderts auch in den Köpfen
und vor allem in den Handlungenmaximen der weltlichen Obrigkeit in
Bayern zunehmend angekommen war und welche vielem Bräuchen, die in religiösen
Dingen über die reine Gottesdienstausübung hinausging, eher den Ruch des
Aberglaubens anhängte, weshalb die weltliche Obrigkeit dann diese auch zunehmend verbot.
Ab hier zitiere ich Eugen Hubrich, welcher selber
wiederum, wie oben bereits angeführt, die heutzutage verschollenen
Schriftstücke, zitierte:
Gerade
in dieser Zeit nun ließ die Kötztinger Jugend alle Zügel einer klugen
Mäßigung fallen. Am Pflege- und Landgericht aber lauerte der gehässige
Gerichtsdiener Joseph Balthasar Kern wie ein Luchs auf alles, was man
der Marktgemeinde anhängen konnte. Der Pflege- und Landrichter daselbst
war zwar kein gehässiger Mensch, aber das in Schutz zu nehmen, was in
Regierungskreisen so ungern gesehen war, konnte man von ihm auch nicht
erwarten. So trieb man denn allmählich dem Unheil entgegen:
Die Verantwortung vom Jahre 1782:
Im August waren auf eine, aus den Akten nicht ersichtliche, Art der
Regierung in Straubing Anschuldigungen über den Markt Kötzting
zugetragen worden. Am 29. August übermittelte Pflegskommissarius Franck
den am 12. August erteilten Regierungsauftrag dem Bannmarkt Kötzting. Er
lautet:
Gegenwärtig in Abschriften anliegender Gnädigster
Regierungsbefehl in Dato 17. Dies laufenden Monats wird obigem Bann
Markt zu dem Ende hiemit zugeschlossen, daß selber sowohl selbst und
Verantwortung hierüber in der Zeit von 4 tagen abgeben, als auch den
Bernhard Auzinger auf kommenden Samstag den 31. Dies zur Konstituierung
willen fruehzeitig verschaffen solle zum Oberfürstlichen Pfleg- und
Landgericht Kötzting:
Der Regierungsbefehl lautete:
Karl Theodor Churfürst …etc…
Unseren Gruß zuvor, Edelgeborner, Lieber, Getreuer!
Hiedurch gehet der Gnädigste Befehl an Euch, daß ihr dem Magistrat, warum selber
1mo
am heurigen Pfingsterchtag als einen abgeschafften Feiertag dem
Bernhard Auzinger die Tanz- und Musikantenhaltung gestattet, auch
2mo
warum der Magistrat das so als gewaltmäßige verbothene Schießen, der
gemachten Verrufung ungeachtet (Verrufungs Bekanntmachung) , dann
überhaupts
3tio nichts wenigers als seine Schuldigkeit in Haltung guter Pollicey machet, zur Verantwortung ziehen auch
4to obigem Auzinger mit seiner gleichmäßigen Verantwortung ad protocollam constituieren sollst
Welch alles Ihr nebst einem Begleitungsbericht uns Termini sechs Tage anhero einzuhändigen habt.
Sind auch anbey mit Gnaden
Den 12. August 1782
Churfürstliche Regierung Straubing:
Die
in Klammers gesetzte „Verrufungs=Bekanntmachung“ bedeutete, dass der
Gerichtsamtmann einen Verruf durchgeführt hatte, also im Markt Kötzting
den Regierungsbefehl ausgeschellt und das Verbot des Schießens im
Zusammenhang mit dem Pfingstritt damit öffentlich bekanntgemacht hatte.
Der
Magistrat sollte also nach vier Tagen antworten, also spätestens wohl
am 2. September…..am 23. Oktober, nach einer geringfügigen
Zeit Überschreitung, bequemte sich der Kötzting Magistrat die Anfrage zu
erwidern:
Der Länge der Zeit wegen und weil durch Bernhard von
Weimar Kötzting niedergebrannt worden sei, wobei alle Skriptura zu
Verlust gegangen seien, könne nicht mehr angegeben werden, wann der
Pfingstritt nach Steinbühl aufgekommen und verlobt sei. Nach der
mündlichen Überlieferung aber hätten vor 300 Jahren Bürgerssöhne den
Geistlichen der die Wegzehrung Kranken zu bringen hatte, dadurch
beschützt, daß sie durch eifriges Schießen herumschwärmende Hussiten
zerstört hätten. Zu unvergesslichem Andenken werde seitdem der
tugendhafteste Bürgerssohn durch eine Kränzelausteilung geehrt, der Ritt
aber sei auch zur Abwendung von Pferdekrankheiten gelobt worden.
Die
Bürgerssöhne aber hätten seit unvordenklichen Zeiten die Freiheit
gehabt, sich am Pfingstmontag und Erchtage als ihren Ehrentagen mit
einem polizeimäßigen Tanz zu vergnügen. Dies sei am Pfingsterchtage umso
weniger bedenklich, als am Montag für den Tanz kaum Zeit bleibe, denn
da müßten die Burschen der Bürgerschaft ihre Ehrenbezeigungen machen und
von denselben die honorary abholen und verrechnen, auch seien am
Dienstag die Ehhalten und sonstigen arbeitenden Personen vom Tanze
ausgeschlossen.
Es sei von jeher an Pfingsten mit Pistolen geschossen
worden, daß weder jemand vom Landgericht noch vom Military-Jägercorps
wird behaupten und beweisen können, daß während der Prozession
geschossen worden sei.
Wenn übrigens wirklich ein Schuss unterlaufe,
so sei das wohl nicht so genau zu nehmen, es unterlaufe auch an den
besten Orten einmal ein Fehler. Man mag sich wohl einbilden, dass die
Polizei hier nicht das Nötigste tue, aber was ohnmöglich ist, oder nur
eine Nebensächlichkeit darstellt, dem dürfe keine so starke Bedeutung
zugemessen werden. Wer die Hand am Pflug hat, der lernt es besser
erkennen, was möglich und was rechtens ist. Zum Eingreifen liege keine
Ursache vor.
Der Musiker Auzinger sei bereits einvernommen worden: er
habe seit langer Zeit schon außer einer Hochzeit oder eines Jahrtages
wegen keine Tanzerlaubnis mehr bekommen, wenn nicht der Sohn n des
Auzinger an Pfingsten das Ehrenkränzlein bekommen hätte. Es lag also nie
die Absicht vor, gegen die Anordnungen des Landgerichtes zu handeln.
