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Sonntag, 6. April 2014

Aufruhr zwischen Reitenstein und Kötzting


Vor ca.  240 Jahren gab es sehr stürmische Zeiten zwischen Kötztinger und Reitensteiner Bürgern[1] und Alles begann mit dem Testament Johann Bartholomäus Görrings auf Hochtreßwitz, dem Besitzer der Hofmark Reitenstein, das er am 18.02.1762 geschrieben und bei den Behörden hinterlegt hatte.


In diesem Schriftstück wurden neben vielen Seelenmessen und Jahrtagen für sich und seine bereits verstorbenen Familienangehörigen auch mehrere kostspielige Geldlegate vereinbart. Verschiedene Kirchen und Kapellen erhielten genau bezifferte Zuschüsse für Umbaumaßnahmen (siehe die Kötztinger Kirchenglocke) versprochen, vielen Einzelpersonen wurden üppige Geldzuweisungen zugesagt und auch seine Verwalter und manche seiner Angestellten wurden großzügig bedacht. All diese Summen sollte der Universalerbe auszahlen, welcher dafür dann die Hofmark Reitenstein mitsamt den dazu gehörigen Untertanen und all dem übrigen Vermögen erhalten sollte. 
Dieser Universalerbe sollte nach dem Willen von Göhrings der Markt Kötzting sein.

Rund 10 Jahre nach Testamentslegung verstarb Bartholomäus Görring am 01.03.1772 und damit begann in Kötzting eine Entwicklung, die die Bürgerschaft in zwei zerstrittene Lager spaltete, denn mit der Hofmark Reitenstein und dem „übrigen“ Vermögen hatte es so seine Sache.  

Kurz gesagt einigten sich 16 Kötztinger Bürger - in Abwesenheit des damals mächtigen Kammerers Samuel Luckner- zusammen mit der Regierung in Straubing darauf, mit privatem Kapital und mit einer Hypothek auf Kosten der Marktkasse eine Summe aufzubringen, welche die Forderungen der außenstehenden Begünstigten zufriedenstellen würde. Bei diesem Handel gewannen die 16 Kötztinger Marktlehner Wald - und Wiesengrundstücke hinzu. Frei verkäufliche Grundstücke waren in Kötzting so gut wie gar keine vorhanden und hier sahen ein paar Bürger die gute Möglichkeit sich zu vergrößern. Auch die Regierung in Straubing wollte die Sache endlich vom Tisch haben - die im Testament mit Geld Begünstigten beschwerten sich bereits bei der Regierung, weil die Vermögensaufteilung durch den Markt Kötzting einfach nicht einsetzen wollte -  und forcierte diesen Handel. Allerdings hatten beide Seiten - also die Regierung in Straubing und die 16 Kötztinger Anteilseigner,  die Rechnung ohne den Kammerer Luckner gemacht und so dauerte der Streit dann von 1772 bis fast zur Jahrhundertwende an und stiftete viel Unfrieden innerhalb Kötztings aber auch zwischen den Kötztingern und Reitensteinern selber. Letztere hatten sich die Zeit zu nutze gemacht und im, durch die langandauernden Prozesse praktisch, rechtsfreien Raum, solange eben immer wieder vor Gericht alles neu verhandelt werden musste, versucht Fakten zu schaffen und sich dann Nutzungsrechte in den Wäldern und auf den Wiesen einfach angeeignet.
Die Reitensteiner Anteilseigner unter den Kötztinger Bürgern,  welche auf dem Weg von ihren Grundstücken nach Hause durch Reitenstein hindurch fahren wollten, wurden attackiert und teilweise schwer verletzt.

Hier soll nur ein kleiner Teil der Streitigkeiten angeführt werden, wer sich intensiver mit der Geschichte beschäftigen möchte, kann dies ausführlich in den "Gelben Bänden" machen.

Schon 12 Jahre ging der Streit munter hin und her und  1784 war endlich ein Vergleich zwischen den Hofbaukäufern und den Reitensteiner Untertanen geschlossen worden[2], in der Form, dass die Untertanen während der laufenden Verhandlung je eine Hälfte des benötigten Laubstreus in den Birkenbergen und die andere Hälfte im Schwarzholz holen sollten. Der Ärger nahm aber trotzdem kein Ende.
Erneut bat die Prozesszwangsgemeinschaft der Anteilseigner um eine beschleunigte Prozessführung, denn je länger den Reitensteinern erlaubt werden würde zu prozessieren, umso mehr würde deren Mutwillen zunehmen. So hätten sich erst am gestrigen Mittwoch den 23 9bris 1785 sammetl. Unterthannen, jung und alt, wider unsere Mitconsorten, die um Birkensträhe durch das Dorf zufahren im Begrif waren, mit erschröcklichen Tremmln, Brigln, Mistgabln, und anderen Mordinstrumenten zusammengelauffen und einen ärger als den anderen beschädigt haben.
  • Franz Seiderer, lediger Peckenssohn wurde mit einem mächtigen Tremmel so gewaltig zu Boden geschlagen, dass er Knall und Fahl auf der Strasse zusammen falle und man über eine Viertel Stund lang kein Zeichen eines Lebens mehr an Ihme verspürn kunnte.
  • Jakob Fischer, Schreinerssohn wurde mit einem Scheid Holz auf die Stirn geschlagen, dass das Blut gleich einem Rohrprunnen herausgesprizet, und mit deme nit genug, schlugen ihme ein andrer das Schulterblat fast entzwey
  • Stephan Dimpfl, bürgerlicher Metzger musste erfahren, dass ihme ein Arm zerschmettert wurde, dessen Sohn aber wurde der Kopf voller Löcher angeschlagen, dass der ganze Kopf abgeschoren werden musste, um nur die vielen Wunden auseinanderzukennen.
  • Wider Michael Liebl, Ratsfreund Sohn wurde sogar die Mistgabl gebraucht und ihme hiermit mehrere Löcher Rückwärts in das dicke Fleisch gestochen.[3]
Hätten die Opfer den Reitensteiner Untertanen einen Anlass gegeben, so wäre wenigsten eine kleine Entschuldigung vorhanden, meinten sie, aber weder mit Worten noch mit Werken hätten die unschuldig Verwundeten und nunmehro schmerzlich unter dem Bader liegenden Personen nur den geringsten Anlass gegeben.
Sie hätten nichts falsch gemacht in Werken, weil sie den Bereich, der den Reitensteinern zum Strährechen zugewiesen worden war, mit keinem Fuss betreten hätten und nicht mit Worten, weil sie eh nur 5 an der Zahl waren und durch den unvermuteten Zulauf sammetlicher Unterthannen, durch den scheuslichen Anblick ihrer mörderischer Waffen und durch das Anhören ihres wittenden (=wütenden) Geschreys viel mehr ertattert und nichts anders als um Rhue und Frieden und um ihr Leben gebeten haben.
So weit war es also nun gekommen, dass sogar tätliche Auseinandersetzungen möglich wurden und es nur dem Zufall zu verdanken war, dass es noch keinen Toten gegeben hatte sondern nur einige Kötztinger Bürger sehr schwer verletzt waren.
Die Kläger erbaten für ihre eigene Sicherheit die Einquartierung von militärischer Exekution, die Kötztinger Bürger wollten also unter dem Schutz von Soldaten ihre Einstreu nach Hause in die Städel fahren. Die Reitensteiner aber sollten all diese Kosten übernehmen müssen, zusammen mit den Arztrechnungen und allen Verfahrenskosten. Ausdrücklich aber erwähnte die Klägerseite der Anteilseigner, dass die Sache sicher schon längst erledigt gewesen wäre, würde nicht das Pfleggericht in Kötzting sondern ein anderes Pfleggericht oder sogar Straubing die Kommission zur Untersuchung bilden, weil das Pfleggericht in Kötzting untätig dem Treiben der Reitensteiner zusähe.


