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Donnerstag, 7. Oktober 2021

Kötzting 1653 - eine Frau wird als Hexe zum Tod verurteilt

 Frau als Diebin verhaftet, als Hexe hingerichtet und ihr Körper verbrannt



Der Landrichter Kötztings hatte, wie seine Kollegen in den anderen Landgerichten ebenfalls, den sogenannten Blutbann. Er konnte also - immer auf Anordnung seiner vorgesetzten Behörde, der Regierung in Straubing - Strafen, die ans Leben gingen, aussprechen und unter seiner Aufsicht vollziehen lassen.
Dieses Gerichtsverfahren begann ganz "unschuldig" mit einer Anklage wegen Diebstahls und endete tragisch mit einem Todesurteil.
Gleichzeitig erfahren wir durch die Details im Rechnungsbuch, welcher Aufwand bei der Hinrichtung hatte betrieben werden müssen.
Die Prozessakten selber haben sich nicht erhalten - sie wurden bereits vor Jahrhunderten als nicht archivwürdig erachtet und vernichtet -, aber die Finanzbehörde, die die Kontrolle der Rechnungsbücher ausübte, entschied über ihr Material anders und so kennen wir grundsätzlich das Prozedere - und die Kosten - bei vielen Strafprozessen.
Manche Rechnungsreihen wurden - aus Platzgründen - dezimiert, d.h. es wurde nur jeder zehnte Band archiviert. Die Kötztinger Bücher können wir allerdings - Gott sein Dank - fast vollständig seit dem Jahre 1600 einsehen, weil damals mindestens immer drei Exemplare geschrieben und diese an unterschiedlichen Stellen aufbewahrt wurden. 
Nun geht´s  also ab ins Jahr 1653 und aus den Bruchstücken des Prozesses  - sprich die Ausgaben, die dieser Prozess verursachte - im Rechnungsbuch versuche ich den Vorgang zu rekonstruieren.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing Pfleggerichtsrechnung von 1653, ein schöner Band, in hellem Leder gebunden


Ambts Rechnung
Landgerichts Közting
Mein Hanns Wolfen

Yedingers von Camereckh auf Fischbach, Curfrtl: drtl: in Bayern etc. Obristen Leittenanth, Pfleger, Castner, Landt: und Vogtrichters zu Közting, Alles Ennemmen: und Ausgebens bey dem Landgericht alda, von dem Neuen Jahr anno 1653 bis widerumben auf selbige Zeit anno 1654 welche durch den curfrtl: Gerichtsschreiber Thomas Rotthauer beschriben worden, de Anno 
1653
 
Einschub
Die drei Ämter: Landrichter, Kastner und Vogtrichter werden in anderen - größeren - Landgerichten tatsächlich von drei Personen ausgeübt. Im Landgericht Kötzting übernahm der Landrichter auch das Kastenrichteramt ab dem Jahre 1573 und das Vogtrichteramt ebenfalls in Personalunion ab dem Jahre 1580.
Im "FERCHL" finden wir über Hans Wolf Yettinger folgendes:

bayerische Behörden und Beamte 1550-1804 von Georg Ferchl
Einschub Ende

Im Ausgabenteil der Pfleggerichtsrechnung gibt es eine eigene Rubrik für Strafprozesse und für Aufgaben auf Botenlohn. In beiden Kapiteln findet sich ein Niederschlag der einzelnen Prozesse, weil Vernehmungen zu neuen Erkenntnissen - und Nachfragen - führten und die einzelnen Prozessschritte immer nach Straubing gemeldet hatten werden müssen, von wo dann auch die nächsten Schritte angeordnet wurden.



Ausgab auf Malefiz
Persohnen





25. Juni 1653
Auf beschechen zueschreiben des curfrtl: Hauptmanns zu Furth, Georg Sigmund Pelkhovers etc. hat die zu Eschlkamb, weegen bey der Nacht beschechener Einsteigung und daryber betrettenen Diebstals halber verhaffte Weibspersohn, so sich Ursula Wolfen Schinn Schneiders von Neukirchen bey Neuburg vorm Wald Eheweib genenet, nachher Közting in die Fronfesst gebracht werden muessen, Ist selbige den 25. Juny diss Jahr von alhiesigem Landgerichts Ambtman gebreichiger massen ybernommen und alhero in Verhafft hinach ihr Guettliches Examen und eingeholte Erfahrung der curfrstl: hochlobl: Regierung Straubing berichtet. Anfenklich Ime Ambtsman, Inhalt des Zetl No 3 bezalt worden 1 Gulden.