An
das Landgericht stellt man das geziemende und in sich selbst billige
Ansuchen, fernerhin die Tanzerlaubnis für Pfingstmontag und Dienstag zu
gestatten unter der Bedingung. Dass alle nicht an den Tanzplatz gehörige
Personen ausgeschlossen sein sollen.
Geschrieben den 23. Oktober 1782
Georg Anton Schweitzer, Amtskammerer
Johann Georg Löcker, des Inneren Rats
Schon Eugen Hubrich arbeitete die Fallstricke für Kötztings
Pfingstrittslegende heraus, die in diesem Text steckten: zum ersten
stellte er fest, dass damit das Jahr des Pfingstgelöbnisses nicht
feststehe und dass es schwärmende Hussiten[1]
gewesen sein sollen, die den Geistlichen bedroht hätten und nicht
Räuber und wilde Tiere. Zum zweiten betonte er ausdrücklich den Ausdruck
der Honorarii, der Ehrengeschenke also, die die Kötztinger Burschen bei
den Bürgern und beim Magistrat eingesammelt hatten und meinte, dass
dieses bedeute, dass es sich um eine alte Gemeinde - also um eine alte
Rechts – Sache handeln würde.
Weiter schreibt er (ich kann
dies aus eigener persönlicher Erfahrung mit meinen ersten
Pfingsthochzeiten, die ich mitfeiern durfte bestätigen):
Die
Übung, dass am Pfingstdienstag das arbeitende Volk vom Tanz
ausgeschlossen war, hat sich – wenn auch nicht mehr so streng beachtet –
bis heute erhalten. Mang gibt dafür die Begründung an, dass der Montag
den Reitern und dem Landvolk zur Verfügung stehen soll und die Bürger-
und Beamtenschaft erst am Dienstag erscheine, weil am Montag der
Tanzsaal überfüllt sei. Nebenbei erfahren wir, dass 1782 Auzinger
Pfingstbräutigam war. Bis jetzt konnten die Namen der Ausgezeichneten
und ihrer Bräute mit Angabe des Jahres erst von 1820 ab festgestellt
werden.
Diese amtliche Untersuchung war aber nur die Ouvertüre zum großen Eklat des Pfingstrittes von 1783, mit den Worten Hubrich:
Das Pfingstlschießen von 1783
Am 9. Juni 1783 bringt der Landgerichtsdiener Josef Balthasar Kern 20
Bürgerssöhne und den Wirtssohn von Liebenstein zur Anzeige wegen
unerlaubten Schießens zu Pfingsten.
„Anzeige von denen einigen
Bürgerssöhnen, welche über die Landesherrliche Verordnung geschossen
haben. Verstadt (erstattet) den 9. Juni 1783“
1. Andreas Weiß
2. Josef Lanzinger
3. Balthasar Rabenbauer
4. Anton Räbel
5. Josef Henneberger
6. Josef Liebl
7. Jakob Schaffer
8. Michael Dimpfl
9. Kristian Mackh
10. Georg Viertl(Lebzelter)
11. Joseph Rabel
12. Paullus Hofmann
13. Sebastian Fischer
14. Franz Seiderer
15. Kristian Obermayr
16. Michael Korner
17. Sagmillers Sohn
18. Andreas treger Burger alda
19. Peter Korherr
20. Michael Hofmann
21. Von den Auswerthigen hat keiner sich verfehlt als Pauluss Greuß Würtssohn von Liebenstein
Joseph Balthasar Kern
Gerichtsdiener alda Die
Liste der Gemeldeten zeigt, dass es sich nicht um irgendwelche
radaulustige Buschen handelt, sondern um die angesehensten Bürgerssöhne,
deren Väter abwechselnd sogar Bürgermeister waren. Die verärgerten
Bürgerssöhne trotzen auf gegen Beeinträchtigungen des als Recht
aufgefassten Brauches zu schießen. Das gehörte einfach zu Pfingsten wie
das Ratschen zum Karfreitag und das Singen zum Hochamt. Der Braubursche
Johann Georg Seiderer besorgte das Auftrumpfen gegen den Herrn Kern –
gegen diesen richtete sich vor allem die Wut – mit köstlichem Hohn. Er
schickte nämlich seine Magd zum Gerichtsoberschreiber mit der Bitte, ihm
doch seine zwei Dienstpistolen mit den dazugehörigen Stiftleien zu
leihen, weil ihm seine eigenen zwei Pistolen zum Schießen nicht
ausreichten. Da auf das ergangene Verbot hin niemand recht die Courage
zum Schießen haben wollte, brauche er die Pistolen, damit er zum trotz
desto mehr schießen könne. Der Bericht des Gerichtsdieners Kern über die
Vorgänge besagt, es sei so gewaltig geschossen worden, dass es kein
Wunder gewesen wäre, wenn an Vieh und Leuten das größte Unglück
geschehen wäre. Er offenbart in seiner Anzeige auch, dass im Vorjahre
durch das Jägercorps Anzeige erstattet worden sei. Heuer nun hätten sich
die Bürgerssöhne zusammengetan und unter Hinterlegung eines Pfandes von
zwei Vierundzwanzigern (Zwei Fässer mit je vierundzwanzig Maß Bier)
ausgemacht, dass keiner mit der Prozession reite, wenn ihnen ihr recht
zum Schießen genommen werde. Der Bürgerssohn Weiß Andre (Weiß auf der
Höh) ließ verlauten, sie würden schießen und wenn es 1000 Gulden gelte.
Am Pfingsttag abends schossen sie zu den Fenstern und Türen heraus, mit
überladenen Pistolen, der Perückenmacher Josef Pichl blies als ihr
Trompeter ebenfalls zum Fenster heraus; am Pfingstmontag war von zwei
Uhr früh an der Markt ein Feuer vor lauter Schießen, auch in den Häusern
wurde geschossen, und Trompeter Pichl blies durch alle Gassen. Obwohl
der gestrenge Herr Gerichtsdiener Balthasar Kern vermutete, dass die
Geistlichkeit bei dieser geflissentlich gegen die Ehre Gottes
gerichteten Aufführung nicht das Allerheiligste aus der Kirche trage,
wurde doch früh um sechs Uhr der Ritt nach Steinbühl begonnen.
Der
Bürgerssohn und Braubursche Andre Dreger rief:
getraut sich keiner zu
schießen, ihr Schwänz und ließ einen recht stark, zum zersprengen
geladenen Pistolenschuss krachen. Balthasar Rabenbauer ließ einen Schuss
ab vor dem Logis des Amtsmanns, dass diesem fast die Haare abbrennten.
