Translate

Freitag, 27. März 2020

Das Chamauer Tor

Oben am Kötztinger Torplatz, beim Kuglmeierschmied, wurden, als die Familie Wanninger mit dem Bau ihres Fachmarktzentrums das Bild des oberen Marktes umkrempelte, am Rande der Baugrube, hart an der Kuglmeierschen Garagenwand, die Fundamente eines historischen Bauwerkes gefunden.
Es gelang einigen Heimatforschern noch schnell die Funde zu sichten - und einige wenige Bilder zu machen - dann waren die Reste aus Kötztings Vergangenheit selber schon Geschichte.
Bild von Haymo Richter Kötzting
Bild von Haymo Richter Kötzting























Wie konnte nun das Fundament des "oberen Tores" soweit abseits der Straße regelrecht unter einem Gebäude zu liegen kommen?
Nun, der Grund liegt im Marktbrand von 1867 und den Folgen, welche der Magistrat aus dieser verheerenden Katastrophe gezogen hat, um ein ähnliches Unglück zu verhindern.
Die Lösung fanden sie in Brandschneisen und Neuanlage von Straßen.
Hier ein Ausschnitt aus dem Uraufnahmeblatt des Marktes Kötzting von 1831, das mit "X" gekennzeichnete Objekt war das
Chamauer Tor, welches bereits vor dem Marktbrand abgerissen worden war.


Hier auf der Basis des obigen Ausschnittes die projektierte Linienführung der neuen "Marktstraße"
Das Gebäude mit der Nummer 1 war die Kötztinger Schmiede "Beim" obern Tor, welches nach dem Brand an dieser Stelle nicht mehr aufgerichtet wurde, sondern eben dann an der neuen Straßenkreuzung - siehe den folgenden Artikel - auf unsicherem Gelände dann neu errichtet worden war. Auf diese Weise kamen die Fundamente des Chamauer Tors unter die spätere Bebauung.


Von Georg Prandl selber habe ich die folgenden Bilder erhalten, die in der kurzen Zeit der Tiefbauarbeiten die Situation festhalten sollten:







Im Jahre 1997 schrieben die Autoren Ludwig Baumann und Georg Prandl in einem Beitrag in den Beiträgen zur Geschichte im Landkreis Cham über die Kötztinger Marktbefestigung und das Chamauer Tor. Mit der Erlaubnis der beiden Autoren führe ich hier deren Beitrag ein:






Das Chamer Tor [1]


Eine verwischte Spur des alten Kötztinger Markttores, das jahrhundertelang die Straße nach Cham und zu den westlichen Metropolen Regensburg und Nürnberg öffnete, findet sich im Namen "Torstraße". Aber so, wie die Straße heute verläuft, würde sie das Tor nicht passieren. Beim großen Marktbrand von 1867 wurde sie rechts hinauf um eine Hausbreite verlegt[2]. Die einzige bildliche Darstellung des Chamer Tores verdanken wir dem Prior und Pfarrer P. Thomas Stifler. Er malte 1659 den Markt, wie er sich vom 30jährigen Krieg gerade erholt hatte. Das Markttor ist nicht zu übersehen. Eine breite Straße läuft darauf zu. Das Torhaus überragt die Bürgerhäuser, über der gewölbten Durchfahrt schauen die zwei Fenster der  Torwärterwohnung marktauswärts[3]



Ansicht Kötztings mit dem Chamer Tor. Ölgemälde von P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann)



"Ein nutzloses und sehr lästiges Tor"

 
In den Akten finden wir dieses Markttor unter verschiedenen Bezeichnungen: Oberes Tor, Obertor\ Chamer Tor, Chamauer Tor. Die ersten schriftlichen Nachrichten bringen die Briefprotokolle des Marktes. 1651: Wolf Vischer, Bürger des inneren Rats und Kammerer verkauft seine Brandstatt "vor dem obern Thor"7. 1654: Der Müller Georg Lärnpecher verpachtet "sein Schmidten [seine Schmiede] beim Obern Thor" an Hans Müller, Hufschmied zu Grafenwiesen. Schmiedewerkstätten hatten am Ortseingang einen günstigen Standort. Hier  konnten ankommende Fuhrwerke repariert, Pferde beschlagen werden. Der Hausname "Torschmied" blieb in Viechtach und Neukirchen b. Hl. Blut bis in die jüngste Zeit erhalten.
 
Kötztings oberer Markt mit dem Chamer Tor. Ausschnitt aus
einem Ölgemälde von
P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann).
 
