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Mittwoch, 23. Januar 2019

Rädern, Erdrosseln und Erhängen, ein Kriminalprozess von 1664

von der Verhaftung bis zum "Gerichtstag"


Staatsarchiv Landshut:
Amtsrechnung churfürstliches Landgericht
Kötzting de Anno 1664
für die Erforschung des Lebens unserer Vorfahren bieten die vorhandenen Rechnungsbuchreihen des Pfleggerichts, des Kastenamts und des Vogtsgerichts eine solide Grundlage, weil herauf bis zum Jahre 1764 (in diesem Jahre wurde eine andere, viel nüchterne Buchführung verpflichtend eingeführt) jede, und sei sie noch so klein, Ausgabe detailliert mit allen sie begleitende Umstände erläutert wird.
Der Prozess, der am Ende die ungeheuere Summe von 754 Gulden (je nach Umrechnungsmethode zwischen 75.000 und 150.000 Euros) verschlungen hat, wird im Rechnungsbuch auf mehr als 80(!) Seiten in allen seinen Ausgabenfacetten aufgedröselt.
Vor allem aber sieht man wie in Zeiten ohne Fax und Telefon solch eine komplexe Untersuchung auf dem Botenwege durchgeführen mußte.










Die folgende Untersuchung ist sicherlich nur für besonders Interessierte lesenswert. Vielleicht aber geben die detaillierten Karten auch dem schnellen Leser einen Überblick über die komplexen Dienstwege vor Gericht in der damaligen Zeit. Aus diesem Grunde auch habe ich diesen Spezialbericht aus dem "Ludwigsbergblog" herausgelöst. Nun aber der Prozess von 1663/4


Es geht los mit einer Verhaftung, noch im Jahr des Herrn 1663:

Eine Räuberbande wird abgeurteilt

Philipp Bauer, Mauerer am Kolmstein - Christoph Unfried aus Krailling - Stephan Pichlmayer Badknecht von Furth - Adam Schuster von Röhrenbach - Wolf Windstauber aus Kolhamb in Böhmen - Magdalena Pichelmayr und der Hans Fischer, Stadtzimmermeister aus Furth sind die Personen, gegen die im Verlaufe dieses Prozesses ermittelt wird.

 Die erste Verhaftung:




Ganz am Anfang steht die Verhaftung des Philipp Bauer, eines Maurers von Kolmstein. Dieser soll "auf der Kager" und "Lamberg" 2 Pferde gestohlen und nach Böhmen gebracht haben. Er wurde am 16. Juni 1663 von der Arbeit weg auf einer Baustelle in Warzenried verhaftet und am selben Tag noch nach Kötzting ins Amtshaus gebracht. Das Kötztinger Amtshaus, heutzutage mit dem Hausnamen des "Wieser Girgl",  diente als Untersuchungsgefängnis. Gefängnisstrafen im heutigen Sinn waren damals für die niedere Bevölkerung nicht in Gebrauch. Dort im Keller des Gebäudes waren sogenannte Keuchen(=Zellen) eingerichtet und die Gefangenen waren dort auch angekettet. Der Kötztinger Amtmann (wegen des Ein und Ausschließens manchmal auch Eisenamtmann genannt) wohnte mit seiner kompletten Familie und den Amtsknechten ebenfalls in dem Haus, allerdings zu ebener Erde, wo auch die Verhörstuben und die Folterkammer untergebracht waren. Die Keuchen befanden sich im feuchten Kellergeschoss.
Bildunterschrift hinzufügen
LG Kötzting: In diesem Vernehmungszimmer fanden die ersten Befragungen statt, das Ergebnis wird am 2. Juli nach Straubing an die Regierung berichtet.  Die Regierung in Straubing überprüft seine Aussage und will wegen seines Aufenthalt in Oberhaus (Passau) dort nach dessen Leumund nachfragen lassen. Es gehen also - wir kennen den Inhalt des Teilgeständnisses nicht - Boten ab an die Veste Oberhaus in Passau und wegen der Pferde auch nach Bistritz (einem Ortsteil von Neuern) in Böhmen. Dies sind wohl die ersten beiden Orte die der Verhaftete genannt hatte. Gleichwohl hatte Straubing noch Nachfragebedarf beim Delinquenten.
Und nun wird's ernst.....
Der Landrichter vernimmt Philipp Bauer noch einmal gütlich und sendet am 31.Juli einen neuen Bericht nach Straubing aber die sind dort nicht zufrieden mit der Aussage, daher wird eine Vernehmung unter Folter - in loco tortura  also in der Folterkammer - angeordnet.
Der genaue Wortlaut ist: "in loco tortura ohne und mit Gewicht nach Gestalt seiner Leibsposition"

