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Freitag, 31. Oktober 2025

Kötztinger Häuserchronik --- alte Hausnummer 103 beim Parzinger


 Das "alte Kötzting" bei der Uraufnahme bei der beginnenden Landvermessung hatte 159 Anwesen. Der Geschichte dieser Bürgerhäuser und ihrer Bewohner nachzuspüren und sie zu dokumentieren, ist das Ziel dieser Häuserchronik.

Die Anfänge und die Entwicklung unserer Heimatstadt können von der Teilung der Urhöfe bis hin zur Auswahl als Landgerichtsort in einem einleitenden Blog nachgelesen werden.


alte Hausnummer 103
beim Denk

Vermessungsamt Cham Detail aus 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01

DIA-Repro 920 Aufnahme um 1910

Als Einstieg in diese Häusergeschichte sei hier zunächst noch einmal die schwierige Suche aufgeführt, die belegen konnte, wie im Jahre 1804 zwei selbstständige Häuser aus dem hier dargestellten aufgeteilt worden sind. Die Geschichte des Nachbarhauses - Hausnummer 102, das Dreimäderlhaus, heute Schuhhaus Liebl - beginnt also erst mit dem Jahre 1804.   Das Haus mit der historischen Hausnummer 103, von dem das Nachbarhaus abgetrennt wurde, ist also wesentlich älter.
Hier noch einmal die "Beweisführung", um danach von dieser "Zeitenwende" aus, zunächst in die Vergangenheit zurückzuschauen.


Einschub:


die lange Suche nach dem richtigen Haus 
oder
Drei oder vier Häuser, das ist hier die Frage

 Wie man auf dem folgenden Kartenausschnitt erkennen kann, waren es auf dem Uraufnahmeplan 4 Häuser, die -so wie heute - aneinandergereiht den Beginn der Herrenstraße ausmachen.

Die Situation im Jahre 1830 im Unterschied zum 18. Jahrhundert
Detail aus Vermessungsamt Cham: 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_1831_Beilage_M2500_1_1-01

Die Hausnummer 104 war schon immer als die eines Glasermeisters (Fischer und/oder Süß) bekannt. Vor 1831 gab es noch keine offiziellen Pläne, daher wurden die jeweiligen Anwesen durch ihre Lage zwischen Nachbarn oder anderen „Geländemarken” beschrieben. So wurde der Besitzer des Anwesens mit der späteren Nummer 103 über viele Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts hinweg – die Briefprotokollbände Kötztings beginnen mit dem Jahr 1700 – als derjenige zwischen dem Glaser und dem Badbrunnen beschrieben. Immer wieder ergab diese Häuserlokalisierung offensichtlich nur drei aneinandergereihte Häuser, wobei es dann 1831 plötzlich vier waren und das Haus mit der späteren Nummer 102 im 19. Jahrhundert munter weiterverkauft wurde.

Der letzte Eintrag, der auf das „fehlende” Haus hinweist, stammt vom 3. November 1791, als es innerhalb der Weberfamilie Neumayr zu einer Übergabe kam und in dem die Lage das Hauses als zwischen: "Johann Drunkenpolz und Bernhard Fischer, Glaser," bezeichnet wurde.

Die Reihenfolge der Häuser im 1811 erstellten Häuser- und Rustikalsteuerkataster folgt in Kötzting nicht der Reihenfolge der später angelegten Hausnummern. Eine 1:1-Zuordnung ist daher nicht möglich, sondern wird erst später klar werden, wenn der Besitzer unseres Häuschens im Jahr 1811 bekannt ist. Es ist aber ein Anwesen beschrieben, das einem Wolfgang Mang gehören soll und das dem Glaser Andreas Fisch offenbar benachbart ist. Es galt also, die einigermaßen infrage kommenden Briefprotokolle zwischen 1790 und 1811 zu durchforsten, ob es einen entsprechenden Hinweis geben könnte.

Bingo:
Im Jahre 1804 ist eine Hausteilung protokolliert, bei der der Käufer, der Leineweber Mang(!),  den  Neumeier den Teil des Hauses erwirbt,  der "gegen die Behausung des Andreas Fischers situiert ist", während der Verkäufer, der Leineweber Neumeier  "sich von der Spitalseite her einen eigenen  Eingang schaffen muss, da der bisherige vordere und hintere  Hauseingang in der verkauften Hälfte bleibt . Die Stubenmauer  wird eine Comunmauer."

Das heißt, wir kennen den Geburtstag des Hauses an dieser markanten Stelle, es war der 14.2.1804. 


Georg Neumeier und Katharina Stöger

Trotz dieser Klärung der Situation zu Beginn des 19. Jahrhunderts, bleibt die Suche nach den Vorbesitzern auf diesem Hause sehr schwierig und sind die Beweise und die Belege für die Zusammenhänge nur sehr schwer in Worten auszudrücken.
Die nächsten Kapitel sind also "Harte Kost", um es gelinde auszudrücken.

Wir haben also einen ersten Hausbesitzer des Gesamtanwesens, der am 14. Februar 1804 einen Teil des Hauses verkauft hat. Er selbst hatte das Anwesen mit der Webersgerechtigkeit am 3. November 1791 von seinem Vater, ebenfalls ein Johann Georg Neumeier, der sich zuvor mit der verwitweten Genoveva Härtl verheiratet hatte, um 400 Gulden übernommen. Das Anwesen war als „Haus mit Lein- und Zeugwebersgerechtigkeit zwischen Johann Drunkenpolz und Bernhard Fischer, Glasers Häusern” beschrieben.
Dies war die Situation, die – wie oben beschrieben – zu den intensiven Nachforschungen führte.
 Wie oben belegt, kam es im Jahr 1804 zu einem Teileverkauf mit gleichzeitiger Abtrennung des Hauses.
In der Urkunde heißt es im Einzelnen, dass die Käufer, Wolfgang Mang, der bereits als „ebenmäßig bürgerlicher Zeug- und Leineweber derorten” bezeichnet wird, und seine Frau, die neue Kommunmauer zwischen den beiden Häusern – es war die Stubenmauer des Verkäufers – gemeinsam in baulichem Zustand zu halten haben.
Im Vertrag heißt es dazu genauer:

StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokoll von 1804

Neumeier verkauft "dem Wolfgang Mang ebenmäßig bürgerlicher Zeug- und Leineweber derorten. Ursula dessen Eheweib dann allen deren Erben und Nachkhommen von ihrer ludeigenen bürgerlichen Behausung die linke Hälfte gegen die Behausung des Andreas Fischers bürgerlichen Glasers situiert einschlüßig des vorhandenen Flezes, daß sofort der vordere und hintere Eingang zum Verkauften Hausantheil gehört, die dermalige Stubenmauer des Verkäufers in gerader Linie durch eine Communmauer wird, welche fortan von beeden Haustheilbesitzern gemeinsschftlich in baulichen Würden gehalten werden muss.... Die Verkäufer sich aber von der Spitalseite einen separirten Eingang von selbst zurichten haben, nebst de, ober dem gesagt linken halben Hausteil befindlichen Boden, welcher aber erst auf der bestimmten Linie von dem Käufer verschlagen werden muss....
Es wurde einfach eine innenliegende Zwischenwand als die neue Kommunmauer definiert, die dann auch in einer fiktiven Linie auf den darüberliegenden Dachboden projiziert wurde. Der Käufer musste zwar die Zwischenwand im Dachboden noch errichten; wie aber der Nachbar danach auf seinen Teil hinaufkommen konnte, brauchte ihn nicht zu stören.

Wir haben also nun die Reihung
Hausnummer 102 >>>>>> Georg Neumeier  vorher Besitzer von 102 + 103
Hausnummer 103 >>>>>> Wolfgang Mang
Hausnummer 104 >>>>>> Andreas Fischer


Die Suche nach den Vorbesitzern kann nur schrittweise rückwärts erfolgen, da die "Lokalisierung" des Hauses durch die Benennung zweier Nachbarn durch die exponierte Lage an der Ecke zunächst nicht eindeutig ist.
Wir haben also - 1804 - zunächst einen Georg Neumeier 
1791: Johann Georg Neumeier 00 mit einer Genoveva übergibt das Haus an den Sohn Georg 1791
1768: Magdalena Guster quittiert einem Hans Georg Neumeyer den Kaufpreis vom Hauskauf
1751: Adam Wurmb, der Vater der Magdalena Guster, übergibt das Haus das Haus an die Tochter
Hier ist zunächst wegen lückenhafter Briefprotokollreihen ein vorläufiges Ende erreicht.
1751 heißt es genauer: das Haus liege zwischen dem des "Sebastian Löcker und negst dem Badbrunnen"

Nachdem es hier zunächst nicht mehr weitergeht, kann uns nur das Nachbarhaus helfen, denn der oben genannt Adam Wurmb taucht im Jahre 1727 als Mieter der Wuhn, genauer der vorderen Wohnstube in der Wuhn in den Dokumenten auf, besaß also zumindest im Jahre 1727  noch kein Haus.
Aber: 1732 verkauft ein Johann Georg Löcker das Haus zwischen Hans Adam Wurmb, Weber, und Michael Mayr, Schuhmacher. 
1704 liegt Hans Georg Löckers Haus zwischen dem eines Hans Poll (Poln) und Georg Mayrs Häusern. Für dieses Haus musste er "ewige Pfenniggilt" bezahlen.
1653 die Witwe des Hans Poll verstiftet das "Haus am Kirchweg neben Wolf Kirchmeiers Haus am Padbrunnen liegend an den Mauerer Hans Poll.
Falls die folgende „Tabelle“ auf einem Smartphone nicht richtig dargestellt wird >>>>>> einfach das Handy drehen!
                        105                              104                                     103                            
1732            Michael Mayr --------- J G Löcker -------------Hans Adam Wurmb              
1704            Georg Mayr                 HG Löcker                   Hans Poll
1653                                                 Wolf Kirchmeier          Hans Poll Mauerer              Badbrunnen  
1653 verstiftet Brigitta, die Witwe des Schreiners Hans Poll, das Haus am Kirchweg an den Mauerer Hans Poll und dessen Frau Eva.
1653 leiht sich die Witwe Brigitta Poll von den Töchtern des Martin Poll, seelig, 52 Gulden und verschreibt dafür das Haus am Kirchweg. 
1655            Hans Pückhl                 Wolf Kirchmeier         Schreiner Haus
1652            Hans Pürckhl                Wolf Kirchmeier        Hans Poll Schreiner seelig  am Kirchwege
1652                                                  Payr Stephan            Hans Poll Behausung am Badbrunnen          1650                                                                                    Hans Poll Behausung am Badbrunnen 
Der Schreiner Hans Poll wird mit einem Geburtseintrag im Jahre 1637 protokolliert. Offensichtlich heiratet er ein zweites Mal, diesmal eine Brigitta, mit der er bis 1650 insgesamt 5 Kinder bekam.
1621                                                                                       Martin Poll, Schreiner 
Im Jahre 1606 wird zum ersten Male ein Martin Poll, Schreiner, in den Akten erwähnt, wobei er offensichtlich mindestens bis 1611 ein Inmann gewesen ist, also noch kein Haus besessen hat und daher kein Kötztinger Bürger gewesen war.

Hier dann noch einige Daten der für uns relevanten Familie Poll, von der es in Kötzting jedoch mehrere Linien gibt zu dieser Zeit:
29.1.1674 : Der Kötztinger Mauerer Hans Poll - Sohn des Mauerers Hans Poll (+1666) und dessen Frau Eva (+ 1685), heiratet Dorothea Schindler, eine Kötztinger Bürgerstochter.
In den Kötztinger Sterbematrikeln findet sich ein Johann Poll, Mauerer, mit Datum des 29.9.1691 und seine Witwe, Dorothea, stirbt am 8.8.1713.

Hier bereits ein erster Versuch, die einzelnen Poll-Linie auseinanderzuhalten und einzelnen Häusern und Familien zuzuordnen.
Diese Zusammenstellung stammt von der Häuserchronik des Hauses mit der alten Hausnummer 54, dem "Krämermetzger" oder das Haus der früheren Metzgerei Barth.


Hans Poll war also Mauerer, er war verheiratet mit einer Eva und er ist vor dem Jahre 1674 verstorben.
In den ersten Dokumenten, die sich nach der Brandkatastrophe 1633 erhalten haben, finden sich drei Familien Hans-Poll, die zeitgleich in Kötzting lebten und arbeiteten, ein Schreiner, ein Bäcker und eben unser Mauerer.
Vom Schreiner Hans Poll wissen wir, dass er in dem kleinen Eckhaus im unteren Markt gelebt hatte, aus dem in späteren Jahrhunderten die beiden Anwesen Schuhhaus Liebl und Dullinger durch Teilung entstanden waren. (Hausnummern 102 und 103)
Es steht zu vermuten, dass zumindest der Schreiner und der Mauerer Hans Poll eng verwandt waren, denn als der Schreiner Hans Poll im Jahre 1652 verstarb, verpachtete seine Witwe Brigitta Poll ihr Haus "am Kirchweg neben Wolf Kirchmeiers Haus beim Padbrunnen liegend" an den Mauerer Hans Poll und dessen Ehefrau Eva für drei Jahre um 6 Gulden 20 Kreuzer..
In einer sich direkt im Briefprotokollband anschließenden Schuldverschreibung verschreibt die Witwe Poll das Haus am Kirchweg an Cäcilia und Anna, zwei Töchter des verstorbenen Schreiners Martin Poll.
Die Genealogie der Familie Poll sieht für mich in Teilen ( den Bäcker kann ich noch nicht zuordnen) so aus

Martin Poll Schreiner

Hans Poll, Schreiner, und  Brigitta   Hans Poll, Mauerer, und Eva
                                                   I
                                                  I
                                                               Hans Poll, Mauerer, und Dorothea
  
Wie eingangs bereits erwähnt, scheint Hans Poll das Haus am Pichel - und um dieses geht es ja  zunächst - kurz vor dem Jahre 1660 gekauft, es aber dann bereits im Jahre 1665 weiterverkauft zu haben, weil er in diesem Jahr das vorher nur gepachtete Haus am Kirchweg- vermutlich sein Elternhaus - erwerben konnte. Beide "Deals" lassen sich über die Umschreibungen der Grundschulden belegen.
Spitalrechnung von 1664: Hans Poll bezahlt seine Schuldzinsen noch vom Haus am Pichel

Spitalrechnung 1665: "Hansen Pohl Maurer, iezt Wolf Georg Esterreicher burger und Riemer alhir, hat auf seinem erkhaufften Haus am Pichel ......."

