Translate

Samstag, 24. März 2018

Das "obere" Bad und der Badbrunnen

Das Kötztinger Bad und sein Badbrunnen
alte Hausnummer 100






Auf dem Ausschnitt des Lageplanes (Vermessungsamt Cham Ort_Koe_1831_K62 Uraufnahme Kötzting von 1831 ) sieht man das Haus mit der laufenden Nummer 100, zufällig ist die SW Aufnahme, die aus der REPRO Sammlung des Arbeitskreises Heimatforschung Kötzting stammt, aus derselben Perspektive aufgenommen. Auf dem Plan ist weiterhin ein Brunnen eingezeichnet, der auf dem Marktplatz liegt. Dieser Spital bzw. Badbrunnen war, anders als die vielen anderen Brunnen innerhalb des Marktes Kötztings ein Schöpfbrunnen, der aus Grundwasser gespeist wurde. Die anderen Brunnen in der Marktstraße hingen wie Perlen an einer Kette an einer hölzernen Wasserleitung, die von außen- aus den Wäldern rund um Gradis - in den Markt herein geführt wurde.
Kötzting hatte über all die Jahrhunderte zwei Badstuben. Noch im 16. Jahrhundert (1573) befand sich das "obere" Bad im Bereich des Marktplatzes, vermutlich neben der St. Veitskirche. Für diese Badstube findet sich aber dann im 17. Jahrhundert kein Nachweis mehr. Nachweislich ab 1672 findet sich aber, gelegen am Regen, eine zweite "Behausung mit Padtgerechtigkeit", auf die der schon in zweiter Generation tätige Wundarzt Romanus Schlögner im April 1700 eine Hypothek annimmt. 
Grundsätzlich ist aber zwischen den historischen "Badstuben" Kötztings, von denen es 2 gegeben hat und den späteren Badbehausungen bzw. Häusern mit Bad- bzw. Badersgerechtigkeit zu unterscheiden.
Die alten, mittelalterlichen Badstuben entsprechen am ehesten noch dem Bild, das wir heute uns von einem Bad machen, ein Ort, um in einer Wanne mit warmen Wasser sich zu säubern, bzw. säubern zu lassen und es sich - in Gemeinschaft oder alleine - im Wannenbad gut gehen zu lassen. Der Bader, der solch eine Badstube betrieb, zählte zu den unehrenhaften Berufen. Aus diesem Grunde ist auch die Aufregung über die Verlobung des Herzogssohns in Straubing mit der Baderstochter Agnes Bernauer zu verstehen: dieses war mehr als nur eine Heirat unter Stand, es wurde als Skandal angesehen.
Spätere Bader gehörten wie die Chirurgen und Wundärzte zum medizinischen Sektor und wurden vor Allem bei Krankheiten und Verwundungen benötigt und in Anspruch genommen.


Hier geht es um das Kötztinger Bad, in der Mitte des Marktes, das das Recht auf den Wasserbezug aus dem sogenannten Badbrunnen hatte - wobei es auch hier seit der Zeit nach dem 30 jährigen Krieg zu Ungenauigkeiten in der Bezeichnung führte, als das Haus wechselweise als "oberes" Bad, als Badsbehausung aber auch nur als Behausung mit Badersgerechtigkeit bezeichnet wurde. 
Es gibt ein grundsätzliches Problem mit der damals - also seit der Zeit nach dem 30 jährigen Krieg -  "oberes" Bad genannten Badbehausung, weil es Hinweise gibt, dass es am oberen Markt früher ein Bad gegeben hat. 
Aus dem Jahre 1650 kennen wir eine Beschreibung der Marktlehner, leider sind die späteren "Bäder" keine solchen und daher nicht aufgeführt, (Hauptstaatsarchiv München Landshuter Abgabe Kloster Rott B2) und dort ist bei dem zweiten beschriebenen Anwesen, es ist das Haus das direkt oberhalb der St. Veitskirche liegt, (alte Kötztinger Hausnummer 4) ein Bader erwähnt:
Khözting

Weillandt Georgen Rossmanns
Gewesten burger und Paders seel
hünderlassene Erben haben ain
behausung negst an St: Veits Capellen, darzue gehört ain Marktlehen mit nachvolgenten Grundt und Poden







Ob der Bader Georg Rossmann vor seinem Tode in diesem Hause seinem Gewerbe nachgegangen ist wissen wir nicht, jedenfalls würde die Lage des Hauses den Titel: "Oberes Bad" verdienen. Auch wenn die Wasserversorgung des Marktes sehr dürftig war, so lag doch das Haus am obersten von mehreren Marktbrunnen. Dies hier nur als Allgemeiner Hinweise


Hier zunächst der Schaufenstertext von Ludwig Baumann im Juni 1999, bei der monatlichen Vorstellung einzelner Kötztinger Anwesen, hier Hausnummer 100:


Das Kötztinger Wappenbild war ursprünglich kein Baum, sondern ein an den Stielen zusammengebundener Blätterbuschen, mit dem man sich im mittelalterlichen Bad dezent die Blöße bedeckte. Der Badebetrieb gründet in Kötzting auf uraltem Recht. Der Marktrechtsbrief vom 11. 11. 1344 bestätigt es: „Es ist auch der Markt Kötzting zugelassen mit zwei Badstuben.“

Ein öffentliches Badehaus mit einem eigenen Brunnen, dem in Erinnerung gebliebenen „Badbrunnen“, stand an der Ecke Gehring-/Marktstraße. Es war ein einstöckiges Holzhaus mit gut 30 Quadratmetern Grundfläche, mit einem Lehmboden, einem gemauerten Badeofen und mit einem Ziegeldach, als die Bürgerhäuser noch mit Schindeln gedeckt waren. Es war im Besitz der Pfarrkirche und wurde an den Bader verpachtet, der auf  diesem Haus saß. Soweit die schriftlichen Quellen zurückreichen, war die Badergerechtigkeit mit dem Besitz dieses Anwesens verbunden. Das Haus hatte auch ein Wasserrecht vom „Badbrunnen“. Eine Leitung führte in die Kellerräume. Dort steht heute noch ein Bottich aus Steingut. Die Herren Beamten des Bezirksamtes sollen ihn im letzten Jahrhundert benutzt haben, um im „gesunden Wasser“ zu baden. .

Frau Maria Kellner, geborene Oexler, bei dem historischen Bottich
 Wann der Badebetrieb im hölzernen Badhaus eingestellt wurde, ist nicht bekannt. Der Brunnen, ausgestattet mit einem Brunnkorb und einem Schöpfwerk, war noch 1874 „der meist benutzte Brunnen im Markt“. Bis dahin hatte die Kirchenstiftung die Baulast, und ebenfalls dahin zahlte der Bader die Pacht an die Kirchenkasse. Da dringende Reparaturen anstanden, verkaufte die Kirche den Badhausgrund und den Brunnen selbst an die Marktgemeinde.

Die Besitzer des Oexler-Kellnerhauses führten bis etwa 1700 die Berufsbezeichnung Bader und Badermeister, danach aber auch Wundarzt, Chirurg und Medicus. Die Kötztinger Bader hatten sich, wie die andernorts, vom Körper-, Haar- und Bartpfleger zum Heilkundigen weiterentwickelt, der auch kranke Zähne zog 



Wir kennen als ersten Besitzer im Jahre 1616 den Schuhmacher Georg Pölsterl , schon damals war der Badbrunnen und der Wasserbezug daraus fest mit seinem Anwesen verbunden. Georg Pölsterl schien offensichtlich mit seiner Frau einen sehr lautstarken Umgang gepflegt zu haben, das Pfleggericht – und nicht der Magistrat! – verurteilte Beide wegen gegenseitiger Beschimpfung am heiligen Osterabend zu 8 Tagen Gefängnis. Nach dem ersten Einfall der „Schweden“ im November 1633 war auch dieses Haus eine Brandstatt und damit musste die Kirche Kötzting die normalerweise erfolgenden Einnahmen aus dem Pachtzins des Badbrunnens auf „nihil“ (=Nichts) setzen: „Vermög des Salbuches ist das obere Pad alhier wegen des Padbrunnens verliehen 2fl 8 kr 4 he Gilt zureichen schuldig , seitemallen aber erwehntes Pad abgeprennt und nit mehr bewohnt“


Noch 1650 saß der Schuhmacher Georg Pölsterl, sicherlich bereits der Sohn wenn nicht der Enkel das anfänglichen Besitzers gleichen Namens, auf dem Anwesen, und, nachdem er das Bad nicht betrieb, musste die Pfarrkirche weiter auf die Einnahmen aus dem Badbrunnen verzichten. „vermög des Salpuechs trüfft die gilt vom Padtprunn 2 fl 8 kr 4 he weils aber das Padt nit mehr aufgericht worden sondern Georg Pölsterl Schuhmacher die Prandtstatt inhandten als würd die Gilt nit mehr geraicht , vielmehr in Abgang gebracht“

Auch 1671war Georg Pölsterl noch auf diesem Anwesen, wieder ist es ein Gerichtsverfahren, das uns weiterhilft, es beschreibt, dass der Bader Pyber Hans aus Eschlkam bereits 1667 in sein Haus gekommen wäre und ihn vollkommen betrunken beleidigt hätte und erneut, als er, Pölsterl, zum Gericht gegangen war, um um Frieden zu bitten, sei Pyber mit einem Degen auf seine Frau zugelaufen und hätte ihr einen Stich versetzt. Der Eschlkamer Bader musste dafür dann 2 Tage im Amtshaus in Kötzting einsitzen.