Als ihn dieser zu mehr Ehrerbietung ermahnte mengte sich der
Rädelsführer Weiß ins Spiel, so dass der Amtmann bald hätte mitraufen
müssen.
„Nach mittags, da sie ihrer Gewohnheit nach den Markt
abgebettelt, um von dem ersammelten Geld die ganze Nacht mit den
Musikanten tumultieren zu können, ist den ganzen Tag und die halbe Nacht
durch Schießen so ununterbrochen fortgegangen, daß sie in die 1000
Schuß müssen gemacht haben“ Auch am Erchtag sollte der Tumult
fortgesetzt werden aber die Spielleut verlangten, daß „zwei wohlgehabige
Bürger“ sich als Porgen aufstellen lassen müssten, damit sie sicher ihr
Geld bekämen. Daraufhin unterblieb der Tanz. Der Magistrat
hätte leicht Abhilfe schaffen können, wenn er beim ersten Schuss hätte
die Pistolen abnehmen und die Widerspenstigen in den Turm sperren
lassen. „
Allein wie wenig bei diesem Markt auf die Gnädigsten Generalien
gehalten und denselben nachgelebt wird, ist von selbsten bekannt.“
Die Kötztinger Burschen beharrten wohl starr an ihrem alten Brauch, und
der sich anschließende Prozess bzw. der Schriftverkehr zeigt uns
deutlich wo die Fronlinien dieser Auseinandersetzung lagen. Vorerst aber
ist ein Detail interessant: der frühere Pfingstritt begann um 6 Uhr
früh, man ritt also wirklich nach Osten, der aufgehenden Sonne entgegen,
dies ist ein Detail, das auf einen viel älteren Ansatz unseres
Pfingstrittes hinweist. Nach seiner Anzeige wegen des Schießens an
Pfingsten folgte gleich am 20. Juni 1783 eine zweite, erneut vom
Gerichtsamtmann Kern und beschwert sich, dass trotz seiner Anzeige vom
11. Juni am Vorabend des Fronleichnamstages wiederum derart geschossen
worden sei, dass der Markt „
mehr einer Schwärmerey von tollsinnigen und rebellierenden Leuten als civilisierten Bürgern“ geglichen hätte. Am
heiligen Fronleichnams Vorabend ziehet ein Bürger unter dem
vermessentlichen Namen Korporal mit einem in Soldatenkleidern
vermaskierten Tampor und Pfeiffer, dann vier soldatisch angekleideten
sogenannten Himmelschützen öffentlich im Markt herum und schießen vor
den Häusern. Am Heiligen Fronleichnamstage selbst gehen diese mit der
Prozession und die übrige Bürgerschaft ziehet mit Gewehr auf. Am
Nachmittag werden die sogenannten Offiziersweiber unter klingendem Spiel
aufs Rathaus geholet und wenn eine kommt, von allen Seiten zum Fenster
hinausgeschossen, getrunken und gezehrt, auch auf die Trommel und
Pfeiffen getanzet und muß ein Mägdlein von acht Jahren Braut sein und
schon da zum ausschweifigen Leben und ihren abgöttischen Gebräuchen
beihelfen und die Marktskammer hierzu die Unkosten vorschießen. In
diesem besteht also dieser neuerliche Unform, so vom Amtsdiener
angezeigt wird, unter dem Beisatz, dass sogar unter der Vesper, wo in
der Kirche das Hochwürdigste ausgesetzt ist, dieses sinnlose Schießen
fortgesetzt wird und auch die Prangstauden, was verboten wieder
aufgesetzt worden ist.Es sind also die speziellen
Pfingstbräuche, die hier auch aufs Fronleichnamsfest übertragen
wurden, sicherlich auch das Waffentragen und mit dem verbotenen
Prangstauden meinte Kern sicherlich die verbotenen Maibäume.
Ein verbliebener Rest
dieses "Waffentragens" sind möglicherweise die drei Degen, welche der
Pfingstbräutigam und seine Begleiter stolz tragen, als waffen- und
mantelfähige Männer.
Pflegskommissar Franz Xaver von Franck berichtet
dann am 23. Juni an seine Regierung, dass hinter der Duldung und
Unterstützung des Unfuges nur die Gewinnsucht der Bürgerschaft stecke.
….. „
Diese Leute steifen sich auf ihre uralten Missbräuche hartnäckig
und posaunierten diese als Freyheiten aus“ „
Durch glatte
Gaukeleien, wie der Drakenstich, wie die verbotene vermaskierung der
Tragonersoldaten, die Vorstellung der eingekleideten Kinder und
tumultöses Schießen suchen sie das Volk an sich zu ziehen“…“
Und da
übrigens noch im Wege stehen könnte, daß bei den Stadt Furth der Drakh
gestochen und in den benachbarten Städten und Märkten Cham, Deggendorf
und Viechtach – Neukirchen war schon eingangs erwähnt – ebenso bei den
Prozessionen geschossen und die Prangstauden aufgesetzt werden, so gebe
ich keine Maße, wie hierinfalls verfahren werden wolle.Herr von
Frank hat hier also ausdrücklich betont, dass es auch an anderen Orten
so sei, damit ist dieser Brauch also als ein allgemeines
Frühlingsbrauchtum gekennzeichnet. Hier ist sein Argument der
Gewinnsucht nur vorgeschoben, auch wenn es nicht ganz von der Hand zu
weisen ist, aber vor allem ist es ein Beharren auf die Ausübung des
Brauchtums als vermeintes Volksrecht.
Der Magistrat Kötzting verteidigt sein Recht:
Am 4. Juli 1783 befiehlt die kurfürstliche Regierung in Straubing dem Magistrat Kötzting,
am
Montag den 21. Juli früh zur Ratszeit nachstehende Burschen zur
Einvernahme zur Regierung nach Straubing zu verschaffen unter Androhung
von 3 Reichstalern Strafe, nämlich:
Andre Weiß
Georg Seiderer
Josef Pichl
Andre Träger
Balthasar
Rabenbauer und den Fuhrknecht, welcher dem Commandanten vom Jägercorps
so grob begegnet war, wo sie sich umso gewissen stellen sollen, als man
außerdem auf ihre Kösten ein Commando abschicken und sie anhero liefern
lassen würde, Am 8. Juli 1783 erhält der Bannmarkt
Kötzting dann folgenden Befehl: Der gewissen Umständen (wegen)hat man
den hiesigen Baader Simon Riederer zu vernehmen notwendig. Obiger
Bannmarkt wird daher bemeldeten Riederer nachmittags bis um 2 Uhr in das
kurfürstliche Pflegsschloß unausbleiblich verschaffen lassen.