Hans Poll der Schreiner, nun ja verstorben, hatte seine Grundschuld, ebenfalls 20 Gulden, bei der Pfarrkirche Kötzting, eingetragen und hier wird nun auch der zweite Besitzwechsel protokolliert.
Kirchenrechnung von 1665

"Hannsen Poll gewesten Burgers und Schreiners alhir seel Erben, aniezt Hans Poll Maurer hat 20 fl ybernommen, hierumben die Behausung bei dem Padtbrunnen, dabei sein Hausfrau sich der weiblichen Gerechtigkeiten verzigen, verschriben, haben den Zins zu Weihnachten bezalt."
Über den Mauerer Hans Poll stehen viele kleine Handwerkerleistungen in den Rechnungsbüchern, da diese aber allesamt erst in der Zeit erbracht wurden, als er sich auf dem neuen Haus eingekauft hatte, werden diese "Lebenszeichen" des Mauerers auch erst dort behandelt.

 

 


Auf unser Haus bezogen ergibt sich folgende Abfolge:

Martin Poll - Schreiner
Hans Poll 00 Brigitta - Schreiner
Hans Poll, der jünger 00 Eva - Mauerer
Hans Poll, Sohn, 00 Dorothea - Mauerer
Lücke
Hans Adam Wurmb

Nun also der Sprung an den Anfang der Liste der belegbaren Hausbesitzer und diese beginnt mit einem:

Martin Poll


Der Schreiner - und noch Inwohner - Martin Poll taucht erstmals im Jahre 1606 auf, als er vom Landrichter mit 1 Schilling und 18 Pfennigen gestraft wurde, weil er sich mit "Peter Khöckhens Sohn geschlagen" hatte.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing Pfleggerichtsrechnung von 1606
"Martin Poll Schreiner und Inwoner zu Közting hatt des Peter Köckhen Sun lediges Standts mit Feusten abgepleuen, Sich guetlich mit demselben verglichen und nichts für empfangne Schlög geben, derohalben den selben umb solche Ungebür  und geybt muetwillen gestrafft per 1ß 18 rdn Thuet  4 ß Pfennige."
Ein geübter Schreiner kann wohl fast alles bewerkstelligen. Lt der Kirchenrechnung von 1606 erhielt er 1 Gulden "von den gemachten Waffen de passione Dm für Karfreitag", also dafür, dass er die Waffen    (= wohl eher Werkzeuge) für die Darstellung der Leiden Christi am Karfreitag wieder gemacht hatte.
zwei Jahre später (Kastenamtsrechnung von 1608) erhieölt er 4 Schilling Pfennige weil er "auf bevelchs furstl. dlt. Rat Hern Rentmeister ein Kasten mit Schubladen und Guetter in frtl. Schloss darinnen die Gerichtsakta welche man nit teglich gebraucht verwart werden machen lassen" geschreinert hatte, also ein erstes Archiv im Pflegerschloss.
1617 taucht er wieder in den Kastenamtsrechnung auf - das Kastenamt Kötzting war für den Erhalt des Pflegerschlosses zuständig -, gut 3 Gulden erhielt er für "etliche Sachen im Schloss und Verhoerstuben".
StA Landshut Rentkastenamt STraubing Kastenamtsrechnung von 1618 S. 64

"Marthin Polln, Schreinern zu Khözting umb das derselb in der Verhörstuben 7 Schubladen under ain Panckh gemacht, darinn man die alte Acta legt. für selbige Ime vermög seiner Zetl Nro 20 bezalt worden 2 fl."
Im Jahre 1621 steht der Schreiner Martin Poll mit 30 Gulden Grundschuld in den Rechnungsbüchern der Pfarrei Kötzting. 

Einschub
Bei einer späteren Hausübergabe im Jahre 1653 - bei der die hier folgende Poll Brigitta als bereits Witwe aufgeführt ist,  heißt es, dass diese sich von Caecilia, der "Witwe des Martin Polls, gewesten Schreiners" 52 Gulden geliehen hatte. Da nun im  - ebenfalls folgenden Eintrag in den Status animarum - eine im Hause wohnnede Caecilia Poll als die Schwester des Schreiners Hans Poll bezeichnet wurde, steht zu vermuten, dass die oben angeführten "Lebensnachweise" des Schreiners Martin Poll in Wirklichkeit sich auf zwei Generationen "Martin Poll, Vater und Sohn" verteilen. 
Einschub Ende



Hans Poll und Brigitta


Entsprechend des Eintrags in den Kirchenrechnungen von 1635 hat Hans Poll, sicherlich der Sohn des Martin - die Grundschuld seines Vaters (Vorgängers) bereits im Jahre 1625 übernommen.
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1635

"Bey Hansen Pohl Schreiner Inhendig 10 fl welche er zu Weihnachten ao 1625 auf seiner Behausung verschrieben und hievon zu gedachten Weinachten güldt bezalt 30 krz."
Die Familie Poll hat offensichtlich die "Schwedennacht" lebend überstanden, denn im Status animarum von 1638 erscheint die Familie noch relativ intakt:
PfA Kötzting Matrikel Band 1
Hanns Poll Schreiner                                                          Brigita ux (Ehefrau)
soror (Schwester) Caecilia                                                  Martin  Susanne Inf (Kinder)

Im Jahre 1640 erhält der Schreiner HP 46 Kreuzer weil er "ein Ramb in den Altar zu St. Veits Gottshaus" gemacht hatte. Auch das ein Hinweis, dass 1640 in der ebenfalls 1633 abgebrannten Veitskirche bereits gearbeitet wurde.
Bis zum Jahre 1652 taucht der Schreiner Hans Poll noch mit den verschiedensten Arbeiten - für Fensterrahmen, für Bretter bei der "Schmalzwaage" und für einen neuen Holzfußboden im Torstübel  im kurfürstlichen Schloss auf, bevor es im Jahre 1652 dann heißt, dass die fällige Schuldverschreibung nun von den "Hans Poll seelig Erben" übernommen wurde.


Poll Hans und Eva


Am 29.6.1653 verstiftete die Witwe Brigittas Poll das Haus "am Kirchweg neben Wolf Kirchmeiers Haus beim Padbrunnen liegend" an den Mauerer Hans Poll und dessen Ehefrau Eva mit dem vertraglichen Zusatz: "darinnen er aber wie an der dergleichen Häuser berechtigt, die Fragnerey solang haben solle solange es anderen verstattet wird".
Leider ist in den Kötztinger Pfarrmatrikeln keine Eheschließung der beiden zu finden. Beim Geburtseintrag ihres zweiten Kindes (das erste Kind, Johannes Poll wurde 1652 geboren) im August 1656 - Katharina - ist der Vater als Hans Poll der jünger angegeben.
Es ist durchaus möglich, dass dieser "Hans Poll der jünger" nicht der Sohn, sondern der Bruder des vorherigen "Hans Poll" gewesen ist, da noch 1647 die Geburt eines Hans Poll  - mit der Angabe einer Ehefrau namens Brigitta  - vermerkt ist, es also keinen so großen Altersunterschied zwischen den beiden "Hans Poll" gegeben haben kann, dass ein Generationswechsel angenommen werden muss.

Die Genealogie der Familie Poll - Schreiner und Mauerer (und im Hintergrund auch noch ein Bäcker) - ist kompliziert und auch noch auf verschiedene Kötztinger Anwesen verteilt. Bei der Häuserchronik des Hauses mit der alten Hausnummer 54 - frühere Metzgerei Barth - habe ich bereits versucht, diesen Gordischen Knoten zu entwirren.

In der Spitalrechnung von 1659 und 1660 findet sich die nächsten Einträge mit diesen "Eckdaten", als der Mauerer Hans Poll seine Zinsen von 1 Gulden jährlich für die Schuldsumme von 20 Gulden für sein erkauftes "Haus am Püchl" bezahlen muss, wieder  "auf Bartholomaee".
StA Kötzting Spitalrechnung von 1660
"Hanns Poll Maurer und Burger alhir auf sein Haus am Püchl verschriben 20 fl: den Zins auf Bartholomae empfangen 1 fl"

Im Zeitraum nach dem Dreißigjährigen Krieg lassen sich drei Linien der Poll-Familie nachweisen.

PfA Kötzting Matrikel Band 1 Status animarum 
Poll Hans, ein Schreiner, mit seiner Frau Caecilia

PfA Kötzting Matrikel Band 1 Status animarum 
Poll Hans, ein Bäcker, mit seiner Frau Magdalena

PfA Kötzting Matrikel Band 1 Status animarum 
Poll Hans  mit vier Kindern: Affra, Barbara, Hans und noch einmal Hans
Die ersten beiden Einträge stammen aus dem Jahre 1636 und in dem letzten Eintrag stammt der obere Teil (Petter Milbauer) ebenfalls von 1636. Der nachfolgende Zusatz mit Hans Pohl wurde jedoch erst in den Jahren 1657-1659 nachträglich ergänzt.
Aus dem Jahre 1674 kennen wir einen Hochzeitseintrag, der uns ein Stück weitere Sicherheit dafür gibt, dass es sich beim dritten Eintrag um unsere gesuchte Familie Poll handelt.
Nicht alle oben angegebenen Kinder lassen sich auch in den Taufmatrikeln wiederfinden, was aber in dieser turbulenten Zeit des Dreißigjährigen Krieges nicht außergewöhnlich ist. 
Die Tochter Affra wurde 1638 geboren - also wurde der obige Eintrag 1657 ergänzt, - ihre Taufpatin eine Affra Fischer, Ehefrau des Färbers Christoph Fischer
Einschub
Die deutlich unterschiedlichen Handschriften im Eintrag zusammen  mit den Altersangaben der Kinder  ermöglichte es  die Einträge genauer zeitlich einzuordnen.  
Einschub Ende
Im Jahre 1648 lässt sich der erste "Hans" und 1652 dann der zweite Sohn "Hans" Poll in den Geburtsmatrikeln nachweisen; in beiden Fällen heißt der Taufpate Hans Decker und stammt aus Fessmannsdorf. Bei den letzten beiden Geburten ist auch der Vorname der Mutter angegeben, sie hieß Eva.
Schaut man sich nun den obigen Eintrag noch einmal an, so heißt die Tochter des Besitzers von 1636 Eva Milbauer. Ob es sich dabei um die Ehefrau des Hans Poll handeln könnte, ist jedoch eine reine Spekulation.
Ein weitere Beleg für diese Poll-Familie kommt dann aus dem Heiratseintrag eines der obigen "Hans Poll", der in einer wunderschön ausgearbeiteten Form im Matrikelbuch Kötztings vorliegt.

PfA Kötzting Matrikel Band 2
MATRIMONIA
AB ANNO MDCLXXIV
Januarj

den 29. des in Ecclesia Parochiali Khezting seint copuliert wordten Hans Poll Hansen Pollen gewesten Burgers und Maurers alhi seel: Eva seiner hinderlassenen Hausfrau ehelicher Sohn zu Khezting, und Dorothea Schindlerin Hansen Schindlers burgers zu Khezting Elisabetha seiner Ehefrauen eheliche Tochter....
Coram Testibus Dno Andreä Billich et Michael Strigl Ludimagister
P: Thoman Stüfler
Pfarrer

Hans Poll war also Mauerer, er war verheiratet mit einer Eva und er ist vor dem Jahre 1674 verstorben.
In den ersten Dokumenten, die sich nach der Brandkatastrophe 1633 erhalten haben, finden sich drei Familien Hans-Poll, die zeitgleich in Kötzting lebten und arbeiteten, ein Schreiner, ein Bäcker und eben unser Mauerer.
Vom Schreiner Hans Poll wissen wir, dass er in dem kleinen Eckhaus im unteren Markt gelebt hatte, aus dem in späteren Jahrhunderten die beiden Anwesen Schuhhaus Liebl und Dullinger durch Teilung entstanden waren. (Hausnummern 102 und 103)
Es steht zu vermuten, dass zumindest der Schreiner und der Mauerer Hans Poll eng verwandt waren, denn als der Schreiner Hans Poll im Jahre 1652 verstarb, verpachtete seine Witwe Brigitta Poll ihr Haus "am Kirchweg neben Wolf Kirchmeiers Haus beim Padbrunnen liegend" an den Mauerer Hans Poll und dessen Ehefrau Eva für drei Jahre um 6 Gulden 20 Kreuzer..
In einer sich direkt im Briefprotokollband anschließenden Schuldverschreibung verschreibt die Witwe Poll das Haus am Kirchweg an Cäcilia und Anna, zwei Töchter des verstorbenen Schreiners Martin Poll.
Die Genealogie der Familie Poll sieht für mich in Teilen ( den Bäcker kann ich noch nicht zuordnen) so aus

Martin Poll Schreiner

Hans Poll, Schreiner, und  Brigitta   Hans Poll, Mauerer, und Eva
                                                               Hans Poll, Mauerer, und Dorothea
  
Wie eingangs bereits erwähnt, scheint Hans Poll das Haus am Pichel  kurz vor dem Jahre 1660 gekauft, es aber dann bereits im Jahre 1665 weiterverkauft zu haben, weil er in diesem Jahr das vorher nur gepachtete Haus am Kirchweg- vermutlich sein Elternhaus - erwerben konnte. Beide "Deals" lassen sich über die Umschreibungen der Grundschulden belegen.
Spitalrechnung von 1664: Hans Poll bezahlt seine Schuldzinsen noch vom Haus am Pichel

Spitalrechnung 1665: "Hansen Pohl Maurer, iezt Wolf Georg Esterreicher burger und Riemer alhir, hat auf seinem erkhaufften Haus am Pichel ......."