Handlung Max Oexler
1674 nun kommt endlich wieder ein Bader auf das Anwesen, Dupps Andre aus Altrandsberg heiratete Sabine Pölsterl, die Tochter des nun bereits verstorbenen Georg Pölsterls, erhält das Anwesen und hat damit auch das Recht sich das Kötztinger Bürgerrecht um 4 Gulden zu kaufen. Auch Dupps Andreas scheint das robuste Gemüt seines Schwiegervaters besessen zu haben, in den Folgejahren fällt er vor allem dadurch auf, dass er vor dem Magistrat mehrere Räte beleidigt und sich dadurch einiges an Gefängnis- und Geldstrafen einhandelt.

1689 haben wir einen neuen Besitzer auf dem Haus, Hindersteiner Ander, - mit der allgemeinen Herkunftsbezeichnung: aus Niederbayern - heiratete am 23.11.1689 die Witwe Sabina des verstorbenen Baders Andreas Dups. Der neue Bader wird kurz nach seiner Einheirat auch als Schützenmeister betitelt, erhält den „Schützenvortl“ und taucht in den Kötztinger Rechnungsbüchern bei den verschiedensten Waffenkäufen auf. So hat er 1703 für „ den Pareller ain Feuerrohr erhandelt“, 1705 hat er dem Markt eines seiner eigenen Gewehre um 5 Gulden 30 Kreutzer verkauft und 1707 erhält er ebenfalls von Magistrat für sein Zielrohr 56 Kreutzer. (Der "Parella" besaß damals die spätere Bäckerei Grassl in der Metzstraße)



Staatsarchiv Landshut Briefprotokolle Markt Kötzting von 1712
Kaufsbeschreibung per 620 fl (Gulden)
Staatsarchiv Landshut Rentkastenamt Straubing A 1000
Antrag auf Einlage und Verschleiß von Weissbier , Abgelehnt




1712 verkaufen die Erben Ander Hindersteiners die „Paadersgerechtigkeitsbehausung“ an den ledigen Bader Hans Augustin Fischer aus Osterhofen um 620 Gulden, Fischer Augustin erhielt auch noch im selben Jahr das Kötztinger Bürgerrecht. Auch er wird Bader und Schützenmeister genannt und erhält vom Magistrat in Kötzting für seine Mitschützen: „den vor die Schietzen so mit Zihlrohr uf die Scheiben schissen vom gemainen Markht alda passierlichen Schützenviertl vors Jahr 1719 et 1720 erhalten.“ 1732 versuchte er – in Verkennung der Kötztinger Marktfreiheiten - sich ein Braurecht auf sein Anwesen zu erstreiten, allerdings angesichts der eindeutigen Rechtslage in Kötzting vergeblich, da der Status seines Hauses als reines Haus dem entgegenstand, nur die Besitzer eines Marktlehens hatten- und dies dann allerdings ganz automatisch – das uneingeschränkte Brau- und Schankrecht. 1733 erscheint der Bader Augustin Fischer als Kammerer in Kötzting . Nachdem sein Versuch gescheitert war, sich das Braurecht zu verschaffen, unternimmt er einen zweiten Anlauf als Brauer, diesmal gings um die Branntweinherstellung. Er bewirbt sich um das sogenannte Gladtwasser, um ein Abfallwasser also, das bei der Bierherstellung anfällt und erhält dieses auch im Jahre 1734.

Ebenfalls einen Priester stellt diese Familie, für seinen Sohn und Studenten der Theologie Johann Bartholomaeus lässt der Kammerer Augustin Fischer 1738 einen Geburtsbrief ausstellen; für die Primizfeier spendierte der Magistrat dann ein Jahr später 9 Gulden 30 Kreuzer, das sind - bei aller Schwierigkeit die historische mit der heutigen Währung zu vergleichen zwischen 800 und 1200 Euros, eine nicht geringe Summe für eine verschuldete Magistratskasse.

Auch in der für Kötzting sehr schweren Zeit im Österreichischen Erbfolgekrieg war Augustin Fischer der Amts- und Vizekammerer . Wenn die Kötztinger Bürger, hier mit dem ausführenden Organ des Inneren und äußeren Rates, den Forderungen der Österreicher nicht schnell genug nachkamen oder nachkommen konnten, so wurden, man nannte dies Exekution, den Ratsherren Soldaten ins Haus zum Quartiermachen geschickt.......

1745 schreibt der Kammerer Fischer:,“ umb daß ich Rechnungsführer vor dem Fuggerschen Herrn Obristen, auch Wacht dann Stallungen ins Stockhaus und dem Profossen keine Körzen auf Verbittung des Rats habe geben dürffen sondern selbe solche Lichter von den Quartiersvattern in gelt genommen, alß bin ich durch 13 Mann die ganze Nacht hindurch exequiert worden.“ Der Magistrat hatte ihm also verboten einige Ausgaben – hier für Kerzen - von Magistratsseiten zu bezahlen sondern diese sollten von den Hausbesitzern selber getragen werden, worauf die Soldaten dem Kammerer ins Haus gesetzt wurden.

Staatsarchiv Landshut Briefprotokolle Markt Kötzting von 1749 Kauf per 718 fl

















1749 soll der ledige Badersgeselle Josef Fischer auf Wanderschaft gehen, das Anwesen wird auf ihn um 718 Gulden übertragen und anschließend die Badersgerechtigkeit auf 2 Jahre an den „kunstfertigen Feldscherer Georg Samson vom churfürstlich loblich Fuggerischen Dragonerregiment“ verstiftet, um die Wanderschaft überhaupt möglich zu machen. Nach seiner Wanderschaft heiratete 1752 der frischgebackene Chirurg Josef Fischer seine Braut Moret Regina, Tochter des Mesners Georg Moret, aus Regen. 1753 schlossen beide dann einen
Heiratsvertrag, in dem die Braut ihre 300 Gulden Heiratsgut mit seiner Badergerechtigkeitsbehausung widerlegt bekam. Auch Josef Fischer war bald Mitglied im Magistrat Kötztings und erhielt dort den Zuständigkeitsbereich als Sagverwalter für die Marktsäge. Zu diesem Zeitpunkt tauchen auch zum ersten Mal Beschwerden wegen seines Abfallwassers auf, da er offensichtlich dieses einfach aus seinem südöstlichen Hauseck heraus einfach auf die heutige Müllerstraße fließen lies. Im Umrittsprotokoll des Jahres 1758 heißt es ausdrücklich, dass er „durch Abfallwasser zur Winterszeit den Weg ruiniert“ hätte.

Pfleggericht Kötzting P 49 von 1769
 Baderrechnung von Benno Fischer für Thomas Irlbeck
Die Herrensäge, heutzutage der "Lindnerbräu", wenige Jahre zuvor auf Drängen des Kammerers Luckner errichtet, wurde von dem ab 1759 als „aufgestellten Marktsaagverwalter“ Fischer Josef kontrolliert. Er musste damit auch sicherstellen, dass für die "kommunalen" Bauten das notwendige Bauholz zugeschnitten wurde. 1769 wurde er dann Ziegelherr, war also zuständig für die Ziegelproduktion in Kötzting, - solange Samuel Luckner noch einen großen Bedarf an solchen Ziegeln hatte, war dieser selber der Kötztinger Ziegelherr, nun da dieser seine Hauptbauwerke durchgeführt hatte, konnte der ruhig das Amt abgeben.
1779, in Kötzting tobte bereits seit Jahren der Streit um die Reitensteiner Anteile, erhielt die Witwe Regina Fischer den Ankunftstitel über das Anwesen am 20.12.1779 und reichte dieses Haus noch am selben Tag an den bereits oben genannten Wundarzt Kalser Josef Anton, dem Schwiegervater Windorfer Georgs, weiter.

Am 4.2.1780 heiratete in Kötzting der Chirurg Johann Georg Windorfer, Sohn des Balthasar Windorfer, eines Häuslers und Tagelöhners aus Brennberg und seiner Ehefrau Katharina, einer geborenen Pitterer die Tochter Anna Margaretha des Kötztinger Arztes Anton Halser und seiner Frau Maria Anna, einer geborenen Fritsen aus Zwiesel. Die Trauzeugen waren der Handelsmann Johann Baptist Fabrici und der Kötztinger Bürger Wolfgang Obermayr. In diesem Heiratseintrag sind nun schon viele der handelnden Personen vereint, die am Anfang des Aufstiegs Johann Georgs und dann später Josef Windorfers eine Rolle spielten.
Johann Georg Windorfer heiratete also im Januar 1780 in Kötzting Anna Margaretha Halser, welche die selbst am 20.12.1779 gekaufte „Fischerische oder obere Badbehausung“ übergab.