Hier
wird deutlich, wie die Befehlsabfolge damals abliefe: der Markt Kötzting
hatte eine Selbstverwaltung und auch eine eigene Gerichtsbarkeit und
der Gerichtsamtmann bzw –diener des Landrichters wohnte zwar im
Markt,(im Haus am Ende der Schirnstraße, später: beim Wieser Girgl), war
aber kein Kötztinger Bürger und hatte genauso wenig wie der
Landrichter, Befehlsgewalt über die Kötztinger Bürger bzw. auf dem Grund
und Boden des Marktes Kötzting. Einvernahmen bzw. Verhaftungen durfte
im Markt Kötzting nur der märktische Diener vornehmen, der dann die
Delinquenten bzw. Verdächtigen dem Richter, der im Pflegerschloss saß,
zuzuführen hatte.
Mit Datum vom 15. Juli fordert die
Kurfürstliche Regierung in Straubing vom Magistrat bis in 14 Tagen unter
der Androhung von 6 Reichtalern Strafe über das Ganze eine
ausführlichen Verantwortungsbericht ein.
Am 18. Juli 1783 wird
nun unter der Nummer 157 ein umfangreicher, sehr deutlicher, aber
unglücklich abgefasster Bericht an die Regierung gerichtet. Er zeigt,
dass der Bannmarkt weder vom Gerichtsdiener und Gerichtsoberschreiber,
noch von Gnaden dem Herrn Landrichter, ja auch nicht von der Regierung
eine Unbill einstecken will.
In untertänigster Befolgung der
ergangenen Gnädigsten Anbefehlung vom 4., eingeliefert aber am 15. Dies
haben wir den Andre Weiß Bürgerssohn von hier und 5 Genossen zu Euerer
Churfürstlich hochlöblichen Regierung Straubing au fden 25. Verschafft.
Wir fügen zu unserer Verantwortung an, daß wir betreffs des uralten
sogenannten Pfingstrittes schon im vorigen jahr auf die Anbefehlung vom
12.8. die nötige Verantwortung abgegeben haben, eine Spezial Resolution
aber ist seither nicht erledigt worden. Unter gemachtes verbot hat daher
das gleich sonst je und allezeit geschehene und fast nichts bedeutende
Schießen nicht vollkommen einstellen können, zumal die Bürgerssöhne noch
immer auf den Gedanken stehen, daß ihren ihr Schießen nicht als Trotz
oder zur Vereitelung der gnädigsten Verbote angerechnet werden könne,
denn es war nicht nur keine weitere Resolution erfolgt, sondern es
unterziehen sich sogar die Gerichtspersonen selbst bei anderen
Gelegenheiten des Schießens in weite strafbarer Weise. Die Burschen
glauben zur Ehre Gottes geschossen zu haben, auch werde es umso weniger
gefehlt sein, als dadurch nicht der mindeste Schaden entstanden ist. Im
Übrigen ist das Schießen bei weitem nicht so beschaffen gewesen, als das
der Gerichtsdiener in seinem vermeintlichen Protokoll mit Beihilfe des
Gerichtsoberschreibers auf eine ganz übertriebene Weise angezeigt hat.
Nichts
desto weniger aber haben wir sämtliche gefrevelte Bürgersöhne bereits
vor uns citieren lassen, um sie ihre Frevels willen zur Correction zu
ziehen, wegen des Reißens (Rheumatismus) des Amtskammerers Luckhner und
seiner dermaligen Unpäßlichkeit aber und wegen der Behandlung von
anderen wichtigen Gegenständen bei den Ratssessionen mußte die
Entscheidung hinausgeschoben werden. Diese uns nach Nachweis der
Gnädigsten Marktfreyheit ganz undisputierlich zustehende zur Niedern
Gerichtsbarkeit gehörende Verhandlung werden uns, wie wir unterthänigst
hoffen, Euere Churfürstl. Regierung Straubing nicht ungnädig entreißen,
da wir uns unserer gnädigsten Privilegien durch Ungehorsam oder andere
Verfehlungen nicht im mindesten verlustig gemacht haben. Wir bitten
daher und hoffen zurecht, das Euere Churfürstl,. Durchlaucht die bereits
zu höchst dero hochloblicher Regierung nach Straubing verschafften 6
Bürgerlichen Personen aus dieser Ursache wieder zu entlassen, zumal sie
zum teil, wie der Josepoh Pichl, ganz unschuldig sind, die allenfals
nötige Correction aber wolle zustehendermaßen uns überlassen werden,
umso mehr als unsere sämtlichen Verhandlungen und Protokolle jährlich
der Wohllöblichen Kammeral_Rentdeputation nebst den Rechnungen zur
Prüfung eingesandt werden und wir daher ohne weiteres bestrebt sind, der
weiteren hochgnädigsten Ahndung zu entgehen. Eines aber, nämlich daß
wir, nach der grundlosen Abnahme der Pistole und die Verhaftung der
Bürgersöhne allem Schießen ein End hätten machen können, ist eine ganz
übertriebene Ausführung. Denn:
a) Unmöglich wäre es
gewesen, auf den Grund zu kommen, wer überhaupt geschossen hat; das kann
auch der Gerichtsdiener selbst nicht anzeigen.
b) Wäre dieses „Verbröchen“ zu arrestierlicher Anhaltung weder qualifiziert noch schicklich gewesen und
c)
Am Pfingstmontag selbst wäre es ganz untunlich gewesen, da durch
die Menge der Pferde sonst eine noch größere Unordnung und Gefährdung
entstanden wäre; auch hätte diese Sache sicher die Kräfte des einzigen
Mannes vom Jägercorps überstiegen und wäre der ohne jeden Effekt
geblieben.
„All dieses nur fürs erste“ das wir in Betreff des
Pfingstrittes wider die Hochwürdige Geistlichkeit ausgespielt wurden,
berührt uns nicht; es wird aber Euerer Durchlaucht zum Erstaunen gezeigt
werden, daß der Gerichtsdiener und ein ihm protegierender Gerichts
Beamter ganz religionswidriges Benehmen zeigen, In betreff des
Kränzeltages fügen wir zweitens an, daß die jeden Ortes vorhandenen
Bürgercompagnien an diesem tage unter ihrer uralten Fahne Garde halten
und viermal abfeuern bei der Prozession und auch durch Schwingen ihrer
Fahne ihre Ehrenbezeugung erweisen. Die aus rein boshafter Art so
übertrieben abgeschilderten Mißbräuche verdienen nicht einmal eine
Widerlegung. Die vorgebliche Verkleidung hat nichts anderes zum Grund,
als daß die beschuldigten sehs Personen als Unbemittelte Inwohner nicht
einmal mit ehrlichem Gewand versehen waren und die Bürger an diesem Tage
ihr ehrliches Gewand selber brauchen. Wenn aber diese wahre Sachlage
dennoch für einen anstößigen Mißbrauch gehalten werden sollte, kann sie
in Zukunft, obwohl die Verschiedenheit der Kleidung zu größter
Anstössigkeit Anlaß gibt, unterbleiben.