Auch in Kötzting selbst schlugen die Wogen hoch, bei vielen der Anteilskäufer, die Geld auf ihre Kötztinger Häuser aufgenommen hatten um die Anteile erwerben zu können und die noch nichts aus ihrem Besitz herausholen konnten um sich  zu refinanzieren, lagen die Nerven blank und so kam es sogar zu Übergriffen auf den in ihren Augen Hauptsschuldigen: auf den Kammerer Luckner:

Unter anderem aus Luckners Feder selbst kennen wir den Vorgang - natürlich berichtet er seine Sicht der Dinge:

 Undank ist der Welten Lohn, so meinte er, als er das Opfer eines tätlichen Angriffs in seinem eigenen Hause, ja in seiner Amtsstube, geworden war. Wohlweislich verschwieg er den eigentlichen Hintergrund dieses Angriffs auf sich, sondern führte nur den, für ihn sicherlich schmerzlichen, für den Hauptvorgang aber vollkommen unerheblichen Übergriff von fünf Bürgersfrauen auf ihn in seinem eigenen Haus an.
So berichtete er, empört über so viel Undank: „als ich nämlich als qua amtierender Kammerer im Jahre 1783 und zwar den 5 April Fastenzeits höchst landesherrliche Gefäll (=Steuern) der weitteren Versendungs Willen in meiner Wohnung gewöhnlichermaßen einnehme, rotheten sich 5 Weiber von denen Raithensteinischen Theilhabern zusammen, wartheten den Zeitpunkt ab, wo niemand fremdter als sie allein da waren, da ich nun von selben die Einschreibbüchl und ihre Schuldigkeit abbegehrte wagte es des Hans Georg Auzingers Eheweib mich rückwärts ins Gesicht und in die Augen nach ihren Kräften zu schlagen, welcher auch die Übrigen beygefallen und so viel ihnen möglich beleidiget haben, bis endlich ich mich durch Beyhilf meines Eheweibs von ihnen losgerissen, wonach selbe sich aus dem Staub gemacht, auf der Gassen aber noch mit Steinen und Sand, kurz mit deme was sie erwischt auf mich geworfen“.

Die Männer der 5 "Damen" saßen bei dem ganzen Vorgang "zufällig" auf der Kirchenmauer und wussten angeblich nichts von dem Vorhaben ihrer Ehefrauen......

Was sind nun diese Reitensteiner Anteile und wer hat diese erworben.
Entwurf für den Neubau des Reitensteiner Amtsgebäudes Plan im Stadtarchiv Kötzting


Gleich als Luckner von seiner Geschäftsreise zurückgekommen und die Bescherung gesehen hatte, hat er den Vorgang für die erste Prozessserie beschrieben und dort auch die Namen der Anteilseigner aufgeführt:


Rentmeister Ellersdorfer, schrieb er empört, hätte sich wider alle klare Intention des Erblassers nach Kötzting begeben und anstatt der Verfiegung dass ieder bemittelt oder unbemittelte Bürger, nach proportion seines Innhabens ... etwas von dem Grund und Boden hätte bekommen sollen, unter Anführung des allhießigen Marktschreibers und zugleich Reittensteinischen Verwalters Georg Kajetan Magerer welcher kein Bürger und dabei de genere prohibitorum(allgemein verboten) ist, dass weder Beamte noch andere Bediente in dem ihnen anvertrauten Jurisdiktions Gezürk Gründe besizen derffen, nachfolgenden fünfzehn Burgern inclus: deß Marktschreibers als Theillhabern 16 benanntlich letzberieten
Kajetan Magerer,                                                                                   
Josef Fischer Amtkammerer, 
Franz Seiderer des Rats,
Baptist Fabrici auch des Rats,
Joseph Weiss iniglich des Rats,
Egidi Fischer eben des Rats, 
Michael Rabenbauer zweimal, als Marktlehner und als Inhaber der Wiesmühle,
Michael Stadtler,
Michael Wagerer,
Anton Schillinger,     
Michael Liebl,
Georg Auzinger,   
Adam Münch,
Joseph Henneberger,
Stephan Dimpfl,  
Franz Irlbacher,  
zusammen 16 Köpfen, dass Hofgebäu cum pertinentiis dann die Schwarzwaldung zu 80 Tagwerch nebst aller mobiliarschaft Eydlich estimierter maßen... per 6000 fl verkauft.

Anhand der Bürgerliste und der Verteilung im Plan weiter vorne sieht man dass es die Kötztinger Marktlehner, also die obersten Bürger der dreigliedrigen Bürgerschaft Kötztings, waren, die sich die Wälder auf dem Kaitersberg aneignen wollten.
Der ganze komplexe Vorgang kann in den "Gelben Bänden" nachgelesen werden. Diese Bücher können beim Verfasser hier oder über die Kulturabteilung im Landratsamt Cham bezogen werden. Traditionell im März wird der jeweils neue Jahresband in abwechselnden Gemeinden des Landkreises Cham vorgestellt. Natürlich sind die Bände auch in den Kötztinger Buchhandlungen und in der Kurverwaltung vorrätig. Manche der Bände sind vergriffen, viele der älteren, aber wegen des Inhalts natürlich zeitlosen, Bände sind aber noch erhältlich.
Auf  einer Nebenseite meiner Homepage kann auch der Inhalt der älteren Bände eingesehen werden.


Was aber hat sich nun Neues ergeben, dass ich hier das Thema noch einmal aufgreife: ich habe einen wunderschöner kolorierter Plan der Anteilsverteilung gefunden und dieser Plan sagt viel aus über den Zustand des Waldes im allgemeinen damals und des Kaitersbergs im Speziellen.
Wohl im Zusammenhang mit einem der späteren Prozesse wurde 1791 ein Plan der Anteile gezeichnet. 
Zentral in der Mitte ist die Lichtung Reitenberg, -  heutzutage weiträumig von Fichtenwald umgeben -  nach Süden wird hier hier aber der Kaitersberg nicht als mit "Hochwald" sondern als Birkenberg bezeichnet.
die Anteilseigner und die Verteilung der einzelnen Anteile, der Markt war 1791 bereits Besitzer von 2 Anteilen(!), auch der Wiesmüller Rabenbauer besaß - allerdings von Anfang an - 2 Anteile



die Besitzer dieser zwei kleinen Hochwaldanteile waren die Verursacher dieses Streites unter Anteilseignern und damit der Anlass, diesen Plan zu zeichnen.