Mitenthalten waren 2 Böthen mit Überzug und Zugehör, einen silbernen Löffel samt derlei Messers und Gabel nebst einigem Zün und anderen gewöhnlichen nöthigen Hausgerät. 150 Gulden waren mit Schuldverschreibung von der Pfarrkirche ausgeliehen und lagen als Hypothek auf dem Haus. Die Schwester des Verkäufers Maria Josepha erhielt das lebenslange Wohnrecht. Mit dem Hauskauf konnte Windorfer auch das Kötztinger Bürgerrecht um 15 Gulden erwerben, übernahm als Nachfolger des Badanwesens auch das Recht auf den sogenannten Badbrunnen und musste dafür eine Grundgilt an die Pfarrkirche Kötzting zahlen, welche selber wiederum den Brunnen zu unterhalten hatte. Beim Hauskauf vom 20.12.1779, also 2 Monate vor der eigentlichen Heirat, ist ausdrücklich erwähnt, dass der Käufer, der Medicus Josef Anton Kalser das Anwesen von der verwitweten Baderin Regina Fischer für seine Tochter und seinen Schwiegersohn Windorfer aus Brennberg um 1150 Gulden gekauft hatte. Auch bei diesem Kauf war bereits Johann Georg Fabrici als Zeuge vertreten. Allerdings war Johann Georg Windorfer mit diesem Hauskauf auch sofort Teil einer Prozesspartei geworden in einem Streit, der Kötzting sein vielen, vielen Jahren spaltete und in dem auf der Gegenseite ein Mann stand, der in Kötzting seit Jahrzehnten schaltete und waltete, wie er wollte, der Kammerer Wolfgang Samuel Luckner
Windorfer Johann Georg, und seine Frau Halser Margaretha, hatten zusammen vier Kinder und bei allen ihren Kindern waren die Taufpaten Herr oder Frau Millner. Umgekehrt war auch Georg Windorfer der Taufpate für die Kinder der Millnereheleute..


1) Maria Franziska, * 21.01.1781
Patin: Franziska Millnerin Gerichtsschreiberin

2) Franz Xaver, * 14.05.1785 + 17.06.1785
Pate: Franz Xaver Millner Gerichtsschreiber

3) Johann Nepomuk, * 14.05.1785 Zwilling mit Franz Xaver
Pate: Franz Xaver Millner Gerichtsschreiber

4) Joseph Anton, * 14.01.1787
Pate: Franz Xaver Millner Gerichtsschreiber


Die freundschaftlichen Bande der beiden Familien waren wohl überaus eng, denn Herr Johann Georg Windorfer, heiratete nach dem Tode seiner Frau – die Baderin Margaretha Windorfer verstarb am 8.2.1815 mit 71 Jahren an Altersschwäche – die mittlerer weile ebenfalls verwitwete Frau Franziska Millner. Franziska Windorfer, die überlebende Tochter, verheiratete sich gleich in der Nachbarschaft, im Haus mit der Plannummer 46 wohnte damals die Hutmacherfamilie Gulder und dessen Sohn Karl Gulder und sie wurden ein Paar.
Vom Verbleib des zweiten Zwillings, Johann Nepomuk, haben wir keine Nachricht. Windorfers zweite Ehefrau, Frau Franziska Windorfer, nun nicht mehr Frau Gerichtsschreiberin sondern Frau Chirurgin genannt, verstarb am 16.4.1825; mit 75 Jahren traf sie ein Schlaganfall. Ihr Mann der Chirurg Johann Georg Windorfer überlebte seine zweite Frau um 9 Jahre und starb hochbetagt im Alter von 89 Jahren an Altersschwäche am 22.04.1834 und hat damit den wirtschaftlichen Aufschwung seines Sohnes sicherlich miterleben dürfen, aber erst einmal zurück zu seinem eigenen Leben und Lebenswerk.


Wie oben angeführt stand Johann Georg Windorfer bereits mit seiner Heirat und dem Erwerb der „Fischerischen Badbehausung“ mit einem Bein im Lager der Reitensteiner Anteilseigner und war damit automatisch ein Gegner Samuel Luckners, trotzdem war Windorfer bei der Ausfertigung des Ehevertrages zwischen Samuel Luckner und seiner dritten Ehefrau, Frau Ursula Frankerl aus Roding, einer der Trauzeugen im Magistrat. Im Kötztinger politischen Alltag war er aber Teil der Prozessgemeinschaft gegen den mächtigen Kammerer. Die Witwe Fischer hatte vor dem Verkauf des Hauses ihren Anteil an den Hofmarksgründen Reitensteins separat zum Verkauf angeboten und der Markt Kötzting hatte – in Person des Kammerers Luckner – den Anteil unter dem Protest der anderen Anteilseigner aufgekauft, was sofort zu neuen Prozessen geführt hatte und auch den neuen Hausbesitzer betraf, der der Partei der Luckner-Gegner bzw. eben der Anteilseigner zuzurechnen war.
Im Laufe des Jahres 1790 trat Wolfgang Samuel Luckner freiwillig vom Amt des Kammerers zurück und als sein Nachfolger wurde noch im selben Jahr der Bader Georg Windorfer bestimmt. Die Lage in Kötzting war zu diesem Zeitpunkt immer noch gekennzeichnet durch einen tiefen Riss unter den Bürgern und geprägt von tiefsitzendem Misstrauen.
Diese Lagerbildung bestimmte ganz automatisch auch das Verhalten des Magistrats vor allem, da Samuel Luckner immer noch mächtig genug war, um auch ohne Amt und Würden seinen Einfluss dort geltend zu machen, wo es ihm wichtig erschien. Immerhin war er ja noch Marktlehner (er besaß bis zu seinem Tode noch den Gschwandhof, heutzutage die TCM Klinik) und war als Hopfenhändler ein wohlhabender Bürger Kötztings, der laufend seine Einkünfte erzielte. Trotz dieses starken Einflusses gewannen im Magistrat aber die „Anteilseigner“ langsam eine gewichtigere Position. Im Jahre 1791 und erneut 1792 war Georg Windorfer der Amtskammerer und erst 1793 kam mit dem Bäcker Dreger wieder ein Parteifreund Luckners zum Zuge. Windorfer musste aber der Tatsache ins Auge sehen, dass er zwar zumeist im Magistrat eine Mehrheit hinter sich hatte, nicht aber in der Bürgerschaft.
Der Markt Kötzting war damals wahrhaft innerlich zerrissen und auch der Tod Samuel Luckners 1794 brachte zuerst einmal noch keine Befriedigung. Erst Im Laufe der folgenden Jahre beruhigte sich dann doch langsam die Situation im Kötztinger Magistrat und so konnte in diesem endlich wieder zum Wohle Kötztings gearbeitet werden.


Es sind nur wenige Jahre, die dem Markt Kötzting an Ruhe gegönnt waren, denn mit der Revolution in Frankreich wurde auch die alte Ordnung in Bayern hinweggefegt und die große Verwaltungsreform aus München nahm dem Markt Kötzting die jahrhundertelange Selbstständigkeit und dem Magistrat viel von seinen angestammten Rechten. Unter Führung des bayerischen Ministers Graf Montgelas wurden die Gemeinden durch die Edikte von 1806 und von 1808 unter „staatliche Kuratel“ gestellt und die gemeindliche Selbstverwaltung beseitigt. Als Trauzeuge bei einer Hochzeit Mittermeier/Haas im Jahre 1806 nennt sich Georg Windorfer bereits „frei resignierter Marktkammerer“. Einen solchen gab es aber in Kötzting nicht mehr, denn herabgestuft durch die Regierung, hatte der Markt nur noch eine Verwaltung bestehend aus einem Bürgermeister, vier Ratsmitgliedern und 4 „Ausschüssern“. Schon zwei Jahre später war auch dies vorbei, Kötzting erhielt nur noch den Staus einer Ruralgemeinde mit nur einem Marktvorsteher und zwei ältesten Gemeindemitgliedern, wurde also herabgestuft und organisiert. Erst am 17. Mai 1818 ging es wieder aufwärts, als die Regierung des Unterdonaukreises in Straubing den Markt Kötzting in die „Gemeinden mit magistratischer Verfassung III. Klasse“ eingestuft hatte. Für Orte dieser Klasse waren nun zumindest ein Bürgermeister, fünf Magistratsräte und 18 Bevollmächtigte vorgesehen.
Die alten Marktrechte erhielt Kötzting zwar nicht mehr zurück aber jetzt konnte zumindest wieder von einer Art von Selbstverwaltung gesprochen werden. Der große Unterschied zur Stellung des Bürgermeisters im Vergleich zum Kammerer im 18. Jahrhundert lag vor allem im Verlust der Gerichtsherrschaft und der magistratischen Polizeiverwaltung. Auch die Handwerksangelegenheiten inklusive der Zunftsachen wurden jetzt ohne Ausnahme wie die beiden vorigen Aufgabengebiete vom Landgericht mit seinen staatlich geprüften verbeamteten Richtern ausgeübt. Der Brauch, dass der Kammerer jährlich wechselte, wurde jetzt aufgehoben. Das Machtgefüge des neuen Bürgermeisteramtes hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem des früheren Kammerers, so dass sich auch nicht mehr die wirtschaftlich erfolgreichsten Kötztinger Bürger automatisch für das Amt qualifizierten.