Fürs dritte können wir die
Anzeige des Gerichtsdieners unmöglich für eine pflichtgemäße Anzeige
halten. Der Oberschreiber, der den markt unterstützt, wird vom
Gerichtsdiener nur als Werkzeug benützt. Die Schwester seiner Geliebten
wurde von uns wegen einer auf sein Anstiften erfolgten Vermaskierung in
Mannskleidern und daraufhin angefangener Händel wegen in di geige
condemniert. Er selbst läßt es am Christentum fehlen, wohnt keinem
öffentlichen Gottesdienst bei, weniger einer Predigt an, sondern nur
halben Messen, hat während seines Hierseins noch keinem hiesigen
Seelsorger gebeichtet und bezeigt sich ganz anstößig. Es ist
aufgefallen, daß er sich mit seinem falschen Freund bei der
Pfarrjägerstochter aufhält, die nunmehr ein Kind von einem Ehemann des
Jägercorps erwartet. So ist er nur darauf aus, den Markt, respektive die
Bürgerschaft in Ungelegenheiten zu bringen. Euere Churfürstl.
Durchlaucht werden auch diese Anzeige für kein Protokoll halten und für
hinreichend erkenne, daß wir und die angegebenen Bürger so strafweis
anzusehen sind als das wohl der Gerichtsdiener und der Oberschreiber
wünscht.
Denn! Wir sind versichert, daß beide
Anbringen keineswegs von den beamten in die Feder diktiert, auch nicht
in seiner Gegenwart niedergeschrieben wurden, ja wir halten dafür, daß
sie nicht einmal überlesen worden sind; es zeigt sich auch, daß dem
Protokoll weder seine Gegenwart beigesetzt, noch weniger, daß es von ihm
unterschrieben worden ist, was aber ein Wesensstück eines förmlichen
Anbringungsprotokolls darstellt. Beide hat nur der Oberschreiber auf
Anstiften des Gerichtsdieners verfaßt, denn wir sind versichert, daß der
Beamte(Pflegr4e) die beiden Anzeigen, wenn ihm diese nur vorgelesen
worden wären, gewiß nicht hätte einsenden lassen.
Gehen
wir zurück auf die Pflicht des Gerichtsdieners, so steht fest, dass
dessen Schwager, der wegen eines Diebstahls und Raubes in Untersuchung
war, umso mehr als dieser auf den damals hier weillenden Grenadier
Salberbauer nächtlicherweil geschossen hat, weswegen die Viechtacher und
Chamer Amtsleute zweimal hier visitiert haben. Seine Ausführung besteht
trotz seiner hinlänglichen Bezahlung in Schuldenmachen, im Aufenthalt
in allerhand nicht zum Besten angeschriebenen Gesellschaften, wie auch
wenige Weibsbilder aus seinem Dienst treten, welche nicht bei ihm zu
fall gekommen sind. Erst kürzlich hatte er die Kühnheit, die ganze Nacht
durch einen zum Militärdienst verurteilten Sträfling aufspielen lassen,
wobei er und seine Leute die ganze Nacht über getanzt haben. Bei seiner
vorjährigen Kindstaufe, dann bei der Hurenkindstauf der hiesigen
Warenbeschauerstochter und der Kindstauf des Procurators Müller wurde
von Leuten, die nicht unter das Marktrecht fallen, geschossen, ja sogar
bei letzterer taufe mit den vom Gerichtsdiener hergeliehenen Böllern. Es
ist wahr, daß der Schreiber öfters im Hof der Gerichtsschreiberei, also
im Markt und auf dem Feld ihre heimlichen und anderen gewehre oft ganz
unnötig erproben oder auf die Scheibe schießen, wodurch aber der nach
Straubing eingeschaffte Andre Dreger, bürgerlicher Weißbäcker, dann ein
andermal auf dem Feld sein Geißbub und ein Ochs bald verunglückt wären.
Auch das hat die Bürgerssöhne zu ihrem Schießen veranlaßt..
Von all
dem und von dem vorigsjährigen Schießen auf dem Wasser bei der
Beendigung der Perlfischerei wurde kein Wort der Anbringung oder Ahndung
gehört, obwohl das doch den beiden Oberbeamten nicht verborgen bleiben
konnte. Mit einem Wort, hier im Markt, der doch alleinig vom
bürgerlichen Gewerb leben, dagegen aber beständig Einquartierungen und
andere Bürden zu tragen hat, soll alles haarklein befohlen und jede
Gelegenheit einer Gewerbsmehrung unter dem Vorwand unterdrückt werden,
daß die gnädigsten Fehler so groß abzuschildern, dazu aber, daß in den
umliegenden Orten im gericht selbst zu einer Zeit Spielleute gehalten
werden, wo es besonders streng verboten ist, wie erst kürzlich bei einem
Schießets zu Kammern und ein andermal zu Thenning geschehen, ist der
Gerichtsdiener, oder besser gesagt Eisenscherg angeführt werden, wenn es
nicht zu lang würde.
Eure Churfürstl. Durchlaucht bitten wir ganz
untertänigst die von dero Beamten rein aus übler Absicht eingesandten
berichte nicht zu beachten, sofort aber die nach Straubing verschafften 6
Bürgerspersonen wieder nachhause zu schicken, wo sie von deren Eltern
bei der jetzigen Arndtzeit ebenso nötig sind wie die ansässigen Bürger
und sie hier die verdiente Strafe, wozu sie schon längst durch den
Ratsdiener citiert worden sind, ausstehen zu lassen. Den gemeinen vom
Jägercorps aber, der auch uns selber grob begegnet ist, wolle man an uns
verweisen, da wir ihm genügend Satisfaction verschaffen. Mit der
weiteren untertänigsten Bitte, über die vorigsjährige Verantwortung zur
Abschneidung aller ferneren Anstößigkeiten Resolution zu erteilen und
solche Maßregeln zu verfügen, daß sich die Gerichtsschreiber
polizeimäßig verhalten und sich unserer Abschaffung fügen sollen, damit
sich nicht andere unter das bürgerliche Forum fallende Personen darauf
steifen und dem gehorsam entziehen können, fügen wir an, daß dieser
untertänigste Bericht vom ganzen rat so abzufassen und zustande zu
schreiben beschlossen worden ist und empfehlen uns fortwährend hoher
Huld und Gnade in tiefer Submission den 18. Juli 1783Das ist
nun ein märktischer Rundumschlag, gegen den Amtmann, den
Gerichtsschreiber aber vor allem auch gegen den Oberbeamten, den
Pflegskommissar von Frank. Das Pfarramt wurde bei dem ganzen Vorgang
weder um eine Stellungname gebeten, noch ist irgendeine Äußerung von
kirchlicher Seite über die Vorgänge dokumentiert worden. Der Markl
pochte sehr selbstbewusst, vielleicht zu selbstbewusst, ja fast
unverschämt, auf seine Rechte und auf sein altes Brauchtum, ohne zu
berücksichtigen, dass der politische Zeitgeist gegen solch altes
Brauchtum gerichtet war.