Man sieht hier sehr gut, dass die Wälder damals in einem ganz anderen, zumeist viel schlechteren und ärmeren, Zustand waren. Das andauernde Streurechen und ein viel zu massiver Eingriff in die Substanz der Wälder verhinderte, dass sich ein üppiger Hochwald überhaupt bilden konnte. Der damalige sehr schlechte Zustand der Wälder Bayerns war der Anlass für eine vorsichtigere Bewirtschaftung der Wälder und die Geburt des Begriffes der Nachhaltigkeit - erfunden von der bayerischen Forstwirtschaft zu Ende des 18. Jahrhunderts.
Von Mathias Heilmeier kennen wir eine Aufnahme um 1900, auf der der Saum des Birkenberges gut zu erkennen ist. Allerdings sind die Birken bereits überständig. In früheren Zeiten konnten sie sicherlich nicht älter als 7-8 Jahre werden  und wurden dann erneut auf Stock gesetzt. Dies Bild dient nur als Beispiel, wie sehr unsere Vorstellung der Wälder vom jetzigen, satt grünen Bild geprägt ist, das in der Vergangenheit NIE so gewesen war.
Waldsaum mit Birkenbergsaum
Ein eher realistischeres Bild unserer Bergwälder sieht man auf einem Bild, das ich vor vielen Jahren von Frau Anna Schötz in Kötzting erhalten habe, steinige, dürre Abhänge mit spärlichem Bewuchs.

Doch nun im Detail zu dem kolorierten Plan: Wie ein bunter Kranz winden sich die Anteile sowohl des Laubberges wie des Schwarzwaldes einmal um Reitenberg herum. Deutlich sind die 4 Herdstätten, sprich Häuser Reitenbergs zu erkennen und auch die einzelnen Anteile sind - für 1791 - bereits sehr exakt eingezeichnet.
Staatsarchiv Landshut Rep 165 6951 von 1791

 






























Als die Grenzen sind eingezeichnet: ganz links Kloster Rott, dann gegen den Uhrzeigersinn: die Dorfschaft Arndorf, die nach Arndorf gehörigen Laubberge - weiter am rechten Rand Kloster Rott zur Propstei und Pfarrer Wald - im Norden der Bauer Mühlbauer von Gotzendorf.
hier nun dieselbe Situation im Plan der Uraufnahme, Detail aus der Uraufnahme Blatt von Schonbuchen vom Vermessungsamt Cham

Es wäre eine schöne Aufgabe für Geocacher oder einfach geschichtlich interessierte Wanderfreunde, diese Grenze mit den dazugehörigen Grenzsteinen einmal zu finden und zu dokumentieren. Die Grenzsteine zum Klostergrund sollten eine Besonderheit darstellen.

Um den Unterschied zu heute ein wenig klarzumachen, bin ich nach Wettzell hinaufgefahren und habe den, vom Saum bis zum Gipfel, dunkelgrünen Kaitersberg fotografiert und nun einmal die Linie eingezeichnet, die in etwa der Südgrenze der Lichtung Reitenberg entspricht und die, lt. Plan, auch in etwa die Grenze zwischen Birkenbergen und Schwarzwald gewesen ist. Legt man dann auch noch zugrunde, dass dieser Hochwald gleichzeitig auch extrem stark genutzt, das heißt abgeholzt, wurde, so waren in unserer Heimat vor 250 Jahren wirklich jämmerlich karge Wälder vorherrschend.
das dürfte ungefähr der Saumbereich der sogenannten Birkenberge gewesen sein



so saftig und grün, hinunter bis zu den Wiesen waren unsere Wälder in der Vergangenheit so gut wie nie. Durch das permanente Streurechen waren die Böden verarmt und durch die überstarkte Holznutzung auch viel zu ausgedünnt.




 Viel Spaß beim Lesen



















1] Wer genaueres wissen möchte kann die wechselvolle Geschichte der Beziehungen zwischen Reitenstein und Kötzting in den "Gelben Bänden" nachlesen, genauer in den beiden Bänden 2010 und 2011
CLEMENS PONGRATZ: Wolfgang Samuel Luckner , in: Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham (im Folgenden BGLC) Bd. 20 (2006), 
2] StA Landshut Rentkastenamt Straubing A 13
3] StadtA Kötzting VII/15





Dienstag, 4. März 2014

Kötzting und seine Umgebung auf alten Farbaufnahmen


Eigentlich hatte ich für März einen Bericht vorbereitet, der erzählt wie vor ca. 250 Jahren die Reitensteiner und Teile der Kötztinger Bürgerschaft sich in herzlicher Abneigung gegenseitig das Leben schwer machten. So schwer, dass sich diese, nicht alle, Kötztinger Bürger nicht mehr durch Reitenstein mit ihren Fuhrwerken  zu fahren trauten.
ABER dann dachte ich  oh,oh  Wahlkampfzeiten in Kötzting, blos keine alten Geschichten zwischen den Ortsteilen aufwärmen. Dann habe ich auch noch in meinem alten Text gesehen, dass die Kötztinger, um ihre Sicherheit gewährleistet zu sehen, sogar den Einsatz von Soldaten gefordert hatten, die Reitensteiner wollten im Gegenzug ihre Kötztinger Gegner alle eingesperrt und gepfändet sehen ....auch das passt nicht zur momentanen weltpolitischen Großwetterlage ..

Also dachte ich mir, nimmst du  Landschaftsbilder, schöne ruhige und bunte  Landschaftsbilder das geht immer und die Aufruhrgeschichte zwischen Kötzting und Reitenstein - ich habe da einen schön gezeichneten und kolorierten Plan der Reitensteiner Waldsaufteilung rund um Reitenberg herum in Landshut gefunden - den machen wir halt im April.

Sonntag, 9. Februar 2014

Wer hat das Krankenhaus verschoben??

Der unvergessene Walter Ertl hatte jahrelang Materialien aus seinem Forstbereich und aus der Kötztinger Umgebung gesammelt. Frau Brigitte Ertl hatte nun vor zwei Jahren Teile seiner Sammlung, die halt Kötzting und den Forst betreffen, an unser Stadtarchiv abgegeben und in der losen Sammlung an Berichten, Artikeln und Forstkarten befanden sich auch drei Schwarz/Weiß Bilder, die die Situation an der äußeren Ludwigstraße aufzeigen.
Blick in Richtung Großparkplatz : Archiv Stadt Bad Kötzting

Mittwoch, 1. Januar 2014

Kötzting im Jahre 1904



Kötzting vor 110 Jahren

1904

Der Jahresverlauf der Veranstaltungen in Kötzting folgte auch vor 100 Jahren festen Regeln. Auch wenn viele dieser Ereignisse feste Termine im Kalender hatten, so gab es doch die eine oder andere Feierlichkeit oder Veranstaltung, die aus dem gewohnten Allerlei herausstach und deshalb in der örtlichen Presse[i] groß herausgestellt wurde.  

