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Mittwoch, 31. März 2021

Digitale Neuzugänge im Stadtarchiv Bad Kötzting 1



 Nachdem die Inzidenzen in Bayern vor drei Wochen den Schwellenwert unterschritten hatten, durften die großen Archive - mit strengen Auflagen - wieder öffnen und ich konnte meine Archivreisen wieder aufnehmen.

Es gibt für unsere Stadt und für meine Häuserchronik einige "Schlüsseldokumente", die mir/uns bisher nur in Abschriften oder sehr schlechten und verblassenden Kopien zur Verfügung standen.

Heute nun - am 30.3.2021 - konnte ich einige dieser, auch optisch beeindruckenden - Archivalien im Hauptstaatsarchiv in München digitalisieren. Seit dem Jahresanfang lässt auch München das kostenlose und private Fotografieren von Archivlaien zu, nur leider konnte ich dies in diesem Jahr nur sehr spärlich nutzen.

Hier also nun ein paar Beispiele von den "Schmankerln" der  "digitalen Neuzugänge"

In einem Pergamentband von 1462 findet sich eine Liste der Kötztinger Bürger.

Bayr. Hauptstaatsarchiv München KL Rott 111 Salbuch des Marktes Kötzting und der
umliegenden Dörfer aus dem Jahre 1462







Hier die Zusammenstellung für Beckendorf und Zeltendorf

Hier nun ein weiteres "Salbuch", genauer Giltverzeichnis für den Markt Kötzting und die Dörfer, die im Grundbesitz des Klosters Rott gewesen waren, diesmal aus dem Jahre 1584 und aus geschöpftem Papier. 

Bayr. Hauptstaatsarchiv München KL Rott 12 Stift und Giltverzeichnis aus dem Jahre 1584

Nr. 1 ist der heutige Amberger Hof und die Nummer 2 ist das ehemalige
Gasthaus Januel, beim Leboid. 

Auch hier sind die umliegenden Dörfer mitaufgeführt: hier Grädiß und Gäzstorf, also
Gradis und Gadsdorf

Am Ende noch ein Akt aus dem Nothafftarchiv - ebenfalls im Hauptstaatsarchiv deponiert.
Graf Nothafft, gerade erst von einem Kuraufenthalt in (Bad) Abbach in Straubing angekommen, muss erfahren, dass einige seiner Rundinger Untertanen von  5 "Kötztinger Schützen" schwer beleidigt worden wären. Es wäre die rede gewesen, dass die Rundinger Untertanen und er, der Herr Graf, wohl auf des Kaisers Seite stünden (Spanischer Erbfolgekrieg) und daher an den Füßen aufgehängt gehörten. Als sein  Rundinger Verwalter seinen Schreiber nach Cham sandte, um dies aufzuklären, sei dieser dort schwer misshandelt worden. Resultat: ein dicker Stapel mit Briefen inklusive einer  Zeugenbefragung.
Bayr. Hauptstaatsarchiv München Nothafft Lit Nr. 31 von 1703






Insgesamt 650 Seiten konnte ich bei meinem Besuch abfotografieren, und es wartet noch viel Material über Kötzting in München darauf, ausgehoben zu werden.

 



Montag, 14. September 2020

Eine Kötztinger Marktrechnung als Beispiel für eine Jahreschronik Teil II

Interessanter als die Einnahmenseite ist zumeist die Fülle an Ausgaben der Marktgemeinde, hier nun der zweite Teil der Magistratsrechnung von 1782;

 Die Ausgaben:

Zuerst kommen die Lohnausgaben, hier Ausgab auf Besoldungen. Diese Liste zeigt uns regelmäßig die Magistratsräte des Inneren und Äußeren Rats an und wer halt sonst noch auf der Lohnliste des Marktes Kötzting stand

Mein Kammerer Georg Anton Schweizer jährliche Besoldung macht, so ich kraft Scheins auch richtig erhalten: 9 Gulden. Samuel Luckner war in diesem Jahr der Vicekammerer, erhielt aber dieselbe Summe an Aufwandsentschädigung


Der jeweilige Marktschreiber, der diese Tätigkeit ja als seinen Beruf ausübte, während die Markträte von ihren Besoldungen nicht leben mussten, erhielt 33 Gulden.

Dann folgen die beiden anderen inneren Räte (4 Mitglieder hatte dieser)
Joseph Weiß als senior und Johann Georg Lecker als junior des Innern Rats bezeichnet.

Die Zahl der äußeren Räte schwankte, in diesem Jahr waren es 6 Personen.
Als Senior des Rats wurde Egidius Fischer bezeichnet, ihm folgten Lorenz Huber, Jakob Schaffner, Johann Michael Liebl, Johann Balthsar Kalb und Ignatz Mayer. Letzterer erhielt den Zusatz Junior des Rats.
Alle Ratsmitglieder erhielten als Besoldung gleichmäßig 4 Gulden im Jahr.

Ander Zadler, als Marktdiener, dem unter anderem auch die Forstaufsicht im märktischen Wald im Watzlhof unterstand, sowie die Kontrolle der "im Regenfluß arbeithenden Fluderer" mitsamt der Einziehung der Fallrechtsgebühren, kam auf einen Jahreslohn von 23 Gulden.
Seit dem Jahre 1765 hatte er eine weitere Aufgabe erhalten, für die er nun zusätzliche 4 Gulden im Jahr bekam: die "tägliche aufziegung der neuen Rhathaus Thurmuhr"


Unter Samuel Luckner wurde das (nun alte) Kötztinger Rathaus in die Form gebracht, wie wir sie fast ungeändert auch heute noch sehen können. Wegen eines - damals - andauernden Streits mit dem Pfarrer unter anderem auch über die Gestaltung  des neuen Kötztinger Kirchturms entschied Luckner sich dafür, für seine Bürger eine eigene Uhr anzuschaffen. 

Der zweite märktische Angestellte war der Nachtwächter Johann Ander Obermayr, der "von Ausrufung der Uhr" und der Nachtwache 7 Gulden, für das Pfänden 3 Gulden und für ein Paar neue Schuhe 1 Gulden, zusammen also einen Jahressold von 12 Gulden hatte.

Da er auch für das Pfänden bezahlt wurde, war er also auch noch der Kötztinger Flurwächter, der aufzupassen hatte, dass die Kötztinger Landwirte mit ihrem Vieh nicht "zufällig" auf unerlaubte Fluren einweideten. Solche Missetäter, bzw. deren Tiere, wurden im Pfänderstall beim oberen Kötztinger Markttor, dem Cham(er)auer Tor als Pfand eingesperrt, bis die Strafe bezahlt worden war.
Da das Chamauer Tor auch eine Wohnung enthielt, vermute ich, dass der Nachtwächter dort sogar seine Wohnung hatte und von dort oben dann seine nächtlichen Kontrollgänge den Markt herunter begann.
Im Protokoll des großen Marktbrandes von 1867 werden die Aussagen der damaligen Nachtwächter überliefert, aus denen die Aufgabenverteilung der Nachtwächter schön dargestellt sind.  

Kötzting hatte noch einen zweiten Nachtwächter auf der Lohnliste: den Bürgerssohn Johann Georg Hofmann: 8 Gulden für den Dienst und 1 Gulden für ein Paar Schuhe sind sein Lohn.