Hans Poll der Schreiner, nun ja verstorben, hatte seine Grundschuld, ebenfalls 20 Gulden, bei der Pfarrkirche Kötzting, eingetragen und hier wird nun auch der zweite Besitzwechsel protokolliert.
Kirchenrechnung von 1665

"Hannsen Poll gewesten Burgers und Schreiners alhir seel Erben, aniezt Hans Poll Maurer hat 20 fl ybernommen, hierumben die Behausung bei dem Padtbrunnen, dabei sein Hausfrau sich der weiblichen Gerechtigkeiten verzigen, verschriben, haben den Zins zu Weihnachten bezalt."

 


Ab dem Jahre 1665 können wir wohl davon ausgehen - sein zweites Haus "am Pichel" hatte er nun verkauft, dass er in diesem Haus am Kirchweg gelebt und gearbeitet hatte. Am 29.1.1674 heiratete der Maurer Johann Poll - Sohn des Maurers Johann Poll und dessen Ehefrau Eva - die Kötztinger Bürgerstochter Schindler Dorothea.
Einschub
In den Jahren zwischen 1661 und 1671 gibt es einen Nachweis aus der durchlaufenden Lise für die ewige Pfenniggilt, die das Nachbarhaus zu entrichten hatte,  für einen Schreiner mit Namen Georg ´Khettersdorfer auf diesem Haus. Wobei man dabei berücksichtigen muss, dass der Schreiber dieser Listen die Namen nur sehr nachlässig abgeändert hat, wenn es zu Besitzveränderungen gekommen ist. 
Es dauerte manschmal tatsächlich Jahrzehnte, bis die tatsächlichen Besitzveränderungen auch in den Listen sich niederschlugen. Den Zahlungsempfängern war es wohl nur wichtig, dass die entsprechenden Gelder eingingen.
Einschub Ende


Hans Poll und Schindler Dorothea


Fünf Kinder stehen von diesem Paar zwischen 1675 und 1690 in den Kötztinger Pfarrmatrikeln. 
Aus einem Eintrag in den Kötztinger Marktrechnung en von 1680 erfahren wir ein interessantes Detail über die Kötztinger Markttore.
StA Kötzting Marktrechnung von 1680

"Hannßen Poll Maurer, welcher under dem Thor bey der Markhtmüll ain ausgebrochenes Loch vermauert, ain halb Taglohn entricht mit 9 xr."
Es gab also nicht nur ein gemauertes Tor im oberen Markt (das Chamauer Tor) , sondern auch eines vor der Brücke nach der Marktmühle. Dieses Tor war natürlich bereits bekannt, es war nur bisher als Teil der hölzernen Brückenkonstruktion angesehen worden. Anscheinend war es zum Markt hin vorgelagert und hatte eher eine massivere Bauweise.
In den Folgejahren findet sich der Maurer bei den verschiedensten Ausbesserungsarbeiten - und vor allem Pflastererarbeiten im Bräuhaus und Rathaus. Im Hüthaus und im Rathaus musste er - 1684 - die Fensterstöcke untermauern.
Offensichtlich waren im Jahre 1685 am und im Kötztinger Rathaus  und im Bräuhaus umfangreiche Umbaumaßnahmen angefangen worden, weil sich in den Rechnungsbüchern gleich seitenweise Auszahlungsbelege an Kötztinger Handwerker nachweisen lassen. 
StA Kötzting Marktrechnung von 1685
"Hannsen Poll Maurern, vermög der Zötl, das er in dem Rathhaus, des Cramers Stuben und Ladten, wie auch das Protthaus ausgepflastert, vdrworffen und ausgewaist, und daran 2 1/2  tag gearbeith, geutt gemacht 45 xr."
Im Gebäude des Kötztingre Rathaus waren damals sowohl das Brothaus - die Verkaufsstelle für sämtliche Kötztinger Bäcker - als auch ein vermieteter Kramladen untergebracht. Der Mieter des Kramladens hatte im Rathaus sogar seine Wohnung zu nehmen.
  
StA Kötzting Marktrechnung von 1685
"Dem Hannsen Poll Maurern, umb das er in dem Rathaus ds Pfölaster ausgebessert, anwerffen und ausgeweißt, auch andere mehr Flickharbeit verrricht, lauth der Zötl guettgethan 45 xr"
StA Kötzting Marktrechnung von 1685


"Hanns Poll Maurer, welcher in dem Preuhaus den Praunen Kheller ausgepflastert, ainen Thierstockh eingemauert, und andere mehr Fleckharbeith verrichtet, hat nach Ausweis seiner Zötl vor seinen Verdienst empfangen 3 fl 36 xr."
Der "Braune Keller" war der Lagerkeller für das vom markteigenen Braumeister für die Kötztinger Marktlehner gebraute "Braunbier". Das dem "Weißbier", dessen Ertrag dem Kurfürsten zustand, wurde im eigenen Weißbierkeller gelagert, heute der Kollmaierkeller als Teil der Brennerei Liebl.

StA Kötzting Marktrechnung von 1685
Obgemelter Hanns Poll Maurer, hat im Preuhaus die Praune Waikh zuerichten: und in dem Rhathaus=Crambladen ainen Fensterstockh einmauern miessen, warmit er 5 tag zuegebracht, ist ihme aso Craft der Zötl sambt deme was er zuersagten Praunen Waikh 

Bis zum Jahre 1693 - leider immer noch vor dem Beginn der -fest - durchgehenden Reihe der Kötztinger Briefprotokolle - können wir den Maurer Hans Poll noch mit Arbeiten in den Marktrechnungen belegen:
1686: "Ausbesserung der Prust bei der praunen Waikh"
1692: "Pflaster des Kirchweges nechst des Tremels Behausung"
1692: " zur Ausbesserung der Schießmauer und der Schießhütte"
1693: "In der Wuhn: auf dem obern Stubenpoden und Aufmauerung eines Mäuerls item
Ausweissung der Stuben und ander darbey verrichter Arbeit"

Nun beginnt die Suche, um die Lücke zwischen den Polls und dem Adam Wurmb zu schließen.....

1680, 1685 und 1690 sind Poll Hans und seine Frau als Schuldner  für eine Grundschuld von 20 fl - Zinszeit Weihnachten - vorgetragen.
Unterm 29.9.1691 findet sich der Sterbeeintrag für den Kötztinger Maurer Johann Poll in den Kötztinger Matrikelbüchern seine Witwe, Dorothea, lebt noch mehr als 20 Jahre und verstirbt erst am 8.8.1713. 
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1695
Obwohl er schon 4 Jahre lang nicht mehr lebte, wird Hans Poll immernoch als der Schuldner vorgetragen. Der Kirche eilte es offensichtlich nicht damit, diese EIntragung umschreiben zu lassen, da ja die Ehefrau ebenfalls als Schuldnerin erwähnt ist. "Capital 20 fl Hanns Poll burger und Mauerer, hat sin Erkhauffung seiner Behausung nebst dem Padtprunnen 20 fl ybernommen, welche er dann hierunden verschriebeen, und sich dabei sein Eheweib der weibl. Gerechigkeit verziechen, die Zünsteit uf H. Weihnachten, gemacht worden so trüfft 1 fl"
Seine Frau verzichtete also schriftlich auf das ihr zustehende Teilerbteil in Höhe der Schuld bei der Pfarrei Kötzting.  
Im drauffolgenden Jahr erscheint dieser Eintrag nicht mehr. Es ist anscheinend in diesem Jahr zum Verkauf des Hauses gekommen - eine Ehe eines der Kinder ist zumindest in Kötzting nicht belegbar - wobei der Verkäufer die Grundschuld bei der Kirche beglichen hat. 
Allerdings wird beim Verkauf des Nachbarhauses (alte Hausnummer 104) dessen Lage so beschrieben: "zwischen dem eines Hans Poll (Poln) und Georg Mayrs Häusern"
Selbst im Jahre 1718 wird das Nachbarhaus noch in seiner Lage so beschrieben:
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1718
"Hans Georg Löckher von seinem Haus zwischen Hans Polln und Georg Mayr heisern."

All die Suche war vergeblich, es gibt zwar Nachweise für einen Hans Poll und dessen Mutter jedoch müssen diese keinen Bezug zu unserem gesuchten Haus haben. Bis herauf ins Jahr 1718 jedenfalls wird das Haus als in Besitz eines Hans Poll beschrieben.
Es bleibt also zunächst eine Lücke zwischen 1718 und 1732, als es dann den Nachweis für einen Adam Wurmb gibt.
Im Hauptstaatsarchiv in München gibt es eine Kirchentrachtliste, die die Jahre 1727 bis 1736 umfasst und "normalerweise" die Häuser in der Reihenfolge aufführt, wie sie auch in der "Natur" nebeneinander gestanden sind.

Josef Dirnberger              >>>>>>>>>>>> Hausnummer 126
Margaretha Räbin            >>>>>>>>>>>> Hausnummer 125
Schöllinger Eva                 da steht uU die Lösung 
Hans Georg Höck            >>>>>>>>>>>  Hausnummer 101  beim Emmeran
Augustin Fischer Bader   >>>>>>>>>>>  Hausnummer 100  das obere Bad
                                  Hier müsste unser gesuchtes Haus stehen 
Hans Georg Löckher      >>>>>>>>>>>> Hausnummer 104  Kretschmer
Hans Michael Mayr        >>>>>>>>>>>> Hausnummer 105  Alchemilla
Adam Prunner Riemer   >>>>>>>>>>>>  Hausnummer 99   Alte Metzgerei 
Lärnbecher Georg          >>>>>>>>>>>>  Hausnummer 107  im Gässchen hinter der Herrenstraße



 Es gibt natürlich noch eine weitere  Möglichkeit für diese offensichtliche Lücke der Steuerzahler:

Am 27.9.1717 war es zu einem verheerenden Marktbrand gekommen, der ähnlich wie der von 1867 einen kompletten Straßenzug der Marktstraße, vom oberen Friedhof bis herunter zum Spitalgebäude, alle Häuser vernichtete.
Von  diesem Marktbrand gibt es einen genauen Bericht von Pater Gregorius, der in den Klosterliteralien im Hauptstaatsarchiv aufbewahrt ist.

Der Marktbrand vom September 1717




Bayr. Hauptstaatsarchiv München Kloster Literalien KL Rott 80 Seite 122 
 

"Mit einem traurigen Zeitung kan ich euer Hochwuerd: und Gnaden zu beunruhigen nit umbgehen. Dann am itzt verflossenen Sambstag, als dem 25. 7bris umb 8 Uhr zu Nachts ist bey Herrn Riederer durch Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit Feur im Stadl auskomen, welcher gleich dergestalt überhandt genomen, das in einer halbe Stund der grosse Tractus bis zu den Tirigl Hauss hinauf und hinab bis zu dem Spitall vom Schmidttaller in völligen Brandt gerathen und alles in Grundt und Boden zusammen verprennen sambt allen Staedeln Getraidt, Heu, und Grainedt. Wir haben uns nicht anderes eingebildts als der ganze Marckht, der Pfarrhof sambt dem Traidtstadl verbrinnen würdt, daher habe folgende Anstalt gemacht:
R.P. Thoman mit Wasser und Geschür auf die Stadel geschickt, selbiger Orthen das Feuer abzuhalten. R.P. Anselmum habe ich zu Haus gelassen, der allen Rath und Mobillia in den Keller hinab bringen muessen, etlich Mann mit Wagen hab ich auf das Dach in Pfarrhof verordnet, der einbrechenden Flamme einhalth zu thun, die Pferd und anders Vieh habe ich auf Grueb sambt Wagen und Geschür bringen lassen: ich aber bin mit dem hochwürdigen Guth dem entsetzlichen Feuer entgegengestanden.
Da hat sich dann der Wind gewendet und den herunteren Thail gegen uns nit angegriffen.
Der Schmidttaller und Spital ist zwar abgeprunnen aber nit weiter kommen.
R.P. Thomas hat sonderlich gearbeitet und mit Beyhilf anderer den Spital=stadl erretet , mithin das Feuer von unserem Traidtstadel abgehalten, und dabey den ganzen unteren Thaill wo Herrr Krieger wohnt erhalten.
Ein so entsetzliches Feuer ist der ganzen nachts gewesen , dass er einer Höllen gleichgewesen. Herr Pfleger ist anfangs zu Pferd zugeritten aber vor Schrecks zu in etliche Ohnmacht gefallen. Hernach hab ich und Herr Pfleger mit unsere Pferden die ganze Nacht hindurch große Wasser zufuehren lassen, und die Prunst bis heut als den dritten Tag gewaehrt.
21 Heuser und Marktlehen, und zwar die besten , sind abgeprunnen. Wir Gott lob sind sichre geblieben, Das Ellend ist unter den armen Leuten dermassen groß, daß solches nit kan entworffen werden. Mehrers werde solches mit nächsten p-.p- Khozting 27. 7bris 1717 
Infimus P. Gregorius."

Der "Schmidttaller" ist die das Haus am Kötztinger "Stachus" mit dem Hausnamen  Drunkenpolz, später Foto Schubert/Liebl. Das Feuer wütete also drei Tage und sogar auf dem Pfarrhof (heute das Kötztinger Rathaus) missten Menschen auf dem Dache den Funkenflug bekämpfen.
Es könnte durchaus sein, dass unser kleines Haus, dem "Schmidttaller" und dem Spital gegenüber zumindest in Teilen unbewohnbar geworden wurde, trotz der Anstrengungen des Paters Gregor, der sich mit der Monstranz in die Herrenstraße gestellt hatte, um  - seiner Meinung nach erfolgreich - den Winden zu gebieten.
Dies könnte zumindest erklären, weshalb dieses Haus in den Steuerlisten überhaupt nicht auftaucht. 