Umgebung von Kötzting, hier Gehsdorf um 1904, es sollte noch 10 Jahre dauern, bis die Straße erneuert wurde Bild von Mathias Heilmeier
Bürgermeister Liebl, der Vater von Frau Paula Dittrich

Gleich zu Anfang des Jahres 1904 gab es für die Kötztinger Kirchengemeinden eine Neuerung. Der Verein der Protestanten Kötztings hatte kurz zuvor das Lang’sche Anwesen am Bahnhof gekauft und konnte am 6. Januar die Einweihung des Beetsaales feierlich begehen.
Bezirksamtmann Herr von Fuchs und der Kötztinger Bürgermeister Liebl waren unter den Ehrengästen, gefeiert wurde anschließend im Hotel zur Post.
Den Reigen der Generalversammlungen der einzelnen Vereine eröffnete traditionell immer der Turnverein, der am 8. Januar einen neuen Vorstand wählte. Brauereibesitzer Karl Lindner sollte nun den Verein im neuen Jahr führen. Im Hintergrund waren die bewährten Kräfte allerdings gleichgeblieben. Turnwart blieb der Konditor Alois Klingseisen und als Zeugwart diente Kötztings Vorzeigeturner, der Schlosser Josef Liebl.



Ein paar Wochen später traf sich der Lichtenegger Bund, ein Verein, der sich einerseits  dem baulichen Erhalt der Ruine Lichtenegg verschrieben hatte, andererseits aber dafür sorgte, das der Spaß und das   wozu der Vergnügungsausschuss die Gäste einladen sollte. Nun war der offizielle Teil zu Ende und es hieß anschließend: die weitere Versammlung nahm einen sehr animierten Verlauf.
beim Dimpfl, Ecke Metzstraße Brandstraße, ein beliebtes Wirtshaus in Kötzting
Vergnügen der Mitglieder nicht zu kurz kam. So wurde kurz und bündig verfügt, dass die zu verteilenden Einnahmen in diesem Jahr aufgeteilt werden in 75 Mark für die Ruine und 140 Mark für die Unterhaltung. Bei dieser Versammlung wurde auch gleich ein Unterhaltungsabend anberaumt, der im Vereinshaus Georg Mühlbauer, beim Dimpfl (Eckgebäude Metzstraße und Brandstraße), organisiert wurde
Hoch zu Roß
Mit Knapp und Troß
mit Schwert mit Schild und Sporen
Vermummt bis an die Ohren

So sprengt mit finsterm Trotz
Der Hans vom Hotzenplotz
--- zum Dimpfl ---
Beim Ritter Kuno vom Dimpfleck auf Plattenburg wurde mit großem Aufwand der Saal als Burg Lichtenegg hergerichtet und dort trafen sich die  maskierten Gäste um, nach dem Absingen des Böhmerwaldliedes, den Burggeist zu erwarten, der die Begrüßung durchführte.
Es wurde wohl wieder ein fröhlicher Abend, denn erst spät gegen Morgen, berichtete der Redakteur, dachte man endlich ans Heimgehen und um ¾  Uhr des Vormittags am anderen Tag sprengten die letzten Ritter nachhause und suchten ihr Burgverlies auf. Küche und Keller des Herrn Burgwirtes haben allgemein befriedigt; das helle Lichtenegger Gold der Brauerei Lindner fand allgemeinen Beifall. Halloh.
Kötztinger Honorationen auf dem Hohenbogen um 1904  - zentral vermutlich der Bezirksamtmann von Fuchs Bild von Mathias Heilmeier

Auch die anderen Vereine führten ihre Unterhaltungsabende durch, so der Turnverein und der Männergesangsverein.

Für Mitte März war anlässlich der Prüfungen der Landwirtschaftsschule in Kötzting der Besuch des Regierungspräsidenten Freiherrn von Andrian vorgesehen.
Gleich nach seiner Ankunft am Kötztinger Bahnhof, wo von Andrian  aufs herzlichste begrüßt wurde begann eine Besichtigungstour, die von der Schnitzschule gleich beim Bahnhof über das Rentamt und die St. Josefsanstalt bis hin zum Distriktskrankenhaus führte. Vom Grafenwiesener Kirchenweg – der schönen Aussicht wegen -  bis zum Armenhaus und der Leichenhalle, alles musste sich der Regierungspräsident anschauen und abends trafen sich die Kötztinger Beamtenschaft und Vertretungen der Bürger im Hotel zur Post zu einem geselligen Abend.


Am nächsten Tag, nach überstandenen Prüfungen, folgten dann noch Besichtigungen bei der Fischzuchtanstalt und der Bullenhaltung,  die Gschaider’sche Zündholzfabrik und  die Mühle des Raiffeisenverbandes (=Hammermühle) wurden gestreift  und, so wie es heutzutage wohl auch geschehen würde, schloss sich ein Besuch von Herrn Lindners Etablissement an.
„Viel hilft viel“ müssen sich die Bürger Kötztings gedacht haben und veranstalteten zu Ehren ihres hohen Besuchs einen spontanen Fackelzug, bei dessen Durchführung, trotz der kurzfristigen Anregung, alle Kötzting Vereine mitmachten. Die Überraschung war gelungen, der Regierungspräsident konnte vom Fenster herab die Ovationen der Bürger und Vereine entgegennehmen und versprach wiederholt, sich für die Belange Kötztings einzusetzen und beendete mit einem Hoch auf den Markt Kötzting seine Ansprache.
Anschließend begab er sich unter die Vereinsmitglieder und Fackelträger, nahm dann den wohlgeordneten Parademarsch entgegen, der vom Feuerwehradjutanten Meidinger kommandiert worden war und lud die Anwesenden zu einem Abendtrunke in den Saal ein, wo der Senior der Beamtenschaft Herr kgl. Forstmeister Hubrich auf das herrliche Einvernehmen der Beamten und Bürger in Kötzting hinwies.
Der Redakteur, hingerissen von der patriotischen Stimmung und der Begeisterung des Abends,  endet mit den Worten: Das Volk kennt seinen wahren Freund.
Am 15. April gaben die drei Kötztinger Buchbinder- und Druckereibetriebe: Josef Weissenbach (=unterer Oexler), Leopold Henneberger und Vitus Oexler bekannt, dass Kooperator Mehler, der in Kötzting seit 4 Jahren wirkte, seine  Gedenkblätter aus Kötztings Vergangenheit und der Pfingstritt veröffentlicht hatte. Die Bürger wurden aufgefordert das Werk mit seinen  76 Seiten und 22 Bildern reichlich zu kaufen, weil es verdiene in weiten Kreisen bekannt zu werden.
In derselben Ausgabe wurde von einem schweren Brand  im Sägewerk Lindner berichtet, bei dem neben den Kötztinger Feuerwehrmännern noch Wehren aus 7 Dörfern erschienen waren. Das Sägewerk war völlig eingeäschert worden und zwei Säger wurden schwer verletzt, bei einem hieß es, dass er bedenklich dran sein soll.
Ende April fand im Wirtshaus des Josef Wagner (= heutzutage Heigl Theo in der Marktstrasse) die Frühjahrs Wanderversammlung des Bienenzuchtvereines statt. Bezirksamtmanns von Fuchs, als erster Vorstand, und der Landwirtschaftslehrer Bergmann, die beide wesentlich zur Gründung dieses Vereins beigetragen hatten, gaben ihre Berichte ab. Auch dieser Verein, der nach dem zweiten Weltkrieg 1945 wieder neu gegründet worden war, kann in Kötzting bereits auf eine über hundertjährige Tradition blicken.
Eine andere, zu der Zeit sehr bekannte, Persönlichkeit feierte ein seltenes Jubiläum. Der Kötztinger Lehrer Johann Singer der in Wettzell die Schule hielt, feierte sein 30 jähriges Dienstjubiläum, was vor allem deswegen so bemerkenswert war, weil er all die langen 30 Jahre hindurch  jeden Tag und bei jedem Wetter die Strecke Kötzting Wettzell und zurück zu Fuß zurückgelegt hatte.