Rechnungseintrag, nachdem die Durchführung der Folter an Bauer angeordnet worden war.
Bauer solle also gefoltert werden, durchaus auch verschärft, aber unter Berücksichtigung dessen, was sein Körper aushalten könne. Der Scharfrichter Michael Schönsteiner aus Straubing kommt zur Folter am 7.August extra angereist und bekommt dafür 10 Gulden ausbezahlt. (ca. 1000 Euros)
Bei dieser Folter konnte man seinem Gedächtnis offensichtlich auf die Sprünge helfen, Bauer benennt einen seiner Mittäter, Mathias Härtl, der aber bereits in Regen inhaftiert ist.
Offensichtlich hatte Bauer unter der Folter auch noch einen unrechtmäßigen Kuhverkauf gestanden, daher wird am 10.8. erneut ein Bote nach Bistritz gesandt um zu erfahren ob es wahr sei, dass der Wirth in Kolheimb in Böhmen wirklich eine Kuh von Bauer angekauft hatte.
Das Ergebnis der Vernehmung unter der Folter wird in Straubing eingereicht.
Pabälcka in Böhmen, habe ich nicht gefunden, Babcice, ist der Ort, der dem am nächsten kommt. Der Bote nach Bistritz musste jedenfalls gleich nach "Pabälcka" weitergehen um weiter Nachforschungen anzuleiern.

 Der Kötztinger Pfleger musste nun weiter aktiv werden, er schickte Boten nach Arnschwang und Runding an die dortigen Hofmarksherren, um weitere Nachforschungen anzustellen, dann musste er sich noch gegenüber der Regierung in Straubing erklären, weil von den angeforderten anderen Nachforschungen noch nichts eingetroffen war.

Die erste Folterung bringt neue Namen ins Spiel

Dann langen endlich die angeforderten Berichte aus Kager (Pferdediebstahl) und aus Passau ein und am 7. September wird Bauer daher unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse erneut befragt, was dann zur Verhaftung des Christoph Unfried wegen Diebstahls durch die Graf Gatzische Hauptmannschaft in Pystritz führt. Kötzting will nun gleich von Straubing wissen, ob der verhaftete Unfried übernommen werden solle. In derselben Befragung - gütlich - benennt und belastet Bauer noch mehrere seiner Mithelfer: Adam Schuesster, der Stuzfinger genannt, Wolf Winthauer Weber in Kohlhaimb und Stephan Pichelmayr einen Badknechts in Furth im Wald.
Forderung der Hauptmannschaft in Bistritz an Unkosten

Straubing möchte des böhmischen Gefangenen unbedingt habhaft werden und fordert Kötzting auf, die Auslieferung zu beantragen, aber die böhmische Hauptmannschaft hat da noch eine kleine Rechnung offen:
11 Gulden 45 xr stünden da noch an Atzungs (Ernährung) und anderen Unkosten zu Buche, bevor die nicht beglichen wären gäbs keine Auslieferung.