Am 1. August 1783 erfolgte die
Resolution der Regierung, lt Aussage Hubrichs war dieses Amtsschreiben
10 Seiten lang, Hier transkribiert Eugen Hubrich nicht das Schreiben
sondern bringt die wesentlichen Auszüge in seinen Worten wieder:
Unseren Gruß zuvor, Liebe Getreue
Wir
haben uns sowohl über die Einberichtung wegen der in dortigem Markt
vorgegangenen höchst strafbaren Exzesse im Schießen und anderen
Schwärmereien bei der Pfingst- und Fronleichnamsprozession als auch über
euere Verantwortung und die Einvernahme der Rädelsführer Vortrag machen
lassen und dabei mißfällig wahrgenommen, daß dieses zügel- und zaunlose
Betragen größtenteils aus Eurer pflichtwidrigen Nachlässigkeit, aus
nicht genügendem Amtsernst und Eurer Gewinnsucht deswegen die Ursache
genommen hat, weil ihr euch sogar unterfangt, dasss dieses Ärgernis
gebenden Schwärmereien vermessentlich zu entschuldigen und zu
unterstützen, ja sogar unseren Oberbeamten, den Herrn von Franckh
ehrverletzend anzudichten, er hätte das Anbringen des Gerichtsdieners
nicht einmal gelesen. Diese groben Vergehungen werden euch daher
ernstgemessenst verwiesen und Euch zugleich anbefohlen, daß ihr
hinkünftig bei Eurer Bürgerschaft und deren ausgelassenen Söhnen in
schuldigster Befolgung der Gnädigsten Befehle und in der Beachtung der
Polizei umso unfehlbarer eine bessere Subordination und die Übertreter
ohne Rücksicht der Person empfindlich bestrafen sollet, als wir uns
sonst bei weiteren Fällen unmittelbar an den amtierenden Kammerer und
seine Ratsmitglieder halten sie sofort durch ein Militärkommando auf
ihre Kosten abholen und nach Umständen auch absetzen lassen würden. Es
hätte sich gebührt die in euerer Verantwortung über die Schreiber, den
Gerichtsdiener und andere Personen vorgebrachten Beschwerden bei Unserem
Pfleggericht anzuzeigen und Abstellung zu verlangen oder im
Weigerungsfalle sich bei unserer Regierung zu beschweren. Was die der
Gottes Ehre vergessene Ausgelassenheit mit Schießen, Tanzen,
Schwärmereien, Verkleidungen und Missbräuche bei der Pfingst- und
Fronleichnamsprozession anbelangt, so sollen diese von nun abgeschafft
und die Übertreter als Verächter unserer Gnädigsten Landesverordnungen
criminaliter bestraft werden, wobei euch denn vorzüglich obliegt, darauf
zu achten, daß bei solch öffentlichen Kirchgängen mehr auf die
schuldige Anbetung Gottes als auf die schmutzige Eigennützigkeit einiger
Bürger das Augenmerk genommen werde.
Endlich habt ihr den
Andreas Weiß, Georg Seiderer, Andrä Dreger, Balthasar Rabenbauer und
Adam Vest vor euch zu fordern und ihnen ihr höchststräfliches vergehen
mit dem Anhang zu verweisen, daß ob wir zwar Ursache gehabt hätten,
diese sämtlichen Rädelsführer mit empfindlicher Leibstrafe, teils mit
Unterstoßung uter das Militär zu züchtigen, wir doch auf ihre Besserung
hoffend, insoweit Gnade anwenden, daß obiger Weiß um 50fl, der Andrä
Dräger um 50fl, der Balthasar Rabenbauer aber um 40fl, der Georg
Seiderer um 12 fl gestraft und dieser Betrag nebst der Taxe von 4
Reichstalern allsogleich bei Vermeidung der Execution erlegt und zur
hiesigen Brandkasse eingesendet, der Adam Vest hingegen auf einen Tag
lang mit Wasser und Brot in den Bürgerarrest eingesperrt werden solle.
Wir versehen uns eines genauen Vollzuges dieser gnädigsten Verordnung
und sind im übrigen mit Gnaden
Den 1. August 1783
Churfürstliche Regierung in Straubing
Ein Beiblatt läßt den Ausgang der dramatischen Angelegenheit erkennen: Daß
mir Endesbenannter 152 fl, sage Hundertfünfzig zwei Gulden, Strafgelder
vermög gnädigstem hochlöblichen Regierungsbefehl zur Brandkasse gehörig
der richtigen Überlieferung willen eingehändigt auch weiters 14fl 35
Kreuzer Taggeld mit Einschluss 4 Thaler Straf ferner Porto herin 24
Kreuzer und Marschgeld 45 Kreuzer zu handen genommen, zusammen also 175
fl 47 kr wird in kraft dies bescheint
Orth Kötzting den 20.August anno 1783
Bartholomaeus TrosVerpflichter Regierungsboth zu StraubingMathias Mäder
Churfürstlicher GerichtsPoth
Joseph Schreiner als Zeug
Auch wenn dem Kötztinger Magistrat mit dem Regierungsbefehl kräftig der
Kopf gewaschen worden war, so wollte dieser doch nicht so schnell ganz klein bei geben, denn der Kampf um Rechte, Freiheiten und
Zuständigkeiten zwischen dem Markt auf der einen und dem Landgericht auf
der anderen Seite war ein immer wiederkehrender Beschwerdegrund – von
beiden Seiten.