Eine Woche vor Pfingsten traf sich der Kötztinger Ableger des deutschen Flottenvereins, der aus 22 Mitgliedern bestand, um einige wichtige Angelegenheiten zu regeln. Mit seinem Motto: „Mit Volldampf voraus“ eröffnete der Vorstand, Herr Postexpeditor Pongratz, die Versammlung. Es war den Mitgliedern zwar ein großes Bedürfnis die Wichtigkeit und Notwendigkeit solch einer Vereinigung herauszustellen, trotzdem wurde der Flottenverein, vor allem bei den Faschingsveranstaltungen der anderen Vereine, regelmäßig verspottend aufs Korn genommen.
Aber schon kommt Pfingsten näher und in einem Vorbericht schreibt der Redakteur über die eifrigen Hände der Frauen, die Girlanden zum Schmuck des Marktes winden, über die Männer, die Übungsritte machten und sich über die Pferde austauschten. Das Pfingstkomitee hatte alle Hände voll zu tun und über allem schwebte die alljährliche Frage: Wer wird der Pfingstbräutigam und wer die Braut? 
 „Das Pfingstkränzchen für den dieser Tag gewählt werdenden Pfingsthochzeiter ist schon fertiggestellt, und in der Auslage des Kaufmannsgeschäftes der Witwe Frau Ring zur allgemeinen Besichtigung ausgestellt. Dasselbe, Filigranarbeit, wurde von den Schwestern aus dem Mutterhause Mallersdorf in der hiesigen St. Josefspflegeanstalt gefertigt und gefällt ob seiner geschmackvollen, künstlerischen Ausführung allgemein“.
Die Erwartung der Kötztinger ist groß: „Der Magistrat hat auch heuer keine Kosten gescheut, das erhabene Fest äußerst effektvoll zu gestalten und steht wegen der heuer gemachten riesigen Reklame von Auswärts sehr zahlreicher Besuch zu erwarten“.
Reverend Frins
Am 20. Mai, wenige Tage vor Pfingsten, steht dann der Pfingstbräutigam fest, Josef Irlbeck, Gastwirts- und Bäckerssohn. Die Feldmesse wird in diesem Jahr der in  Kötzting geborene und nunmehrige Reverend P. Wilfried Frins, Pfarrer und Rektor der „14 Martyrerkirche“ in Baltimore, USA, zelebrieren, der zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder seine Heimatstadt besucht. Die Familie Frins wohnte seit vielen Generationen als Sattlerfamilie in Kötzting in der Metzstrasse, heute das Haus Sperl. Weiter ergeht die Aufforderung an die Gastwirte, „während der so erhebenden Feier der Feldmesse ihre Lokale zu schließen“.

"Wie seit Jahrtausenden blickte auch am gestrigen Tage das altehrwürdige Felsenhaupt des Kaitersbergs herab auf die seinem Fuße umgrenzende reizenden Täler, um als Symbol der Unwandelbarkeit nicht allein das Hasten und Drängen in unserer raschlebigen Zeit zu schauen, das seine Wellen und manche Woge auch in den tiefsten Talwinkel unseres Waldgebirges hereinsendet“.
So beginnt am 24. Mai der Bericht über den Pfingstritt. Die Zahl der Teilnehmer stieg auf 204, in Steinbühl selbst waren es dann sogar 264.
Auch die Zahl der Zuschauer stieg von Jahr zu Jahr. Einen besonderen Eindruck machte es, dass die sogenannte Feldmesse von einem Sohne Kötztings gehalten welcher nach 25 jähriger Abwesenheit seinen Geburtsort wieder besuchte, von Seiner Hochwürden Herrn Frins Benediktinerpater in Baltimore. Die Kötztinger Blasmusikkapelle Mühlbauer trug mit ihren sehr gediegenen musikalischen Vorträgen sehr zur Erhebung der Gemüter bei der Feldmesse bei.
Nach der Rückkehr der Reiter fand auf dem Bleichanger die Kranzlübergabe statt und auch hier fielen, entsprechend dem Lebensgefühl in dieser Zeit die passenden Worte:
Pfingstbräutigam Josef Irlbeck mit seiner Braut Mühlbauer Magdalena die Begleiter waren: Hastreiter Franz und Huber Xaver




 Zur Erhöhung der Feier trug auch die so schön gehaltene und ganz aus dem Herzen und zu den Herzen gehende Ansprache Sr. Hochwürden Herrn Kooperators Franz  Späth bei, bevor er das goldene Kränzchen an Josef Irlbeck, Bäckers und Gastwirtssohn von Kötzting überreichte.

Herr Hofmann, Bauer in Kaitersbach erhielt für die 25jährige Rittteilnahme ein Ehrenfähnchen. Ein Hauptjubilar wird besonders erwähnt:  Herr Andreas Costa, Bader und Chirurg von hier, welcher vor 50 Jahren mit dem goldenen Kränzchen ausgezeichnet wurde, feierte trotz seines Alters die Wiederkehr seines Ehrentages durch Beteiligung am Pfingstritte“.
Wie tief die Sympathie für den Pfingstritt in den Herzen der Bürgerschaft Kötztings wurzelt, möge überdies aus dem Anschlusse aller Vereine mit Fahnen bei den Aufzügen zur Feldmesse und zum Empfang des Reiterzuges, sowie daraus ersehen werden, dass der kgl. Bezirksamtmann Herr v. Fuchs sowie die hiesige und teilweise auswärtige Hochwürdige Geistlichkeit durch ihre Beteiligung die Pflege dieses altehrwürdigen Gebrauches zu erhalten und zu fördern bemüht sind.
Als Pfingstbraut erwählte sich der Bräutigam Fräulein Leni Mühlbauer, Gastwirtstochter von hier, die Pfingsthochzeit fand im Lokal der Eltern des Bräutigams statt.