 



Es gibt in Folgenden Hinweise, dass das Haus in Besitz der Färbersfamilie Schöllinger gewesen ist.
Bei der Schuldverschreibung der nächsten Besitzer ist in den Jahren nach 1730 die Rede, dass diese das Geld für den Ankauf des Schöllinger Häusels gebraucht hätten.

Schöllinger Eva



Schöllinger Eva und ihr Mann Balthasar Schöllinger - alte Hausnummer 70 - hatten im Jahre 1715 ihr großes Anwesen an den Sohn verkauft. Balthasar war 1726 und Eva Schöllinger im Jahre 1727 verstorben. Möglicherweise oder vermutlich  haben die beiden sich - als weichende Austrägler - das kleine, freigewordene Haus in der Herrenstraße gekauft - für sich und ihre noch ledige Tochter Eva, die später noch erwähnt werden wird, da sie ein Zimmer für ihre Herberge gesichert bekommen hatte - oder wieder errichtet.
Ab dem Jahre 1727 haben die Erben der beiden Schöllingers dann begonnen, deren noch verbliebener Besitztümer zu verkaufen.  
Und so landen wir in der Lücke der Briefprotokolle zwischen 1729 und 1731.

Hans Adam Wurmb und Barbara Mulzer


Die Leineweberfamilie der Wurm(b) ist viele Jahre bereits in Kötzting nachweisbar, im Bereich des heutigen Pfeffergrabens und an der nach ihnen benannten "Wurmhöhe" beim Wieser Girgl..
Im Jahre 1731 liehen sich Hans Adam Wurmb und seine Frau Barbara 100 Gulden von der Kötztinger Pfarrkirche und die Details des Eintrags sind sehr interessant für unsere vorherigen Fragen:
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1731

"....100 fl Capital zur Bezallung dessen Schöllingerischen Heusl=Kaufschillings aufgenommen und hierumben lauth des unterm 28. Martiy ao 1730 aufgerichten Schuld=Porgschaftsbriefs, ihr obbemeltes Heusl samt iezig und konfftigen Vermögen ...."
Leider sind die Jahre zwischen 1729 und 1731 in den Briefprotokollbänden eine Lücke. 
Sämtlich folgenden Einträge in den Kirchenrechnungen wiederholen diesen Text, sodass es eine begründete Vermutung gibt, dass in der Lücke der Briefprotokollreihe es einen Verkauf zunächst an einen Herrn/Frau Schöllinger gegeben hatte, ehe das Haus dann in Besitz des Leinewebers Johann Adam Wurmb übergegangen ist. 
Und siehe da..... in der oben angeführten Kirchentrachtliste findet sich auf der Seite vor der obigen Namensliste eine "Eva Schöllinger". 
Hans Adam Wurmb und seine Frau konnten ihren Schuldendienst all die Jahre gut erfüllen, bis dann die finanzielle Katastrophe des Österreichischen Erbfolgekrieges kam, der die Bürger Kötzting vor riesige Probleme stellte. Die laufenden Kontributionszahlungen der Besatzungsmacht Österreich an den markt, wurde von diesem einfach gleichmäßig auf seine Bürger umgelegt (natürlich in unterschiedlicher Höhe gegliedert für die Marktlehner, Söldner und Häusler), die folglich mit ihren Zinbszahlungen in Rückstand gerieten.
Und so findet sich der Leineweber Hans Adam Wurmb - neben sehr vielen anderen Kötztinger Bürgern - in der Liste der säumigen Zahler der Pfarrkirche Kötzting.
PfA Kötzting Kirchenrechnung von 1743
"Hans Adam Wurmb Leinwöber alhir ab 100 fl Capital de annis 1741 42 et 1743 ingleichen 15 fl."


Im Jahre 1748 wird Hans Adam Wurmb in den Bürgerausschuss aufgenommen und drei Jahre später übergibt er das Haus  um 224 Gulden an die Tochter Magdalena und deren Mann Hans Georg Gusterer.


Hans Georg Gusterer und Magdalena Wurmb


StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokollband von 1751

"Kaufybergabsbeschreibung umb ain burgers Heusl per 224 fl
Hans Adam Wurmb burgerlicher Zeug- und Leineweber alhir zu Közting dan neben ihme Barbara dessen Ehewürthin, welche aber nit zugegen, sondern Sye hierinfals zuvertretten H: Johann Christoph Magerer cfrtl Pflegs Ghrts Prokurator...."
StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokollband von 1751
Beschreibung des Hauses: sie verkaufen ihr "besessenes Burgersheusl so an dess Sebastian Löckher burgerlichen Schneidermeisters dergleichen Heusl stosset und negst beym Badprunn entlegen, mithin wie es mit Scharr und Tach umfangen ist."
Der neue Ehemann und Hausbesitzer Hans Georg Gusterer ist ein Maurergeselle aus Bärndorf, der noch im selben Jahr das Kötztinger Bürgerrecht erhält.
15 Jahre später verkauft Magdalena Guster - als Frau des Johann Georg, bürgerlichen Maurergesellen, ihr Haus  "von dem Vater Johann Adam Wurmb am 06.11.1751 gekauft und negst dem Padbrunnen und an des Sebastian Loeckher Schneiders Haus stossend, samt dem Wurzgärtl" an den Leineweber Hans Georg Neumeier um 280 Gulden.
Und noch einmal findet sich hier ein kleiner Hinweis darauf, dass die oben gezogenen Schlüsse mit dem "Schöllinger Heusel" korrekt sind. Im Vertrag heißt es nämlich bei der Regelung über die Wohnsituation für den Austrag der weichenden Gusterer Eheleute: "die Gusterischen Eheleyth in dem hindern Stibl, wo sich die  Schillingerische Tochter befundten in der Herberg, auch das  eingeschlagene Bödl und die Kuchel nebst einem orth zur Holzleg  von dem Stiebl bis zur Kuchelthier"


Hans Georg Neumeier und Margaretha Jobst 


Am 19.2.1976 quittiert die nunmehrige Inwohnerin (nachdem sie ja kein Haus mehr besaß, wandelte sich die ehemalige Bürgerin automatisch in eine - eher rechtlose - Inwohnerin zurück) dem neuen Hausbesitzer Hans Georg Neumayr und dessen Ehefrau Margaretha, die fehlende Kaufsumme über 126 Gulden gezahlt zu haben.
JG Neumayr hatte am 11.9.1764 die Margaretha Jobst aus Haus geheiratet, eine Weberstochter.
Diese Übergabe blieb - trotz der Namensungleichheit -  innerhalb des Familienverbandes, weil JG Neumayrs Mutter eine geborene Wurmb gewesen war.
In einer weiteren "Bürgerliste" aus den Jahren 1777 ff kann man wieder die Reihung der Häuser erkennen.
HStA München KL Rott B5 1777-1800

"Bernhard Andreas Fischer, Glaser  (=104) - Mathias Pfeffer, Schneider (=101) - Georg Neumayr, Leineweber (=103)"
Nachdem seine erste Frau - Margaretha, geborene Jobst, am 25.5.1783 mit gerade mal 40 Jahren verstorben war, verheiratete sich der Witwer am 24.6.1783 erneut, dieses Mal Genoveva Fischer, eine Kötztinger Bürgerstochter.
Der Grund für diese schnelle Wiederverheiratung - ohne Einhaltung der üblichen 1 jährigen Trauerzeit - war sicherlich, dass das Weberhaus voll war mit jungen, noch unversorgten Kindern.
Johann Georg Neumayr jedoch lebte auch nicht mehr sehr lange. Am 15.4.1788 verstarb er -  auch er war mit 50 Jahren noch sehr jung - und nun war es an seiner Witwe, sich um das Wohl der Rumpffamilie zu kümmern und wartete ebenfalls nicht lange, bis sie den richtigen Hochzeiter als neuen Ehemann bekommen konnte.

Max Hartl und Genoveva Neumaier


StA Landshut Markt Kötzting Briefprotokoll von 1788 Seite 32

"Eheverlöbnis
Genoveva Neumayerin, vedrwittibte burgerliche Leineweberin derorten hatt sich unter Beistandschaft des chfrtl H. Grchts Prukurators Lorenz Stoiber unter heuntigen mit dem Max Hartl einem ledig burgerlichen Leinweberssohn vor Obrigkeit zur Ehe versprochen."
Dieses öffentliche protokollierte Eheversprechen gaben sich die beiden am 26.8.1788 und bereits am 16.9.1788 standen die beiden vor dem Traualtar.
4 minderjährige Kinder waren nun zu berücksichtigen, deren Ansprüche vertraglich geregelt und abgesichert werden mussten.
Für Johann Georg, 16 Jahre alt, Barbara, 14 Jahre alt, Margaretha, 12 Jahre alt, und Anna Maria, 6 Jahre alt, hatte der Vater noch vor seinem Tode ein Muttergut in Höhe von 150 Gulden schreiben lassen und darin auch festgelegt,  sollte eines der Kinder das väterliche Erbe antreten, dass dann der Stiefmutter die "hintere Stube" zur lebenslangen Herberge sichergestellt werden müsse.
Offensichtlich - und das geht auch wörtlich aus dem Protokoll hervor - hatte der Testamentverfasser (JG Neumayr) bei der Abfassung seines "Letzten Willens" nicht mit seinem so schnellen Ableben gerechnet, und so musste nun das Gericht einschreiten und sogar eine kleine Inventur der vorhandenen Mobilien errichten, um die Vermögenswerte aufzusummieren.
Dies gibt uns einen kleinen Einblick in die Verhältnisse des Weberhaushaltes.... viel war es nicht.
"An vorzüglcher Fahrnuß war vorhanden: 1 Tisch, 3 Lehnstühl, 2 alte Weeberstuhl, 2 Spulräder 24 gerichte zwar alte Zeug(?), 2 Bettstädl, 2 gerichte Better darauf zum Theil die Kinder liegen, und zum theil verspörrt sind, 2 Hafftel, 3 Kästen, 2 Truchen, und 2 Eiserne Pfannen dann ein kleines Wachkästerl. All diese Stücke kommen seinerzeit wieder auszulösen und das ist das ganze nachgelassene Vermögen."
Die Beerdigungskosten, die vom Vermögen abzuziehen waren, betrugen 10 fl 20 xr
Dieser Erbbrief kostete 4 Gulden
Der Vertragsbrief kostete die Familie weitere gut 4 Gulden.
Die im Erbvertrag vorgesehene Klausel griff dann bereits 3 Jahre später, als der - 1788 erst 16 jährige - Sohn Johann Georg am 3.11.1791 das väterliche Erbe antrat und das kleine Haus im vorgesehenen Wert von 400 Gulden von seiner Mutter übertragen bekam.


Johann Georg Neumayr und Katharina Stöger


Nun sind wir endlich wieder bei dem Ehepaar angelangt, mit dem dieser Blogbeitrag - ganz, ganz oben - seinen Anfang gehabt hat.  All die dazwischen liegenden Bruchstücke mussten er Stück für Stück zu einem logischen Ganzen zusammengesetzt werden, auch wenn dieser Text sicherlich nicht einfach zu lesen gewesen ist, wenn ihn überhaupt jemand detailliert mitgelesen hat....
Am 3.11.1791 jedenfalls erhielt der - zu diesem Zeitpunkt noch ledige - Johann Georg Neumayr das" Haus mit Lein und Zeugwebersgerechtigkeit zwischen Johann Drunkenpolz und Bernhard Fischer, Glasers Häusern" für 400 Gulden übertragen. Am selben Tag noch schloss er einen Heiratsvertrag mit seiner zukünftigen Ehefrau, der Katharina Stöger, einer Halbbauerstochter aus Rimbach.
Den nächsten Vorgang, den wir von JG Neumaier in den Akten haben, ist bereits die oben angesprochene Hausteilung aus dem Jahre 1804 mit dem Leineweber Wolfgang Mang, wodurch - gerade noch rechtzeitig vor der Erstellung der historischen Hausnummern in Kötzting - das Nachbarhaus mit der späteren Hausnummer 102 entstand.
JG Neumayr und seine Frau wechselten in den Neubau - wobei er sich zuerst noch einen eigenen Hauseingang auf der "Spitalseite" hatte machen müssen - und den Altbau erhielt Wolfgang Mang.


Wolfgang Mang und Ursula Beer


Der vom Zittenhof stammende Leineweber Wolfgang Mang hatte die Seifensiederstochter Ursula Beer geheiratet und war bereits seit dem Jahre 1799 Kötztinger Bürger geworden.



StA Kötzting MR von 1799

"Und von Wolfgang Mang burgerlicher Zeug- znd Leineweber
Tax 1 Gulden
Exerciergulden 1 fl
"
Aus dem Jahre 1810 gibt es eine erste kleine Beschreibung des Gebäudes im Häuser- und Rustikalsteuerkataster des Rentamtes Kötzting
StA Landshut Rentamt Kötzting Rep 300 B27

"Wolfgang Mang   
das unten gemauerte - oben gezimmerte Häusel
das erkaufte Wurzgartl
der aus den Realitäten des Spitals erkaufte halbe Stadel
der aus dem vertheilten Strohhof erkaufte Acker"

Es ist bekannt, dass der Leineweber Wolfgang Mang sehr bald nach diesem Hauskauf auf das Marktlehen mit der alten Hausnummer 127 wechselte - das spätere Haus der jüdischen Familie Kirschner - und den damit auch seinen Beruf wechselte, er wurde nun Seifensieder.
Am 17.1.1816 schlossen Wolfgang Mang und Joseph Dachs einen Tauschvertrag.
StA Landshut LGäO Briefprotokolle Kötzting von 1816/1817
"2. Tauschbrief  ad 1700 fl in Anschlag
Joseph Dachs burgerlicher Saifensieder von Koetzting und Theresia dessen Eheweib .... vertauschen ... ihr bisher ingehabtes freyeigenthümliches Bürgershaus mit Bierbrau- und Saifensiedersgerechtigkeit ... an die Mangschen Eheleute.
Letztere tauschen den Joseph Dachsischen Eheleuten ihr bisher in Besitz gehabtes ludeigenes Wohnhaus mit Wurzgartl
. 1100 Gulden Aufschlag mussten die Mangschen Eheleute aufbringen, um den Wertunterschied auszugleichen.