Nur drei Tage nach der Bezahlung der obigen
Gerichtsstrafe und gerade mal 3 Wochen nach dem harschen Urteil aus
Straubing keilte der Kötztinger Amtskammerer Luckner zurück, auch wenn
dieses Schreiben nicht direkt im Zusammenhang mit dem Pfingstritt steht,
so ist es doch eine direkte Folge der vorher angesprochenen und
verhandelten Vorgänge.
Auch um den verlorenen Akt möglichst
vollständig zu rekonstruieren, sei der folgende Brief Luckners an die
Regierung in Straubing und an das Pfleggericht Viechtach noch
aufgeführt.
An die Regierung:
Dem sicheren
Vernehmen nach soll der hiesige churfürstliche Beamte Herr Franz Xaver
von Franck vor etlichen Wochen gegen den Joseph Gerstl, ledigen Bürgers-
und Weißgerberssohn und den Balthasar Kalb des Rates, beide allhier von
Kötzting Klage geführt haben, daß beide wider die hiesigen Schreiber
des Gerichtes hinterrücks sollen geschmäht haben, worüber draufhin Eure
Churfürstliche Durchlaucht Höchst dero Pfleggericht Viechtach das
Commissorium übertragen haben.
Nun? Gnädiger Herr, Herr! Wir sind
weit davon entfernt, Schmähungen zu decken oder zu gedulden, daß die
Gerichtsschreiber von unseren untergebenen Bürgern schlecht hergenommen
werden, sondern unsere Gesinnung zielt vielmehr daraufhin ab, jedermann
die schuldige Achtung zu verschaffen und Verfehlungen zu bestrafen.
In
der Haupt Sache aber ist es unsere Pflicht und Schuldigkeit, auf unsere
märktischen Privilegien zu halten und darum besorgt zu sein, daß die
Untergebenen nicht in vorsätzliche Schäden und Kosten gestürzt werden
nur durch Scheinprozesse.
Aus diesen beiden Gründen werden also Eure
Churfürstluiche Durchlaucht Gnädigst erlauben, daß wir dem von dero
Beamten allhier Geschehenen nur eines entgegen setzen dürfen, was
unmittelbar zum Abbruch unserer marktlichen Privilegien hinausliefe,
anderenteils aber der Wahrheit zuwiderläuft.
Unsere Privilegien sind
es klaren Tenors, daß uns in Real- und Verbaliniurien und in Causis
mixtis die Verhandlung gebührt. Mithin wenn wirklich wahr wäre, daß der
überschriebene Joseph Gerstl und der Balthasar Kalb wider die
Gerichtsschreiber einige Schmähworte sollten ausgestoßen haben, wäre
ihnen obgelegen beim hiesigen Wohnorte als dem Loco delictis und
domicilis hier Klage zu stellen, wo ihnen Genugtuung verschafft worden
wäre. Die Gerichtsschreiber hätten also gar keine Ursache gehabt, eine
Klage beim Pfleggericht und der Regierung zu erheben und einen einfachen
Civilhandel in einen Inquisitionsprozeß umzuwandeln, da ihnen unsere
Privilegien ebenso bekannt sind wie uns. Wir müssen daher gegen unseren
Willen auf den Gedanken verfallen, das das Benehmen der
Gerichtsschreiber nur auf die Beschränkung unsrer Privilegien abzielt.
Es ist auch schon eine Hinterlist, daß dero Beamte den hiesigen Bader
Simon Riederer vor das Pfleggericht zu verschaffen begehrt ohne auch nur
einen Grund anzugeben. Der als Zeuge verhörte Joseph Huber, gemeiner
Curaßierreiter (=schwere Reiterei) und der Joseph Vriesel, Friseur, sind
Sklaven und Wohldiener der Gerichtsschreiberstube. Sie stecken
beständig dort und haben von da aus fast ihren Unterhalt. Im Gegenteil
aber kann durch andere unverwerfliche Zeugen deren Aussage nicht nur
gänzlich entkräftet sondern auch gezeigt werden, daß keiner von den
Angezeigten das mindeste gegen die Schreiber geredet hat. Es fällt uns
daher sehr schwer, daß diese Leute in vergebliche Gänge und Unkosten
gestürzt werden und daß unsere Gnädigsten Privilegien so unbillig
beschränkt werden nur deswegen, weil sich die Schreiber einmal in den
Kopf gesetzt haben, dem Markt einen Tort anzutun, wo sie nur können, was
aber Eure Churfürastliche Durchlaucht, wie wir untertänigst hoffen,
nicht zugeben, sondern vielmerh auf unsere anmit gestellte untertänigste
Bitte Gnädigst geruhen werden, von dem Pfleggericht Viechtach das
ausgefertigte Commissorium Gnädigst zu widerufen, dem hiesigen Beamten
aber gnädigst anzubefehlen, die Schreiber, wenn diese beleidigt zu sein
glauben, mit ihrer Klage an den Markt zu verweisen, in Zukunft aber
nicht jedem weit hergeholten Anbringen Gehör zu geben und im Übrigen
auch die Schreiber zu plicht- religions- und polizeimäßiger Aufführung
anzuhalten, damit unsere Bürgerschaft nicht Ursache findet sich darauf
auszureden und darüber zu streiten.
Wir bitten endlich, auch weiter
zu verfügen, daß sich dero Beamter der Verschaffung bürgerlicher
Personen ohne den Grund anzugeben, außer in Malefizsachen, nicht mehr
unterziehen solle.
Den 26. August 1783
Legit. Luckner
Drei
Tage später am 29.8.1783 bittet der Bannmarkt Kötzting das Pfleggericht
in Viechtach mit der Abstellung der Untersuchungskommission im Falle
Gerstl/Kalb noch eine Zeit von 8- 14 Tagen zuzuwarten, da man bei der
Regierung um die Zurücknahme dieses Auftrages gebeten habe.
Wie sich
die Regierung in der Sache entschieden hat, geht aus den Akten nicht
hervor, nur sehen wir an der ganzen Entwicklung dass der Kampf um den
Pfingstritt eingebettet ist in einen Kampf um die Privilegien und
Freiheiten, die ja die Geschäftsgrundlage des ganzen wirtschaftlichen
und politischen Handelns im Markt darstellten. Wenige Jahre später mit
der großen politischen Reform des Königreichs Bayerns war es dann mit
allen Privilegien vorbei und Kötzting auf die Größe und die Rechte einer
kleinen Ruralgemeinde heruntergestuft worden.
Die Privilegien waren weg und ebenso der Pfingstritt.
Als
die Regierung in München dann langsam wieder mehr Freiheiten und
Selbstverwaltung gestattete – im politischen wie im religiösen Bereich –
sah der Magistrat - denn den durfte es dann auch wieder geben - die Zeit
gekommen, um um die Wiedereinführung des Pfingstrittes zu bitten.