Frau Theresia Obermayr war die damalige Kötztinger Marktshebamme, welche Aufgabe dem Markt stolze 2(!) Gulden wert war


Es folgen die Ausgaben im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten



Der Kötztinger Schuhmacher Georg Pachmayr stellte den Antrag in Weißenregen eine "Pierzöpflerei", also eine Schankstatt, neu zu installieren, was die Kötztinger Marktlehner - Pachmayr war vom Status nur ein sogenannter Häusler, was es ihm im Markte Kötzting grundsätzlich verbot, Bier auszuschenken. Also versuchte er es im Nachbarort. Der Markt verbot dies und die Sache landete bei der Regierung in Straubing, verursachte Kosten, wurde aber dann letztendlich abgewiesen. Pachmayr war mit seiner Idee einfach um 75 Jahre zu früh dran gewesen. 

Dann gabs eine solenne Rauferei beim Marktlehner Joseph Geiger - zur Erinnerung: die Kötztinger Marktlehner hatten ALLE das Recht, im Kommunbrauhaus brauen zu lassen und das Bier zu Hause auszuschenken, daher waren fast alle Kötztinger Marktlehner, neben ihrem Hauptberuf, meist auch noch Wirte - , der im Jahre 1781 in das Anwesen eingeheiratet hatte, das wir heute als Gasthaus Dreger in der Marktstraße kennen. 

Wegen des bei Joseph Geiger burgerlichen Marcktlehners zwischen deme, dessen Eheweib, und noch mehr anderen theils bürgerlichen theils aber frembden Persohnen, dann der Mannschaft von dem Churfürstlich loblichen Militarischen Jäger Korr vorgehabten geräuf, woruter verschidene Persohnen, und in Specie der alte Poppenzeller, mit einem Säbel Hib, dann der burgerliche Marktmüller Bauknecht mitls Schlög, und Abführung in das Ambtshaus müsshandelt, dem Geiger aber gar dessen Hund zu Tod gehauen worden ist.....

Der Kötztinger Untersuchung nach, habe die "Jägermannschaft den Anfang gemacht", da aber deren Hauptmann Laubermiller ebenfalls einen Bericht nach Straubing geschickt hatte, sahen die Kötzting "periculum in mora", also Gefahr in Verzug und schickten einen eigenen Sonderboten nach Straubing, um einer vorschnellen Verurteilung zuvorzukommen. 

Der nächste Vorgang ist für Samuel Luckner sehr delikat, es geht um die Fenster des Kötztinger Stadtarchives, von denen eines in den Hof des Nachbarn, des Handelsmannes Johann Baptist Fabrici zeigt. (Voithenleitnerhaus). Fabrici möchte ein Gebäude erhöhen, was dieses eine Fenster leicht verdecken würde, was Luckner aber nicht dulden will. 
Es kommt zu einem längeren Rechtsstreit mit Ortstermin, in dem der Gutachter deutlich feststellt, dass, da ein Archivar eh nur zwei Augen habe, er deshalb auch kein drittes Fenster benötigen würde, er solle auch arbeiten und nicht aus dem Fenster sehen....
Dieser Rechtsstreit ist bereits Teil einer Artikelserie in den sogenannten Gelben Bänden, also den Beiträgen zur Geschichte im Landkreis Cham gewesen. 

StA Landshut Regierung Straubing A 4703 

Dieses Fenster brachte den Kammerer Luckner zur Weißglut und verursachte nur Kosten für die Marktgemeinde, Fabrici gewann diesen Prozess gegen den Markt.

Ein weiterer Fall ist eine verweigerte Bürgeraufnahme, gegen die sich der Abgewiesene erfolgreich wehrte. Der Goldarbeiter Heinrich Leszkier - aus Warschau stammend - hatte sich ein Haus in Kötzting gekauft und wollte sich hier  - der Hausbesitz war eine zwingende Voraussetzung - niederlassen und das Bürgerrecht erwerben. Der Markt verweigerte sowohl die Protokollierung des Kaufes als auch die Gewährung des Bürgerrechts - ohne Angabe von Gründen, eine Fremdenfeindlichkeit möchte ich eher ausschließen -, wurde aber von der Regierung in Straubing ausgebremst und zur Durchführung von beiden Amtshandlungen verpflichtet.
Die Goldschmiedefamilie Leszkier war bis weit hinein ins 20. Jahrhundert eine angesehen Familie in Kötzting. Zweimal stellte diese Familie auch den Kötztinger Pfingstbräutigam.


Nun kommen die Baureparaturen,  

Hier kommen nun Arbeiten und Ortsangaben ins Spiel:
Der Marktzimmermeister Johann Georg Obermaier führte folgendes aus:
zwei Rinnen "ins Urtl verferttiget" - dies ist Teil der damaligen Wasserversorgung des Marktes
Neue "Scharrrünnen zum Hütthaus und der Fleischbank" (Das Hüthaus war mittlerweile beim Ludwigsberg und die Fleischbank lag em Ende der Metzstraße)
Der "Rabensteg" wurde neu gemacht (noch unbekannt)
Die Galgenberg und die große Regenbrücke wurden notdürftig repariert.

Weiter musste er im Watzlhof (war im Besitz des Marktes damals) den Stadel reparieren und im Hause eine neu Wand einziehen und im Markt 2 hölzerne Brunnen so weit in Stand setzen, dass sie noch ein weiteres Jahr genutzt werden konnten.

Georg Ludwig, der damalige Stifter des Watzhofes, schlug das für dieses Jahr nötige Bauholz des Marktes im Watzlholz, welches ebenfalls dem Markt Kötzting gehörte. 126 Blöcher musste er fällen und auf dem Regenfluss nach Kötzting anliefern. Für 103 Stück davon wurde er bezahlt, die übrigen 23 Blöcher hatte er als kostenlose Lieferung laut seines Stiftkontraktes zu erfüllen. 
Da diese Baumstämme aber auf dem Weg nach Kötzting drei auswärtige Mühlen passieren mussten - die Englmühle, die Fessmannsdorfer Mühle und die Multersag (später Sperlhammer) -, bezahlte der Markt die dabei fälligen Fallrechte, auf die alternative Möglichkeit, dass der jeweilige Müller sich ein Bloch aus den Fuhren herausziehen durfte, wollten die Kötztinger nicht eingehen und bezahlten lieber die Gebühr.  

Samuel Luckner, der öfters seine Fuhrwerke zur Verfügung gestellt hatte, setzte auch diesmal wieder seine Fuhrleute ein, es ging um die Bretter für die neue Registratur (=unser erstes Archiv in Kötzting, dieses zu erbauen war Luckners Idee, darum war er auch so erbost über die "Fenstergeschichte" seines Nachbarn)  )

Egidius Fischer, seines Zeichens ein Schreinermeister arbeitete zwei halbe Tage an der Regenbrücke (Oberbergerbrücke) und der Galgenbergbrücke (heute unsere Große Regenbrücke) und bekam als Entlohnung dafür 1 Gulden 30 Kreuzer. 