In Eschlkam wurde also eine Frau bei einem Einbruchsversuch geschnappt und verhaftet und vom Hauptmann in Furth - nach Bericht an das Landgericht - dem Kötztinger Amtmann übergeben und ins Gefängnis gesteckt worden. Nach einer ersten Vernehmung mit Rückfragen bei den angegeben Orten, wurde ein erster Bericht nach Straubing geschickt.
Um die Frau an der Zuständigkeitsgrenze - solch ein "Verschub" einer Person geschah damals nicht von Punkt A nach Punkt B, sondern an den Amtsgrenzen wurde eine Person - nach Vorankündigung - angeliefert und dort von den zuständigen Amtsleuten in Empfang genommen.
Im Falle der Ursula Schinn kamen zum Schutz und zur Begleitung gleich 6 Männer mit an die Bereichsgrenze.





Vermög vorigen Zetl ist denen 6 mit gehebten blaitters Mänern durch ime Amtsman in Zöhrung bezalt worden.   51 xr  4 H

Bereits am 3. Juli  - also noch vor der ersten Befragung - wird der Gerichtsbote - "Diebstahls und anders halber" - zum Hauptmann nach St. Katharina geschickt, " der zu Bergreichenstein in Behamb gewohnt, weillen under seiner Verwaltung ain Underthon in der nacht abbrennth und die verhaffte Schrinin selbiges gethan haben solle"
Botenlohn: "2 Meil weegs Iner Landts 18 xr und 7 Meill Ausser Landts "1 fl 10 xr und anschließend "1 Tag Warttgelt  15 xr".

Den 4. July hat gedachter Ambtman die Schirnin daß erstemall zu guettlichen examen vor Gericht gefierht gebürth Ime dishalber  8 xr  4 H

Am 17. Juli wurde der Gerichtsbote Martin Rädlinger mit einem Bericht zur Regierung nach Straubing geschickt, wo er auch zuerst noch einen Tag zu warten hatte, bis er am 18. Juli mit einem "Regierungsbefehl" zurückgehen konnte.

Dem 26. dito (Juli) gedachte Schinnrin Crafft gdisten Regiments bevelchs, datirt den 18. July mit den Painschrauffen torquirt und dem Ambtman nach vorgemelten zetl votzefihren gegeben worden 17 xr

Am 29. Juli wiederholt sich die Situation, der Bote bringt einen Bericht nach Straubing, wartet einen Tag bis dort entschieden - und die Befehle schriftlich ausgefertigt worden sind - und kehrt am nächsten Tag nach Kötzting  zurück

Den 2. Aug: ist obige Schinnrin zu weitern Examen vor Gericht gefiehrt und der Ambtman deswill empfangen 17 xr


Den 7. dito (August) Ist selbige abermallen zum Examen vorgefiehrt worden, gebührt dem Ambtman 8 kr und 4 H

Am 13.August geht der nächste Bericht nach Straubing, diesmal dauerte die Bearbeitung dort länger, und so musste der Gerichtsbote zwei Tage in Straubing warten, ehe er nach Kötzting mit neuen Befehlen zurückkehren konnte.

Ingleichen den 16. Aug: von mehrmallig fürfiehren der Verhafften Schinnrin, welches weitters yber Einkhomen Erfahrung güettlichen Angefragt worden, dem Ambtman 8 xr 4 H

23. August: neue Aussagen der Delinquentin bringen neue Fragen, und so muss der Gerichtsbote nach Cham marschieren, um dort diese überprüfen zu lassen.

Den 2. 7ber (September) Ist angeregter Schinnrin daß Leben Ab: ihr Mallefiz Rechtstag angekhündigt, dem Ambtman, das Sye abermallen vorgefirth bezalt worden 17 xr

Von obigen dato an, sye bis uf den dritten diss (3. September) 3 Wachter bestelt und iedem des Tags dzurch den Ambtman in Zöhrung 1 Schilling Pfennig verraicht worden, lauth der allegierten Zetl No 3 1 Gulden 17 xr


Nach der Überstellung nach Kötzting Anfang Juli und mehreren Vernehmungen, davon eine unter der Folter, erbrachten die "Ergebnisse" neue Fragestellungen und Tatorte, die ihrerseits wieder neue  Botengänge notwendig machten. Für die Vernehmungen wurde die Gefangene jedes Mal dem Landrichter vorgeführt. Für diese "Amtshandlung" des Amtsmannes gab es eine eigene "Ziffer" in seiner Gebührenordnung, nämlich das Aus- und Einschließen der Gefangenen.
 