die Vernehmung unter Folter bringt neue Namen,
folgents mehrer Boten und neue Verhaftungen und
Überstellungen an den Tag: rot=Botengänge und Berichte
grün=Auslieferungen
Der in Regen, auf Aufforderung durch Kötzting, verhaftete Mathias Härtl wurde nicht weiter verdächtigt, berichtet Kötzting nach Straubing.
Nach "Bezahlung" der böhmischen Auslagen konnten die gerichtischen Amtmänner den Unfried "an der gewohnlichen Gräniz" übernehmen und in die Kötztinger Fronfeste einliefern. Nun hatten sie dort bereits zwei Gefangene zu betreuen.
Es ging normal weiter, zuerst eine Befragung, danach Boten in die Orte (LG Viechtach und Hofmark Zandt), die vom Unfried benannt worden waren. Trotzdem, Straubing reichte diese nicht: der Scharfrichter mußte wieder anrücken und hatte nun zwei Malefikanten zu "befragen".
Genauer gesagt ordnete Straubing, "den Stuhlfried je nach Beschaffenheit seiner Leibsconstitution  ohne und mit dem Gewicht woll empfindlich aufziechen, den Pauern aber mit Vorlage und Betrohung der Tortur mit dem Painschrauff yber die vorige exprimirte umbstendt nochmals zu examinieren". Bauer sollten also nur die Folterinstrumente gezeigt werden, damit er sich besser erinnern könne... Dies geschah dann am 6. Oktober 1663.
Nun gings zuerst einmal Schlag auf Schlag: der in Straubing inhaftierte Badknecht Pichelmayr und von Bauer eines Mordes in Furth im Wald bezichtigt, wird nach Kötzting ausgeliefert, gleich in der Folterkammer vernommen - nur gezeigt - und der Bericht nach Straubing abgeschickt, die sofort eine dritte Folterung befehlen, unter den üblichen Bedingungen. Der Straubinger Scharfrichter kennt den Weg nach Kötzting in diesem Jahr schon recht gut.
Von ganz anderer Seite kommt nun eine Nachricht: Der Klosterverwalter von Schlegl (Mühlviertel in Östereich)  schreibt an die Regierung in Straubing, dass die gesuchten Adam Schuster und Wolf Windtauer dort verhaftet worden waren.
Pichelmeier jedenfalls sagte unter der Folter aus und belastete seine eigene Mutter der "rdo Leichtfertigkeit", was einen neuen Botengang nach Furth im Wald nötig machte, um herauszubekommen ob dies der Wahrheit entspräche und die Mutter sicherheitshalber einmal dort einsperren zu lassen. Der Scharfrichter berechnete jedenfalls für diese "Wahrheit" satte 13 Gulden und reiste wieder ab.

Das Untersuchungsgebiet weitet sich deutlich aus


Auch nach der Abreise des Scharfrichters verrät Pichelmeier nun neue Namen, ein  Georg Pern zu Waldmünchen, Georg Lindl zu Hammereglsee und ein dritter zu Kesselstein wurden genannt und auch dies bedeutete sofort: Boten zum LG Waldmünchen. Ein Georg Braun aus der Hofmark Stachesried wurde ebenfalls genannt.
 Nach einem Zwischenbericht nach Straubing ordnet die Regierung an, dass Kötzting einen Antrag an das Kloster Schlegl im Land ob der Enns stelle, um die dort Verhafteten zu einer Aussage zu bringen. Nachdem diese dort aber bei ihrer ursprünglichen  Aussage geblieben waren bleibt Kötzting nichts anderes übrig, als deren Auslieferung zu beantragen.
Aber es gibt erneut zusätzliche Beschuldigte, ein Hans Hofer in Regensburg und Hans Hannsill aus Regenstauf,  und wieder mussten die Boten marschieren.
Wir kommen ins Jahr 1664, der Straubinger Scharfrichter Christoph Siegertsreiter schreibt, dass er gerade in Regen zu tun hätte und daher in Kötzting verbeikommen würde, um an Christoph Unfried die "Execution" (hier Ausführung der Folter)  vorzunehmen.
Manchmal werden auch die Namen der Boten genannt, vor Allem, wenn gleichzeitig Mehrere in unterschiedliche Richtungen geschickt werden mussten und die "normalen" Boten damit beschäftigt waren. Martin Rädlinger - heutzutage Blumengeschäft Alchemilla in der Herrenstraße und der Schreiner Lehner (heutzutage das griechische Lokal in der Rathausgasse) müssen nun als Boten aushelfen.
Es gehen Berichte und Anfragen nach Straubing, nach Bistritz wegen des Leumundes (Umgang, guter Ruf) des Stutzfinger und Windtauer, nach Furth wegen des Leumundes der Magdalene Pichelmeier. Straubing ordnet auch die Folter am Stuzfinger und Windtauer an - nach Aktenlage befinden diese sich aber zu dem Zeitpunkt noch in Verhaft beim Kloster Schlegl. 
Das Landgericht in Kötzting schreibt nun an die Regierung und möchte wissen wie jetzt es weiter verfahren solle. Die Aussagen des Stutzfinger und Widtauer machen größere Untersuchungen nötig und so wird der Kötztinger Schreiner Lehner  ins Bistum Passau und in die Böhmische Umgebung geschickt und erhielt für diese "Dienstreise" extra ein "öffentliches Patent"  (wohl eine Art Passersatz), der Botenlohn im "Umgang" von einem Ort zum andern, die er durch unterschriebene Botenzettel belegen musste, betrug von 57 Meilen (eine Meile damals 7.5 km)  "Wegs- und 7 1/2 Tage Wartgeld" 11 Gulden 22 Kreuzer und 3 1/2 Pfennige, heutzutage locker 1000 Euros. Wegen der, damit verbundenen  mehrtägigen, Abwesenheit der Boten dieser beiden Botengänge, griff wohl das Landgericht auf externe Mitarbeiter zurück, sonst wäre der reguläre Botenbetrieb auf Wochen hinaus darniedergelegen.
Ausweitung der Untersuchungen, der Raum wird immer umfangreicher
Der Kötztinger Bürger Georg Amesberger musste in die andere Richtung hin aufbrechen, es ging in den Nürnberger und (ober)Pfälzer Raum. Er kam auf fast 67 1/2 Meilen (=fast 500 km zu Fuß). Zusammen mit 20 Tagen Wartegeld erhielt er dann mehr als 16 Gulden, ein schöner Zusatzverdienst. 