Margaretha Görgenhuberin, die verwitwete Hafnerin in Kötzting in der Metzstraße, gleich hinter den Fleischbänken (daher heißt der von uns Obermarktlern "Wurmhöhe" genannte steile Weg am Ende der Metzstraße in Wirklichkeit auch "Hafnersteig".) hatte die Öfen im Hüthaus und im Brechhaus zu reparieren. Das Brechhaus lag an der Einmündung der heutigen Ziegelgasse in die Jahnstraße.

Für diese Baufälle lieferte der Nagelschmied Anton Fischer die Nägel und gab das Ziegelamt Ziegel und Dachtaschen ab.

Die Rathausturmuhr erhielt ein neues Seil vom Kötztinger Seilermeister Lorenz Huber (heutzutage die ehemalige Metzgerei Oberberger) 


Nun geht's weiter mit dem leidigen Marktpflaster

Eigentlich war geplant, nur die schadhaften Stellen auszubessern, nachdem aber der Chamer Pflasterer Anton Paur sich die Sache angesehen hat und schon mal bei der Marktmühle begonnen hatte, wurden so viele schadhafte Stellen entdeckt (das alte Pflaster mit ungleicher Höhe, teils wegen der "Wasserseigen" ungleich hoch angelegt), dass es unmöglich war, das Pflaster auszubessern und eine Bindung wieder herzustellen.
Aus diesem Grunde blieb dem Markt - auf Bitten der gesamten Bürgerschaft - nichts anderes übrig, als vom Flickwerk abzusehen und von der Marktmühle bis zur St. Veitskirche das Pflaster neu herstellen zu lassen. 
Ganz ausführlich beschreibt der Magistrat seine Nöte und den Zustand der Straßen, weil sie eigentlich sich die Bauarbeiten von Straubing hätten genehmigen lassen MÜSSEN, aber es sei für den Pflasterermeister unmöglich gewesen, den Aufwand an Steinen und Sand und der Pflasterer vorher genau zu beziffern.
Für 723 1/4 Klafter Pflasterarbeiten erhielt der Meister 176 Gulden und seine Ehefrau, die ihn als Handlangerin unterstützte weitere 19 Gulden 30 Kreuzer. 

Viele Kötztinger Marktlehner arbeiteten mit ihren Fuhrwerken an dem Gewerk mit und erhielten dafür ansehnliche Summen. Insgesamt kostete die Erneuerung des Marktpflasters von der Marktmühle bis hinauf zur Veitskirche die Kötztinger 602 Gulden.


Die Marktschneidsäge oder die Herrensäge (der Lindnerbräu heutzutage)

Ein Unwetter hatte die Bedachung an der Rückseite ruiniert, weshalb Schindeln, Bretternägel benötigt wurden.
Der beschädigte Wasserfall der Säge schlug mit 130 Gulden zu Buche. Zusätzlich wurden Baumstämme aus Eichenholz herangeschafft und auch hier waren erneut Fuhrlöhne an Kötztinger Marktlehner zu bezahlen. 


Die märktische Wasserleitung

 Schon vor Jahrzehnten hatte der Kammerer Luckner sein Quellwasser (aus demselben Quellgebiet wie der Markt Kötzting) mit den märktischen Quellen zusammengefasst und nun in einer - vorher zwei - Rinne in den Markt herein führen lassen, wofür er Luckner, als privater Brauhausbesitzer - die Hälfte der jährlichen Kosten beim Brunnenmeister trug, aber auch oben am heutigen Torplatz, noch bevor die Leitung zum Marktplatz hinunterführte, an einem Wechsel das Wasser für sein Brauhaus abzweigen durfte. Die Jahresgebühr von 18 Gulden für den Brunnenmeister teilten sich schiedlich der Markt und Samuel Luckner. 

StA Landshut Regierung Straubing A 4591 Strassmayr ct Luckner ao 1740


Der nächste Ausgabenposten sind "Umlagesteuern", (die Kötzting an Straubing weiterreichen musste) aus den unterschiedlichsten Kategorien, die sich im Jahr 1782 auf 438 Gulden aufsummieren. 

Nun wird's langsam bunter.... es kommen die "Bewirtungsspesen"

Zuerst eine kleine Schmierung.... dem Herrn Regierungsexpeditor wurde als Präsent für das Neue Jahr durch einen eigenen Boten extra ein Kalender geschickt, dumm nur, dass die Regierung im Jahr zuvor ausdrücklich solche "Neujahrsgeschenke" verboten hatte, daher steht hier NIHIL. Da die Ausgabe in Höhe von 2 Gulden 30 trotzdem erfolgt ist, muss wohl der amtierende Kammerer Schweitzer, wie damals üblich, die Kosten aus der eigenen Kasse bezahlen.

Dann wurde im Rentmeisterumrittsprotokoll von 1755 festgestellt, dass die Kötztinger Ratsherren, Beamten, Offiziere und die bürgerlichen Schützen es beim Fronleichnamsfest deutlich zu sehr krachen haben lassen und zukünftig die Ausgaben auf 9 - 10 Gulden gedeckelt werden.
Nun, da die Marktkasse nicht mehr - anders als in den Jahren bis 1764 - "in Schulden verpackt gewesen", habe der Kammerer die 10 Gulden zum 18. Mal (seither) für die Ratsherren und Offiziere ausgegeben.
Hinweis: die Regierung hatte mit dem Kostendeckel aber eigentlich alle Ausgaben für Fronleichnam im Sinn gehabt.

Nachdem der Markt FORMAL die Kostenbremse eingehalten hatte, gings munter mit der Feierei weiter: " So hat man auch denen 30 burgerlichen Schüzen. Tambour und Zwerchpfeiffern als welche nebst dem Fendrich und übrigen Offizieren sich gebrauchen lassen und bei denen abgesungenen 4 Evangelien im Feuer paradirt haben, nachmittags auf das Rathaus 2 Eimer braunes Bier zu einer wenigen Ergözlichkeit abfolgen lassen.... 6 Gulden"

Hinweis: 2 Eimer Bier sind 132 Liter, es war also ein Schnäppchenpreis, denn für 6 Gulden hätte man sonst nur 120 Liter erhalten....
Für 32 Kreuzer gabs dann noch Brot dazu, zur Stärkung.

"Sonderbar denen 4 Himmelschüzen, Tambour und Zwerchpfeifer, um sich beide letztere mit ihren Instrumenten, wie gehört gebrauchen lassen, worunter aber Marcktdiener mit 30 xr weegen dem Einsagen verstanden.  1 Gulden 30

Hinweis: Die 4 Himmeltrager und die Musiker an der Trommel und der Querflöte wurden für ihre Leistungen bezahlt, der Marktdiener wurde vorher zu allen zum "Einsagen" vorbeigeschickt, dass ja alle kommen.


Nun folgen die Gemeinen und sonderbaren Ausgaben


Der Buchbinder für diese Rechnung muss bezahlt werden ebenso wie der Marktschreiber. Manche Objekte, die in Besitz des Marktes Kötzting sind, haben einen speziellen Status und verursachen daher auch besondere Ausgaben:
Kloster Rott erhält die Gilt für die Wuhn und einen Gartenpfennig sowohl von dieser Wuhn (ein Wohnhaus mit Werkstatt im unteren Markt) als auch vom Gruberhof. (Gärtnerei in Grub), und auch der Rathauskamin muss gefegt werden.