Nach ungewöhnlich kurzer "Untersuchungshaft" im Kötztinger Gefängnis kam von Straubing bereits das Urteil: Die arme Frau wurde abschließend ins Pflegerschloss in der Kötztinger Kirchenburg gebracht, wo der Landrichter ihr eröffnete, dass ihr das "Leben abgesprochen"  worden sei und ihr gleichzeitig der Tag der Hinrichtung mitgeteilt wurde. (Malefizrechtstag)
Offensichtlich lag zwischen der Urteilsverkündigung und der Hinrichtung nur ein einziger kurzer Tag.
Dieses Datum  ergibt sich auch aus der Abrechnung des Amtmannes für 71 Tage Kostgeld.
Vom 25. Juni (einschließlich) bis 3. September (einschließlich) sind es genau 71 Tage.



"71 Täg das Cosstgelt, des Tags 8 xr 4 H: trifft  10 Gulden 8 kr 4 H
Von obiger Zeit an das gebräuchige Sizgelt, ieden Tags 3 kr tuet 3 fl 33 kr

Dann weillen gedachte Schinin das jenige Geschirr, darinnen Ihr die Speiss und Trunckh yberraicht worden, neben all anderen sachen waß sye bekhommen khindten, zerbrochen und zu Schaden gemacht, Alß ist Ime Ambtmann, Inhalt vorig seiner Zetl bezalt worden 1 fl 30 xr"
 
Hier haben wir also das Kostgeld und das Sitzgeld (für die Abnutzung der Zelle) für die 71 Tage.
Dass die arme Frau in ihrer Verzweiflung alles in der Zelle Erreichbare kurz und klein schlug ist nur zu verständlich, angesichts des Urteils, das sie erwartete.

"In der Schinin lesten 3 Tagen, umb abgeholten Wein außgelegt worden. 24 xr
Ein und Ausschluss Gelt  17 xr
Als selbige vom Ambthaus in die Schrannen gefiert worden, trifft dem Ambtman sein depudat
Von Ausrueffung des Glaitts, Ime Ambtman 17 xr
Gedachter Ambtman, hat vor 6 Clafter Tennenholz, so zu verprennung der Justificirten Schinin Körper /Seithmalen sye ain Hex gewesst :/ verbraucht, ausgelegt, so ime Inhalt des Zetl widerumb bezalt worden. 3 fl"

In ihren letzten drei Tagen bekam die verurteilte Frau also Alkohol - hier Wein - als Henkersmahlzeit.
Der Amtmann wurde nun für jede "Handreichung" bei der Hinrichtung  - entsprechend seiner Gebührenordnung - bezahlt. Das Ausschließen der Gefangenen von der Keuche (Zelle), der Transport vom Gefängnis an die Hinrichtungsstätte auf dem Galgenberg. Für diesen Transport musste er wohl zusätzlich für einen Schutz sorgen (Gelait) und 6 Klafter tannenes Brennholz zur Verbrennung des Körpers musste er herbeibringen. 1 Klafter waren gut 3 Ster und damit ca. 18 cbm Brennholz.
Eine Menge, mit der man ein Haus sicherlich zwei Winter hätte heizen können. 
Nimmt man den Gulden mit ca. 150 Euro an, so kommt man auf einen Preis für einen Ster Holz von ungefähr 25 Euro. Diese Rechnung dient aber nur dazu, um anhand von dem einen oder anderen Produkt, das es auch heute noch gibt, sich dem Kaufwert eines Gulden ANZUNÄHERN.
Da die persönliche Arbeit damals aber nur sehr schlecht bezahlt wurde - der Tageslohn eines Handwerkers war damals 20-22 Kreuzer, also 1/3 Gulden - bildet solch eine Rechnung immer nur einen Aspekt ab.
Schlussendlich steht hier das Schlüsselwort: Sie wurde als Hexe hingerichtet und daher musste ihr Körper verbrannt werden.