Weihbischof Freiherr von Ow hielt im Juni in Kötzting die Firmung ab und wurde von Pfingstritt=Geistlichen zusammen mit 16 Reitern in Thenried, von Neukirchen kommend, erwartet und nach Kötzting geleitet. Dort wird er feierlich im Pfarrhof empfangen und firmte am folgenden Montag 700 und am Dienstag 640 Firmlinge. Nach Besichtigung der karitativen Einrichtungen Kötztings  und der Wallfahrtskirche Weißenregen folgte auch schon der Abschied, bei dem erneut Pfingstreiter auftraten und den hohen Gast bis nach Miltach begleiteten.

Es wird Sommer und die Fremdenlisten wurden aufgestellt. Am 22 Juli stellte die am magistratischen Fremdenbüro aufgestellte Liste fest, dass 92 Passanten und 44 Personen zum längeren Aufenthalt in Kötzting weilten.

Bild aus der gedruckten Mehlerchronik
Fristgerecht zum Eintreffen der Gäste wurde in Kötzting ein neuer Wanderweg eröffnet, der neu angelegte Gangsteig zwischen dem Roten Steg und Regenstein. Der ganze Weg ist bequem in einer Viertelstunde zu begehen und darf wohl zu den schönsten Spazierwegen unserer Umgebung gerechnet werden.

Am 1. August kommt die Nachricht, dass der langjährige Kötztinger Oberlehrer Karl Holzapfel, auf sein eigenes Ansuchen hin, in Ruhestand versetzt worden ist. Am selben Tag  wurde das Kommunebrauhaus in eine Genossenschaft umgewandelt und in  Brauhaus Kötzting“ umbenannt.







Eine Woche später fand die Gründung des 20. Vereins in Kötzting statt,  Verein Laetitia, also Wohltätigkeit, hieß die neue Gruppierung. Der Verein wollte durch Theaterspiel Einnahmen erzielen, die wohltätigen Zwecken zugute kommen sollen. Spielort der Theatergruppe ist das Vereinslokal Lemberger..

Liebl Josef, Kötztings Vorzeigeturner
Im Hochsommer, Ende August hielt der Turnverein Kötzting ein Kellerfest beim Dregerkeller, seinem abwechslungsweise verschiedene Übungen vorgeführt.  Es war eine Freude die beiden Vereine bei diesem Feste in echt turnerische Weise miteinander verkehren zu sehen. Die Viechtacher Gäste blieben bis weit in die Nacht bevor die Stunde des Abschieds schlug, und mit einem gestifteten Pokal, überreicht vom Vorstand Karl Lindner, kehrten die Viechtacher Turner nach Hause zurück, die Kötztinger Festteilnehmer blieben noch lange zusammen.
Festplatz, ab. Der befreundete Verein aus Viechtach der besonders eingeladen worden war, erschien mit 40 Festteilnehmern und beide Vereins zeigten ihr Können dem Publikum. Von den Turnern der beiden Vereinen wurden vor allem auf dem Reck
Ende September folgte dann die lange vorbereitete Abschiedsfeier für den Kötztinger Oberlehrer Karl Holzapfel. Im Hotel zur Post hielt der Magistrat und der Gemeindeausschuss eine Abschiedsfeier ab und gleich zu Beginn dankte Bürgermeister Liebl dem Scheidenden für all die Mühen und Opfer, die er zu Gunsten des Marktes Kötzting und seiner Umgebung (Ludwigsberg) gebracht hatte. Aus Dankbarkeit hatte der Markt ihm schon vor Jahren die Ehrenbürgerwürde übertragen, nun sollte als neue Ehrung eine Straße die Benennung Holzapfelstraße erhalten.
Mit begeisterten Zurufen wurde diese Ehrung des allverehrten und verdienten Mannes von den zahlreichen Festteilnehmern entgegengenommen. Pfarrer Elsner feierte seine Verdienste als Lehrer und Chorregent, Lehrer Drunkenpolz sprach für das Lehrerkollegium und überreichte dem Geehrten einen Regulator.

der sehr beliebte Lehrer Holzapfel verabschiedet sich von den Kötztingern


Der Männergesangsverein brachte das Lieblingslied  des Herrn Oberlehrers zum Vortrag, da dieser lange Jahre Dirigent dieses Vereins gewesen war. Forstmeister Hubrich, nun Vorstand des Männergesangsvereins, ehrte Holzapfel zusätzlich auch noch als Gründungsmitglied des Verschönerungsvereins. Bezirksamtmann von Fuchs gedachte auch noch der Verdienste Holzapfels  als Mitglied der Waldvereinssektion Kötzting.
Oberlehrer Holzapfel bedankte sich sehr herzlich und versprach oft wieder zu kommen, er der so viele Sommeraufenthalte hat bereiten helfen, wollte nun selbst als Sommerfrischler kommen. Tags darauf bedankte er sich mit einer ganzseitigen Anzeige im Kötztinger Anzeiger.
Jäger und Jagdfreunde und insbesondere die Liebhaber von Hasenbraten und Ritschisachen hatten sich zu einem fidelen Hasenessen bei Herrn Lindner am Samstag den 5.November abends vereinigt. Zu später Stunde, als die Hasen in bekannter Bierseligkeit schwammen und die Ritschi die gewünschte Sesshaftigkeit hervorgebracht hatten, da erscholl so manches frohe Lied. In allen künftigen Jahren werden wir uns gerne des Herrn scheidenden Bezirksgeometers Schmeißer (=auch Vorsitzender des Flottenvereins Kötztings) erinnern, der der Vater unserer hiesigen alljährlichen Hubertusfeier ist. Bedauerlicherweise war ein hervorragender Hubertusverehrer wegen Seekrankheit am Erscheinen verhindert. Oh der Flottenverein, wie notwendig, dass wir alle seetüchtig werden.
Zum Abschluss des Jahres gab es dann wieder die alljährlichen Theatervorstellungen  der St. Josefspflege, die im Theatersaal des katholischen Gesellenvereins (=heutzutage Kolping), beim Januel, ihre Stücke mit vollem Erfolg aufführten.
Am selben Tag gab es erneut eine Vereinsgründung, der Eislaufverein in Kötzting e.V. wurde eingerichtet. Hauptzweck dieses Vereins  war es den Mitgliedern die ungestörte Ausübung des Eislaufsportes zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde der Höcherl’sche Baumweiher während des Winters angemietet und ausschließlich den Vereinsmitgliedern vorbehalten.
Das Eisschießen ist auf dem Platze auch den eigenen Vereinsmitgliedern verboten.
Mit diesen Nachrichten klang das alte Jahr aus und die Menschen freuten sich auf die Faschingssaison des neuen Jahres.