Die Florianiwallfahrt nach Furth ist eine märktische Angelegenheit, weshalb die Aufwendungen dafür auch in der Kötztinger Rechnung aufgelistet sind:

Der Pfarrer                                1 Gulden
Schulmeister und Mesner         1 Gulden
Fahnenträger                            30 Kreuzer
Crucifixträger                          30 Kreuzer
ab denen 2 Fähnlein                12 Kreuzer
denen 2 Discantisten                12 Kreuzer
Leichtstrager                            12 Kreuzer
Joseph Viertl, Lebzelter vor die Schauerkörzen ad 4 Pfund  4 Gulden 32
die Körzen annzuzünden dem Mösner zu Furth     8 Kreuzer 3 1/2 Heller
Andreen Schwarz, so gemelte Körzen nacher Furth getragen 8 Kreuzer 3 1/2 Heller

Der Schützenvortl

Die bürgerlichen Scheibenschützen erhielten diese Zuwendung - Vortl genannt - seit alten Zeiten und bis herauf weit ins 19. Jahrhundert, als dann die Landwehr abgeschafft wurde.

Johann Fabrici, der Handelsmann, war traditionell der Lieferant des Schwarzpulvers für die Fronleichnamsschützen. 5 Gulden wurden dafür bezahlt und derselbe erhielt auch noch 30 Kreuzer für Baumöl um die Rathausturmuhr zu schmieren.

Wie im ersten Teil  - der Ausgaben - bereits aufgeführt ist, war Kötzting auch Grundherr über einige Bauernhöfe in Hofern, Kammern und Ottenzell. Für diese Bauern wurde ein Stiftsmahl abgehalten, was mit 1 Gulden 33 wohl etwas karg ausfiel, vergleicht man dies mit den Ausgaben der Ratsherren an Fronleichnam.

Ein Armenfond

Die Regierung hatte bereits vor Jahren angeregt/beauftragt, dass ein Armenfond (fundo pauperum) aufgebaut werde und auf diesen beruft sich nun die "betrankte arme Wittib Dorothea Parzinger", die darum bittet, dass aus den Mitteln des Fonds das Lehrgeld für eine Schuhmacherlehre für ihren Sohn bestritten würde.
Nachdem der Markt aus Staatsmitteln bereits 28 Gulden zum Aufbau dieses Fonds erhalten hatte, konnte er nun bei den Ausgaben schwerlich blocken, der Sohn erhielt 5 Gulden. 

Ein "Klemmbrett" oder ähnliches

Der Ratsdiener erhielt "einen Pappendeckel und diesen mit weißen Schreibpapier auf biden Seithen zu yberziegen, um sowohl das Fahlrecht als auch die Sag Erträgnuß notiren und offentlich bei denen Rhatssession affigieren zu können."  Kosten 5 Kreuzer

Ich stelle mit gerade vor, wie der, vermutlich schreibunkundige, Marktdiener  bei jedem Wetter mit seinem, mit Papier überzogenen, Pappendeckel am Marktmüllerfall steht  - ganz nahe bei den Waschbänken der Frauen - und für jeden Baumstamm, der durchschwimmt, sein Stricherl macht, so dass er dann Ende - das Papier wird nicht mehr weiß sein - vor der Ratsversammlung Meldung machen kann.

Im Jahre 1782 hat es offensichtlich ein Unwetter nach dem anderen gegeben, so dass sich die Kötztinger Bürger zu einer Prozession zur oberen Seelenkapelle aufmachten.


Dort wurden 2 Messen für die armen Seelen abgehalten. Eine Sammlung dafür durchzuführen wurde für "nicht allerdings schicklich" gehalten - damals sammelte man offensichtlich nicht so offen Geld ein bei einem Gottesdienst,  so dass die Gebühren - 1 Gulden - aus der Marktskasse bezahlt wurden.


Der Rest sind belanglose Kleinigkeiten bzw. Spezialabgaben.... was fehlt:?


Kein einziger Eintrag zum Pfingstritt!

Dies könnte daran liegen - denn wir wissen, dass es 1782 sowohl den Pfingstritt als auch einen Pfingstbräutigam und eine Pfingsthochzeit gegeben hatte - dass sich seit diesem Jahr der Ärger Kötztings mit der Regierung wegen der Auswüchse beim Pfingstritt in den Haaren lagen. 
Um weiteren Ärger zu vermeiden, haben sie wohl die - ehe geringen  - Zuschüsse an die mitreitenden Burschen unterlassen. Der Markt stand in diesem Jahre bereits eine wenig, im darauffolgenden Jahr aber dann gewaltig, mit dem Rücken zur Wand in dieser Angelegenheit. Siehe>>>>>>> Der wilde Pfingstritt 






Dienstag, 25. August 2020

Eine Kötztinger Marktrechnung als Beispiel für eine Jahreschronik Teil I

Unter den Unterlagen, die im Moment aus dem Panzerschrank ausgelagert und wieder ins Stadtarchiv Bad Kötzting eingegliedert werden, befindet sich auch eine umfangreiche Rechnung des Marktes Kötzting aus dem Jahre 1782. 

Umfangreich bedeutet hier vor allem, dass in diesen Zeiten solche Rechnungen eher einem "Erlebnisaufsatz" glichen als einer buchhalterisch, nüchternen Auflistung von Einnahmen und Ausgaben. Natürlich sind auch damals die Geldströme in Einnahmen und Ausgaben getrennt aufgeführt und diese selber wiederum in die unterschiedlichsten Kategorien eingeteilt, aber die Einzelposten sind mit einem mehr oder weniger ausführlichen Kommentartext versehen, die es möglich machen einen detaillierten Blick auf die Bedingungen im Markt Kötzting des Jahres 1782 zu werfen. 

Rechnung des Gemeinen Markts
Közting
Welche Georg Anton
Schweitzer Amtskammerer ab=
gelegt für das Jahre
1782 

Rechnung des Gemeinen Markts Közting, welche der von der Bürgerschaft durch eine freye Wahl ex ao: 1780 elegiert und von einem churfürstlich loblichen Pfleg- und Landgericht Közting, alt gewohnlichermassen verpflicht und dermall im Amt stehende Kammerer Georg Anton Schweitzer samt seinen Mit- oder Nebenkammerer Wolfgang Samuel Luckner über alle Einnahmen und Ausgaben einer sammentlichen Gemeinde vom Neuen Jahr, bis Ende Dezembris 1782 gepflogen und abgelegt hat, wie hernach mit nehers zuvernehmen 1782

Hinweis: Kötzting wählte (in freier Wahl) seine Ratsmitglieder, die anschließend von der Regierung bestätigt werden mussten.

Hinweis zur Währungsumrechnung:
Es ist sehr schwierig bis unmöglich die damalige Währung 1:1 auf heutige Verhältnisse zu übertragen. Von Herrn Ludwig Baumann habe ich eine Rechnung übernommen, die zumindest ein Gefühl für die Höhe damaliger Zahlungen-Steuern-Löhnen geben könnte und zwar den Vergleich mit dem Bierpreis.
Also: Eine Maß Bier kostete damals 3 Kreuzer. Ein Gulden hatte 60 Kreuzer. Für einen Gulden bekam man somit 20 Maß Bier und je nach Bezugsquelle ergibt sich somit ein Wert eines Guldens in der Bierwährung von 100-150 Euro.
Legt man einen durchschnittlichen Tageslohn eines Arbeiters zugrunde, so kommt man auf eher noch höhere Beträge, nur war eben die Arbeitsleistung damals eher sehr schlecht bezahlt, was die Umrechnung verzerrt.
Lassen wir den Umrechnungsfaktor mit der Biermethode einfach an der unteren Grenze und nehmen den Gulden mit ca. 100 Euro an.