Die 18 Klafter Brennholz waren aber offensichtlich nicht genug, um jede Spur des Körpers zu beseitigen:



" Vor 17 Pfund Pöch welches der Nachrichter zu erstgemelter Verprennung bedürfftig gewest 42kr 4 H"
Hier ist nun zum ersten Male der "Nachrichter" genannt, eine Umschreibung für den Henker oder Scharfrichter. Offensichtlich musste der Amtmann zwar das Brennmaterial herbeibringen, aber das Verbrennen selber musste der Henker bewerkstelligen.

"Crafft von allegirt ervolgten Gdisten Regimentsbevelchs, datirt den 18. July hat zu vermelter Schinin Torquirung mit den l braichiges massen der Scharfrichter gebraucht werden miessen, deme ist das entwillen, wie sein orriginalschein Nr: 4 bezaigt, richtig gemacht worden
10 fl 30 xr"

Extra zur "strengen Frag", also zur Folterung - das durfte der Amtmann nicht durchführen - mit den Painschrauffen, den Knochenschrauben, reiste der Herr aus Straubing an und erhielt dafür ein gutes Salär.

"Der curfrtl Hauptmann zu Furth hat die ienigen Uncosten, so yber obige Ursula Schinin. als selbig zu Eschlkam zu Verhafft gebracht, und an Eisen, Aztung und Wachtgelt erloffen, lauth geferttigten Scheins
Nr: 5 empfangen 11 fl 56 xr"

Auch die vorgelagerte Behörde, die für den Schub verantwortlich zeichnete, rechnet nach Gebührenkatalog ab.

Aber nun wirds ernst, jetzt kommen die gebühren für die Hinrichtung selber:


"So ist dem Curfrtl: Statt Ober: und Panrichter zu Straubing Crafft seines von handten gegebenen Scheins Nr: 6 weegen der hingerichten Ursula Schinin, für Rith und Zöhrung gelt bezahlt worden 
13 fl 30 xr

Andren Lehner, burger und Schreiner zu Közting, ist vor ainen gemachten Sizstuel darauf die verhafft gewesste Ursula Schinin vom Leben zum Todt decapitirt werden sollen, lauth Zetl No 7 bezalt werden worden 25 xr

Michaels Wuzlhofern Burgern und Schmit zu Közting, ist vor ain gemachtes Peill, Stockhauen, Feuerhackhen, Khetten, Schaufel und Nögl, in allem bezalt worden, Inhalt des Zetl No 8  2 fl 28 xr"



"Hans Troiber Zimmermaister zu Közting, ist vor ain gemachte Stiegen und anders so der Scharfrichter weegen der hingerichten Schinin bedürfftig gewesst, vermög des Zetl No 9 bezalt worden 53 xr

Dem Scharfrichter hat man von Hinrichtung der Schinin in allem lauth seiner Zetl No 10 verraicht 15 fl 54 xr

l

Hier nun die Hinrichtung der armen Frau im Zusammenhang.
Ursprünglich wegen eines nächtlichen Einbruchdiebstahls in Eschlkam verhaftet und nach Kötzting zum Pfleggericht verbracht, wurde sie dort zuerst vernommen und später dann vom Scharfrichter, der extra dafür aus Straubing angereist gekommen war, einer Folter unterzogen, bei der die arme Frau vermutlich alles gestand, was der Henker hören wollte.
Nach Nachfrage in verschiedenen Orten und einigen Rückmeldungen von dort, kam aus Straubing sehr rasch das Urteil: Einstufung als Hexe, Tod durch das Beil und anschließende restlose Verbrennung der Leiche.
Der Frau wurde das Urteil eröffnet und eigentlich fast zeitgleich - es blieben nur 2 Tage dazwischen - vollstreckt.
Die Frau schlug in der Keuche alles Erreichbare kurz und klein, wurde vom Kötztinger Amtmann vom Amtshaus in der heutigen Schirnstraße zur Hinrichtungsstätte auf dem heutigen Ludwigsberg geführt.
Dort war eine Schranne errichtet worden. Da der Zimmermann extra eine "Stiege" für den Scharfrichter errichten musste, war die Schranne wohl ein hölzernes Podest mit ausreichend Platz für den Henker und die Frau. 
Ich vermute, dass solch eine Hinrichtung in Kötzting einen Volksauflauf verursachte und auch, wenn man möglicherweise den Kindern das "Zuschauen" untersagte, so muss man sich doch vor Augen halten, dass der damalige Galgenberg und damit die Hinrichtungsstätte eine vollkommen kurz abgegraste Weidefläche war und der Galgenplatz auf dem 2. Plateau nicht nur eine tolle Aussicht - wie es Carl von Paur beschrieb - in alle Richtungen ermöglichte, sondern eben auch von allen Seiten gut einsehbar war, so dass Kinder und Jugendliche von der Kirchenmauer aus fast einen Logenplatz einnehmen konnten, ohne vor Ort gewesen zu sein.