Erneut bringen diese umfangreichen Ermittlungen neue Details hervor und weiter gehts mit den Botengängen und Suchaufträgen:
Hans Märkl marschiert nach Teschenitz, Ander Lehner nach Tenitz, Pötscha, Fraunberg, Kadeusch, Täschlawitz und zum hl. Kreuz.
neue Botengänge Februar und März 1664
Anschließend,  mit einem Zwischenbericht geht wieder Meldung nach Straubing und daneben sollen Furth die "Pichelmeierin" samt wichtigen Zeugen zum Verhör geordert. Leider erkrankt der Zeuge und so ergeht die Order, per Bote, dass der Zeuge vor ort in Furth vernommen werden solle.
All diese Befragungen werden zusammengefasst und nach Straubing geschickt.
Der in Waldmünchen festgesetzte "Lindtl" soll mit der "Pichelmeierschen Aussage" konfrontiert werden.


Im März nun laufen von mehreren Seiten die verschiedenen Berichte ein, werden zusammengefasst und nach Straubing geschickt, was nun erneut neuere Aufträge zur Nachforschung zur Folge hat.
Im März gibt es nun einen neuen Beschuldigten - in der Sache Frau Pichelmeier- aus Furth im Wald mit Namen Paulus Dimpfl
Aus den "Befragungen" des Stutzfinders ergibt sich auch noch ein neuer Verdachtsmoment. In Oberhaus wird daher nach dem Leumund eines Augustin Ach- aus Leoprechting bei Hutthurm-  nachgefragt und es kommt die Nachricht, dass sich Paulus Dimpfl angeblich in Dillingen aufhalten soll.
Langsam scheint sich das Verfahren zu seinem Ende zuzubewegen und das Landgericht Kötzting informiert den Pfleger in Leoprechting dass die in Kötzting inhaftierten bald abgeurteilt würden, wenn er seinen Gefangenen noch mit Aussagen konfrontieren wolle, solle er sich beeilen....
Nun kommt aber noch eine überraschende Wende: Pichelmayr benennt den Further Stadtzimmermeister als Mittäter bei dem Mord. Kötzting schickt Boten, läßt diesen dort festnehmen und wünscht eine Vernehmung.  
Nachdem Pichelmeier nun auch noch gestanden hatte, dass er in Döbersing von der Weide weg eine Stute gestohlen und in einem Dorf bei "Päschnitz" verkauft hatte, geht der ganze Botenzauber wieder weiter. 
Die Regierung in Straubing möchte nun, da einige der Beschuldigten in Revision gegangen waren - damit ihre Aussagen zurückgezogen hatten - durch eine erneute Folter überprüfen, ob die Malefikanten nicht doch lieber bei den ursprünglichen Aussagen bleiben wollten. 

Von Pichelmeier wollten sie wissen, was er weiters über den Stadtzimmermeister und dessen Sohn aussagt,  und dann eben auch die beiden Böhmen, wieder von neuem zu foltern, weil alle drei in Revision gegangen waren, nun sollten sie ihre alten Aussagen bestätigen.
Die Ergebnisse, welche der Scharfrichter unter Foltereinfluss erzielte wurden in einem Bericht nach Straubing abgefasst und nun wird es ernst. Noch einmal eine Nachfrage am 12. Juni nach Leoprechting, ob diese noch etwas von den Inhaftierten im Zusammenhang mit dem dort inhaftierten Räuber Georg Kern zu wissen begehrten.
Abschluss der Untersuchungen im Sommer 1664





