Marktsteuern

Die erste Einnahmerubrik waren die "Marktsteuern", darunter war die Hauptsteuer vergleichbar mit einer heutigen Grundsteuer, dann eine Herdstättenanlage, ein Pflasterzoll, eine Tanzsteuer und eine Müllerabgabe. 

Hinweis: Bei der Herdstättenanlage liegt das Prinzip zugrunde, dass erst eine Feuerstätte ein Objekt zu einem bewohnbaren Haus machte.

externe Untertanen


Einnahm an Stüft und Gülten von denn gemeinen Markts Untertannen zu Hofern, Kammern und Ottenzell.
Vermög zu gegen ligenden Stüft- und Saalbüchels, machen dise
10 Gulden 47 Kreuzer

Hinweis: Der Markt Kötzting verwaltete nicht nur selbstständig seine Bewohner sondern war  zusätzlich  auch noch Grundherr über einige Bauernhöfe in diesen drei Dörfern, was er mit einem eigenen Salbuch belegen konnte. 
Im Historischen Atlas von Bayern, Ausgabe Landgericht Kötzting, finden sich die entsprechenden Belege:



Zinseszinseinnahmen aus München

Schon im Jahre 1620(!) hatte Kötzting eine "Zwangsanleihe" über 1000 Gulden zu zeichnen gehabt, welche aber andererseits München verpflichtete, 5 Prozent Zinsen auf diese Summe zu berappen. Viele Jahrzehnte lang bestand diese Einnahmerubrik schlichtweg nur aus einem Wort: "NIHIL", also nichts. München konnte bzw. wollte nichts bezahlen. Später folgte die Zentralregierung dann in kleinen Schritten der Zahlungsaufforderung und erkannte zumindest ihre Zahlungspflicht an. Im 1782er Rechnungsbuch wird ein Zinsrückstand seit 1769 in Höhe von 540 Gulden aufgelistet, für welche München nun 4 (!) Prozent Zinseszins zu bezahlen bereit war und Kötzting quittiert den Eingang von 40 Gulden aus München.
Auch für zwei ganz besondere, dem Markt gehörenden Bauernhöfe, dem Gruberhof und dem Watzhof  forderte München eine Abgabe - und versprach Zinszahlungen - hier allerdings war München noch nicht bereit, Zahlungen zu leisten, deshalb der Zusatz: "NIHIL", also nichts.



Zinseinnahmen von den Bürgern

Ähnlich wie die Pfarrkirchen der Umgebung, das Spital Kötzting oder die frommen Bruderschaften, verlieh auch der Markt Kapital gegen einen festgesetzten Zinssatz von 5 Prozent.
Der Sattler Sebastian Frins (heutzutage Metzstraße 7) hatte 1756 mit der Übernahme seines Hauses von dessen Vater Balthasar auch dessen Hypothek übernommen und zahlte von 20 Gulden Schuld seinen Einen Gulden an Zins an die Marktkasse.
Weitere Schuldner beim Markt: der Schneidermeister Joseph Obermajer hatte ebenfalls 1756 sein Haus von seiner Mutter übernommen. (alte Hausnummer 117 im Pfeffergraben, heutzutage Pfeffergraben 6a)
Dann Michael Härtl, der Junge, ein Leineweber.  (alte Hausnummer 107 heutzutage im Hotel zur Post ausgegangen) hatte das Saliteranwesen seiner Schwiegereltern übernommen, was den Anlieger Samuel Luckner sicherlich freute, dem das Saliteranwesen an seiner Gebäuderückseite schon immer ein Dorn im Auge gewesen war wegen der Brandgefahr.. 
Der Mauerer Anton Perzl auf dem Simmetschen Haus (Brandstraße 6) und dann Adam Dirnberger, Bürger und Küfner, damals noch nicht auf dem später "Dirnbergerhaus" genannten Anwesen, sondern in der heutigen Müllerstraße 1 zuhause, beide haben Geld bei der Marktkasse aufgenommen.
der Vollständigkeit halber führ ich noch die weiteren Schuldner auf:
Georg Jobst, Häusler und Leineweber (Pfeffergraben)
Mathias Kagermaier, Bürger und Küfner (Marktstraße 13)
Franz Härtl, Marktlehner und Leineweber (Schirnstraße 12)
Elisabeth Scholl, Witwe und Marktlehnerin (Marktstraße 25)
Insgesamt hatte Kötzting 1092 Gulden


Bürgerrechtsgelder

Wer in Kötzting als Bürger aufgenommen werden wollte - was nur mit dem gleichzeitigen Erwerb eines Anwesens möglich war,  musste sich das Bürgerrecht zuerst erkaufen, was je nach Anwesensgröße (Marktlehen - Sölde -Haus) in unterschiedlicher Höhe zu entrichten war.
1782 waren dies der Churfürstliche Gerichts- und Marktprocurator Franz Xaver Müller, der das Anwesen am Marktplatz von seinem Schwiegervater erwarb - Siehe Häuserchronik Hausnummer 8 - und dafür 20 Gulden bezahlen musste. 
Georg Kronfelder zahlte nur 10 Gulden, sein "Häusl" ist eingegangen und liegt hinter der heutigen Schattenaustraße 5.   
Der Viechtacher Bürgersohn Josef Schreiner zahlt 20 Gulden und erwirbt das Marktlehen, das wir heute als das Kaufhaus Gartner kennen (eigentlich eine Sölde) 


verpachtete Grundstücke und "Mieteinnahmen"

 Im Besitz des Marktes befand sich ein kleines Haus, welches nach dem Marktbrand von 1867 nicht mehr errichtet worden war, ein Haus, das sogar einen Eigennamen besaß: die Wuhn.
Zur Wuhn gehörten auch einige Grundstücke, welche die Marktgemeinde verpachtete. Bei manchen  dieser Grundstücke sind Flurnamen und Ortsangaben mit protokolliert, die sie besonders interessant machen oder aber andere Kleinigkeiten.
Das Wuhnackerl zum Beispiel wurde auf dessen Antrag hin an den Kötztinger Ochsenhüter kostenlos vergeben
Ein weiterer Acker der Wuhn lag im Galgenfeld - heutzutage die Verlängerung der Hagerstraße.
Der Gruberhof (Strohhof - Gärtnerei in Grub) ist in einer weiteren Verpachtung als Ortsangabe aufgeführt.

Anders als heutzutage hatten die Kötztinger Bäcker nicht jeder einen Laden, sondern die Backware musste im märktischen Brothaus verkauft werden, wofür die Kötztinger Bäcker, im 1782 waren dies:
Michael Lärnbecher
Andre Dreger
Bernhard Auzinger (Marktstraße 30)
Franz Seiderer
Max Auzinger und Veith Haselsteiner (spätere Bäckerei Grassl)
für die Benutzung der Brotstände Gebühr von 1 Gulden pro Bäcker und Jahr zu bezahlen hatten. 