Jedoch zuerst noch der weitere Umgang Johann Georg Windorfers mit seinem Anwesen und der Badersgerechtigkeit unter den erneuerten Bedingungen im neuen Bayern.
In einem Prozess, den der Kötztinger Bader Johann Robl wegen seiner Badersgerechtigkeit führte, ist der ganze Ablauf akribisch aufgeführt. Am 1. Oktober 1817 hatte der Chirurg Georg Windorfer sein Anwesen mitsamt der Badersgerechtsame an den kgl. Advokaten Müller verkauft, mit der Maßgabe, dass der Badersgeselle Johann Robl Zeit seines Lebens dieses Badersrecht nutzen können solle. Nach dem Ableben des Baders Robl sollte diese Badersgerechtigkeit wieder an des Anwesen zurückfallen.


Allerdings folgte das Landgericht schon im Jahre 1817 nicht dem Wunsche des Verkäufers und legte – auch in der Revision und anschließend durch die höchste Instanz – fest, dass Advokat Müller das Badersrecht nicht akquirieren könne, denn schon 1811 sei festgelegt worden, dass kein Ehehaftbad an jemand Anderes als an einen Bader oder Chirurgen veräußert werden könnte. Damit konnte auch Advokat Müller die Badersgerechtsame, trotzdem er mittlerer weile Besitzer des Anwesens geworden war, nicht als ein reales Recht für sich behaupten. Das Landgericht hatte im Dekret von 1817 dem Johann Robl dann das Badersrecht in persönlicher Eigenschaft verliehen und dieser hatte dieses Recht seither für einen Pachtschilling von jährlich 10 Gulden ausgeübt und dies auch dann noch als Georg Windorfer 1834 gestorben war. Erst 1841 versuchte der Universalerbe Josef Windorfer das Badersrecht in realer Eigenschaft erneut in seinen Besitz zu bekommen, um es an Johann Robl weiterverkaufen zu können. Allerdings folgte das Gericht auch diesmal nicht den Wünschen des Verkäufers, lehnten es also auch in seinem Falle ab, ihm, der weder Baders noch Chirurgen war, das Recht auf eine Badersgerechtsame zuzugestehen und folglich könne er, Josef Windorfer, dieses auch nicht als reales Recht an Johann Robl veräußern. Johann Robl verblieb nur sein persönlicher Status als Bader. Trotz der Veräußerung seines Anwesens blieb Georg Windorfer als „Chirurg“ weiter im Geschäft. 1820 wird um den gesetzlichen Bestimmungen zu entsprechen am oberen Friedhof ein Leichenhaus geplant um ein Jahr später wird vom Magistrat eine Einteilung der Totenschaubezirke vorgenommen. Georg Windorfer ist für die Beschau im Markt Kötzting und der Orte der Pfarrei zuständig, die ihre Verstorbenen in Kötzting begruben, Johann (Georg) Robl wiederum ist für die Filialkirche Steinbühl und die Pfarreien Arnbruck und Wettzell eingeteilt worden. Die neue Leichenhalle, die übrigens ebenso wie die Seelenkapelle an der zum Torplatz zeigenden Mauer des oberen Friedhofes angelehnt errichtet ist, ist wie ein großer Teil des Marktes Kötzting beim letzten großen Stadtbrand in der Nacht vom 3. Auf den 4. Juni 1867, vier Tage vor Pfingsten, zerstört und nicht wieder an dieser Stelle errichtet .
 
 

 Stadtarchiv Kötzting IX 3 Anbau eines Leichenschauhauses an die vorhandene Sellenkapelle beim "oberen Friedhof"

Im Jahre 1853 erwarb der Kaufmann Wilhelm Müller das Haus und bewarb sich um den Job als "Lottocollekteur".  Spätestens 1858 jedoch ging das Haus in besitz des "Straubinger Boten" Johann Stoiber über, der seinen Hauptwohnsitz in der marktstraße hatte.
Im Jahre 1858 stellte er einen Antrag, "in der Straße gegen den Schreiner Klinger zu ain Blechdach, 7 Schuh breit und 12 Schuh über den Boden anzubringen, um darunter nöthigenfalls bei schlechter Witterung ainen Wagen stellen zu können."
Die Nachbarn waren nicht damit einverstanden, da die Straße eh schon sehr schmal war und eine der Hauptstraßen Kötztings darstellte.
1864 übernahm dann der Sohn Franz Stoiber und nach dessen Tod die drei Kinder, Franz Paul, Maria und Katharina.
1889 finden wir dann als die Besitzer das Ehepaar Franz und Maria Graßl


Bei der Sanierung der Herrenstraße zu Anfang der 1990er Jahre kam im Straßenuntergrund dann auch der erste Abwasserkanal Kötztings zum Vorschein. Dieser sollte vor allem die permanenten Überschwemmungen der Müllerstraße durch das Überwasser aus dem Badbrunnen verhindern, das ja zunächst ins Haus geliefert worden war und danach einfach auf die Straße rann.
 Die folgenden Bilder stammen vom Architekturbüro Schnabel anlässlich der Sanierung der Herrenstraße






Frau Maria Kellner, geborene Oexler, in ihrem Hausflur im Gegenlicht


Die Bemühungen des Mitarbeiters des ABüros Schnabel, um einigermaßen aussagekräftige Bilder vom Kanal zu erhalten sprechen für sich.





Hausbesitzerliste des Badehauses

alte Hausnummer 100


1616 Georg Pölsterl
1633 Brandtstatt
1650 Georg Pölsterl (Sohn oder Enkel)
1674 Dupps Andreas heiratet die Tochter Georg Pölsterls
1689 Hindersteiner Ander Bader aus Niederbayern heiratet die Witwe des Andreas Dupps
1712 Hans Augustin Fischer Bader aus Osterhofen kauf das Haus von den Erben
1749 Josef Fischer
1749 verpachtet für zwei Jahre an Georg Samson
1752 Fischer Josef Bader
1753 Fischer Josef oo Moreth Regina aus Regen
1779 Fischer Regina
1779 Kalser Josef Anton Wundarzt
1780 Windorfer Georg heiratet dessen Tochter und erwirbt mit dem Bürgerrecht die "obere" bürgerliche Badsbehausung
1817 Advokat Müller mit Auflage an den Bader Johann Robl








 

 

 

 

 

 

 

 

 


Mittwoch, 28. Februar 2018

Luckner




Wolfgang Samuel Luckner [1]

1715 -  1794 
Kammerer in Kötzting
Unterthänigst gehorsamster
Samuel Luckner Kammerer
zu Kötzting
Luckners Unterschriftszug und Schriftprobe




Luckners Wappen von seinem Epitaph in der
St. Anna Kapelle im Pfarrhof Kötzting





















„…ein Mann ohne redlichen Gefühle, gewöhnt an morsches prädominieren (=herrschen), hält es neben anderem, belebt von Eigennutz, auch immer für seine Pflicht den tollen Mitbürger in dem Falle anzueifern, solchen wo möglich in mutwillige Proceße zu locken: So bald er bemerkt, daß ihm ein Strich durch seine Rechnung gemacht wird. Und hat er es einmal so weit gebracht, daß er durch seine trügerischen Versprechungen von siegenden Vorteilen eine so lockere als Strafbare Rotte auf seine Seite gezogen; so hat er für sich gewonnen Spiel, und seine verderbte Absicht in vollem Grade erreicht: denn er findet sich auf seine Art unter dem Deckmantel von Litis consorten (=Prozessgemeinschaft) berechtigt auch sogar die aller muthwilligsten Streitigkeiten auf fremde Rechnung hartnäckig fortzusetzen, und so im Dunkel seinen habsüchtigen Beutel gewissenlos spicken zu dürfen, gestalten er am Ende, weiss Gott, was alles in Ansatz bringt, daß ihm sodann eine blos verführte Cummunität zurück vergüten soll, ob er schon im Grunde und selbst sogar in dem allergeringsten Streitsgrund kein siegdienstliches Urteil erfochten, folglich während dem verworrenen ganzen Proceßlauf sich kein anderes verdienst erworben als daß er sich das dumm und boshafte Glück verschaffte den unschuldig angegriffenen Theil in einem Unkosten von mehr als 1/M fl (=1000 Gulden) gestürzt haben, und selben in seinem bittersten verfall nun elendig darben zu sehen“.
Wer hier so über den Kötztinger Kammerer Luckner urteilte gehörte sicherlich nicht zu seinen Freunden. Diese Charakterbeschreibung Luckners steht am Anfang eines amtlichen Schreibens und ist unterzeichnet vom Rentmeister (Maximilian Graf von Daun, war auch „adjungierter Pfleger von Kötzting“) und seinem Rentkanzlisten und Schreiber Ellersdorfer beide von der Rentdeputation, also der Regierung in Straubing. Rentamtsschreiber Ellersdorfer brachte in dem Schreiben seine ganze Empörung zum Ausdruck, weil sich bei der Rechnungsrevision Luckners zeigte, dass der Kötztinger Kammerer eine sehr eigensinnige Buchführung geführt hatte.