Nachdem dies nicht der Fall war, stellte Kötzting am 7. Juli in Straubing den Antrag auf die Urteilsverkündigung und auf eine Festsetzung eines Executionstages in Kötzting.
Die Regierung in Straubing spricht das Urteil über die in Kötzting einsitzenden Maleficanten und legt die Hinrichtungen auf den 14. und 15. Juli 1664 fest.
Die Urteile lauten:
Stefan Pichelmayr Badknecht von Furth, Adam Schuster "Stutzfinger" und Wolf Wündtauer werden "ieder an beede Armb mit glühenden Zangen greiffen, von untenauff gerädert, volglich in die Räder geflochten"
Philipp Paur Maurer am Kolmstein "an einer Saul ertrosselet und folgents verprennet"
Christoph Unfried "mit dem Strang vom Leben zum Tod hingerichtet soll werden".
Entlassung der unschuldig Eingesperrten

Georg Lindtl, der in Waldmünchen einsaß, wurde freigelassen, genauso wie die Mutter Magdalena Pichelmeier und der Stadtzimmermeister aus Furth im Wald Hans Fischer, bekamen aber keine Haftentschädigung..."des Verhaffts ohne entgeld widerumb zu begeben."











Nun gings also ums Leben, der Hinrichungstag kam näher:



Für diese Ausführung benötigte man:
Das Handwerk der Wagner für die Räder und andere Instrumenter, Kosten  15 fl 
Das Handwerk der Schmiede zur Beschlagung der Räder, Zangen Schürhaken, Nägel und anderes Kosten 28 fl
An Michael Springinkhle, Kupferschmied von Cham, für "einen kupfernen Kessel, welcher zu der Maleficanten, so mit Zangen gezwückht, zu dem Feuer gebraucht worden".
Dem Zimmermann "Urban Pfliegl zu Gehstorf von Machung einer Stiegen, worauf mann auf den Scheidterhauffen gangen, ainem kleinen Laitterl und Auspuzung der Stangen zu der Schrannen beim Hochgericht guetgemacht".
Hans Silbereisen "Bürger und Sailler zu Kötzting um allerhand hergebene Saill und Geschirr zur Hinrichtung"

Der Scharfrichter zu Straubing erhält für die Hinrichtung der 5 Personen 58 Gulden
Beleg Nr. 88 dem Scharffrichter zu Straubing Michael Schönstainer, ist wegen Justifcierung diser 5 Malefikanten, als 3 Persohnen mit dem Radt, die viertte mit dem Strang und Feuer und die fünffte Persohn mit dem Strang inhalt seiner Zetl bezahlt worden 58 Gulden 22 Kreuzer


Der Landgerichtsamtmann berechnete für das Aus-und Einschließen und für die Ernährung der Gefangenen:
Philipp Bauer 11.6.1663 - 15.7.1664 400 Tage 100 fl
Pichelmayr Stefan 10.11.1663-14.7.1664 249 Tage 64 fl
Für die vom Kloster Schlögl im Land ob der Enns hier verbrachten  Adam Schuster (Stutzfinger) und Wolf Windtauer 19.9.1663-14.7.1664 zusammen 418 Tage 125 fl
Christoph Unfried 22.9.1663-15.7.1664 298 Tage 75 fl
Magdalena Pichelmayr und Hans Vischer wurden aus der Haft entlassen, ihre Unterbringung brachte dem Amtmann noch einmal 44 fl
Dann bekamen die Verurteilten - ab dem Urteil waren sie nicht mehr Malefikanten (=Übeltäter) sondern arme Sünder geistlichen Beistand in ihren letzten Tagen und Stunden
Allein vier Herren Franziskaner aus Cham und Neukirchen auch andere Geistliche standen bereit, "so denen armen Sündern bei Abkhündung des Lebens und der Hinrichtung zugesprochen auch mit dem heyl Sakrament und Beicht versehen an Wein under den währenden 3 Tägen von Ander Billich alhir abgeholt und deme guettgemacht worden  8 fl"
Der Pfarrherr in Kötzting, der diese Geistlichen zu beherbergen hatte bekam für die Verpflegung ebenfalls eine Entlohnung:  Verpflegung für die Franziskaner und Geistlichen 6 fl
Am Ende noch ein Almosen für die Herren Reformatoren von Cham und Neukirchen für ihre "Bemiehungen" 5 fl
Am Ende muss noch einmal ein Bote ran und die Ausführung der Hinrichtungen und die Umstände nach Straubing berichten, dann war der Prozess endlich abgeschlossen.