Hinweis:
Anders als bei den Metzgern, die im Fleischhaus in der Metzstraße schlachten UND verkaufen mussten, buken die Bäcker zu Hause, stellten aber ihre Ware im Brothaus gemeinsam zum Verkauf aus. 
Das Kötztinger Brothaus befand sich zu der Zeit im Rathaus. In späteren Zeiten wechselte es in das Mesneranwesen in der Herrenstraße. Für den Verkauf selber war dann der Brothüter zuständig, in diesem Jahr der Schneider(!) Joseph Obermeier 




Neben dem Brothaus befand sich im Rathaus auch noch ein Kramladen, welcher vermietet wurde. Anton Schneiders Witwe musste als "Miete" für den "Gemeinen Markts Kramladen auf das 1782te Jahr" stolze 24 Gulden bezahlen. 

Im Erdgeschoß befand sich seit der Zeit nach dem 30jährigen Krieg eine "Schlosserwerkstatt"  - die ist den Kötztingern praktischerweise bei einer Insolvenz in den Schoß gefallen und die Wuhn war damals frei  - und eine Wohnung. Für das Erdgeschoss mit Wohnung und Werkstatt bezahlte der Nagelschmied Anton Fischer 8 Gulden und für die Wohnung im ersten Stock musste der Inwohner Johann Mossmüller 6 Gulden im Jahr aufbringen. Die Wuhn, vor allem mit seinen Bewohnern im ersten Stock, war damals sehr, sehr schlecht beleumundet und vor allem die Mossmüllertöchter machten den Kötztinger Magistratsräten einigen Verdruss, sag ich mal.....




Der Stroh- oder Gruberhof war im 16. Jahrhundert mitsamt seinen umfangreichen Grundstücken dem Kloster Rott abgekauft worden - für Kötzting übrigens ein sehr gutes, für Rott ein miserables Geschäft und dessen Grundstücke dann gleichmäßig auf die Kötztinger besitzenden Bürger verteilt worden. Das zweistöckige Gebäude blieb im Besitz des Marktes und wurde an zwei Parteien vermietet.   
Hier der Eintrag für die Wuhn-Behausung

Samuel Luckner zum Gschwandhof  (Luckner hatte zu diesem Zeitpunkt bereits sein Hauptanwesen, das heutige Hotel zur Post, an seinen Schwiegersohn übergeben und hatte sich nur noch den Gschwandhof behalten, weshalb er überhaupt noch Bürger und vor allem Kammerer bleiben konnte. Ohne Grundbesitz wäre dies nicht möglich gewesen.) ab dem Goldhaufen Wisfleck.
Dieses "Goldhaufen" genannte Flurstück habe ich noch nicht lokalisieren können, aber es müssen ja auch noch für spätere Forschergenerationen Aufgaben überbleiben

Für das Rechts des "Salzausmesselns", als das Abmessen von Salz im Brothaus bezahlte der Brothüter Joseph Obermeier 2 Gulden, für das Recht des Melbelns, als des Mehlverkaufes war eine Jahresgebühr von 1.30 zu entrichten. Der Melbler war damals der Häusler Georg Graßl.

Die Ziegelhäusl erbrachte in diesem Jahr aus ungenannten Umständen keine Miete

Die Fleischbank in der Metzstraße war für die Kötztinger Metzger Schlachthaus und Verkaufsladen zugleich. 1782 waren dies
Kaspar König (Marktstraße 36)
Wolfgang Weihrauch (Gasthaus Pfeffer)
Joseph Zeiller (Schirnstraße 5)
Jakob Räbl  
Stephan Dimpfl (Metzstraße 11)
welche zusammen 15 Gulden bezahlen mussten. Diese Stift wurde immer per Vertrag auf 3 Jahre abgeschlossen.

Als nächstes "Objekt" im Besitz des Marktes kam in der Liste der Watzlhof bei Grafenwiesen, ein großer Bauernhof, der im 19. Jahrhundert verkauft werden musste. Aus dem einzelnen Bauernhof entstand dann in kurzer Zeit die Ortschaft Watzlhof.


Weiter geht's mit dem Gruber- und dem Dampfbach: ungeachtet aller Bemühungen hatte sich für 1782 kein Pächter für diese beiden Fischgewässer gefunden, weshalb die Marktkasse leer ausging. 

Die an die Bürger verteilten Grundstücke des oben vermieteten Gruber- oder Strohhofes bekamen diese natürlich nicht kostenlos. Im Jahre 1735 wurde darüber ein genaues Register aufgestellt, das die Grundstücksgröße und die Leistung berücksichtigte. Diese verteilten Flächen erbrachten der Marktkasse stolze 41 Gulden.

Nun kommt ein seltsamer Eintrag:

Der Wasseranschluss des Pfarrhofes auf "(V)ersuchen und Widerruf" momentan kostenlos(!)

Der Pater Prior und gleichzeitig Pfarrherr von Kötzting wird zwar bis auf Widerruf von den Kosten für seinen Wasseranschluss hinein in den Pfarrhof (heutzutage das Kötztinger Rathaus) befreit, wird aber grundsätzlich dafür herangezogen.
Einschub: Dieser Wasseranschluss war bereits Teil eines jahrelangen erbitterten Streits zwischen dem damaligen Kammerer Luckner und dem Kötztinger Pfarrer Mack gewesen. Ein Vergleich mit Don Camillo und Peppone ist hier durchaus angebracht, wobei in Kötzting, anders als im Film,  eher der Peppone gewann. 
Was dabei für mich unerklärlich ist, ist die Tatsache, dass die Quellschüttungen für das Kötztinger Wasser durchwegs auf Kloster Rottischem Grund und Boden im Bereich von Gradis sich befanden und der Pfarrer sein Recht auf einen Wasserbezug nur durch Streit und Prozesse erreichen konnte. Hätte er auf seinem  (Kloster Rottischen) Grund die Quellenzuflüsse gestoppt oder behindert, hätte der Markt vermutlich sehr schnell nachgeben müssen.....


Die nächste Unterabteilung ist eine Art von Pacht auf Grundstücke
Der Markt Kötzting unterschied eindeutig zwischen Anwesen (Marktlehen, Sölden und Häusern) aus der Anfangszeit (oder zumindest aus Zeiten von denen es keine schriftlichen Unterlagen mehr gibt) und solchen Bauherren, die nachweislich beim Magistrat um ein "Plätzl für einen Hausbau" nachgefragt hatten. Diese Hausbesitzer bezahlten neben ihrer regulären Gebühr zusätzlich auch noch eine jährliche Abgabe für den vom Markt zur Verfügung gestellten Platz. Dies ist vor allem für die Häuserchronik von Interesse, weil diese Häuschen in späteren Verkaufsprotokollen plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen.
Die Kötztinger "Neubaugebiete" lagen damals zumeist im Bereich der heutigen Holzapfelstraße und im Bereich außerhalb des Chamauer Tores
Hier einige Beispiele:

Barbara Fischer auf dem Grasmayerischen Haus Martin Hafner, Schuhmacher und der Fluderknecht Johannes Fischer. Sie alle bezahlen für ein vom Markt "verwilligtes Bläzl
Dasselbe Bild bei dem Strumpfstricker Mathias Mack. Der Kötztinger Hafner Görnhuber in der Metzstraße bezahlt für den Bauplatz für sein Haus und für den Brennofen.
Die "Erbpacht" für die Bauplätze betrug durchgehend 33 Kreuzer, mit ungefähr 50 Euro eine erträgliche Summe. 
Es geht weiter mit dem Schlosser Leonhard Haas (heute noch erkennbar)

Der Kammerer Anton Schweitzer bezahlt für eine Wiese , die Hütwöhr genannt, unterhalb der Herrenweiher auch nur 34 Kreuzer.