In diesem amtlichen Beschwerdeschreiben steckt schon vieles drin, was die Person Luckners und seine Handlungen auszeichnete. 
1. Es geht entweder nach seinem Kopf oder gar nicht!.
2. Eine Sache ist erst verloren wenn er sie als verloren kennzeichnet, ansonsten gibt es immer einen Weg, allerdings nach der Methode Punkt 1!

Mit dieser Maxime und den notwendigen finanziellen Mitteln im Hintergrund konnte er viel für sein und das Fortkommen seiner Familie erreichen ABER auch die Entwicklung Kötztings in entscheidenden Punkten voranbringen.




Luckners Kötztinger Abstammung


Seine familiäre Herkunft und sein wirtschaftlicher Hintergrund könnten eine Erklärung sein, oder zumindest einen Hinweis geben, aus welcher Quelle sich sein Selbstbewusstsein speiste.
Wolfgang Samuel stammte, wie sein berühmter Bruder Nikolaus, der spätere Marschall von Frankreich, von dem Chamer Kammerer, Hopfenhändler, Spital- und Kirchenverwalter und Gastwirt Samuel Luckner ab. Er war der älteste überlebende Sohn von insgesamt 6 Söhnen und 2 Töchtern seines Vaters. Seine Mutter, Maria Franziska Billich aus Kötzting, heiratete bereits 16 jährig ihren Mann und feierte diese Hochzeit im Hause ihrer Eltern, im damals ersten Haus in Kötzting, heute als Haus des Gastes oder Hotel zur Post bekannt. Die Familie Billich war zu diesem Zeitpunkt bereits über 100 Jahre in Kötzting nachweisbar und, als Besitzer der einzigen Privatbrauerei, dann des Gschwandhofes (heute Klinik für traditionelle chinesische Medizin) und vieler anderer Häuser und Grundstücke, wirtschaftlich die führende Familie in Kötzting. Viele Mitglieder der Familie waren im Inneren Rat und stellten damit turnusgemäß (zu der Zeit alle vier Jahre) den Amtskammerer.


Samuel Luckner also, - der spätere Vater unseres Wolfgang Samuel und der Sohn von Jakob und Anna Elisabeth Luckner aus Cham -heiratete seine Kötztinger Frau Maria Franziska am 17. August 1706.
 
Heiratseintrag resp. Eintrag der Sponsalien, also des Heiratsversprechens: Pfarrmatrikel Kötzting Band 1 Seiten 651 
Sponsalia de Futuro contraxit nobilis Dominus Samuel Luckner Dmi Jacobi p:m: et Annae Elisabethae ux. viventis, filius legitimus de Cham cum virtuosa virg: Francisca Billichin Dni Joannis Billich p:m:

Teil 2 Seite 652

civis Köztingam et Agnetis Kriegerin vivis, Filia legitima. Testibus Dno Casparo Kazenperger de Haus et Dno Joan: Jacobo Fridl Syndico Cambensis
Ein Versprechen auf eine zukünftige Hochzeit haben abgeschlossen der ehrenwerte Herr Samuel Luckner ehelicher Sohn des verstorbenen Herrn Jakob (Luckner) und dessen noch lebender Ehefrau Anna Elisabetha aus Cham und die tugendsame Franzisca Billich eheliche Tochter des verstorbenen Johannes Billich, Bürgers aus Kötzting  und der noch lebenden Agnes Krieger (hat nach dem Tode Johannes Billich den Johann Krieger geheiratet) Trauzeugen waren Herr Caspar Kazenperger aus Haus und Herr Johann Jakob Fridl Syndicus aus Cham. 


Am 7. Juni 1727 verstarb in Kötzting der ehemalige Kammerer, Braumeister und Hopfenhändler Johann Krieger, der zweite Mann der oben im Heiratseintrag erwähnten Agnes, in erster Ehe verheiratete Billich).
Drei Jahre später, am 30.06.1730, starb dann in Cham der Kammerer Samuel Luckner, der Vater unseres Samuel Luckners, im Alter von 47 Jahren.
Dessen Witwe zog nun mit den vielen Kindern in ihren Heimatort nach Kötzting, zur Großmutter der Kinder, die ja nun seit drei Jahren bereits ebenfalls Witwe war. 
Luckners Mutter heiratete in Kötzting zwar noch ein zweites Mal, nämlich 1732 Franz Alexander Wissmann aus Donaustauf, welcher aber außer zur Sicherstellung seines eingebrachten Heiratsguts keinen darüber hinausführenden Besitzanteil am Anwesen erhielt. In den Kötztinger Rechnungsbüchern steht unter ihrem Namen ein ganz besonderer, einmaliger Eintrag.
Als sie 1731 nach Kötzting gezogen war und den Grundbesitz übertragen bekommen hatte, erwarb sie das Bürgerrecht in Kötzting und bezahlte dafür die ungewöhnlich hohe Summe von 19 Gulden. Dies ist deshalb so außergewöhnlich, weil sonst kein einziger Fall bekannt ist, dass in Kötzting einer Frau das Bürgerrecht verkauft und ausgesprochen worden ist.

Doch zurück zum Zeitablauf, am 12. November 1732 heiratete, wie oben bereits angeführt, die Gastgeberin und Witwe Maria Franziska Luckner, die Mutter unseres Samuel, ihren zweiten Ehemann, Herrn Franz Alexander Wissmann aus Forstmühle, Sohn des Jägers Johann Georg und seiner Frau Eva, die Trauzeugen waren der Chamer Kammerer und der Chamer Zuckerbäcker Siber. Beide übernahmen neben dem Kötztinger Gebäudekomplex auch die anderen Immobilien, wie die Sölde und Taverne in Chamerau von der verwitweten Hopfenlieferantin Agnes Krieger.
Diese Ehe sollte aber nicht lange dauern, denn am 14.02.1736 bereits verstarb die Wirtin Maria Franziska Wissmann, in Kötzting, noch vor ihrer Mutter.

Nun war Samuel Luckner 21 Jahre alt und konnte die Besitznachfolge seiner Mutter antreten


Die Erben der Frau Wissmann, alles Geschwister Wolfgang Samuel Luckners, waren Pater Antonius Luckner, (später Prior im Kloster Niederalteich), für ihn kam eigens aus dem Kloster Niederalteich als rechtliche Vertretung Dr. Franz Ignatz Dallhofer, dortiger Hof und Propstrichter, Maria Bolienna Lucknerin im Kloster St. Klara in Regensburg (später Äbtissin in St. Klara), sie wurde vertreten von Herrn Johann Christoph Hueber, Gerichtsprokurator von Viechtach, Jungfrau Maria Franziska Lucknerin ledig, jedoch vogtbar, Herr Johann Wolfgang (später Bierbräu in Zwiesel) Franz Bonaventura (später Bierbräu in Straubing), Johann Niklas (später der Graf Luckner) und  Joseph Niklas (später Gastwirt in Cham). Die vier minderjährigen Jungen wurden durch ihre obrigkeitlich constituierten Vormünder Herr Wolfgang Dreger des Rats und dem Färber Balthasar Schöllinger vertreten.
Sie alle nun übergaben die Preustatt mit allen Pertinentien dann Preugeschirr, Vässer, das hiran erpauthe Häusl (siehe Krieger) und dem ebenfalls neu erpauthen Stadl wie das dabei vorhandtene Häusl, wägen und Pflueg sambt den Ehhaltenpoetten und sambtliche Kötten und Rossgeschirr
Und die freien Grundstücke:
Den Schlegl und Königacker
Die Tirriglwiese und Acker
Der Acker, der unter dem Markt liegt
Den langen Denscherzacker
Die 2 neben dem Saagmülleracker zu Grub
Zissleracker
Die 3 Theil und 3 Stück auf der unteren Au
Hammerwiese
3 Weiher
Wirtshaus und Erbrechtssölde zu Chamerau

Die Übergabesumme betrug 9000 fl und dieser Verkauf erfolgte am 19.05.1736. Samuel Luckner war nun 21 Jahre alt und der reichste und einflussreichste Mann in Kötzting, musste aber zusehen, dass er zu festgesetzten Zahlungsfristen 9000 fl aufbringen konnte; und nun kam ihm seine Großmutter zu Hilfe. Sie, der die Hälfte der Übergabesumme zustand, erließ ihm diesen Betrag bzw. bestand nicht auf einer sofortigen Bezahlung und ließ protokollieren „dass meinem Ödl (Enkel) als einem angehend jungen Hauswürth bey diesen ohne das harten Zeiten nit wohl möglich were diese Summe Gelts auf gethane Weis abzustossen, also thue aus anfreuliche Liebe und in Ansehung er die Preustatt zu guetten seiner anderen Geschwistrigen gleichwollen in einem hohen Wert angenommen auch damit im nit gleich anfenglich alle Lust zum Hausen benommen“