Eine verhältnismäßig ausführliche Beschreibung (die einzige, die bislang zu finden ist) brachte Marktschreiber Schwarz zu Papier, als unserem Tor das Todesurteil gesprochen wurde[4]. Anlass war Im Mai 1836 die routinemäßige Feuerbeschau. Die Mängelliste für das "obere Tor" war so lang, dass sich daraus ein recht anschauliches Bild rekonstruieren lässt:

Über dem Torbogen, der "ausgewichen", also gerissen und in seiner Statik instabil war, befand sich die sogenannte obere Torwohnung mit zwei Fenstern gegen Westen und je einem auf beiden Giebelseiten. Die einflügeligen Fenster waren ziemlich klein (ca. 60 mal 145 Zentimeter), verglast und aus Fichte gearbeitet. Das Dach war mit Schneidschindeln
gedeckt, nur der gut drei Meter hohe Schornstein hatte ein Ziegeldächlein. Links, marktauswärts gesehen, war der "Pfendstall" angebaut, der nur eine knapp einen Meter hohe "Fußmauer" aus Rauhsteinen hatte, ansonsten wie eine Schupfe aus Holz gezimmert und mit Brettern verschlagen war. Im Pfend oder Pfandstall sperrte der Flurwächter (auch Pfandter oder Pfandknecht genannt[5]) kurzzeitig Gänse, Ziegen und Rinder ein, die er beim illegalen Weiden ertappt und gepfändet hatte. Torwohnung, Stall und das anschließende Gärtchen hatte damals der vom Markt angestellte Nachtwächter Schreiner zur Nutznießung


Kötztings oberer Markt mit dem Chamer Tor. Vergößerung des Ausschnitt aus
einem Ölgemälde von
P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann).
 
Der Magistrat mit Bürgermeiter Ludwig an der Spitze ließ von Maurermeister Hummel einen Kostenanschlag erstellen (Sanierungskosten 90 Gulden) und empfahl dem Gemeindekollegium: "Man überlässt es zwar den Repräsentanten der Gemeinde zu bestimmen, ob das ruinose obere Thor nach dem Kostenanschlage wieder hergestellt, oder
ganz kassiert und das dabei befindliche Gärtchen veräußert werden soll, bemerkt jedoch aber, dass der Magistrat schon früher auf die Wegräumung dieses nutzlosen nun sehr lästigen Thores Antrag gestellt hat, umsomehr als man dann keinen Unterhalt kosten mehr zu bestreiten hätte."' Das Gremium der Gemeindebevollmächtigten entschied dann
auch auf Abbruch
Mit den Steinen sollten die Rathausmauern unterfangen werden. Der Transport des Abbruchmaterials wurde an den "Wenigstnehmenden", den Bürger Johann Werner (jetzt Schlosserei Heigl) vergeben. Er und Anton Schreil (jetzt Traurig, Schattenaustraße 1) hatten den Fuhrlohn gegeneinander von 19 auf 10 Gulden heruntergesteigert.

 
Oberes Tor im 15. Jh. (Rekonstruktion G. Prantl)
 
Oberes Tor im 15. Jh. (Rekonstruktion G. Prantl)

 
Beinahe hätte es noch Rettung für das Markttor gegeben. Am Tag, als der Abbruch versteigert wurde, eilte der Drechsler Paul Auzinger "in Begleitung seine Eheweibs Anna Maria" aufs Rathaus "und brachte an, dass sie gesinnt seyen, um ihr Unterkommen selbständig zu begründen, die Wohnung auf dem obern Thor nebst angebauten Pfandstall und Gartenfleckl käuflich an sich zu bringen". Der Abbruch des Tore, meinten die Auzinger , brächte der Gemeinde Auslagen und mit dem Abbruchmaterial könne nicht viel bezweckt werden, "ihnen jedoch wäre zu einem Obdache verholfen, damit sie mit ihren Kindern nicht immer in Herberge herumzuziehen gezwungen wären". Die Markträ­te aber blieben bei ihrem einmal gefassten Beschluss. Das Tor wurde kurz danach "kassiert". Sein Standort war etwa in der Mitte des heutigen Kuglmeieranwesens, rückwärts gegen das Fachmarkt Center Wanninger. Als 1994 die Baugrube ausgehoben wurde, kamen die Fundamente zutage  .

Oberes Tor. Lageplan. Die Maße der Fundamente wurden 1994von G. Prantl ermittelt, als die Baugrube für den
Neubau des Fachcenters Wanninger ausgehoben wurde.