Dachs Josef und Therese Rothadus


Im Jahre 1802 hatte der Kötztinger Seifensieder Ignatz Mayr die Pfaffenhofener "Weinwirts- und Bierbrauerstochter" Therese Rottatus geheiratet und war bereits 6 Jahre später mit gerade mal 28 Jahren verstorben. Die Witwe hatte sich kurz danach mit Joseph Dachs wiederverheiratet. Gleichwohl war es den Ehepaar nun wohl finanziell leichter, als es in das "günstigere" Haus in der Herrenstraße wechseln konnte.
Und erneut ist die Datenlage sehr dünn, was diese Hausbesitzer angeht. Erst in der Rückschau durch den im Jahre 1840 angelegten Grundsteuerkataster erfahren wir vom nächsten Besitzübergang.
StA Landshut Grundsteuerkataster 5039

"Laut Brief vom 12.6.1824 von Theres Dachs um 530 fl erkauft. Der neue Besitzer ist Joseph Denk
 

Josef Denk und Schaffner Anna

StA Landshut Grundsteuerkataster 5039
"Hausnummer 103 in Kötzting  Beym Denken    Joseph Denk
Ein Leerhaus
Gebäude
Wohnhaus samt Keller und Holzlege aneinandergebaut, dann Hofraum
"

Am 6.2.1820 bereits hatte der Marktmusikant Joseph Denk die Kötztinger Bürgerstochter Maria Anna Schaffner geheiratet und zwei Jahre später, am 22.3.1822 übergab der Hausbesitzer Joseph Denk seine Gewerbekonzession als Musikant an seinen Sohn.
Es ist seine Frau, Denk Anna, bezeichnet als konzessionierte Musikantin, die am 4. Juli 1824 - nach dem Hauskauf von der Therese Dachs - um das Kötztinger Bürgerrecht eingibt.

 
StA Kötzting AA II 18

Vorgekommen am 7. Juli 1824
Anna Denk, konzessionierte Musikantin v. Kötzting erkaufte von Theres Dachs Häuslerin dahier ihr Leerhäusl um 530 fl und sucht um das Bürgerrecht nach. Es wird daher derselben unter dem sub Nro 1 bezeichneten Verhältnissen dasselbe hiermit verliechen und hat Anna Denk die herkömmliche Gebühr zu erlegen mit
16 fl 7 xr 2 dn"

StA AA XI 76 Stadelbau des Hofbauer

Aus dem Jahre 1826 gibt es einen kleinen Bauakt, als der Johann Hofbauer in dem eh schon verwinkelten Gasserl hinter dem Häuserblock eine kleine Schupf bauen wollte, das uns eine gute Vorstellung davon gibt, wie das Konglomerat an Misthausen, Schöpfbrunnen, Schupfen und Wohngebäuden damals in der Ecke so ausgesehen hat, wohlgemerkt ohne jede Kanalisation und Dachrinnen zu dieser Zeit.
In der Herrengasse die Reihung
Johann Hofbauer - Andre Fischer - Joseph Denk - Elisabeth Dreger
Rechts oben im Plan - beschrieben mit "Behausung des Anton Magg" war die Wuhn. Heute wäre das Mitten drin in der unteren Marktstraße. Vieles hat sich dort nach dem großen marktbrand von 1867 verändert.
Im Jahre 1834 kam es zu einem Nachbarschaftsstreit wegen des kleinen Gässchens zwischen den Häusern 103 und 104.

Knapp und kurz heißt es im Protokoll des Vermittlungsamtes aus dem Jahre 1834: 
"Die Witwe Barbara Fischer v K gegen Josef  Denk Häußler v K wegen Verbauens eines Gäßerls zwischen ihren Häusern. " Es kam kein Vergleich zustande.
 
Im Jahre 1836 stellt Joseph Denk, Türmer von Kötzting, ein Gesuch um alleinige Berechtigung zum Musik machen bei Hochzeiten und Jahrtagen.(StA AA X/80)
Antwort der Regierung in Passau, dass Türmer die bestallt sind auch ausschließlich Kirchenmusik machen dürfen, aber die anderen Gelegenheiten sind frei. Es sei denn die anderen Musiker hätten schlechten Leumund. ( Verfügung seit 1775, 1784, 1792 usw)
Denk und Chormeister Pfeffer beschweren sich massiv. Die Regierung ginge von der Voraussetzung aus, sie beide bekämen ein Salär von der Kirche oder vom Magistrat usw. Man befragt die Räte ob man örtlich was ändern könne. Man kann den Wirten lediglich "empfehlen" die Kötztinger zu nehmen. Konkreter Fall: Bauerssohn Ritzenberger heiratet und hat eine Hohenwarther Kapelle bestellt. Diese soll vom Gasthaus Stöberl verwiesen werden.
Georg Ritzenberger wird tatsächlich vorgeladen und man bedeutet ihm er solle Kötzinger Musikanten nehmen. Hat nichts genützt. In dem Wirtshaus Stöberl kam es zu Auseinandersetzungen. 
1843 kam dann eine Erklärung, dass den Kötztinger Musikern Vorzug gegeben werden müsse. Auswärtige dürften nur mit vorheriger Lizenz engagiert werden.
In den Marktrechnungen von 1837 wird ein Betrag von 48 Kreuzern als Ausgabe "für das Pferd des Trompeters Denk" beim Pfingstritt ausgewiesen.
Im Jahre 1837 steht Joseph Denk in den Kötztinger Bauakten mit einem Eingabeprotokoll:(StA AA XI 108) er habe sich einen kleinen Keller in seinem Haus gegraben (siehe Grundsteuerkatasterauszug weiter oben) und nur Wasser in denselben erhalten, wodurch das Kellerl unbrauchbar würde, wenn das Wasser nicht aus denselben gebracht werden könnte. 
Einschub
Dies ist auch kein Wunder, denn in diesem Bereich Kötztings fand sich ein Grundwasserbrunnen neben dem nächsten. Angefangen mit dem Bad- oder Spitalbrunnen mitten in der Straßenkreuzung  und diversen Schöpfbrunnen in den Hinterhöfen.
Einschub Ende
"Der Sachkundige Maurermeister Hummel hierüber vernommen gibt an:
Dass zur Hinwegbringung des Wassers aus den Keller des Denk ein Kanal längs der Straße gegen Advokat Müllers Haus an dem garteneck vorüber bis zu dem Ausflusse des Wassers
(auch aus dem Hause das Advokaten Müllers - früher das Badhaus - lief Wasser an dessen unterem Hauseck heraus und wurde aufgefangen) desselben unterhalb des Hauses vis a vis des Klingers Hauses in der Tiefe von drey Schuhen der Erdoberfläche 1/2 Fuß in der Lichten groß und 70 Fuß Länge gebaut werde.
Die Anlieger stellen als Bedingung, dass dieser alle Kosten übernehme. Denk nimmt an.
Im Jahren 1839 und 1840 erhält der Pfingsttrompeter Joseph Denk Verstärkung, denn nun stehen gleich zwei Pferde für die Trompeter in den Rechnungsbüchern und die Marktkasse wird mit 1 fl 40 Kreuzer belastet.
Im Jahre 1840 wird der Streit um das kleine Gasserl zwischen den Häusern erneut vor dem Vermittlungsamt ausgetragen und diesmal endet die Sache nicht mit einer schnöden Ablehnung, sondern mit einer richtigen Verhandlung. (StA AA VIII 12)
"Beschwerde des Anton Fischer im Namen seiner Mutter Barbara Fischer Glaserswitwe v K gegen den Häusler Josef Denk v K wegen Verbauung eines Gäßchens zwischen den Häusern der Teile, worin das Wildwasser abfließt, hat man heute einen Polizeiaugenschein mit Zuziehung des  bürgerlichen Zimmermeisters Franz Obermeier an Ort und Stelle eingenommen und nachstehende Bemerkung 
gemacht:
1) Vom unteren Teil des Gäßchens zeigt die Breite desselben zwei Werkschuh.
2) Von des Fischers Hauswand sind die Bretter aus dem Grundbaum in das Gäßchen hineingesunken, da dieselben wie es sich genau zeigt  aus den Nägeln gerissen  finden und um einen Schuh hinein gekommen sind. Denk hat am oberen Eck eine Säule eingegraben und einen Verschlag für eine Holzlege errichtet, welcher Verschlag eigentlich die Beschwerde veranlasst, da hierdurch das Gäßchen verengt wird, derart, dass der Wasserabfluss hindurch gehemmt und Fischer solchen durch seinen Hof zu laufen veranlasst wird. Deshalb findet der Sachkundige zur Behebung der Differenzen als notwendig, dass der Magistrat als Polizeibehörde die Weisung zu erlassen haben dürfte.
A) Anton Fischer Glaser habe sofort die abgewichene von Grundbaum getrennte Bretterwand in die vorigen Fugen zu befestigen.
B) Josef Denk Musikant sei schuldig, die Holzlege von der Wand des Fischers zurückzusetzen und so das Gäßchen wieder in der vorigen Breite per 2 Schuh herzustellen, wodurch der Beschwerde abgeholfen werden wird.
Beschluss: Auf Grund  eines am 23. Juli d  J  vorgenommenen Augenschein im Betreff der 
Beschwerde der Barbara Fischer Glasermeisterswitwe gegen Josef Denk Hausbesitzer dahier wegen Verbauung eines zwischen ihren Häusern befindlichen Gässchens, wodurch  das Trauf und Güßwasser ihren Ablauf von dem hinterhalb ihrer Häuser entlegenen Düngestätten und Gebäuden zu nehmen hat. Es wird nach dem Gutachten das beigezogenen Sachverständigen Zimmermeister Franz Obermeier v K zufolge magistratisch Beschluß vom heutigen verfügt: Die Beschwerdeführerin die schuldig und gehalten die vom Grundbaum abgewichene Bretterwand welche wenigst einen Werkschuh in das Gäßchen hereingesunken ist, zurück in die alten Fugen einzubefestigen; sowie  der Beklagte verbunden den Verschlag zur Holzlege 2 Schuh von der Fischerschen Bretterwand zurückzusetzen

Aus einer Inwohnerliste des Marktes geht hervor, dass in dem kleinen Haus des Musikers Joseph Denk noch andere Personen wohnten.
 
StA AA II 6
"Antonia Kroiß - wohnt bey Joseph Denk Haus Nro 103 
Eltern: Franz Paul Kroiß Lehrer und Johanna geb. Dickhars zu Kötzting, beide verstorben
lebt durch Handarbeit, Nähen, Stricken usw.
Diese Antonia Kroiß hatte offensichtlich ihr Kämmerlein selber "untervermietet" und die Tocjhter ihrer Schwester aufgenommen:

"Antonia Windbauer illeg. 
wohnt bei Antonia Kroiß HNr. 103
Außereheliche Tochter der verstorbenen Johanna Kroiß, Lehrerstochter zu Kötzting und des Ulrich Windbauer Zollaufseher d.z. in Piding k. LG Reichenhall.
Der außereheliche Vater sorgt für den Unterhalt seines Kindes.

Der "Mietkataster" aus dem Jahre 1842 zeigt uns eine ähnliche Situation in diesem kleinen Haus.


StA Landshut Grundsteuerkataster 5045

"1. Anna Denk, Musikersgattin /Hauseigenthümerin:/
Unter der Erde 1 Keller
I Stock (=Erdgeschoss) 2 Wohnzimmer und 1 Kammer und der Hausboden unterm Dach
Unterschrift: Anna Denk
2. Theres Dachs - Witwe - (Die Vorbesitzerin)  /:Mieterin:/
II 1 Wohnzimmer und 1 Verschlag
Unterschrift Theres Dachs
3. Johann Hornung - Gerichtsdienersgehilfe  /:Mieter:/
II 1 Wohnzimmer und 1 Verschlag
Unterschrift Hornung
"

Pfingsten im Hause Denk


Aus dem Jahre 1850 erfahren wir, dass der Sohn des Hauses - Joseph Denk - zum Pfingstbräutigam erwählt wurde und aus der Marktkasse dazu einen Zuschuss in Höhe von 10 Gulden erhält.





Und wieder geht es um ein Gasserl, dieses mal um die noch vorhandene Gasse hinter der Häusewrzeile:
Im Jahre 1853 stellt Johann Hofbauer - heute Alchemilla - den Antrag dieses Gässchen zu kassieren.
"Antrag : Johann Hofbauer zwischen dem hinter seinem Wohnhaus gelegenen und seinem Garten ist ein schmales Gässchen das in die sogenannte Naglschmiedgasse führt und ein Zuflucht für liederliches Gesindel und zur Verrichtung der Notdurft ist.
Auch Pfarrer Henneberger und andere befürworten die Cassierung des Gässchens.
Anna Denk ist gegen den Antra
g" (AA VI15)
Am 1.4. 1853 verkauft Johann Liebl (Hausnummer 38 - Lebzelter) seine Melbergerechtigkeit an Anna Denk um 300 Fl.

Denk Joseph und Hofbauer Franziska


 
StA Landshut Grundsteuerkataster 5041 Umschreibeheft
Mit gut 60 Jahren stirbt der Häusler Joseph Denk am 4.3.1852  und am 23.1.1857 übergibt die Witwe Anna Denk das Haus an den Sohn Joseph um 500 fl.