Im Sommer des darauf folgenden Jahres heiratete Wolfgang Samuel nun zum ersten Mal. Zur selben Zeit verließ sein Bruder Nikolaus, der in Passau bei den Jesuiten erzogen worden war, endgültig das Elternhaus und trat 1737 als Cadett in das bayerische Infanterieregiment Morawitzky ein, nahm mit diesen unter Österreichs Fahnen an dem 1739 beendeten Türkenkriege teil, ward im letzten Jahr Fähnrich, 1741 Lieutenant und 1743 zu Ferraris=Husaren versetzt. Der später berühmte Graf Luckner hat also seine prägenden Jahre, obwohl er als Sohn der Stadt Cham gilt, in der Geburtsstadt seiner Mutter, in Kötzting verbracht.
Am 5. August heiratete Wolfgang Samuel Luckner Eisenhut Maria Euphrosina, aus Stadt am Hof. Am Ende seines Lebens wird er dreimal verheiratet gewesen sein und mit seinen drei Frauen insgesamt 23 Kinder gezeugt haben.

Pfarrarchiv Kötzting Matrikel Nr. 14  Seite 86 vom 5.8.1738
Augustus
5. huius contraxit Matrimonium spectatissimus Dominus Wolfgangus Samul Luckhner Praxator in Közting Dni Joannis Samueli Lukhner camerarij in Camb , et Mariae Franciscae coniugi amborum defunctorum filius legitimus cum virtuosa virgine Maria Euphrosina spectatissimi Dni Joannis Christophori Eisenhut p.m. civis et Praxatoris ad Pedempontis et Catharinae coniugis adhus in vivii filia legitima
Testes fuerunt Joannes Christophorus Eisenhut et Christophorus Mölzl ambo cives et Praxatores ad Pedemponti

Ex licentia Parochj copulavit R.D. Johannes Georgius Eisenhut Germanus Sponsae ac. p.t. Cooperator in Langenerling
am 5. August schlossen Ihre Heirat der achtungsvolle Herr Wolfgang Samuel Luckner, Brauers von Kötzting und Sohn des Kammerers(Bürgermeisters) Johann Samuel Luckner aus Cham und seiner Ehefrau Maria Franziska, welche beide bereits verstorben sind mit der tugendsamen Jungfrau Maria Euphrosina eheliche Tochter des ehrenwerten Brauers und Bürgers aus Stadtamhof und dessen Ehefrau Catharina, welche beide noch am leben waren.
Als Trauzeugen fungierten: Johann Christoph Eisenhut und Christoph Mölzl, beide Bürger und Brauer aus Stadtamhof
Mit Erlaubnis der Pfarrei wurde die Trauung vollzogen durch den Ehrenwerten Johann georg Eisenhut, Bruder der Braut und derzeit Kooperator in Langenerling

Interessant ist hier die Bezeichnung Pedempontis ( am Fusse der Brücke) für Stadtamhof bei Regensburg



In den nächsten Jahren bekam die junge Familie 3 Kinder:
1) Maria Rosina                              * 09.06.1738
2) Joseph Benedikt,                       * 10.03.1740
3) Maria Anna Walburga
               * 29.07.1742 † 11.06.1743 in Kötzting

Nach dem Tod der ersten Frau heiratete er am 29.07.1743 in Kötzting Maria Magdalena Zissler aus Roding (* 23.03.1721 in Roding, + 24.04.1780 in Kötzting). Sie war die Tochter des Bäckers, Ratsherrn und späteren Rodinger Kammerers Thomas Zissler und seiner Frau Katharina. Die Heirat selbst fand in der Wallfahrtskirche Heilbrünnl bei Roding statt, wurde aber auch in den Kötztinger Pfarrmatrikel beurkundet. In den Folgejahren hatte das Paar eine stattliche Reihe von Kindern von denen allerdings die meisten im frühen Kindesalter starben.
4)  Joseph Andreas                                   * 21.05.1744 † 21.05.1744 in Kötzting
5)  Maria Anna
                                            * 27.04.1745 † 20.04.1746 in Kötzting
6)  Samuel Sebastian                                * 20.01.1747 † 1813 in Straubing
7)  Franz Xaver Andreas W.                     * 06.07.1748 † 07.01.1749 in Kötzting
8)  Anna Sabina Magdalena
                     * 12.11.1749 † 25.03.1750 in Kötzting
9)  Franz
 de Paula                                     * 10.12.1750 † 29.04.1754 in Kötzting
10) Maria Franziska Sabina
                      * 27.01.1752 00  Michael Poschinger
11) Maria Klara                                          * 10.05.1753, † 30.05.1753 in Kötzting
12) Johann Nepomuk                               * 15.05.1754 † 29.07.1754 in Kötzting
13) Maria Anna Walburga                        * 05.08.1755 00 J.P. Aschenbrenner
14) Wolfgang Samuel Nikolaus              * 07.12.1756 † 12.08.1757 in Kötzting
15) Ignatz Wilhelm                                   * 02.05.1758 † 05.02.1759 in Kötzting
16) Anna Maria Aloysia                            * Juni 1759    † 07.03.1760 in Kötzting
17) Felix Wilhelm                                     * 14.04.1761 † 22.09.1761 in Kötzting
18) Infans
                                                  * 19.03.1764 † 19.03.1764 in Kötzting



Epitaph von Magdalena Luckner, Wolfgangs zweiter und wohl wichtigster Frau
Seiner Verehrung für diese Frau verdanken die Kötztinger wohl den Altar mit dem
großen Bild der heiligen Magdalena. links in der Pfarrkirche

Ein Jahr nachdem seine zweite Frau im Frühjahr 1780 verstorben war heiratete er zum dritten Mal. Samuel Luckner war nun 66 Jahre alt, seine Braut war ein 20jähriges Mädchen, das noch dazu eng mit ihm verwandt war. Luckners Schwager Georg Thomas Zissler, der Bruder seiner zweiten Frau, war früh verstorben und seine Witwe heiratete in zweiter Ehe Georg Michael Frankerl einen Rodinger Bäcker, der aus Walderbach stammte. Mit deren Tochter heiratete Wolfgang Samuel Luckner die Nichte seiner zweiten Frau, bei einem Altersunterschied von 46 Jahren.
Geheiratet wurde am 11.07.1781 und mit seiner dritten Frau hatte er nun noch fünf weitere Kinder.
19) Georg Wolfgang Samuel                         * 21.09.1782 † 06.11.1782 in Kötzting
20) Wolfgang Samuel                                   * 07.06.1784 in Kötzting
21) Georg Michael
                                       * 10.05.1786 † 08.10.1786 in Kötzting
22) Georg Michael                                       * 10.04.1787 † 07.05.1787 in Kötzting
23) Bub                                                       * 26.12.1789 † 26.12.1789 in Kötzting
 
Siegelabdruck U L  Ursula Luckners, der dritten Ehefrau mit dem Wappen
Wolfgang Samuel Luckners

Luckner als Bauherr, Brauer und Hopfenhändler

Samuel Luckner fand, nach seinen eigenen Worten seinen von seiner Großmutter übernommenen Besitz in solch schlechten Zustand vor, dass er damit rechnen musste, dass Teile der Gebäude einstürzen könnten. Aufgrund seiner persönlichen Wirtschaftskraft war er bereits sehr früh Mitglied des Marktrates und bemühte sich sogleich um das Amt des Ziegelherrn, also des Aufsehers über die Produktion in der markteigenen Ziegelhütte. Damit konnte er für ausreichend Nachschub an Baumaterial sorgen und baute und erneuerte mehr als ein Jahrzehnt lang alle seine Wirtschaftsgebäude, errichtete neue Bierkeller und baute seine Brauerei stetig aus.
Vom historischen Gasthaus kennen wir einen einfachen Plan, der aus einem Prozess Luckners stammte, den dieser mit dem damaligen Prior und Pfarrer Mack um das markteigene Wasser, bzw. Abwasser führte. Die Ausrichtung des Planes ist dermaßen, dass er auch mit dem Blickwinkel einer alten, natürlich nicht aus Luckners Zeit stammenden, Aufnahme der Gaststube übereinstimmt.
Ausschnitt aus einer Prozessskizze, rechts oben das heutige und damalige Gastzimmer
Bild des Gastzimmers im "Hotel zur Post" aus den dreißiger Jahren, Bild im Original vermutlich vom Kötztinger Hauptlehrer Josef Bock, der eine ganze Serie an Werbebildern aus diesem Zimmer geschossen hat. Blickrichtung siehe oben in der Planskizze.
In Luckners Gasthaus - direkt gegenüber sowohl dem Priorat als auch dem Landgerichtsgebäude - war in Kötzting die "erste" Adresse für gutes Bier und gute Speise. Als eigener Hopfenhändler und damit auch gute überregionale Kontakte hatte er Zugriff auf gute Rohmaterialien und konnte so - im Gegensatz zu seinen Kötztinger Kommunbraukollegen - besseres Bier brauen UND er hielt sich nicht - oder nicht ganz - an die strikten zeitlichen Vorgaben des Bierbrauens. (Bier durfte damals nur im Winterhalbjahr gebraut werden) So konnte er bereits frisches, neueres Bier anbieten, während seine - behördlich kontrollierten Kollegen noch auf ihren sauer gewordenen Bierresten der vorherigen Brauperiode saßen.
Wie oben nur an einem kleinen Beispiel angeführt, steckte er in einem andauerndem Streit mit dem Kötztinger Pfarrherrn und Prior Gregor Mack, mit diesem führte er mehrere lang andauernde Prozesse, trotzdem war das Kloster Rott, also der "Dienstherr" des Priors nachweislich über viele lange Jahre, auch während der Prozesse Luckners mit dem Kloster selber, ein sehr sehr guter Kunde des Hopfenhändlers Luckner, wie die wenigen übriggebliebene Rechnungsbände des Kötztinger Priorats belegen können. Hier ein Beispiel aus dem Jahre 1786, schon nach Wegzug des Priors Mack - der nun in Rott am Inn selbst war um zu versuchen dieses vor dem Bankrott zu bewahren.