Es war das letzte bis dahin verbliebene Markttor. Früher war Kötzting an den vier Zugängen mit Toren gesichert. Auf dem schon erwähnten Ölbild von 1659 finden wir in Nähe der heutigen Schmidtbank ein Holztor mit einem Sturzbalken darüber (Bodenmaiser-Straubingerstraße). Die Straße von Lam her war mit einem hölzernen Torhaus auf der Regenbrücke geschützt

Abbildung von Hans Thonnauer um 1590 im Antiquarium der Münchener Residenz veröffentlicht in Kötzting 1085-1985, Regensburg 1985 S. 21


und auf die Eschlkamerstraße führte in der Nähe des heutigen Gasthofs Januel das "Schmudertor". Name und Standort sind im ältesten Briefprotokoll von 1651 vermerkt.[6]
 
Kötztings Markttor bei der heutigen Commerzbank. Ausschnitt aus
einem Ölgemälde von
P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann).


 
Zufahrt durch die Marktbefestigung im Bereich des heutigen Pfeffergraben (meiner Meinung nach) .
Ausschnitt aus einem Ölgemälde von
P. Thomas Stifler, 1659 (Repro L. Baumann).
Baumann Ludwig und Georg Prandtl verorten  diese  "Ortszufahrt" aber weiter südlich,
nämlich im Bereich der heutigen TCM, der Klinik für traditionelle Medizin, siehe folgende Abbildung



[1] Teilweiser Auszug aus einem Beitrag von Ludwig Baumann und Georg Prantl in den Beiträgen zur Geschichte im Landkreis Cham von 1997 Band 14 Seiten 59 ff
[2] Stadtarchiv Kötzting (im folgenden: StA Kötzting, V/84, Grundtäusche sowie Straßenbegradigungen 1867.

[3] Ludwig Baumann: Ein Bild kommt heim. In: Der Bayerwald 311993, S. 39-41. Eine Farbreproduktion im Heimatbuch: Kötzting 1085-1985, Regensburg 1985, S. 86 und in: Schöner Bayerischer Wald, 44/34 Grafenau 1985

[4] StA Kötzting Xl/54 (1836).


[5] StA Kötzting ll/17
[6] StA Landshut Briefprotokolle des Marktes Kötzting P1 fol. 1





Donnerstag, 26. März 2020

Das Stadtarchiv Bad Kötzting als Unterhaltungsbeilage 2-2 Photobericht Hochwasser


Unter den Materialien, welche wir von der langjährigen Redaktionsleiterin der Kötztinger Umschau, Frau Renate Serwuschok nach ihrem Tode erhalten haben, befindet sich auch ein flache Schachtel, mit mehr als 60 Kleinbildfilmbüchsen. Sowohl die Büchsen, als auch der Schachteldeckel sind mit der klar identifizierbaren Handschrift von Frau Serwuschok beschriftet und viele haben einen Themenschwerpunkt, auch wenn in den Büchsen manchmal ein „Schnipselchaos“ aber passend zum beschriebenen Thema sich befindet.
Die Filmbüchse Nummer 2 enthält eine Bilderserie eines Pfingsthochwassers. Pfingsten deshalb, weil eines der Bilder den überschwemmten Volksfestplatz mit all den Schaustellern zeigt.
Es war also Pfingsten, ich weiß nur nicht in welchem Jahr, der Eisenbahnbetrieb jedenfalls wurde offensichtlich teilweise noch mit einer kleinen Dampflok betrieben.
Peter Schampel meint in einem Kommentar in FB, es wäre Pfingsten 1954 gewesen.
Könnte grundsätzlich passen, da ich weiß, dass an Pfingsten 1954, als mein Schwiegervater Pfingstbräutigam gewesen ist, es fürchterlich geregnet hat. Wenn es also 1954 gewesen ist, dann stammt das Bild vom Volksfest wohl von einer anderen Überschwemmung, ich denke nicht, dass es den Kastenwagen bereits 1954 gegeben hat.

Nach verschiedenen Hinweisen hab ich jetzt etwas zielgerichteter die Zeitungsausgaben durchsehen können:
Also: das Jahrhunderthochwasser war im Juli 1954. Das sollten die älteren Bilder sein.
Andere Bilder - von Frau Serwuschok waren diesen Negative (bestehend aus mehreren Filmabschnitten - unter dem Titel Hochwasser in einer Filmbüchse - scheinenvon viel späteren Ereignissen zu stammen. Schmitz Georg (Schmitzbäck Schorsch), ein paar Jahre jünger als ich, scheint sich in einigen Bildern wiedererkennen zu können.
Damit wären wir wohl Mitte der 60er Jahre.  Genauer im Jahre 1965, aus diesem Jahre haben wir den Bestand der Kötztinger Zeitung.