Sie übergibt das Haus einschließlich der kurz vorher erworbenen Melbergerechtigkeit
Unterschrift Jos. Denk
15 Gulden bezahlt Josef Denk, der Sohn, für das Kötztinger Bürgerrecht noch im selben Jahr.
Am 18.2.1857, also nur wenige Wochen nach dem Besitzwechsel, heiratet er die Fessmannsdorfer Müllerstochter Franziska Hofbauer wobei noch am selben Tag im Kötztinger Sitzungsprotokoll die dazugehörige Heiratserlaubnis und die Melbereikonzession protokolliert wird.
.Im Jahre 1865 ist Joseph Denk unter den Hausbesitzern, die vom Magistrat aufgefordert werden, ihre Versitzgruben richtig zu verschlie0en und sicherzustellen, dass kein Odel auf die STra0e fließen würde.

Gut 1 Woche vor dem Pfingstfest 1867 kam es im Markt Kötzting zu einem verheerenden Marktbrand, der zwar -ähnlich wie der von 1717 - die linke aufwärtsführende Seite der Marktstraße vollkommen einäscherte, aber natürlich auch auf den gegenüber liegenden Häusern Schäden verursachte, wenn auch in einem viel kleineren Maße.
Auch Joseph Denk lässt sich in der Liste der Geschädigten finden.

StA Landshut Rep 164/8 Nr. 1570 Der Brand in Kötzting 1867
"Denk Josef, Musiker
Das Wohngebäude litt an der Legschindelbedachung Schaden -vide tabellarische Berechnung

Im Jahre 1868 steht Josef Denk als Musikmeister in den Akten und er und seine Mannen erhalten 7 fl 30 Kreuzer unter dem Titel: "Musiker bei der Parade am Pfingstmontag".
Als es im Jahre 1875 - im Nachgang zu den großen Abänderungen von Seiten der katholischen Kirche im Zusammenhang mit dem Pfingstritt - zu einer großen Spaltung innerhalb des Magistrats gekommen war und sich ein Teil der gewählten Vertreter gegen die Teilnahme der - katholischen - Geistlichkeit am Ritt ausgesprochen hatte, stellte sich Josef Denk als Gemeindebevollmächtigter dagegen. Er wolle "keinen Ritt ohne die Geistlichkeit".
Drei Kinder bekam das Musikerpaar, von denen eines bereits im Säuglingsalter verstarb.
Josef Denk, der Sohn, starb ebenfalls mit ca. 60 Jahren, der Vater an Nervenfieber, der Sohn an der Lungensucht. Anders als beim Vater hat sich für den Sohn beim Staatsarchiv in Landshut ein Nachlassakt erhalten.

StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 21 Nr. 39 Denk Josef Musiker von 1878
"Denk Josef - 59 Jahre alt - Musiker - verheiratet - 1878 16 Mai abends 1/2 7 Uhr
Kötzting HsNro 103"

Seine Hinterbliebenen waren die Witwe Franziska Denk und die beiden minderjährigen Kinder  Anna Denk, ledig, geb. 15. Sept. 1858 und Johann Denk, geb 9. Nov. 1859, zZt Studierender in Eichstädt.


Als Vormund wird der kgl Forstmeister Herr Michl Denk in Zwiesel in Vorschlag gebracht.



 

 Einschub


Bereits in der obigen Vorstellung des Pfingstbräutigams von 1850, Josef Denk, ist die Rede von seinem Onkel, dem Priester und Universitätsprofessor Johann Baptist Denk in Eichstädt.
Eine Internetrecherche zu dieser Person brachte folgende Hinweise:

Detail aus dem Statistischen Jahrbuch für Mittelfranken: S. 321

Bibliothek des Historischen Vereins Eichstätt
2.53 Dem Historischen Verein wurden neben Einzelgeschenken mehrere Teilnachlässe vermacht. So hinterließ 1891 Gymnasialprofessor Johann Baptist Denk (1829-1891) einen Teil seiner Bibliothek, darunter Ortsgeschichten des 19. Jhs, dem Verein. 

Und auch über den gewünschten Vormund, Michl Denk, gibt es einen Internetfund. Im Münchener Hauptstaatsarchiv befindet sich sein Personalakt.


Einschub Ende 


Am Ende des Protokolls dieses Nachlassverfahrens vor dem Amtsgericht in Kötzting  findet sich dann auch die Unterschrift der Witwe Franziska Denk.
Unterschrift Franziska Denk.
 Nach dem Tode ihres Mannes verkaufte Franziska Denk ihr Anwesen an Nachreiner Johann und Katharina.


Nachreiner Johann und Katharina Schwarz


Am 13.1.1875 hatte der Kötztinger Taglöhner und Witwer Johann Nachreiner die Kötztinger Häuslerstochter Katharina Schwarz geheiratet, die nun zusammen die neuen Besitzer geworden waren.
Nur wenig wissen wir von den beiden. Wichtig ist vielleicht, dass Katharina Schwarz ein uneheliches Kind mit in die Ehe brachte,, Anton Schwarz. Dieser sollte später der neue Hausherr werden.
Im Jahre 1887 reichte Johann Nachreiner einen Bauplan für einen großen Umbau des ja wohl noch im Obergeschoss gezimmerten Hauses ein. 
Staatsarchiv Landshut\Rep 162-8 Baupläne\Rep 162-8  Sch. 21 Nr.  3173 Nachreiner Johann

Hier deutlich zu erkennen die durchgehende Gasse zwischen den beiden Häusern

Der Grundriss im Erdgeschoss

Der erste Stock  


Am 31.8.1890 verstarb der Fragner (=Kaufmann) Johann Nachreiner.

StA Landshut Rep 166N-12 Schachtel 33 Nr.  73 von 1890 Nachreiner Johann Fragner
"Johann Nachreiner - 51 Jahre - Fragner - verheiratet - 31. August 1890 vormittags 2 Uhr Kötzting
Hsnr 103
Wurde beim. Notar dahier ein Testament errichtet
Vermögen: Außer seiner Kleidung und Wäsche nichts, nachdem das Haus der Ehefrau gehört.
Erbin: Katharina Nachreiner, Fragnersehefrau hier."
AM 26. August, 5 Tage vor seinem Ableben kam der Kötztinger Notar Wimmer in das Haus mit der Nummer 103 und hat "daselbst in einem über der Stiege befindlichen Zimmer den Fragner Johann Nachreiner in Kötzting wohnhaft angetroffen."
Er ließ protokollieren, dass er als Erben seines gesamten Rücklasses seine Ehefrau und deren beide außereheliche Kinder Franz und Anton Schwarz einsetze.
Dieses Testament unterschrieb Johann Nachreiner nur mit einem Kreuzchen.

Katharina Nachreiner


Drei Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes schritt die Witwe zu einer Erweiterung ihres "Ensembles".
An der Rückseite des benachbarten Anwesens Schötz besaß die Familie Nachreiner ein kleines Grundstück, das nun in eine Düngerstätte umgebaut werden sollte.



StA Landshut Grundsteuerkataster 5047

Hier ist die Reihung der Hausbesitzer nach Joseph Denk schon zu sehen:
Denk Joseph
Denk Franziska
Nachreiner Katharina
Schwarz Anton und Franziska

Im Stadtarchiv Kötzting gibt es einen Bestand der Heimatberechtigten Bürger Kötztings, der um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert angelegt wurde und darin findet sich auch ein kleiner Akt/Formblatt für Katharina Nachreiner.
StA Kötzting 024 Familienstandbögen

Ihr beiden Söhne, Franz und Anton, sind hier als "verheiratet" aufgeführt.


Schwarz Anton und Franziska Mühlbauer 


Am 8.10.1902 hatte Anton Schwarz, bereits als Fragner bezeichnet, die Rimbacher Bauerstochter Franziska Mühlbauer geheiratet. Sieben Kinder bekam das Paar, von denen die ersten fünf alle schon im Kindesalter verstarben. Erst die letzten beiden, Anton Johann - 1913 - und  Josef - 1917.
Schon im Jahre 1903 begann Anton Schwarz mit der Aufstockung seines Geschäftshauses.
StA Landshut Rep 162-8 Baupläne\Rep 162-8  Sch. 23 Nr. 3373 Schwarz Anton Erhöhung 1903

DIA-Repro 920 Aufnahme um 1910 die neue Hausfront nach der Aufstockung des Hauses 





Auch von Anton Schwarz findet sich ein Formblatt aus dem Bestand der Familienstandsbögen im Stadtarchiv:
StA Kötzting 024 Familienstandbögen

StA Kötzting 024 Familienstandsbögen: Familienstandsbogen der Familie Schwarz, der nach der Erstanlage offensichtlich nur unvollständig weitergeführt wurde, da die am 8.4.1910 geborene Tochter - später verheiratete Wensauer - gar nicht aufgeführt ist.



 Ein Kuriosum liegt seinem Akte der Familienstandsbögen bei. Anton Schwarz wurde  - seiner Meinung nach - ungerechtfertigt zu Zahlungen herangezogen und argumentiert in seiner Empörung gegenüber dem Magistrat - neben seinen sachlichen Erklärungsversuchen - fast ausschließlich mit dem 7. der 10 Geboten: "Du sollst nicht stehlen". Zur Sicherheit, damit der Magistrat auch ganz genau weiß, wovon er spricht, fügt er einen Abdruck dieses Gebotes sogar seinem amtlichen Schreiben bei. 
Es geht um Arbeiten an der Wasserleitung und offensichtlich hält der Markt da bereits bezahlte Anschlussbeiträge der Anlieger zurück, die Anton Schwarz zustünden, da er diese Leitung ja vorfinanziert hat.



Der Betrag ist also vor Gott vor Recht und Gewissen mein Eigentum. Die erste im Katechismus beim 7. Gebot heißt :
/: Es verbietet den Nächsten am Eigentum zu schaden durch Raub oder Diebstahl, durch Betrug, Wucher oder auf eine andere ungerechte Weise:/
Als ich vor kurzer Zeit mir das Geld auf der Magistratskanzlei holen wollte, wurde mir mitgeteilt, daß von der Summe die Gemeindeumlage abgezogen werden für meinen Bruder, nachdem müßte also ich für ihn die Gemeindeumlage zahlen...
."

Am Ende schreibt er dann:



" Wenn mir ein Betrag abgezogen würde, was sollen sich die Leute denken, wenn man den Vorfall irgendwo erzählt, welche Meinung würden sie da vom Magistrat bekommen? Da möchte man es ja fürchten, Einwohner des Marktes Kötzting zu sein, und könnte man solche Menschen lieben und ehren,. Ja wenn man nicht als Christ solche Feinde lieben müsste, ich müsste dieselben dann verachten.
An der Entscheidung dieses Vorfalles prüfe ich die Ehrlichkeit des Magistrats.
Sollten einige Mitglieder gegen meinen Antrag stimmen, so bitte ich mir dieselben mitzuteilen, damit ich es in Zukunft kennen lerne.
In der Erwartung daß diese Angelegenheit nach bestem gewissen erledigt wird zeichnet

Achtungsvoll

Anton Schwarz 
Anbei 1 Beilage das 7. Gebot."

Die ganze Angelegenheit stellte sich jedoch nicht zu einfach dar, wie es Anton Schwarz in seiner Empörung schrieb und so stellte der Magistrat in seiner Sitzung vom 19.6.1902 ziemlich eindeutig die Faktenlage dar. Im Nachgang zu diesem Beschluss wollten sich die Magistratsräte jedoch - trotz der rechtlich eindeutigen Klärung des Sachverhalts - sich den Brandbrief des Anton Schwarz nicht gefallen lassen und so kam es am 10.7.1902 zu einer zusätzlichen Entschließung im Falle Schwarz:

 


 Mag. Beschl. v. 10.VII 1902
Anton Schwarz, Fragner dahier, hat, weil von der an ihn cessierten Forderung seines Bruders die Umlagerückstände desselben abgezogen werden sollen, einen Brief beleidigenden Inhalts an den Magistrat gerichtet. H. Schwarz ist aufzufordern, die in diesem Brief enthaltenen Beleidigungen binnen 3 Tagen zurückzunehmen, andernfalls ist gegen denselben Strafanzeige bei der k. Staatsanwaltschaft in Straubing wegen Berufsbeleidigung zu erstatten.

 An Herrn Anton Schwarz, Fragner hier.

Kehrseits erhalten die Abschrift des Magistratsbeschlusses vom 19. vorigen und 11. ds Monats zur Kenntnisnahme mit dem beiügen zugeschlossen, wobei wir es Ihnen anheimstellen, die in Ihrem Briefe vom 6. Juli enthaltenen Beleidigungen binnen 3 Tagen zurückzunehmen. Andernfalls wären wir gezwungen, dem Beschluß Wir fügen bei, daß sie den von Ihrem Bruder an Sie cedierten Betrag nach ABzug der fraglichen Rückstände jederzeit erheben können.
Kötzting, 15. Juli 1902
Magistrat

Drunkenpolz

Noch am selben Tag erschien Herr Schwarz im Rathaus und gab zu Protokoll;
"Ich nehme die in meinem letzten an den Magistrat gerichteten Brief enthaltenen Beleidigungen zurück, wobei ich bemerke, daß ich den Brief nur in der Aufregung und ungern geschrieben habe. 

Dieses Protokoll unterschrieb dann am Ende Anton Schwarz und Bürgermeister Drunkenpolz legte das Schreiben später dem Magistrat zur Sitzung vor.

 







Der zweite von links im Hintergrund ist mit Schwarz Anton beschriftet. Detail aus einem Riesenpanoramabild des Kötztinger Turnvereins mit aufgeklebten Personengruppen.

Auf einem Bilder einer Kötztinger Tätergruppe ist ebenfalls ein Anton Schwarz gekennzeichnet. hier ist es der fünfte von links im Hintergrund und die Person gleich durchaus auch dem Herrn im vorigen Bild.
531 Theatergruppe ca. 1911 Stadtarchiv/Huber obere Reihe v. li ?,?,?,Schötz Anna (Pfingstbraut 1907)Schwarz Anton (Parzinger), Frau Kammermeier geb. Oexler,?, Hedwig Huber,?,
vordere Reihe v. li. ?,?,Benefiziat Loibl, Rimbach gest. 1932,Philipp Krämer, Mathilde Huber.