Das von dem hochwürdtig, Im Gott geistlich und hochgelehrten Herrn P: Coelestino Steiner Priore alhir zu volge hochgnädiger Anbefelchung heunte dato ab zu dero lobl. Stifft und Kloster Rott am Inn für das 1786te Preyjahr gelieferten 10 Centner 95 Pfund gewicht Saazer Hopfen Vier hundert dreyssig ain Gulden 48 xr bis zur selbstigen Abrechnung im Abschlag empfangen habe, würdet in Krafft diss bescheint act.
Közting den 26.7bris ao 1786
id est 431 fl 48 x



Siegel und eigenhändische Unterschrift:
Samuel Luckner mp
















Luckner als Kammerer


Kammerer=Bürgermeister


„Im Juli 1755 bei allbereits eingetroffen Wohllobl: Rentamts UmrittsComißion bin ich wieder all mein Vermuthen und Willen exclusiv der ersten 3 Stimmen nach dem Steuer Register einhellig zum Kammerer erwählt worden und habe die Marktskammer in lautter Schulden und Unrichtigkeit angetroffen ..... welche Schulden von dem Bayerischen Krieg meistens herkommen, wo ich Luckner selbst bey 220 fl Anweisungen als verlorene zerreissen müssen“.
Mehr geschoben als gewollt sei er 1755 zum Kammerer gewählt worden, und habe nur Schulden und schlechte Buchführung vorgefunden.
Die ersten Amtsaufgaben wären ausschließlich Aufforderungen des Rentmeisters gewesen. So befahl die Umrittskommission dass sich der Markt in München bei der Hofkammer kurzfristig seine Marktfreiheiten bestätigen lassen musste. Zu diesem Zweck überbrachte Luckner persönlich ein Bittschreiben der Bürgerschaft nach Nymphenburg und  meinte hierzu: „worfür ich kein Heller Deputat aufgerechnet inner Jahr und Tag die Sache zu Ende gebracht“. Er hatte also diese Reise, obwohl amtlicherseits angeordnet, auf eigene Kosten unternommen und erledigt, auch wenn diese Bittstellung in München seiner Meinung nach nicht viel gebracht hatte.

Luckner selber führt in einem seiner vielen Rechtfertigungsschreiben eine Liste an, was er für die Marktkasse alles positiv bewirkt hatte:
StaLA LGäO Kötzting Nr. 646 Verkauf der
Herensäge 1803

1. Die Herrensäge, heutzutage der Lindnerbräu, verdankt seine Entstehung der Kreativität Luckners, der eine Sagmühle auf Kosten des Marktes errichten ließ (mit den "Herren" sind hier die Ratsherren gemeint) und diese anschließend zu saftigen preisen zugunsten der Marktkasse verpachtete.
in dem nebenstehenden Dokument wird die (von der Regierung erzwungene) Versteigerung der "Marktsrealitäten" protokolliert, hier die Versteigerung der Herrensäge an den Meistbietenden Josef Mühlbauer aus Hohenwarth im Jahre 1803.

 

 

 

 

 





2. Brandbekämpfung, darunter verstand er mehrere seiner Maßnahmen, von der Verhinderung einer Saliterhütte inmitten des Marktes bis hin zum Ankauf einer Messingfeuerspritze. In der Marktkammerrechnung von 1781 steht bei den märktischen Gerätschaften nun eine „Feuerspritzen mit einem doppelten Geschöpf von Kupfer und ainem Schlauch zusammen mit einer hölzernen Feuerspritzen mit einem hölzernen Rohr


3. Der Umbau des (alten) Rathauses, mit Einbau einer Marktschreiberwohnung, dem Marktarchiv, einem Raum für die Feuerrequisiten, dem Turm mit der Rathausuhr

 




Die Hungersnot in Bayern 1771



4. Die Bewältigung einer Hungersnot in Bayern: Im Jahre 1771 herrschte im Lande Bayern allgemeine Hungersnot als Folge der landesweiten Missernten. Luckner wollte vorausschauend reagieren und ließ aus seinem „eigenen, reichlichen Hafer“ zwei große „Haufen“ machen, wovon der eine im Notfall zur Speise dienen sollte. „Die Lage“, so schrieb er „wurde alle Wochen kritischer, und um Pfingsten gab ich denen Fuhrleuten schon den Haber an eingezogensten und so auch meinen eigenen Pferden, und da endlichen die Sorge immer mehr und mehr zunahm, war ich weiters besorgt, begab mich in ein gewisses Ort“, (das könnte ein Hinweis auf Schmuggel aus Böhmen sein, denn einen Ort in Bayern bräuchte er nicht geheim zu halten) „welches ein Stück Weg von hier entfernt seye, kaufte alldort 15 Schäffel Korn, das Schäffel zu 25 fl und bey dessen nach Haus bringung gab ich dieses Korn denen nothleidenden Bürgern wie ich es selbst erkauft, und endlich auch meinen samentlichen vielen Haber das Metzl zu -fl 36 xr, wobei aber einige Abkaufer so vermessen gewesen, den bey mir kauften habern gleich wieder hinter meiner Hausthier, das Metzl anstatt denen ausgelegten –fl36xr fremden Leuthen um 1 Gulden, sohin gegen Gewinn zu verkaufen ... in Wahrheit, wann ich dortmals nicht mit eigenem und herbey gefahrenen Getraide für die Bürgerschaft besorgt gewesen wäre, so hätte sicher der dritte Theil der Bürgerschaft vor Hunger entlauffen müssen und wohin? Ich habe noch heunt zu tag das Register von denen Käufern in Handen“. Auch hier benahm er sich vorbildlich als der Vorsteher seiner Gemeinde, der Gefahr von seinen Schutzbefohlenen abwenden will und dies aufgrund seiner Beziehungen, seiner Mittel und Weitsicht auch vermag. Hervorzuheben ist, dass er sich am Elend seiner Mitbewohner, anders als andere Krisengewinnler, nicht bereichern wollte und der Hinweis auf seine Käuferlisten zeigt auch, dass er es jederzeit hätte beweisen können.



5. Das märktische Wasser: "In ao 1762 ist um Gebetsläuten nachtszeit bey Franz Drunkenpolz (Marktstrasse 9) ein Feuersprunst enststanden, solche Behausung zu ganz abgebrunnen, nebstbey hat auch die darnebenstehende Leckersche Schuhmachersbehausung, wie auch das Spital Schaden gelitten. Bey dieser Feuersprunst war das größte Unglück, dass solche Wintterszeit geschehen, und nebstbey das gemeine Marktswasser wegen der verhanden gewesten Kälte und dem gehabten allzuwenig Nachdruck abgefröhrt, und in kein einzigen Kaar (=Brunnen) nicht einmal ein tropfen Wasser gewesen, dass alles Wasser so zum Löschen gebraucht worden, von dem Regenfluß hatte hergeschleppt werden müssen“.
Nach dieser schlechten Erfahrung machte Luckner den Vorschlag sein eigenes Quellwasser, das, wie er schreibt, „3 oder 4 Kirchtürm höher lieget und aus einem lebendigen Felsen entspringt und einen unaufhaltigen Nachdruck hat“, mit dem märktischen Wasser zu verbinden. Er stellte ausdrücklich fest, dass „er persönlich am besten geeignet dazu sei, helfen zu können“. In Zukunft sollte das Quellwasser in nur einer Röhre bis zum oberen Markttor geführt und dort dann erst aufgeteilt werden. Am 22.08.1761 schloss der Magistrat mit Zustimmung des Bürgerausschusses einen Vertrag mit Samuel Luckner, der für beide Seiten große Vorteile, mehr Sicherheiten und Kostenersparnisse brachte.