1965: auch so kann man Fußgänger durchs Wasser bringen, ohne Boote




KU vom Juli 1954

Kötztinger Zeitung vom 11.6.1965




Einritt Pfingsten 1954, ein Scheißwetter. Im Bild die beiden Brüder Sperl, mit ihren Fanfaren. Dia aus der
Sammlung Schwarz

Es ist das schöne an den, manchmal mit Recht so verurteilten, Neuen Medien ist der Zugang zu dem Wissen der interessierten Teilnehmer:
Von meinem Nachbarn, dem Kötztinger Rudi Sonnleitner, einem früheren Mitarbeiter der
Rhein-Main-Donau AG und damit firm mit den Gewässerdaten, habe ich folgende Auflistung erhalten:


Maßgebend für die Aufzeichnung des Abflussgeschehens am Weißen Regen ist der Pegel Kötzting. Der Pegel wird seit 1948 abgelesen. Der Mittelwasserabfluss liegt bei ca. 4,3 m3/s, der Abfluss beim HW100 liegt bei 140 m3/s.
(Alle Daten aus dem Gewässerkundlichen Jahrbuch des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz)

Zwischen 1954 und 1965 lief eine außergewöhnliche Serie großer Hochwässer am Weißen Regen ab:
Datum Hochwasser            Abfluss am Pegel Kötzting m3/s            Datum Pfingstmontag
8.7.1954                                      120                                                       7.6.1954
8.7.1955                                        92                                                       30.5.1955
23.7.1957                                     90                                                        10.6.1957
28.6.1958                                     77                                                        26.5.1958
3.7.1958                                       84                                                         26.5.1958
10.6.1965                                     75                                                          7.6.1965
  Nur das Hochwasser von 1965 liegt in der Pfingstwoche. Die Fotos stammen somit vom Hochwasser 1965, wie du bereits ergänzt hast.
Zwischen 1965 und 1991 liefen keine größeren Hochwasserereignisse ab. Erst ab 1991 fanden wieder größere Hochwasserereignisse statt.




Anhand der Zahlen kann man erahnen um wieviel stärker das Hochwasser des Jahres 1954 gewesen war. 

Nun also die Bilder:
Signatur: Stadtarchiv Bad Kötzting/Bilderblöcke/Illfordbüchsensammlung Film 2 Hochwasser

Wohl 1965:
Die Kötztinger Landpolizei als Wasserschutzpolizei, mit Heckmotor geht sowas.

1965: Der hat einen Frontmotor und ist vermutlich wenige Meter weiter dann
an der tiefsten Stelle steckengeblieben....
 In einem ähnlichen Hochwasser Ende der 50er bzw. Anfang der 60er Jahre, vielleicht war es sogar das hier abgebildete, hat die Polizei meinem Vater zugesagt, dass das Wasser beim Hutterschmied gar nicht so tief sei und er (mit seinem Ford Lieferwagen) locker durchfahren könne.......
Jedenfalls wars das dann für uns an der tiefsten Stelle - so auf Höhe Einfahrt Hammermühle - und mussten rausgeschleppt werden....


Unterspülung der Gleisanlage durch den Steinbach


Da war was geboten.....

1965:
Auf der anderen Seite der Oberbergerbrücke:
vermutlich ist das Ede`s Daimler auf dem Bild

1965: das Lukasanwesen im Hochwasser

1965: Der Marktmüllerfall unter Wasser und sogar die
Oberbergerbrücke teilweise überschwemmt
Der Bub ist möglicherweise Schmitz Georg

1965: Die Müllergasse Blickrichtung Oberbergerbrücke
Der Bub ist möglicherweise Schmitz Schorsch

1965: Harte Zeiten für die Schausteller, das Bild war bei den Hochwasserbildern von 1954 eingefügt,  sollte allerdings aus späterer Zeit stammen.
1. Ford Kastenwagen passt nicht.
2. Jopa Eiskrem gibt es meiner Meinung nach erst in den 60ern.
3. 1954 war das Bierzelt noch rechts.
Das Filmmaterial in der mit "Hochwasser" beschrifteten Büchse, bestand aus mehreren Schnipseln.




1954: Die Auwiese jenseits der Bahngleise

1954: Lok OSSER II am Kötztinger Bahnhof, diese Lok wurde 1966 an die Regentalbahn AG verkauft und war
zumindest noch bis August 1970 dort in Einsatz (Quelle Die Kleinbahn Nr. 54)


1954: Wo ist das? Erkennt jemand diese Auenlandschaft?
Das wars für heute, bis zur nächsten Bildreportage