Wie eingangs bereits erwähnt summierten sich all diese Ausgaben im Laufe des Jahres auf die stolze Summe von 747 Gulden, ein Betrag für den man in Kötzting zu der Zeit sich das schönste Marktlehen hätte aussuchen können.
Summa Ausgab auf die vorgemelt zugleich in verhafft gelegnen und in Thatt miteinander interessiert gewessen 7 Maleficanten tuet:
747 Gulden 42 Kreuzer 1 Pfenni
g

Was das Ganze in der Rückschau, neben der Art der Folter und der Hinrichtungen, zusätzlich noch bedrückend macht ist die Vermutung, dass solch eine Hinrichtung große Menschenmassen angelockt hatte, die sich dieses Spektakel, wohl genüsslich schaudernd, angesehen haben. Auch die Kinder haben wohl, vlt aus einiger Entfernung, sich diese Vollstreckung ansehen können. Zur Erinnerung, der Galgenberg war vollkommen unbewachsen und der Galgen, die Säulen und die aufgestelzten Räder waren sicherlich weithin sicht- und das Geschehen hörbar, sie sollten ja auch als Abschreckungsbeispiel dienen..
Hält man sich darüber hinaus noch den Ort der Folterkammer - beim Wiesergirgl im Erdgeschoss - vor Augen, dann steht zu Vermuten, dass auch diese Folterungen von neugierigen Nachbarn inkl. Nachbarskindern miterlebt, mit erlitten, sicherlich aber als sensationelle Abwechslung des täglich mühsamen Lebens dankbar mitgenommen worden sind.

Mittwoch, 27. November 2013

Die letzte Hinrichtung in Kötzting


vor gut 200 Jahren wurde auf dem Ludwigsberg zum letzten Mal eine Hinrichtung durchgeführt

 
Im Herbst, in der eher dunklen Jahreszeit, kommt immer wieder mal das Thema unseres Galgenbergs auf und die dort durchgeführten Hinrichtungen waren und sind immer wieder einmal Thema dieses Geschichtsblogs.
Nun also ein Bericht über die letzte Hinrichtung, die die Kötztinger "live" erlebt hatten.
 Meiner Erinnerung nach war es ein Harrlinger..... aber wo hatte ich davon gelesen und woher nun die Details nehmen....   (Der Blogbeitrag erschien bereits im Jahre 2013)
Die erste Reaktion in solch einem Fall ist immer: Herrn Baumann anrufen  ....meist ergibt sich in dem Gespräch dann der erste Hinweis auf Dokumente oder Urkunden. Hier kam dann tatsächlich schon die später sich als richtig erweisende Vermutung; in der "von Paur Chronik" könnte was stehen. Trotzdem war es noch nichts Genaues und so erinnerte ich mich an einen früheren Teilnehmer unseres Lesestammtisches, der uns vor vielen Jahren bereits von dieser "letzten" Hinrichtung erzählt hatte, Hans Thanner vom Kagerhof. (Hans Thanner, der Spezialist des Lesestammtisches für historische Währungen und deren Umrechnung ist leider mittlerweile verstorben)
Ein Telefonat genügte und Hans schickte wenige Minuten später einen Scan einer Festschrift  des Schützenfestes mit Fahnenweihe vom  22. - 25. Juni 1979  von den  D'Schatzberg - Schützen Harrling e.V." und dort ist unter Verweis auf die oben angesprochene "von Paur Chronik" diese Hinrichtung eines Harrlingers beschrieben.


Landrichter Carl von Paur + 1873 beerdigt in Kötzting


In Kötzting existieren zwei große Geschichtschroniken, die "Schuegraf" und die "von Paur"sche Chronik. Schuegraf beschrieb dabei die Anfänge Kötztings und endete mit seinen Ausführungen zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Carl von Paur, der Kötztinger Landrichter von 1845 und - nach der Justizreform - der späterere Bezirksamtmann von Kötzting bis 1869, versuchte den Anschluss an die Schuegrafssche Chronik herzustellen und ist vor allem durch seine jahrgangsweise beschriebenen Vorkommnisse und durch seine qualifizierten Bemerkungen und Überlegungen über die Kötztinger Bewohner und deren Lebensumstände mehr als nur ein punktgenauer Chronist gewesen. Vor allem seine Beschreibungen der Kötztinger Umgebung zeigen eine Liebe zu unserer Gegend und eine Lebendigkeit, so dass viele seiner Sätze selbst heutzutage     "1 zu 1" in Werbebroschüren genutzt werden könnten. Die lange Zeit verschollene Chronik befindet sich nun im Panzerschrank unseres Bürgermeisters und berichtet, ohne genaue Datumsangabe, über die Hinrichtung.
Im März 1813  schreibt von Paur noch von der Konzessionsvergabe an den neuen und ersten Kötztinger Apotheker Franz Xaver Preiss aus Eichstätt und  über den Zeitraum vom 16.-.18. Oktober schreibt er von der Völkerschlacht zu Leipzig.
Dazwischen also verortet er die letzte Hinrichtung, weiter nun in seinen eigenen Worten:

An diesem Tage ging es schon früh morgens rührig zu im Markte, auch von auswärts kamen viele Leute herbey, etwa um einer Kirchen- oder sonstigen Festfeyer - nein - um einer Hinrichtung beyzuwohnen. Der verheurathete Söldner Joseph Obermayer von Harling, 25 Jahr alt, hatte sich eines vorsätzlichen Mordes dadurch schuldig gemacht, daß er seinen Gebkäufer und Austrägler Michael Wildfeuer, um sich der Austräglerreichnis zu entledigen, vermittels einer in die Flinten, statt einer Kugel eingeladenen abgebrochenen Spitze eines Eggen=Zahnes am 10. November 1812 Abends 6 Uhr durch das Fenster der Austräglerwohnstube meuchlings erschossen hat.
Der Tat geständig wurde er des Mordes schuldig erkannt, und zur Todesstrafe durch Enthauptung verurteilt.

Nachdem das Kötztinger Amtsgefängnis, in dessen nun renoviertem Dachstuhl im letzten Monat die vergessenen Akten gefunden wurden, erst in den Jahren 1817 bis 1820 erbaut worden war, war Joseph Obermayer wohl im damaligen Amtshaus am Ende der Schirnstraße (=Schergenstraße) während seiner Verhandlung und bis zum Hinrichtungstermin eingesperrt. Die Verhandlungen und Verhöre wurden in der Regel im Pflegerschloss durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde der Delinquent dann ausgeschlossen und dem Landrichter vorgeführt. Für alle diese Verrichtungen inkl. der Verpflegung erhielt der Kötztinger Amtmann seine, genau in einer Tabelle festgelegten, Bezüge.
Der endgültige Schiedsspruch, das Todesurteil, wurde, obwohl die Verhandlungsführung in Kötzting lag, in Straubing ausgesprochen und auch der Tag der Hinrichtung von dort festgesetzt. Die Kötztinger Amtsmänner und Schergen hatten für den Aufbau des Hochgerichts bzw. des Schafotts zu sorgen und idR. wurden auch Schranken errichtet um das Publikum auf Abstand zu halten.  Die Hinrichtung wurde immer vom Straubinger Scharfrichter durchgeführt: Das "Brechen des Stabes" über den Delinquenten blieb dem Kötztinger Landrichter vorbehalten, dann handelte der Scharfrichter, doch zuerst weiter im Text von Paurs:




Am nordöstlichen Abhange des Galgenberges war das Schaffot aufgeschlagen und bereits gruppenweise von den vielen Neugierigen umstanden, als der Exekutionszug ankam. Voran der Landrichter zu Pferd, dann der Wagen mit dem Delinquenten unter Beistand des Ortsgeistlichen. 
Er zeigte keine Furcht.
Rasch stieg er vom Wagen und ging schnell die Treppe hinan, doch als er den Richtstuhl erblickte, sträubte er sich, sich niederzusetzen, so daß er mit Gewalt von dem Scharfrichtergehilfen, Wasenmeister Zankl von Steinach mit Gewalt dahin gezerrt und auf dem Stuhl niedergedrückt werden mußte, während dass der Scharfrichter Zankl von Straubing dem verhängnißvollen Hieb führte, der das Haupt vom Rumpfe trennte.
...während daß der Scharfrichter Zankl von Straubing dem verhängnißvollen Hieb führte, der das Haupt vom Rumpfe trennte. (Kopie aus der von Paurschen Chronik, Stadtarchiv Bad Kötzting)

Nachdem der Geistliche eine Mahnrede mit Gebet gesprochen hatte verlief sich die Volksmenge schweigend, und gedachte des Ermordeten in Wehmuth, da er ein braver Mann und besonderer Gutthäter der Kirche Harling war.