In
dem Schreiben vom 3. Mai 1820 an das Pfarramt bat der Magistrat um die
Erlaubnis den Pfingstritt wieder durchführen zu dürfen um eine
Viehseuche abwenden zu können bzw. zu verhindern, daß diese Kötzting im
laufenden Jahre noch stärker treffen könnte. In diesem Antrag stellt der
Magistrat ausdrücklich noch einmal fest, daß der alte Pfingstritt in
jüngeren Zeiten erst wegen dem dabey eingeführten Unfuge des Schießens
aus Pistolen abgestellt wurde.
Dieser Bittgang zu Pferd,
allenfalls verbunden mit Austheilung eines Kranzes an den würdigsten der
Anwesenden Jünglinge und einer kurzen Rede, wünscht die vom Übel
bedrohte Marktgemeinde Kötzting in Übereinstimmung mit den umliegenden
Kötztingerischen Pfarrgemeinden um so mehr wieder zu erneuern, als durch
dabey stattfindende fromme Gebethe die Gemüther der Wallfahrer erhoben
hiedurch die Fürsprache der verehrten Heiligen Gottes bewirket und vom
Allgütigen sofort die Abstellungdes furchtbaren Uibels desto sicherer
gehofft werden kann.Nun stellt man die Bitte an das k. Pfarramt:
- Den Bittgang als ein erneuertes Verlöbnis zur Pferd am
Pfingstmontag mit einem Gottesdienst und einer kurzen Rede in Steinbühl
dann mit oder ohne sonst übliche Kranzlaustheilung gefälligst wieder
einzuführen sowie:-
Die Versicherung die hierauf erlaufende Stoll- und andere gebühren prompt abgeführt werden zu genehmigen und
-
Hierüber bäldigst eine gefällige Äusserung schriftlich und ad
actas zu erlassen, um in jedem Falle die allenfallls geeigneten weiteren
Anträge machen zu können.Das Pfarramt antwortete skeptisch am 8. Mai und verwies auf das erst kurz zurückliegende Verbot des Rittes :
Das
Verboth hierüber von Seiten der Regierung ist noch zu neu, laufen dabey
zum Theile die größten Entehrungen des Heiligtumes, ärgerlicher Unfug
und andachtsloser Auftritte mitunter, wird das Volk durch solche
ungeeignete Spektakel von dem Hauptgegenstande abgezogen, Zerstreuung
bewirkt und so der Zweck der waren Andacht vereitelt. Wenn
aber das Pfleggericht mitspiele wäre er auch nicht abgeneigt einen
Bittgang zu Pferde einzuführen (Achtung also nicht die alte Prozession
weiterzuführen sondern einen Bittgang als Verlöbnis zu Ehren der H.H.
Nikolaus, Wendelin und Leonhard neu einzuführen)
Die
Kranzlausgabe würde er wegen des sittlichen Verfalles sogar begrüßen um
die würdigsten Jünglinge und Jungfrauen auszuzeichnen.
Mit demselben
Tage antwortete der Landrichter von Pechmann dass zwar der sogenannte
Pfingstritt oder Prozession zu Pferde am Pfingstmontag und die
Ertheilung eines Kranzes an den sittlichsten Jüngling keinen Anstand
unterliege, dabey aber alle der Würde des Kultus unangemessenen
Alphansereien zu vermeiden und darauf zu sehen ist, daß durch unkundige
Leute oder scheuende Pferde kein Unfall sich ereigne.
Der Magistrat
bittet nach diesem eigenhändig geschriebene Brief des Landrichters
ebenfalls noch am selben Tag – da heben wohl im Hintergrund bereits
Vorgespräche stattgefunden, dass es dann doch so schnell gegangen ist-
das katholische Pfarramt um die Verkündigung der gefälligst
zugesicherten Einführung des Pfingstrittes. Er sichert sein Streben
nach Ordnung zu und fügt an
Übrigens bleiben alle auf die Würde
des Kultus Bezug nehmenden Anordnungen des Zuges und der dabei stattfindenden Einrichtungen dem einsichtsvollen Ermessen des Pfarramtes überlassen und anheimgestellt. Somit lag die Ordnung des
Zuges und die Aufsicht beim Ritt in der Hand des teilnehmenden Mesners
Es
dauerte noch ein Jahr, bis die Genehmigungen dann auch von Seiten der
Regierung vorlagen, der 1820er Ritt war also noch ein wenig im
„Illegalen“
Bei dem neuen, bzw. erneuerten, Pfingstritt trat nun
aber der Magistrat als Veranstalter auf, bezahlte die Pferde für die
Rittspitze, kümmerte sich um Auszeichnungen, führte einen „Weitpreis“,
kurz ab jetzt lief alles in geordneteren Bahnen,
Man ritt nicht mehr
um 6.00 Uhr nach Osten in die aufgehende Sonne, sondern zeigte sich ab
7.30 auch den angereisten Zuschauern. Dieser Ausritttermin wurde dann im
20. Jahrhundert sogar dem Zugfahrplan angepasst – Beginn 8.00 Uhr. Auch
finden sich Protokolle, die den Brautzug pünktlich vor der Abfahrt des
Zuges in der Bahnhofstraße sehen wollten. Das Ganze hat seine
Fortsetzung in der pünktlichen Ankunft des Burschen- und Brautzuges vor
dem alten Rathaus zum Bürgertrunk.
Es gibt also doch große
Unterschiede zwischen den früheren wilden und offensichtlich
unkontrollierbaren und dem heutigen eher braven und kontrollierten
Pfingstritt.
[1] Erst ab dem Zeitraum 1420/1421 kann man in unserem Grenzraum von herumschwärmenden Hussiten ausgehen
[1]
Eugen Hubrich schrieb um 1952 mit dem Manuskript: „Der Pfingstritt zu
Kötzting“ eine volkskundlich- geschichtliche Würdigung unseres
Traditionsrittes. In diesem Manuskript verwendet er Archivalien, die
heutzutage als verschwunden gelten. Diese transskribierten Akten der
Jahre 1783 und 1784, zusammen mit neueren Funden in den staatlichen
Archiven, ergeben ein interessantes aber ganz anderes Bild vom Ablauf
des Pfingstrittes im 18. Jahrhundert
[2] Staatsarchiv Landshut Rentkastenamt Straubing R 3429 Seite 14 u 14`von 1690
[3] StA Kötzting Rechnungen Markt Kötzting von 1745