DIA-Repro 637 rechts das Haus Schwarz - Parzinger.

DIA-Repro 1019 die Herrenstraße

 Im Jahre 1997 führte Frau Christa Rabl-Dachs ein längeres Interview mit Frau Maria Wensauer, einer geborenen Schwarz, in dem uns nun eine unglaubliche Fülle an Details aus ihrer Kindheit und aus ihrer Familie übermittelt werden.
Wie bei vielen anderen "Gedächtnisprotokollen" kann einem sein Gedächtnis schon mal einen Streich spielen, weshalb diese Erzählungen aus der eigenen Kindheit auch immer mit Vorsicht zu überprüfen sind.
In ihrer Kindheit musste sie - sie hatte "beim Häfner" gelernt zumeist zuhause aushelfen; vor allem nachdem die Mutter verstorben war. Nun führte der Vater und die Schwester das Geschäft weiter, bis diese dann Josef Dullinger geheiratet hatte und Maria in der Folge Kötzting verlassen konnte.

Durch das Gespräch über die eigene Familie und den Hausnamen "Parzinger" kam dann das Interview in Gang:

Meine Eltern hießen mit Familiennamen Schwarz - gesagt hat man aber Boazinger (Anm.: Parzinger). Wenn wir gesagt haben: "Wir gehören dem Schwarz", hat's kein Mensch gewußt. Genauso, wie beim Dengscherz-Schuster droben. Die wenn gesagt haben: "Wir gehören dem Bergbauer", hat das auch niemand gewußt. Wenn man aber gesagt hat: "Dem Dengscherz, oder dem Boazinger - soso, ja!" In unserer Jugend hat's größtenteils nur Hausnamen gegeben. Der Name Boazinger stammte von meiner Großmutter und zu ihr hat man nur Boazinger Katherl g'sagt, obwohl sie sich Schwarz geschrieben hat. Das Geschäft gehörte schon vorher ihr und sie hat dann einen gewissen Nachreiner geheiratet. Mein Vater und sein Bruder - der Boazinger Franz - das waren ledige Kinder und sie haben sich Schwarz geschrieben".

.......

Wie ist es denn bei Euch daheim im Geschäft zugegangen? Sie sagten  vorher, daß das Geschäft nicht so groß war?

"Mei, wie soll ich denn sagen, mir hab'n awe z'toa g'habt a wengerl. Wir hatten sehr viel Bauernkundschaft. Damals hat's das Petroleum und den Essig noch offen geben und das haben wir alles im Hof hinten, oder im Hausgang g'habt. Zuckerhüte hat's auch geben damals und die haben wir über zwei Treppen bis auf den Speicher hinaufschleppen müssen. Zwölfeinhalb Kilo hat da einer gewogen. Der Zucker ist dann zerhaut worden und mein Vater hat dazu ungefähr das Maß schon gehabt. Er hat mit einem extrigen Holzschlegel und einem großen Messer, den Zucker auf Pfunda herg'haut. Dabei hat's natürlich viel Abfall gegeben und wir haben nur vom Abfall (Zuckerabfall) g'lebt. Damals ist das Geschäft fast Tag und Nacht offen gewesen, weil in der Früh um sieben Uhr ist aufgesperrt und auf d'Nacht um sieben Uhr ist zugesperrt worden und am Sonntag ist Hauptbetrieb g'wesen. Sonntags nach der Kirche und Samstags, wenn Fastenzeit g'wen ist, weil da sind die Leute - die Bauersleut - massenweise, prozessionenweis' nach Weißenregen in die Kirche hinaufgegangen. Um zehn Uhr ungefähr sind's zurückgekommen, dann is G'schäft o'ganga. Der Brauch hat sich aber ganz aufg'hört; damals war das aber so, daß man in der Fastenzeit, am Samstag in der Früh, nach Weißenregen gegangen ist - aber nur die Bauern!  Das Einzugsgebiet ist damals groß gewesen, aus dem unsere Kundschaft kam, weil damals - in ganz früherer Zeit - nirgens ein Ladl g'wen ist. Von Lederdorn, von Grafenwiesen, von Rimbach von Hofen (Hofern) - da haben wir sehr viel Kundschaft g'habt - kamen sie, nur Landkundschaft". 

 Und geführt habt ihr nur Lebensmittel?

"Kolonialwaren hat das früher geheißen und ganz früher, haben wir sogar - an Weihnachten - Christbaumschmuck aus Sonneberg geführt. Da haben wir extra eine Stellage g'habt und zu mir haben's immer g'sagt: "Di komma net hilossen, weilst du mehra z'ammhaust, als wost verkafftst!" Ich war die jüngere von uns beiden Schwestern".

 Von woher habt Ihr die Ware bekommen?

"Da sind von allen Firmen Vertreter gekommen, und was das hauptsächliche war, das bekamen wir aus Cham von einem Juden - Klein und Co. - hat das Geschäft geheißen. Vorher hat mein Vater das immer aus Cham geholt und wie das dann im Laufe der Zeit besser geworden ist, da hat man schon bessere Transportmöglichkeiten gehabt, ist alle acht Tage der Klein gekommen und hat aufgeschrieben, was man braucht hat und dann ist es geliefert worden. Der Klein hat dann das alles geliefert, weil nach der Währung - der 1.Währung 1948 - da war ja alles weg, da hat man ja überhaupt nichts mehr g'habt".

 Haben denn Ihre Eltern eine Landwirtschaft auch gehabt?

"In dem Haus  war früher, bevor meine Großmutter das gekauft hat, eine Landwirtschaft dabei.  Da war hinten ein Stall mit einer Kuh - ham's g'sagt - mit dabei und von daher stammt das Grundstück - aber nur das eine Grundstück.

  



Der Hausname "Parzinger"

Wie oben bereits von Frau Wensauer zitiert war der Hausname Parzinger schon mindesten drei Generationen auf dem Haus Nachweisbar.
"Meine Eltern hießen mit Familiennamen Schwarz - gesagt hat man aber Boazinger (Anm.: Parzinger). Wenn wir gesagt haben: "Wir gehören dem Schwarz", hat's kein Mensch gewusst"  
UND
"Der Name Boazinger stammte von meiner Großmutter und zu ihr hat man nur Boazinger Katherl g'sagt, obwohl sie sich Schwarz geschrieben hat. Das Geschäft gehörte schon vorher ihr und sie hat dann einen gewissen Nachreiner geheiratet. Mein Vater und sein Bruder - der Boazinger Franz - das waren ledige Kinder und sie haben sich Schwarz geschrieben"..) 
Frau Wensauers Großmutter, von der sie hier spricht, war  - siehe weiter oben - die Vor-Vorbesitzerin, die Frau Katharina Nachreiner, eben einer geborenen Schwarz gewesen.
Schaut man in den Kirchenbüchern nach, so findet man nicht nur die Geburten ihrer beiden ledigen Kinder, Franz und Anton sondern auch ihren eigenen Heiratseintrag.
Als sie am 13.1.1875 den Taglöhner und Witwer Johann Nachreiner geheiratet hat, sind ihre Eltern mit Schwarz Georg und Katharina Parzinger angegeben und diese Katharina Parzinger stammte tatsächlich aus der alten Kötztinger Familie Parzinger ab, die ein ganz besonderes Gewerbe in Kötzting betrieb.

Detail aus dem Uraufnahmeplan Kötzting aus dem Vermessungsamt Cham von 1831
In dem Haus, hier mit den beiden Nummer 106 und 107 - das Hus mit der Nummer 106 wurde vom "Haupthaus 107 abgespalten  und war vorher eine Einheit - wohnte und arbeitete über mehrere Generationen hinweg die Familie Parzinger, die Kötztinger Saliter.
Die Saliter - ein vom Herrscherhaus geschützter Beruf - versuchten von den Mauerwänden an den Häusern und vor allem Viehställen im Fußbodenbereich die Ausblühungen von den Wänden abzukratzen und daraus in einem Siedeverfahren das von München so sehr benötigte Salpeter zu gewinnen, eines der drei Zutaten für das Schwarzpulver.
Saliter durften ihrem Gewerbe auch ohne Zustimmung der Hausbesitzer nachgehen und warn aus diesem Grunde nicht gerade gerne gesehen, um es vorsichtig auszudrücken, weil die "Hauptfundorte" gerne UNTER dem Fußbodenniveau lagen.

 Wikipedia sagt über die bayerischen Saliter folgendes:

 Salpetergewinnung

Der Mauersalpeter wurde aus dem Erdboden und von den Mauern von Ställen und Wohnhäusern gewonnen, weil er sich dort aus dem im Boden vorhandenen Kalk und den stickstoffhaltigen Exkrementen und Urin der Tiere und Menschen bildete. Als Gayerde wurde die Erde aus den Wohnungen der ärmern Klassen in Ungarn bezeichnet, aus der dann Gaysalpeter gewonnen wurde.

 Häufig wurde der Mauersalpeter auch durch Abschaben an Lehmwänden von Gruben gewonnen, welche der Verrieselung von Urin dienten  

Die Knappheit der Ressource Stickstoff in der vor-fossilen Wirtschaft bedingte, dass Salpetersieder ein nicht sesshafter Beruf war. Der Salpeterer musste durchs Land von Dorf zu Dorf ziehen und mit Vollmacht der Landesherren die Anwesen der Bauern durchwühlen. Er durfte die Böden von Stuben und Kammern aufreißen, Mauerstücke herausbrechen, Balken absägen und die salpeterhaltigen Teile mitnehmen. In seiner Hütte verkochte er die salzhaltige Erde in einer Sudpfanne mit Pottasche und schied den Kalisalpeter ab. Dieser wurde in Säcke gefüllt, beim Pfleger abgeliefert und ging von dort in Sammelposten in die Residenzstadt.

Im Heimatmuseum in Görwihl ist eine alte Salpetersiederei nachgebildet.

Salpeterer als Plage

 Wegen ihrer Vorgehensweise wurden Salpetersieder als Plage angesehen. Ihrerseits jedoch waren sie vertraglich zur Ablieferung einer gewissen Mindestmenge von Salpeter an den Landesherren verpflichtet. Es gab für die Betroffenen keine Möglichkeit, sich vor dem Saliterer zu schützen, es sei denn, man hielt ihn sich durch Geldzuwendungen vom Leibe. Unzählige Beschwerden über das rücksichtslose Vorgehen der Saliterer führten im Kurfürstentum Bayern lediglich 1798 zu einer Verfügung, welche den Adeligen und Pfarrern Erleichterung verschaffte.

  


So wurde also der Familienname Parzinger der bekannten Kötztinger Saliterfamilie dann als Hausname auch auf die Nachkommen des Georg Schwarz übertragen, der eine Tochter der Parzingers geheiratet hatte.
Mit der Einheirat des Josef Dullingers änderte sich jedoch diese Tradition, denn zu meiner Kindheit sprach man bereits nur noch vom "Dullinger", wenn man dieses Haus meinte. 

Dullinger Joseph und Schwarz Josefa


Am 24.11.1936 hatten die beiden geheiratet und führten ab dem Zeitpunkt gemeinsam das Lebensmittelgeschäft in der Herrenstraße.
Josef Dullinger wurde 1902 in St. Oswald, Kreis Grafenau geboren, als Sohn der Gendarmeriebeamtenseheleute Josef und Maria Dullinger.. Nach dem frühen Tode seines Vaters - 1914 - kam er mit seiner Mutter nach Kötzting, die sich hier in zweiter Ehe mit dem Buchdruckereibesitzer Vitus Oexler verheiratete. 

Einschub
Von Josef Dullinger haben sich viele Bilder erhalten aus der Zeit vor seiner Verheiratung.

DIA-Repro 3059 Fußalljugend  1930 Jugend, stehend von links Menacher Alois mit Aktenmappe, Pleier ,?, Pleier Franz, kniend Englmeier, Plötz,
liegend von links Gerstl Xide, Gerstl, Josef Dullinger

DIA-Repro 3345 im Kotztinger FReibad: links Josef Dullinger und Wensauer Gottfried. Rechts am Treppenabgang der damalige Kötztinger Bürgermeister Hans Kroher.


Josef Dullinger als Brautführer  

  Pfingsten 1931 -  für den Pfingstbräutigam Karl Waldmann an der Seite von Adolf Hollmaier.




Foto Krämerarchiv.

 
DIA-Repro 743 Agolf Hollmaier - 


 






Dann folgte die große Hochzeit im Jahre 1936.

DIA-Repro 1791 Hochzeit Dullinger Josef mit Ehefrau Josepha und Wilhelm Oexler

DIA-Repro 1792 Hochzeit Josef Dullinger  und Josefa, mit Auto vor Pfarrhof


DIA-Repro 1849: Hochzeit Dullinger  Familienfoto im Hof der Brauerei Post.
v.l.Wensauer Gottfried und Frau Maria, dahinter Frau Zeuner, Oexler Monika, Oexler Maria (1oo) Pfarrer Rosenheimer, Kollmer Maria, Oexler Vitus, Brandl Heinerl Hohenwarth, Brautpaar Josef und Josefa Dullinger, Oexler Marerl (Kellner),  Pfarrer Pongratz, Weber Josef (Opel), ?, Herr Mauerer Kummersdorf, Oexler Wilhelm, Oexler Vitus.

DIA-Repro 1850 Hochzeit Dullinger, Kinder im Hof der Brauerei Post, v.l.
 Oexler Liesl, die Geschwister Erna, Anni, Olga, Paula, Karl Oexler

Dann kam der zweite Weltkrieg und Josef Dullinger war von 1939 bis 1945 bei einer Luftwaffeneinheit im Einsatz und anschließend bis zum Jahre 1948 in französischer Kriegsgefangenschaft.
Zurückgekehrt ging es zunächst wieder darum, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und so kam es in den 50er Jahren zu einem großen Umbau.