 
StaLA Regierung Straubing 4591 Wasserleitungsstreit bzw. Plan für die Einigung: Legende: 1 Zeltendorfer gemeinsprunn und Ursprung des Wasser questionis - 2 dir s.v. Viechtrenckh von dem Yberfall der Gämmer sein  - 3 Wiesen wässert - 4 die Deich zum Schlosswasser - 5 das Dorf Zeltendorf - 7 der geweste Schlossgarten - 8 das Churfürstliche Schloss - 9 Luckhners Preustatt - 10 Luckhners neu erpauthe Keller  NB Vertheilung 

Luckner seinerzeit der wohl härteste Gegner vor Gericht 

Viel Feind viel Ehr, könnte man meinen denn Wolfgang Samuel Luckner prozessierte mit jedem nur möglichen Gegner:

mit dem Kötztinger Pfarrherren 
mit dem Kötztinger Landrichter
mit allen möglichen Nachbarn
mit der Regierung in Straubing
mit der Regierung in München
mit dem Kloster Rott, mit dem er übrigens über viele Jahrzehnte beste Geschäfte machte
mit diversen Hofmarksuntertanen 
mit Teilen des Magistrats
mit vielen Mitbürgern
mit seinem Schwiegersohn
mit seinen Söhnen und Töchtern

s.o. folgend seinen beiden Maximen:  er hatte das Geld auch unangenehme Prozessserien auszusitzen und wenn er eine kleine Chance sah, dass sich eine klitzekleine Möglichkeit zur Revision ergeben könnte   >>>>>> ab in die nächste Runde.

Eine der unangenehmsten Prozesse und Erlebnisse dürfte sicher die schmerzhafte Erfahrung sein, dass seine Prozessgegner - finanziell ausgehungert und zermürbt durch seine JAHRZEHNTELANGE Verzögerung - dann aus Verzweiflung handgreiflich geworden waren. Die Ehefrauen von fünf Prozessgegnern hatten einen Vorwand genutzt, waren zu ihm ins Wohnzimmer vorgedrungen und hatten ihn dort nach Strich und Faden vermöbelt. Diesen dann folgenden Prozess hatte übrigens, wie er selber zu seinem größten Bedauern feststellen musste, aufgrund eines (seines) Verfahrensfehlers als einen der wenigen verloren.



Im Laufe des Jahres 1790 trat Wolfgang Samuel Luckner freiwillig vom Amt des Kammerers zurück und als sein Nachfolger wurde noch im selben Jahr der Bader Georg Windorfer[2] bestimmt. Die politische Lage in Kötzting war zu diesem Zeitpunkt immer noch gekennzeichnet durch einen tiefen Riss unter den Bürgern und geprägt von tiefsitzendem Misstrauen.
Diese Lagerbildung bestimmte ganz automatisch auch das Verhalten des Magistrats und Samuel Luckner war immer noch mächtig genug, um auch ohne Amt und Würden seinen Einfluss dort geltend zu machen, wo es ihm wichtig erschien. Er konnte diesen Einfluss ausüben, da er ja, auch wenn er nach der Übergabe des Gschwandhofes nun kein Marktlehner mehr, als Hopfenhändler aber  noch ein sehr wohlhabender Bürger Kötztings war.

Zwei Tage vor seinem Tod, am 9.08.1794 bat er die beiden Kammerer und den Marktschreiber zu sich an´s Bett, um eine letzte Änderung an dem Testament vorzunehmen.
Die Zeugen schildern ihn als „zwar krank, doch bey vollkommener Vernunft“. Er hatte erkannt, dass der Stiftungszweck der Jahrtagsmessen in seinem Testament besser durch ein Grundstück als durch Kapital gesichert sein würde und bestimmte dann dass das Sattleräckerl im Gänskragen der Kirche zufallen sollte, unter der Bedingung, dass der jährliche Pachtzins für die gewünschten Seelenmessen reichen mußte.
Am 11.08.1794 verstarb Wolfgang Samuel Luckner, gewester Bräu, 34 jähriger Marktkammerer, churfürstlicher Hopfenlieferant; er verfügte ein Äckerl und einer Wiese zur Pfarrkirche um einen sehr leidentlichen Preis per 375 fl damit aus dem Interessen [Zins] für ihn und seine 3 Ehefrauen Euphrosina, Magdalena und Ursula 12 Gulden Monathsmessen alle Jahre gelesen wurden. Die Grabschrift nennt ihn auch den 2. Gutthäter [Die Hauptsumme kam von Bartholomäus Görring] der neuen großen Glocke und Bauverwalter des Kirchturms und Chores.




Luckners Epitaph in der St. Anna Kapelle in der Kirchenburg in Kötzting


Auch wenn die Aufnahmen natürlich nicht aus Luckners Zeit stammen, hier noch ein paar historische Bilder des Anwesens, das in seinen wesentlichen Ausformungen von Luckner so erbaut worden war.




 
der Kötztinger Hauptlehrer Josef Bock schoss eine Serie an Bildern herab vom Kirchturm. Aus dieser Reihe, eingefügt in die von ihm betreute und aufgebaute  Kreisfilmbildstelle, stammt diese beeindruckende Bild. Man erkennt den großen, mächtigen Komplex des Brauereianwesens. In der Bildmitte oben die damalige "neue" Schule, rechts davon, die bereits abgerissene "alte" Schule, an deren Stelle steht nun unsere Parkgarage. Nur schwer zu erkennen ist der Gebäudekomplex hinter dem Anwesen Haas, also der heutzutage sogenannte "Schmidtbräukeller". Was mir noch auffällt ist ganz unten links das alte Josefsheim. Bis zum Schuljahreswechsel 1959/60 waren dort noch Zöglinge untergebracht, die mit uns anderen Kötztingern in die Volksschule gingen. In der Mitte meiner ersten Volksschulklasse waren sie dann einfach verschwunden - in den Augen von uns Kindern. Das Bild stammt aus den 30er Jahren, die "Platte" noch vollkommen unbebaut.


"Frau Post", Frau Schmidt, an Ihrem und auch noch heutigen Stammtisch, der sicher in dieser Wirtsstube schon zu Luckners Zeiten seinen Platz und Berechtigung hatte. Bild von Josef Bock aus den 30er Jahren, vermutlich für Werbemaßnahmen angefertigt



 





Zeittafel



Ereignis
Kammerer
Pfarrer
Rentmeister
Pfleger

1729






1730




Jakob

1731




von

1732



Von Verger
Mayer

1733




Johann

1734




Franz

1735




Joseph

1736


Innozenz Mayer

Strassmayr

1737






1738






1739

Fischer




1740
OEK


Von Verger


1741
OEK
Fischer

Pistorini


1742
OEK
Fischer




1743
OEK





1744
OEK
Fischer




1745
OEK





1746

Mack


+ Strassmayr

1747

Druckmüller


Johann

1748

Druckmüller


Nepomuk Graf

1749

Druckmüller


Seine Witwe

1750




heiratete

1751

Druckmüller


Von Frank

1752

Huber




1753

Druckmüller

Pistorini


1754

Druckmüller
Innozenz
Lerchenfeld


1755

Druckmüller
Mayer



1756

Luckner
I



1757

Luckner
I



1758

Hospach
Mayer



1759

Luckner
Mack



1760

Hospach




1761

Luckner




1762

Waldherr




1763

Luckner




1764

Hospach




1765

Luckner




1766

Hospach




1767

Luckner




1768

Hospach
Mack



1769

Luckner




1770

Luckner




1771
  +
Fischer




1772
Görring
Fischer
Mack



1773

Luckner

Lerchenfeld


1774

Fischer


Von

1775

Luckner


Verger

1776

Fischer
 Mack
Lerchenfeld


1777
BEK
Luckner
Coelestin
Von Verger


1778
BEK
Fischer
Steiner



1779
BEK
Luckner




1780

Schweitzer




1781

Luckner




1782

Luckner




1783

Luckner




1784

Kollmeier




1785

Luckner

Von Verger


1786

Kollmeier

Von Daum
+ von Frank

1787

Luckner


Armannsberg

1788

Luckner
Coelestin



1789

Kollmeier
Steiner



1790
Luckner +
Luckner/
Windorfer




1791

Straubinger


Armannsberg

1792

Windorfer


Von Frank

1793

Dreger


91-99

1794

Dreger / Windorfer




1795

Dreger
Peter Paul



1796

Dreger
Kuchler



1797

Dreger




1798

Gerstl




1799

Gerstl

Von Daum
Von Frank

1800

Gerstl




1801

Dreger


























Von Frank





[1] CLEMENS PONGRATZ: Wolfgang Samuel Luckner , in: Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham (im Folgenden BGLC) Bd. 20 (2006)- Bd.31(2014),

[2] CLEMENS PONGRATZ: Die Windorfer eine Kötztinger Erfolgsgeschichte die Familie,  ihre Häuser und  ihre Unternehmungen in: Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham (im Folgenden BGLC) Bd.32(2015) ff,