Dort auf dem Podest war alles bereit, ein "Sitzstuhl", also ein Stuhl, auf dem die Delinquentin festgeschnallt  sitzen musste und ein Beil, vom Kötztinger Schmied nur zu diesem Zweck handgefertigt. Nach der Hinrichtung - alleine für diesen Akt hat der Scharfrichter fast 16 Gulden erhalten - musste der Henker dann nur noch das Verbrennen der Leiche sicherstellen und konnte wieder nach Straubing zurückkehren.


Wie verzweifelt die arme Ursula Schin gewesen war, erschließt sich auch aus anderen Fundstellen.

Die Zelle, in der Ursula Schin angekettet war, musste eine größere Renovierung erfahren:
Aus diesen Schäden kann man gut die Verzweiflung erkennen, in der die arme Frau ihre letzten zwei Nächte verbracht hat , trotz des Weins.


Mittwoch, 27. November 2013

Die letzte Hinrichtung in Kötzting


vor gut 200 Jahren wurde auf dem Ludwigsberg zum letzten Mal eine Hinrichtung durchgeführt

 
Im Herbst, in der eher dunklen Jahreszeit, kommt immer wieder mal das Thema unseres Galgenbergs auf und die dort durchgeführten Hinrichtungen waren und sind immer wieder einmal Thema dieses Geschichtsblogs.
Nun also ein Bericht über die letzte Hinrichtung, die die Kötztinger "live" erlebt hatten.
 Meiner Erinnerung nach war es ein Harrlinger..... aber wo hatte ich davon gelesen und woher nun die Details nehmen....   (Der Blogbeitrag erschien bereits im Jahre 2013)
Die erste Reaktion in solch einem Fall ist immer: Herrn Baumann anrufen  ....meist ergibt sich in dem Gespräch dann der erste Hinweis auf Dokumente oder Urkunden. Hier kam dann tatsächlich schon die später sich als richtig erweisende Vermutung; in der "von Paur Chronik" könnte was stehen. Trotzdem war es noch nichts Genaues und so erinnerte ich mich an einen früheren Teilnehmer unseres Lesestammtisches, der uns vor vielen Jahren bereits von dieser "letzten" Hinrichtung erzählt hatte, Hans Thanner vom Kagerhof. (Hans Thanner, der Spezialist des Lesestammtisches für historische Währungen und deren Umrechnung ist leider mittlerweile verstorben)
Ein Telefonat genügte und Hans schickte wenige Minuten später einen Scan einer Festschrift  des Schützenfestes mit Fahnenweihe vom  22. - 25. Juni 1979  von den  D'Schatzberg - Schützen Harrling e.V." und dort ist unter Verweis auf die oben angesprochene "von Paur Chronik" diese Hinrichtung eines Harrlingers beschrieben.


Landrichter Carl von Paur + 1873 beerdigt in Kötzting


In Kötzting existieren zwei große Geschichtschroniken, die "Schuegraf" und die "von Paur"sche Chronik. Schuegraf beschrieb dabei die Anfänge Kötztings und endete mit seinen Ausführungen zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Carl von Paur, der Kötztinger Landrichter von 1845 und - nach der Justizreform - der späterere Bezirksamtmann von Kötzting bis 1869, versuchte den Anschluss an die Schuegrafssche Chronik herzustellen und ist vor allem durch seine jahrgangsweise beschriebenen Vorkommnisse und durch seine qualifizierten Bemerkungen und Überlegungen über die Kötztinger Bewohner und deren Lebensumstände mehr als nur ein punktgenauer Chronist gewesen. Vor allem seine Beschreibungen der Kötztinger Umgebung zeigen eine Liebe zu unserer Gegend und eine Lebendigkeit, so dass viele seiner Sätze selbst heutzutage     "1 zu 1" in Werbebroschüren genutzt werden könnten. Die lange Zeit verschollene Chronik befindet sich nun im Panzerschrank unseres Bürgermeisters und berichtet, ohne genaue Datumsangabe, über die Hinrichtung.
Im März 1813  schreibt von Paur noch von der Konzessionsvergabe an den neuen und ersten Kötztinger Apotheker Franz Xaver Preiss aus Eichstätt und  über den Zeitraum vom 16.-.18. Oktober schreibt er von der Völkerschlacht zu Leipzig.
Dazwischen also verortet er die letzte Hinrichtung, weiter nun in seinen eigenen Worten:

An diesem Tage ging es schon früh morgens rührig zu im Markte, auch von auswärts kamen viele Leute herbey, etwa um einer Kirchen- oder sonstigen Festfeyer - nein - um einer Hinrichtung beyzuwohnen. Der verheurathete Söldner Joseph Obermayer von Harling, 25 Jahr alt, hatte sich eines vorsätzlichen Mordes dadurch schuldig gemacht, daß er seinen Gebkäufer und Austrägler Michael Wildfeuer, um sich der Austräglerreichnis zu entledigen, vermittels einer in die Flinten, statt einer Kugel eingeladenen abgebrochenen Spitze eines Eggen=Zahnes am 10. November 1812 Abends 6 Uhr durch das Fenster der Austräglerwohnstube meuchlings erschossen hat.
Der Tat geständig wurde er des Mordes schuldig erkannt, und zur Todesstrafe durch Enthauptung verurteilt.

Nachdem das Kötztinger Amtsgefängnis, in dessen nun renoviertem Dachstuhl im letzten Monat die vergessenen Akten gefunden wurden, erst in den Jahren 1817 bis 1820 erbaut worden war, war Joseph Obermayer wohl im damaligen Amtshaus am Ende der Schirnstraße (=Schergenstraße) während seiner Verhandlung und bis zum Hinrichtungstermin eingesperrt. Die Verhandlungen und Verhöre wurden in der Regel im Pflegerschloss durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde der Delinquent dann ausgeschlossen und dem Landrichter vorgeführt. Für alle diese Verrichtungen inkl. der Verpflegung erhielt der Kötztinger Amtmann seine, genau in einer Tabelle festgelegten, Bezüge.
Der endgültige Schiedsspruch, das Todesurteil, wurde, obwohl die Verhandlungsführung in Kötzting lag, in Straubing ausgesprochen und auch der Tag der Hinrichtung von dort festgesetzt. Die Kötztinger Amtsmänner und Schergen hatten für den Aufbau des Hochgerichts bzw. des Schafotts zu sorgen und idR. wurden auch Schranken errichtet um das Publikum auf Abstand zu halten.  Die Hinrichtung wurde immer vom Straubinger Scharfrichter durchgeführt: Das "Brechen des Stabes" über den Delinquenten blieb dem Kötztinger Landrichter vorbehalten, dann handelte der Scharfrichter, doch zuerst weiter im Text von Paurs:




Am nordöstlichen Abhange des Galgenberges war das Schaffot aufgeschlagen und bereits gruppenweise von den vielen Neugierigen umstanden, als der Exekutionszug ankam. Voran der Landrichter zu Pferd, dann der Wagen mit dem Delinquenten unter Beistand des Ortsgeistlichen. 
Er zeigte keine Furcht.
Rasch stieg er vom Wagen und ging schnell die Treppe hinan, doch als er den Richtstuhl erblickte, sträubte er sich, sich niederzusetzen, so daß er mit Gewalt von dem Scharfrichtergehilfen, Wasenmeister Zankl von Steinach mit Gewalt dahin gezerrt und auf dem Stuhl niedergedrückt werden mußte, während dass der Scharfrichter Zankl von Straubing dem verhängnißvollen Hieb führte, der das Haupt vom Rumpfe trennte.
...während daß der Scharfrichter Zankl von Straubing dem verhängnißvollen Hieb führte, der das Haupt vom Rumpfe trennte. (Kopie aus der von Paurschen Chronik, Stadtarchiv Bad Kötzting)

Nachdem der Geistliche eine Mahnrede mit Gebet gesprochen hatte verlief sich die Volksmenge schweigend, und gedachte des Ermordeten in Wehmuth, da er ein braver Mann und besonderer Gutthäter der Kirche Harling war.