Die Amtmänner, Amtsknechte, Schergen, Scharfrichter und Wasenmeister, also Abdecker, bildeten als Mitglieder von unehrenhaften Berufen einen ganz eng geschlossenen Personenkreis. Ihre Mitglieder galten als so unehrenhaft, dass die "normale" Bevölkerung sich weder als Taufpaten noch als Trauzeugen hergeben wollte. Auch Ehepartner konnte diese Personengruppe nur unter sich finden, so dass es einen länder- und grenzüberschreitenden Familien- und Heiratsmarkt dieser Berufsgruppe gab. Die Familien der Scharfrichter waren tatsächlich europaweit untereinander verschwägert und auch die Kötztinger Wasenmeister und Amtmänner mussten sich für ihre Taufpaten, Trauzeugen oder für die Hochzeit Partner von weit her suchen. So ist es also auch kein Zufall, dass der Scharfrichtergehilfe, Wasenmeister Zankl aus Steinach und der Scharfrichter Zankl aus Straubing denselben Familiennamen führten und höchstwahrscheinlich eng verwandt waren. Über die Scharfrichter und Abdeckerfamilien Deutschlands und Mitteleuropas gibt es übrigens viele Abhandlungen, die genau diese Verbindungen herausarbeiten.


Dankenswerterweise schickte mir Hans Thanner auch noch ein paar Ergänzungen, teils aus den Matrikelbüchern und teils aus der mündlichen Überlieferung der Harrlinger Gegend:

Joseph Obermaier, der aus Aign bei Konzell abstammte, war mit einer Hollmer aus Landdorf verheiratet und hatte seinen Vorderlader mit einer derartig starken Pulverladung versehen hatte, daß das Geschoß - der Eggenzahn - durch das Fenster den Körper des am Tisch vor der Suppenschüssel sitzenden Wildfeuer durchschlug, durch die Stube flog, die Zimmertür gegenüber dem Fenster nochmals durchschlug und dann im Hausflur in der "Bodenstiege" steckenblieb. Der Ort des Geschehens war im sogenannten äusseren Dorf. Obermayer hatte das Anwesen des heutigen Ferdinand Vogl gekauft , wozu das Haus des heutigen Ludwig Breu als Ausnahmshaus gehörte.
Entdeckt wurde der Mord von dem damaligen Lehrer von Harrling, der an diesem Abend unterwegs war von Zandt nach Harrling und den Schuss gehört hatte. Er fand jedoch Michael Wildfeuer nur noch sterbend vor.
Ausschnitt aus der Uraufnahme entnommen einem Plan des Chamer Vermessungsamtes der Nummer  NO_050_41_1831
Auf dem Plan ist schön zu sehen, dass der jetzige Ludwigsberg, der damals noch der unbewaldete, frei sichtbare, Galgenberg gewesen ist. Die Stelle, an der jetzt der Ludwigsturm steht, ist mit einem ganz schwach erkennbaren Kreuz gekennzeichnet. Unterhalb, dem Markt zugewandt, - ungefähr bei den Buchstaben "g e" aus dem Wort Galgenberg - war die Kötztinger Richtstätte. Der Hauptzweck des Galgenberges in Kötztings war allerdings ein anderer: es war die Gemeindeweide, auf dieser Fläche hütete der Gemeindehirte, der sein vom Markt Kötzting gestelltes Häuschen in der jetzigen Hauserstraße hatte, die Viehherde der Kötztinger Marktlehner.

Da vor allem die "Malefikanten", die verurteilten Bösewichter also, die aufgehängt worden waren, nachweislich lange hängen gelassen wurden (in einem Fall ist eine Zeitspanne von einem ganzen Jahr bekannt), war es aus heutiger Sicht sicherlich ein gewöhnungsbedürftiges Bild mit dem toten Körper am Galgen und den weidenden Kühen drumherum und das Ganze auch unbewaldet und daher frei sichtbar.

Und wie schauts heutzutage dort oben aus?


Blick vom der Richtstätte in Richtung Wallfahrtskirche Weissenregen nach Sonnenuntergang
 Nun, stilecht im Finstern in der Kälte und  im November habe ich mich auf den Weg gemacht und bin vom Stauner rüber zum Richtplatz gegangen.
Die frühere Richtstätte verbirgt sich nun in von dichtem Unterholz bestandenen Hochwald. Nur ein Schild am Anfang des Weges gibt einen Hinweis:
Beim Zugang steht ein Taferl...

 Dann geht man am Taferl vorbei vielleicht 20 m leicht bergauf und kommt in eine laubbedeckte Lichtung. Mehrere aufrechtstehende Grenzsteine kennzeichnen den Platz, an dem in Kötzting früher die Hinrichtungen stattgefunden haben.



Hinweistafel direkt am Richtplatz

Richtplatz bei Nacht und im November.........