[i] Die zitierten  Ausschnitte und Zusammenfassungen stammen aus den alten Exemplaren des Kötztinger Anzeigers, der in der Bayerischen Staatsbibliothek in  München unter der Signatur  4Eph.pol.3cel 1900 ff zu finden ist. Die Bilder stammen aus dem Bestand des Arbeitskreises Heimatforschung Kötzting, vielen Dank an Frau Rabl-Dachs und an Frau Kretschmer für die Auswahl.

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Der Weihnachtsblog

der erste belegte und

fotografierte  Kötztinger Christbaum mit dem Jesuskind in der Krippe Aufnahme ca. 1903 o. 1904

nachträgliche Bescherung für einen Heimatforscher und frühe Christbaumbilder aus Kötzting

Die Vorgeschichte:


Ein ereignisreicher Abend beim "Leboid"

2010 wars, die Kötztinger Bürger feierten ihr 925 jähriges Jubiläum mit einem bunten Strauß an Veranstaltungen, verteilt über das gesamte Jahr hinweg. Mein erster Beitrag für diese Reihe war ein Vortrag beim Obst und Gartenverein Kötztings im Januelsaal irgendwann im Januar. Lange nach dem Ende der Versammlung, der Saal hatte sich schon längst geleert, saßen wir noch abschließend mit ein paar Leuten zusammen - und wie so oft bei solchen Themenabenden, ging es um alte Geschichten und Erinnerungen.
Nebenbei sprach bei dieser Gelegenheit der Wirt, Herr Mathes, über eine seltsame Fahne mit Muttergottesmotiv und dem Kötztinger Wappen auf dem Blatt , die er bei sich im Speicher gefunden hatte.

Ganz am Ende, eigentlich wollte ich schon nach Hause gehen und alles war schon eingepackt, kam ein Mann auf mich zu, stellte sich als ein Herr Frank aus Wiesing vor und wollte mir Bilder von Kötzting zeigen, die er auf dem Flohmarkt in Kötzting, schon vor längerer Zeit, gekauft hatte.
Da wir im Arbeitskreis Heimatforschung in Kötzting ja eine eigene Arbeitsgruppe für Bilder haben, wollte ich Herrn Frank zuerst schon auf Frau Kretschmer und Frau Rabl-Dachs verweisen, aber seine Frage: "wollns sie sich die nicht doch einmal anschauen", machte mich natürlich neugierig.
Er öffnete ein Schächtelchen und darin waren vielleicht 30 schwarz-weiss Aufnahmen mit Kötztinger Motiven, aus der näheren Umgebung, auch vom Pfingstritt, teilweise datiert um die Jahrhundertwende bis ca. 1904.
Mir war schnell klar, dass wir solche Bilder noch nicht hatten, weshalb ich gleich unserer Interesse bekanntgab. Ich gab ihm seine Bilder zurück, nicht ohne sie mir im Einzelnen noch einmal neugierig und genau anzusehen, es waren ja tolle Motive drauf zu sehen.
Dann gings wirklich ab nach Hause, es war ein anstrengender und wegen der vielen Nachfragen auch ein  fordernder Abend gewesen und, Zuhause angekommen und die ganze Situation beim "Leboid" Revue passieren lassend, fiel es mir - und hier passt das Stichwort wirklich und ist keine Übertreibung - wie Schuppen von den Augen:  ich kannte die Motive ja schon längst, denn viele dieser Fotoaufnahmen hatte ich schon längst als gemalte Bilder an ganz anderer Stelle gesehen.


Szenenwechsel und Sprung zurück um ein paar Jahre

Also, wenige Jahre vorher, als man bei Ebay unter dem Stichwort "Kötzting" noch mehr als nur eine Unmenge von Allerweltspostkarten finden konnte, wurde ein Aquarell Kötztings aus dem Jahre 1900 angeboten.  - dieses damals angebotene Aquarell mit der Marktmühle bildet übrigens das Hintergrundbild dieses Blogs - . Mail hin und mail her erbrachte die Situation, dass der Besitzer ein Regensburger Antiquitätenhändler war, der auf meine Nachfrage, "ob er noch mehrere Bilder habe", antwortete, "er hätte insgesamt 700 Aquarelle von den Erben des Malers gekauft und würde diesen Bestand nun gerne auflösen und verkaufen". Aus dem Kötztinger Bereich waren es dann am Ende ca. 50-60 kleine Gemälde.
Zwei einzelne Bilder hatte ich mir schon zu Beginn der Transaktion ersteigert und das Konvolut der Übrigen konnte nach Sponsorensuche durch die Kulturabteilung des Landratsamtes für einen ansehnlichen Betrag erworben werden. Diese restlichen Aquarelle -bis auf meine eigenen zwei Exemplare -  hatten in etwa ein kleines bis mittleres  Postkartenformat und waren in kleinen Alben zusammengebunden. In diesen Alben waren auf der Deckelinnenseite, tagebuchartig, Blenden, Belichtungszeiten und manche Orts- und Datumsangaben mit Bleistift tabellarisch notiert. Die Bilder konnten wir in Kötzting einscannen und anschließend wurden die Aquarelle dem Bestand des Museums in Walderbach zugeführt.
Einige der Gemälde wurden ja dann bereits in dem, dem Ankauf folgenden, Band der Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham, den sogenannten "gelben Bänden", im Jahre 2007 vorgestellt und im Detail besprochen.


Erneut der Sprung nach 2010

es könnte das Lindnerwehr oder das Wehr beim jetzigen Wanninger Kraftwerk sein



















Nachdem mir also aufgefallen war, dass ich die Motive kannte, passte dann gleich Eins zum Andren:


1. Der Groschen war gefallen beim Betrachten der Aufnahme einer Wehranlage, eines Motives also, das der Künstler sowohl als Bild also auch als Bleistiftzeichnung und als Aquarell öfter verwendet hatte. Möglicherweise ist es mir deshalb im Gedächtnis geblieben, weil ich selbst vor vielen Jahren das Wehr beim alten Schwimmbad als eines meiner ersten bewusst ausgesuchten Motive mit meiner damaligen "neuen" Spiegelreflexkamera ausgewählt hatte.

das dürfte, könnte die Hütwöhr sein, beim  alten Schwimmbad


2. der Zeitraum:  auch die Aquarelle deckten einen Zeitraum von 1899 bis 1904 ab
3. Gleiche Motive und Bilder zum Beispiel bei der Burgruine Lichtenegg, Burgruine Runding, Glashütte Lohberg und Stachesried.
4. Die Schrift kam mir bekannt vor


Dann endlich sind mir die Bleistifteinträge auf den Albuminnenseiten wieder eingefallen und Frau Dr. Kleindorfer Marx von Landratsamt, die ich gleich am nächsten Tag angerufen hatte, konnte mir zufällig noch am selben Tag die Notizen ablichten und zusenden.
Tatsächlich, für einige Fotos, die es nicht als Aquarelle gab,  - z. B. die Rieder Linde - finden sich Hinweise auf Ort, Belichtungszeit, Datum und Blendeneinstellung in den Aquarellalben

Selbstportrait Mathias Heilmeier
Da wir ja den Maler kannten, von dem wir aufgrund seiner Notizen wussten, dass er auch fotografierte und zeichnete, konnten wir nun nach über 100 Jahren die Bilder und die Fotos nicht nur demselben Künstler zuordnen sondern diese auch räumlich wieder zusammenführen. Aufgeklärt über die Zusammenhänge, schenkte Herr Frank nämlich die Bilder dem Arbeitskreis und wir reichten sie gleich an die Kulturabteilung weiter. Nun sind auch die Bilder in Walderbach im Depot und können dort konserviert werden.