Die Hütwöhr ist die Wiese innerhalb der Regenschleife gleich hinter dem alten Kötztinger Freibad und die Herrenweiher befinden sich auf dem Grafenwiesener Kirchenweg kurz vor Fessmannsdorf auf der Kötztinger Seite des Regens. Wenn man am neuen Friedhof vorbei nach Grafenwiesen fährt, kommt rechts die Abzweigung zur Rieselhöhe. Nach dieser Abzweigung fällt der Hang hinunter zum Herrenweiher. 


Weitere Bauplätze gingen an den Fluderer Paul Rietmeier, an Joseph Härtl der ältere, an Joseph Härtl der jüngere für einen Stadelbau auf der Kollstadt.
Der Sagstiffter - der Pächter der Herrensäge, heutzutage die Brauerei Lindner - Christoph Kollmeier benötigte eine Fläche auf dem "untern Wörth" für die Lagerung der Sagbäume, weshalb man diese Fläche 1782 nicht verpachten konnte.

Das sogenannte Kamplmacherhaus entsteht:

Auch das heutige Kamplmacherhaus ist eines der jüngeren Häuser s.o. in Kötzting, hat aber eine komplizierte Vorgeschichte. Nach der Errichtung zweier neuer Häuser ("negst dem obern Gärtner" = unterer Teil der Holzapfelstraße) wurde ein zusätzlicher Antrag abgelehnt und ein anderer Bauplatz gefordert und gefunden:
114 und 115 die neuen Häuser "negst dem obern Gärtner" Ausschnitt aus der Uraufnahme von 1832 aus
Kötzting 1085-1985




hat man....sohin hierzu hart unter dem churfürstlichen Schloßgraben unweith des ehemaligen Lucknerischen und nunmehrige Poschingerischen Stigl auf der gegenüber ligenten Seuften, das erforderliche Bläzl ausgezeiget.

Auch hier gibt es eine interessante Ortsbeschreibung: "das Lucknersche oder Poschinger Stigl". 10 Jahre vorher gab es einen strittigen Ortstermin über eine Erneuerung der Kötztinger Brückensituation, die zu einem Streitfall vor der Regierung in Straubing führte. Für die Straubinger Richter wurde deshalb ein Situationsplan gezeichnet, der diesen Gangsteig längs der Poschingerwiese und einer Mauer aufführt.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing A 97 
 Das, was heutzutage DIE Hauptzufahrtsstraße nach Kötzting darstellt, war damals offensichtlich nur ein Gangsteig entlang einer Mauer, die die Poschingwiese sicherte bzw. abgrenzte.

Weiter heißt es: Diese Verwilligung ist sonach von berührten Finken (er war der ursprüngliche Antragsteller) an Adamen Hummel, burgerlichen maurermeistern alhir cediert: sofort von dem Hummel erdeudtes Häusl aufgebaut= hierüber das gewöhnliche Ankonftsbrief teste Protocols vom 6. 9bris 1781 wohl merklich doch ohne alle Befugnis erlanget und nach dessen Inhalt dann der hochgnedigsten Verwilliguns  resolution die Gult heude zum ersten Mall entrichtet worden mit 33 Kreuzer

Somit besteht das Kamplmacherhaus seit 1781

Die nächste Rubrik ist der Pflasterzoll, diese "hoheitliche Aufgabe" wird normalerweise einer Privatperson meistbietend versteigert  und der Pflasterzolleinnehmer kann sehen, wie er sich übers Jahr dann refinanziert mit den durchfahrenden Fuhren.



Ursprünglich - seit 1666 - betrug der Pflasterzoll .."von einem geladenen Karn ain Heller und von ainem Wagen ainen schwarzen pfennig". Nun aber hat der Kurfürst Maximilian Joseph bei der Bestätigung der alten Marktfreiheiten "die neuen Privilegien erteilt, dass zur Herstellung und kunftiger Unterhaltung des all zu ruinösen Marktpflasters, Weg  und Strässen im bürgerlichen gezirk: von ied an ainem beladenen Wagen sich befündeten Pferd 1 1/2 Kreuzer und für ain lähres derley 2 Pfennig konftig und fortan erhollet werden derfe...."
ABER: ...weill die meiste Fuhrleith nicht mehr anher sondern vast für beständig auf deren neuen Hochstrass Hin; und herfahren .... haben sie die Pflasterzollgebühr nicht mehr versteigern können sondern dieses dem Marktdiener zum Festpreis von 3 Gulden 30 Kreuzer jährlich überlassen. 
Die Auswirkungen der modernen Zeiten also.

Einnahmen aus Gerichtswändel:

Der Kötztinger Magistrat unter dem Vorsitz des Kammerers (=Bürgermeister) war auch eine Gerichtsschranne, auf der Recht gesprochen wurde und bei den im oberen Kapitel des Pflasterzolls angesprochenen neuen Privilegien wurden auch die Straftaten genau definiert, welche der Markt selbstständig aburteilen durfte.
Leider verweist der Eintrag auf entsprechende Seiten des Ratsprotokolls, welches nicht mehr existiert,
Folgende Vergehen durfte der Markt selbst regeln:
Beleidigungen
Raufen und Schlagen, ohne alle Waffen mit der bloßen Hand.
Das Boldern (Poltern) auf der Gassen oder in Häusern, ohne Waffen zu entblößen
das leichtfertige Verhalten bei Bürgern und in bürgerlichen Diensten stehende Ehehalten, auch die causa mixtis, also die Leichtfertigkeiten zwischen Bürgern und deren Ehehalten..
Auch die Causa mixtis
Neun abgeurteilte Vergehen erbrachten eine Strafsumme von 7 Gulden 34 Kreuzer und 2 Heller
Lediglich drei mal wurde wegen "Leichtfertigkeit" verhandelte; aber diese wenigen Fälle erbrachten eine Strafzahlung von 16 Gulden. 


Einnahmen von der Neuerbaut Gemainen Markts Herren Saag

Ähnlich wie das Kamplmacherhaus gehört auch der jetzige Lindnerbräu zu den eher jüngeren Anwesen in Kötzting. 1756 nach Erlaubnis durch die Regierung in Straubing wurde eine neue Schneidsagmühle errichtet und diese erhielt den Namen: Herrensäge. Eine Sagmühle also im Besitz der Kötztinger Ratsherren. Samuel Luckners schreibt selber, dass dies eine der Hauptsäulen war, um die marode Kötztinger Marktkasse wiederum aufzufüllen, was ihm laut eigener Rechnung auch gelang.
1782 war die Herrensäge an den Kötztinger Marktlehner und Lederer (und Kompagnon Luckners) verstiftet.
136 Gulden jährlich erbrachte allein die Stift der Mühle und weitere 11 Gulden hatte der Stifter zu begleichen für die Schwartlinge, die ihm geblieben waren. 