Die Amtmänner, Amtsknechte, Schergen, Scharfrichter und Wasenmeister, also Abdecker, bildeten als Mitglieder von unehrenhaften Berufen einen ganz eng geschlossenen Personenkreis. Ihre Mitglieder galten als so unehrenhaft, dass die "normale" Bevölkerung sich weder als Taufpaten noch als Trauzeugen hergeben wollte. Auch Ehepartner konnte diese Personengruppe nur unter sich finden, so dass es einen länder- und grenzüberschreitenden Familien- und Heiratsmarkt dieser Berufsgruppe gab. Die Familien der Scharfrichter waren tatsächlich europaweit untereinander verschwägert und auch die Kötztinger Wasenmeister und Amtmänner mussten sich für ihre Taufpaten, Trauzeugen oder für die Hochzeit Partner von weit her suchen. So ist es also auch kein Zufall, dass der Scharfrichtergehilfe, Wasenmeister Zankl aus Steinach und der Scharfrichter Zankl aus Straubing denselben Familiennamen führten und höchstwahrscheinlich eng verwandt waren. Über die Scharfrichter und Abdeckerfamilien Deutschlands und Mitteleuropas gibt es übrigens viele Abhandlungen, die genau diese Verbindungen herausarbeiten.


Dankenswerterweise schickte mir Hans Thanner auch noch ein paar Ergänzungen, teils aus den Matrikelbüchern und teils aus der mündlichen Überlieferung der Harrlinger Gegend:

Joseph Obermaier, der aus Aign bei Konzell abstammte, war mit einer Hollmer aus Landdorf verheiratet und hatte seinen Vorderlader mit einer derartig starken Pulverladung versehen hatte, daß das Geschoß - der Eggenzahn - durch das Fenster den Körper des am Tisch vor der Suppenschüssel sitzenden Wildfeuer durchschlug, durch die Stube flog, die Zimmertür gegenüber dem Fenster nochmals durchschlug und dann im Hausflur in der "Bodenstiege" steckenblieb. Der Ort des Geschehens war im sogenannten äusseren Dorf. Obermayer hatte das Anwesen des heutigen Ferdinand Vogl gekauft , wozu das Haus des heutigen Ludwig Breu als Ausnahmshaus gehörte.
Entdeckt wurde der Mord von dem damaligen Lehrer von Harrling, der an diesem Abend unterwegs war von Zandt nach Harrling und den Schuss gehört hatte. Er fand jedoch Michael Wildfeuer nur noch sterbend vor.
Ausschnitt aus der Uraufnahme entnommen einem Plan des Chamer Vermessungsamtes der Nummer  NO_050_41_1831
Auf dem Plan ist schön zu sehen, dass der jetzige Ludwigsberg, der damals noch der unbewaldete, frei sichtbare, Galgenberg gewesen ist. Die Stelle, an der jetzt der Ludwigsturm steht, ist mit einem ganz schwach erkennbaren Kreuz gekennzeichnet. Unterhalb, dem Markt zugewandt, - ungefähr bei den Buchstaben "g e" aus dem Wort Galgenberg - war die Kötztinger Richtstätte. Der Hauptzweck des Galgenberges in Kötztings war allerdings ein anderer: es war die Gemeindeweide, auf dieser Fläche hütete der Gemeindehirte, der sein vom Markt Kötzting gestelltes Häuschen in der jetzigen Hauserstraße hatte, die Viehherde der Kötztinger Marktlehner.

Da vor allem die "Malefikanten", die verurteilten Bösewichter also, die aufgehängt worden waren, nachweislich lange hängen gelassen wurden (in einem Fall ist eine Zeitspanne von einem ganzen Jahr bekannt), war es aus heutiger Sicht sicherlich ein gewöhnungsbedürftiges Bild mit dem toten Körper am Galgen und den weidenden Kühen drumherum und das Ganze auch unbewaldet und daher frei sichtbar.

Und wie schauts heutzutage dort oben aus?


Blick vom der Richtstätte in Richtung Wallfahrtskirche Weissenregen nach Sonnenuntergang
 Nun, stilecht im Finstern in der Kälte und  im November habe ich mich auf den Weg gemacht und bin vom Stauner rüber zum Richtplatz gegangen.
Die frühere Richtstätte verbirgt sich nun in von dichtem Unterholz bestandenen Hochwald. Nur ein Schild am Anfang des Weges gibt einen Hinweis:
Beim Zugang steht ein Taferl...

 Dann geht man am Taferl vorbei vielleicht 20 m leicht bergauf und kommt in eine laubbedeckte Lichtung. Mehrere aufrechtstehende Grenzsteine kennzeichnen den Platz, an dem in Kötzting früher die Hinrichtungen stattgefunden haben.



Hinweistafel direkt am Richtplatz

Richtplatz bei Nacht und im November.........