Da wir nun den Maler UND Photographen kannten und aus den Kötztinger Matrikeln auch wussten, dass sein Sohn in zweiter Ehe in Kötzting  verheiratet war und hier arbeitete, so ist es auch zu vermuten, dass die kleine Familie, die am Weihnachtstisch und im Schnee abgebildet ist, die Familie der jungen Franz Heilmeiers ist und der Vater respektive der Großvater seine Besuche  zum Malen und Fotografieren genutzt hat. Gemalt hat offensichtlich nach den Vorlagen seiner Photographien. Der Kötztinger Ingenieur und Bezirkstechniker Franz Heilmeier hatte seine erste Frau Caecilie im Mai 1901 verloren und sich bereits im Januar 1902 ein zweites mal verheiratet





Diesmal heiratete er eine Bogener Konditorentochter, und sein Vater, der Rosenheimer Regierungsbaurat, war auch sein Trauzeuge. Dieser Mathias Heilmeier ist der Maler und Photograph und in dem Schächtelchen mit den Bildern befinden sich auch datierte Aufnahmen eines stattlichen Bogener Wohnhauses. Franz Heilmeier war zumindest noch bis 1905 in Kötzting, weil er da noch im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Fest im Kötztinger Anzeiger erwähnt wird. Danach verliert sich seine Spur.

Auszug aus den Trauungsmatrikel im Pfarramt Kötzting






Das jetzige Rathaus noch vor dem Brand 1911

 
Aber die Entwicklung geht noch weiter: denn ein Bild fiel mir damals besonders auf, es war eine Ansicht Kötztings , bei dem ich den Standort des Photographen irgendwo in der Wurmhöhe oder im Heiglgarten vermutet hatte, allerdings hätte er da auf einer hohen Staffelei stehen müssen. Eine Anfrage in diesem Winter wegen des genauen Geburtshauses von Eugen Hubrich brachte mich auf die Idee auch den Wohnort der Familie Heilmeier nicht nur in den Pfarrmatrikeln sondern eben auch in den Zivilstandsregistern der Stadt zu suchen, weil dort zumeist zusätzlich auch die Hausnummer respektive bis ca 1950 die Plannummer der Wohnung angegeben werden musste. Und siehe da, auch das Rätsel des Fotografenstandorts ließ sich damit lösen.
 Bei dem Sterbeeintrag seiner ersten Frau wurde auch die Hausnummer angegeben.

Sterbeeintrag der ersten Ehefrau im Zivilstandsregister der Stadt Bad Kötzting

Die kleine Familie wohnte auf der Hausnummer 59 und das war der sogenannte Kollmeierkellers, nun die  Bärwurzerei Liebl, am oberen Ende des langgestreckten Gebäudes, das in den Hang hineingesteckt aussieht. Von dort, von seiner eigenen Wohnung aus, hatte er die richtige Höhe, um über das Kommunbrauhaus hinweg zum Bezirksamtsgebäude und zur Kirchenburg hinüber  fotografieren zu können. Den Sterbeeintrag seiner Frau unterschrieb Franz Heilmeier eigenhändig mit: "Fz Heilmaier"




das ist der Kollmeierkeller, soweit ich weiß gibt es von diesem Bierkeller mitsamt den schattierenden Bäumen kein anderes Bild. Die sichtbaren Fenster auf der linken Seite müssten die Wohnungsfenster der Familie Heilmeier gewesen sein, in denen die Weihnachtsbilder entstanden sind und aus denen heraus die Kötztinger Ansicht fotografiert wurde. Das querliegende Gebäude im Vordergrund dürfte die Kegelbahn gewesen sein, zu jedem Biergarten gehörte damals standesgemäß eine Kegelbahn, ganz egal ob im Schmidtbräukeller oder im Lembergerkeller usw..




Blickachse des Kötztinger Bildes

Winterspaziergang




Familie Heilmeier beim Festessen















































Und das sind nun die ersten Weihnachtsfotos einer Kötztinger Bürgersfamilie. Die Petroleumlampe macht gerade mal ausreichend Licht, um den Festtisch knapp auszuleuchten.









der erste photographierte  Kötztinger Christbaum mit dem Jesuskind in der Krippe
Der "Weihnachtsbaum" ist aber eine ziemlich unterständige und kurznadelige Tanne, heutzutage keiner Ehefrau mehr zumutbar....


der Geschenketisch, mit einem Bilderbuch und wohl der ersten Schiefertafel für den Sohn, im Hintergrund ist ein Jagdhorn sichtbar




Die Innenaufnahmen des weihnachtlich geschmückten Tisches, des Christbaumes und des Geschenketisches, sind mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls in diesem Haus gemacht worden.
Mit diesen Bildern haben wir einen schönen Beleg, dass zumindest bei den bürgerlichen Familien in Kötzting die Weihnachtstraditionen bereits um 1900 schon so gefeiert worden waren, wie wir es heute noch tun.
Eine detailliertere Gegenüberstellung von Heilmeiers Fotos und Aquarellen bzw. Zeichnungen, praktisch die "kriminalistische" Beweisführung ist einem späteren Blog vorbehalten.

Aber auch das war noch nicht alles, was an dem denkwürdigen Januartag herausgekommen ist. Am nächsten Tag ging ich mit einer Kamera zu Herrn Mathes um die Fahne abzulichten, mittlerweile gibt es wesentlich bessere Aufnahmen der Fahne, vor allem nach der Restaurierung, aber meine Bilder mit all ihrer Unschärfe waren eben die ersten schnellen Aufnahmen nach der Wiederentdeckung, um überhaupt auf die Suche nach der Bedeutung der Fahne gehen zu können.

Tatsächlich war sowohl in der Pfingstrittbeschreibung von 1904 die Rede von der Fahne mit der Mutter Gottes auf der einen und dem Kötztinger Wappen auf der anderen Seite als auch auf den Heilmeierphotos des 1904er Pfingstrittes wo deutlich eine Fahne mit der überlangen Fahnenstange zu sehen ist. 


Pfingstritt von 1904 mit der alten Marktfahne
alte Marktfahne, unrestauriert, Schnellphoto im Gang
Schnellaufnahme um die Fahne identifizieren zu können


So brachte  der Abend also eine "neue" alte Fahne ans Licht der Öffentlichkeit und nach über 100 Jahren Fotos und Bilder ein und desselben Mannes wieder zusammen. Für jemand wie mich, dessen Steckenpferd die Heimatgeschichte ist, war es ein toller, ein erfolgreicher Abend.