KreA 439 Umbau Dullinger



KreA Nr. 441 Schaufenster Dullinger

KreA Nr. 441 Josef Dullinger 

DI)A-Repro 3369 nach dem Umbau 

Und so entwickelte Josef Dullinger systematisch sein Lebensmittelgeschäft weiter und führte eine Neuerung nach der anderen ein, wie etwa die Selbstbedienung und eine Kühltheke.
KÖZ vom Mai 1960



DIA-Repro 1466 Josef und Josefa Dullinger
Josef Dullinger mit der ersten Kühltheke Kötztings

Von 1949 bis 1964 war Josef Dullinger bereits Teil der Kirchenverwaltung, von 1952 bis 1956 Mitglied im Kreistag und seit dem Jahre 1952 Mitglied im Kötztinger - zunächst Marktgemeinde - Stadtrat.
Als solcher war er im Jahre 1966 der große Gewinner im Kommunalwahlskandal der Stadt Kötzting.

Die verflixte  - oder getürkte - Kommunalwahl von 1966

 Im Frühjahr des Jahres 1966 steht eine Kommunalwahl an, die sich bereits im Vorfeld zu einem heftigen Wahlkampf steigerte, einen mehr als nur knappen Wahlausgang lieferte, von Amts wegen wegen eindeutiger Unregelmäßigkeiten aufgehoben und im Herbst nachgeholt werden musste. 
Der Spiegel, die Zeit und andere Zeitungen waren auf diese Zustände im Bayerischen Wald aufmerksam geworden und kommentierten diese "Wild-Wast-Methoden" dementsprechend hämisch.

Die Ausgangssituation:  hier die beiden - vorerst einzigen -  Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters, da der Amtsinhaber, Hans Kroher - Kötztinger Bürgermeister in den Jahren 1936-1945 und erneut seit dem Jahre 1952 -, eigentlich nicht mehr kandidieren wollte.: 
Eduard Meimer, der Kandidat der CSU und als große Überraschung für die Kötztinger dann noch  
Franz Graßl, der Kandidat des NBMB, des Niederbayerischen Bauern- und Mittelstandbundes mit seinem -damaligen, er blieb es nicht lange -  Vorsitzenden, dem Voggendorfer Bürgermeister Ludwig Volkholz. Der NBMB erhielt zusätzlich noch Unterstützung durch die "Rechtler" Kötztings in Person des Sagmüllers Heinrich Höcherl. Die Kötztinger Marktlehner, als Rechtebesitzer des Waldes am Ludwigsberg, standen in einem Rechtsstreit mit der Stadt Kötzting um die Einkünfte aus eben diesem Wald, ein Verfahren, beim dem die Rechtler eindeutig bei Gericht unterlagen. Ursprünglich hatte die NBMB keinen Bürgermeisterkandidaten aufstellen wollen sondern nur eine Stadtratsliste. 
Franz Graßl wird mit der Aussage zitiert, dass es mit seiner Kandidatur nun die Möglichkeit einer demokratischen Wahl gäbe.
Die anderen Kötztinger Parteien und Listen hatten sich im Januar 1966 noch nicht zum Thema geäußert.

 

KU vom 11.1.1966
Im Februar kam es dann zu einer überraschenden Wendung. Bürgermeister Hans Kroher, bei der letzten Wahl noch gemeinsamer Kandidat von CSU und parteiloser Wählergemeinschaft, war umgeschwenkt und stellte sich zur erneuten Wiederwahl.
Parallel zum Wahlkampf um die Gemeindevertretungen, gab es ja auch noch den für den Kreistag und den Landrat, was die Umschau in ihrer Faschingsausgabe dazu veranlasste, eine eigene Karikatur  anfertigen zu lassen. 

Die politische Situation im Altlandkreis Kötzting zu Fasching 1966

Einschub
Beim  Voggendorfer Bürgermeister Ludwig Volkholz griff bei dieser Wahl das neue Gemeindewahlgesetz - später auch als Lex Volkholz bezeichnet - das verhinderte, dass er erneut für das Amt des Bürgermeisters - eigentlich für alle Ämter, Mitglied in Gremien wie Gemeinderat, Kreisrat oder Landtagsabgeordneter,  durfte er schon werden. - hatte kandidieren dürfen. Kurzerhand bewarb sich seine Frau Paula Volkholz für dieses Amt und wurde danach auch prompt als die neue Voggendorfer Bürgermeisterin gewählt.
Vier Jahre später wiederholte sich dies bei der Wahl für den Kötztinger Landrat
Einschub Ende

Die neu gegründete VUG, die Vereinigung unabhängiger Gemeindebürger, mit den Herren Oexler Franz, Albert Gilch und Konrad Krämer an der Spitze sprach sich für den Kandidaten Meimer aus.
Foto Kötztinger Zeitung
Foto Kötztinger Zeitung






















Und so folgte nun eine Wahlkampfveranstaltung der beiden Herausforderer nach der anderen, die auch intensiv von der Presse begleitet wurden; nur von Hans Kroher war zu dem Thema der Wahl in der Presse nicht viel - oder eher nichts -  zu lesen.
Beide Kötztinger Zeitungen veröffentlichten auch Karikaturen zu dieser Richtungswahl.

Kötztinger Zeitung im März 1966 - auch hier wird der Amtsinhaber eher als Auslaufmodell behandelt.
Zeichnung von Graßl Christ
Bei der Umschau ist es der Kötztinger Kunstmaler August Philipp Henneberger, der sich an die Arbeit macht, den Wahlkampf darzustellen.
Der Amtsinhaber

Der Herausforderer mit Ludwig Volkholz als Einpeitscher

Sepp Karg soll hier Meimer Edi über die Hürden helfen.

Am Monat den 14.3.1966 konnten die Kötztinger dann das knappe Ergebnis in der Zeitung lesen.

Hans Kroher muss sich einer Stichwahl im Kampf mit Eduard Meimer stellen. Graßl Franz war denkbar knapp - mit nur 1 Stimme Unterschied auf Platz drei verwiesen -  geschlagen worden.

Sehr schnell wurden Fragen nach der Rechtmäßigkeit dieser Wahl gestellt und am 21.3. stellte der Gemeindewahlausschuss nach einer Überprüfung fest, dass offensichtlich alles in Ordnung gewesen war.

Da aber gleichzeitig auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet  worden war, ging die Unsicherheit weiter, ruderte der damalige 2. Bürgermeister Josef Barth zurück und ließ erklären:

Es musste also zunächst in der Stichwahl weiter gewählt werden und auch hier hatten die Künstler wieder Stoff für Karikaturen.
KU zur Stichwahl, noch war ja alles in Ordnung.

Nun aber kam es zur skurrilen Situation, dass Franz Graßl zwar beim Landratsamt eine Wahlanfechtung eingereicht hatte, sich sein großer Förderer im Hintergrund, Ludwig Volkholz, aber von dieser Anfechtung distanzierte  - noch bevor in dieser Angelegenheit überhaupt eine Entscheidung getroffen worden war - und offen bei der Stichwahl Hans Kroher unterstützte. Die Frage war nun, wen würde Ludwig Volkholz denn dann eigentlich unterstützen, wenn die Wahlanfechtung am Ende durchginge, Hans Kroher oder seinen eigentlich eigenen Kandidaten. Dieses Verwirrspiel war natürlich ein gefundenen Fressen für den Scheinwerfer von Frau Serwuschok.





Mit großem Vorsprung gewann der Amtsinhaber Hans Kroher gegen seinen Herausforderer und dass, obwohl sich 11 der 2 Wochen zuvor gewählten Kötztinger Stadträte in der Endphase des Wahlkampfes sich in einem Rundschreiben an alle Kötztinger Haushalte gegen Hans Kroher ausgesprochen hatten.

Eigentlich hätte jetzt alles gut sein können/müssen und der neue Magistrat anfangen zu arbeiten..... aber da war ja noch die Wahlanfechtung und die Gerüchte kochten hoch, wie es auch im Scheinwerfer dann zu lesen stand.



Bereits im April schwante den Beobachtern Böses:
Karikatur in der Umschau im April 1966






Und so platzte dann im Juli 1966, die Bombe, die Kommunalwahl vom März wurde für ungültig erklärt, weil 6 Personen zur Wahl ihre Stimmen abgegeben hatten, die zu dem Zeitpunkt in Kötzting - noch - gar nicht wahlberechtigt gewesen waren.

Die Umschau im Juli 1966
 s
Kötzting Zeitung vom 15.Juli 1966
 



Am Ende wurden dann nicht nur in Kötzting und Haus, sondern zusätzlich auch noch in Arndorf und Niederndorf die Kommunalwahlen aufgehoben.
Das Jahr war wirklich wie geschaffen für die politischen Karikaturisten.


Der Scheinwerfer im Juli 1966



Und da die Stadtratswahl und die Bürgermeisterwahl von unterschiedlichen Gremien zu unterschiedlichen Zeiten für unwirksam erklärt worden waren, wurden die Wiederholungswahlen nun auch zu unterschiedlichen Terminen durchgeführt. Um es noch ein wenig komplizierter zu machen: der unterlegene Kandidat der CSU, Eduard Meimer, hatte diesen Wiederholungsentscheid angefochten und gleichzeitig erklärt, dass er für den neuen Wahlgang nicht mehr zur Verfügung stehen würde.
Nun also die folgende Konstellation:
Die Wiederholung der Stadtratswahl wurde für den 25. September 1966  und die Wiederholung der Bürgermeisterwahl für den 20. November 1966, gleichzeitig der Tag der Landtagswahl, festgelegt.


Die Überschriften nach der erzwungenen wiederholten Stadtratswohl (Ohne Bürgermeisterwahl)


In den beginnenden Landtagswahlkampf hinein mischt sich in Kötztings Wahlmüdigkeit nun wieder die Frage der Bürgermeisterwahl und da war es zunächst die Frage, wen denn die CSU auf ihr Schild heben würde, nachdem Eduard Meimer ja seinen Rückzug angekündigt hatte.
Die Gerüchte, die schon vorher die Rund gemacht hatten, wurden bestätigt, Josef Dullinger hieß der neue Kandidat der CSU. Zum Zeitpunkt seiner Kandidatur war aber noch nicht klar, ob er neben Franz Graßl von der NBMB noch einen weiteren Gegenkandidaten bekommen würde, denn der Bürgermeister Hans Kroher verzichtete fast zeitgleich auf eine erneute Kandidatur. 
In einem unterzeichneten Schreiben wandte er sich an seine Kötztinger Mitbürger, um ihnen seinen Verzicht zu erläutern.
KU vom Oktober 1966
Franz Emberger von der SPD, der bei der Stadtratswahl eine enorme Anzahl an Stimmen erhalten hatte, war der mögliche Kandidat, der das Tableau hätte gewaltig durcheinanderwirbeln können, machte jedoch einen Rückzieher und verzichtete auf diese Möglichkeit.

Beim NBMB kam es zu dem Kuriosum, dass Ludwig Volkholz beim Miethaner zwar eine - schwach besuchte - Kandidaten-Aufstellungsversammlung abhielt, in der Franz Graßl wieder - mit 8 von 10 Stimmen -  zum Kandidaten erwählt wurde, gleichzeitig aber gab der Stadtrat Henrich Höcherl zu Protokoll, dass Ludwig Volkholz "infolge seiner Kandidatur für die Bayernpartei in den Wahlkreisen Roding, Burglengenfeld und Schwandorf [gar] nicht mehr Mitglied des NBMB mehr sei".









 
Umschau vom Montag, den 27.11.1966

Es folgte nun noch der Dank an die Wähler von beiden Kandidaten und so beendeten die Kötztinger den Wahlmarathon von 1966 mit einem neuen Bürgermeister, Josef Dullinger und einem fairen Verlierer Franz Graßl.

Hier nun einige Bilder aus seiner Amtszeit als Bürgermeister:

DIA-Repro 1194: Bierzelteinzug 1968 in der ersten Reihe v.l.  Baron von Aretin, Bürgermeister Dullinger, Festwirt Georg Graf. Dahinter im blauen Mantel Herr Knott, Lam (Biervertreter) mit Schirmherr Tutter, Leiter der VHS, sowie die Stadträte Klaus Heiduk, Franz Graßl und Josef Karg.



Im Durchgang der Kötztinger Kirchenburg zusammen mit dem Stadtpfarrer Josef Augustin und Franz Sonnleitner

Serwuschok U27112 im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf dem Kötztinger Schulberg zusammen mit dem Landrat Nemmer.

KUSW/Ordner Personen hier mit Staatssekretär Kiesl.

 
Foto AKH Bgm Bullinger mit seinem späteren Amtsnachfolger Karl Seidl



Im Jahre 1972 erhielt er eine ausführliche Würdigung in den Kötztinger Zeitungen

Kötztinger Umschau vom 25.5.1972 

 
Foto AKH, Bgm Dullinger mit "Frau Post", Frau Katharina Schmidt






Der Kaufmann und Kötztings erster Bürgermeister Josef Dullinger verstarb überraschend im Jahre 1974; seine Frau Josepha im Jahre 1996.







Es war eine große Beerdigung auf dem neuen Friedhof Kötztings mit einer anschließenden Trauerfeier des Kötztinger Stadtrates.







Am Ende noch zwei Bilder der nächsten Generation im Hause Dullinger:
Fot Rabl-Dachs: Frau Josefa Dullinger, geborene Schwarz und Frau Inge Maimer, geborene Dullinger

DIA-Repro 1592 
Frau Inge Maimer, geborene Dullinger

Frau Inge Maimer ist kurz vor Fertigstellung dieser Häusergeschichte im August 2025 verstorben, nach einem langen und erfüllten Leben in Kötzting.

Der frühere Lebensmittelladen in der Herrenstraße wird aber bereits seit Jahrzehnten anderweitig ge/benutzt.
Zuerst war es der Uhrmacher Herr Dannenberg, der hier arbeitete und lebte ....


und nun ist es seit langer Zeit ein BIO-Laden "Mutter Erde Naturkost"

Hinweis für meine Mitleser:
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Wie geht`s: 
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