Einnahm aus dem Fallrecht

Diese Einnahmen aus dem Fallrecht - der Marktmühlenfall war die "Zollstelle", dienten dem Erhalt der Brücken und Stege. Von jedem "passierenden fach brödern, wovon jedes etwan in 30ig Stuck brödern bestehen mag" kassierte der Marktdiener, der die Aufsicht übertragen bekommen hatte, 6 Kreuzer. 
Dieses Gefälle machte die stolze Summe von 286 Gulden aus, was bedeutet, da ein Gulden 60 Kreuzer hatte, dass es im Jahr 1782 2860 Fuhren über den Marktmüllerfall hinunter gegeben hatte.
Da war was geboten auf dem Weißen Regen in Kötzting im Frühjahr.

An dieser Stelle steht ein interessanter Zusatz:
Wenn einzelne Posten geringer ausfallen als erwartet, wurde -siehe der Pflasterzoll wegen der ausbleibenden Fuhrleute - hier waren es glatte 99 Gulden weniger als im letzten Jahr wurde die Differenz ausdrücklich am Rande vermerkt. 
Auch eine Erklärung wurde geliefert: es war weniger, weil das Fluderwerch wegen der von denen Schwaben nacher Straubing erhaltenen Freyen Lieferungen abgenommen.
Offensichtlich hat die Regierung den "Schwaben" erlaubt, ein größeres Kontingent an Holz steuerfrei bis nach Straubing liefern zu lassen. 

Gemeine und Sondereinnahmen: 

Kerzen: Zu der auf Furth im Hl Floriani wegen Abwendung aller Feuersgefahr verlobte Körzen, hat man ersambelt   4 Gulden 31 Kreuzer
Kaminkehrer: Dominikus Marty Kaminkehrer aus Cham zahlt an den Markt im Jahr 6 Kreuzer 4 Heller.
Siegelgelder: die Gebühren für alle Beurkundungen von Seiten des Magistrats 45 Gulden 8 Kreuzer
Dienstschmalz: vom Strohhof in Grub für jedes Pfund Schmalz 2 Kreuzer, insgesamt 20 Kreuzer.

Auch hier gibt es eine Besonderheit: (Hintergrund 1778 war das Straubinger Landl- und damit auch der Markt Kötzting - für eine gewisse Zeit Teil der Österreichischen K+K Monarchie im Zuge der Auseinandersetzungen mit der bayerischen Erfolgeauseinandersetzung) 
Dies zum besseren Verständnis des folgenden Textes:
Wegen denen in anno 1778 für die kay(serlich) königl(ichen) Trouppen gestellt und dato noch nicht ruckzahlten 6 Fuhren, erwürdet es dermall wegen gemangelter Zeit an schriftlicher Beitreibung, weillen auf die mündliche Anmanhnungen nichts erfolget und dahero ist zu entwerffen: --.--.-- (also Nichts)

Schutzgeld: Michael Lothal Brunnengraber hat in Ansehung, selber widerumb auf ein Jahr geduldet worden Schutzgeld erlegt: 8 Kreuzer 4 Heller. Und Anton Grässl, gewester Häusler alhir und nunmalliger Müller in der Falkensteinischen herrschaft, erlegt eben zu Erhaltung seines Bürgerrechts das gewöhnliche Schutzgeld für 2 Jahre mit 17 Kreuzer 1 Heller.


Reitenstein

Mit dem Tode von Bartholomaeus von Görring, Herr auf Reitenstein, wurde der Markt Kötzting nach langem Hin- und Her auch Grundherr der Hofmark Reitenstein, was natürlich neben Ausgaben (kommen im 2. Teil) auch Einnahmen verursachte.
Einige dieser Steuern waren reine Durchlaufposten, die nach Straubing abgeführt werden mussten und dann in voller Höhe im Ausgabenteil wieder auftauchen und aus der Marktkasse verschwinden.
Aber Giltzahlungen und Scharwerksabgaben der Reitensteiner, die früher die von Gehring erhielten, wanderten nun in den Marktsäckel. Ganze 96 Gulden, keine geringe Summe machten die Jahreszahlungen in die Kötztinger Kasse aus, mit dabei waren aber auch die Zahlungen der 17 Kötztinger Hofgebäukäufer. 
Auch Beurkundungen der Reitensteiner Untertanen wurden in einer separaten Protokollreihe und folgend einer extra Rechnungsführung ausgewiesen. Mehr als 20 Gulden betrugen diese Siegelgebühren der Reitensteiner. (Zum Vergleich, der sehr viel größere Markt Kötzting erreichte in dieser Rubrik nur knapp 46 Gulden.) 

Summe aller Einnahmen des Marktes Kötzting:


4269 Gulden, (also irgendwo in der Gegend von einer halben Million Euro) war die Summe der Einnahmen im Jahre 1782, rund 828 weniger als im Vorjahr.

Ende des Einnahmenteils. 

Mittwoch, 12. August 2020

Neuzugänge im Stadtarchiv Bad Kötzting

 

Neues - altes -  Material für unser Stadtarchiv

 

Im Zuge das anstehen Baumaßnahmen im Rathaus werden nun weitere Archivalien in unser Stadtarchiv überführt.
Diesmal sind es ganz besondere Stücke. So besonders, dass sie die letzten Jahrzehnte mit dem Vermerk: "Liegen im Panzerschrank des Bürgermeisters" dort versperrt waren. 

Viele dieser Urkunden und Schriften haben für Kötzting eine ganz besondere Bedeutung und waren zuletzt bei der großen Ausstellung 900 Jahre Kötzting im Jahre 1985 für die Öffentlichkeit sichtbar.
Zum Beispiel die verschiedenen Freiheitsbriefe, die der Markt Kötzting immer wieder vom Herrscherhaus in München ausgestellt bekommen hatte, so etwas wie die Geschäftsgrundlage des Marktes und seine Monopolstellung für den nahen Umkreis.

Dann natürlich die beiden ältesten Kötztinger Marktrechnungen von 1670 und 1671, die damals, heute sind wir bereits weiter in die Vergangenheit vorgedrungen, die ältesten Nachweise für unseren Pfingstritt enthielten. 

Dann zwei dicke Stapel mit einer Unmenge an Druckschriften - Briefen - Eingaben - Aufrufen, mit dem Deckelvermerk: NSDAP, aus den Jahren 1933-1939. Material also, das unsere Marktoberen nach 1945 lieber unter Verschluss halten wollten, auch wenn darin zumeist nur der normale Geschäftsgang einer Marktgemeinde festgehalten ist.

Ein besonderes Schmuckstück ist - und das ist tatsächlich eine Besonderheit und für uns einzigartig - ein Buch der Kötztinger Schuhmachermeisterzunft ca. 1684-1763.
Die Schuhmachermeister des ganzen heutigen Landkreises Kötzting - damals Landgericht Kötzting - waren bei der Lade in Kötzting gezünftet und, was immer es zu protokollieren gab,
Meisteraufnahmen,
Meisterprüfungen,
Lehrbriefe,
Freistellungen,

wurde in einem dicken Protokoll festgehalten. Dieses Protokollbuch, normalerweise nicht unbedingt eine Archivalie für ein kommunales Archiv, hat im Titel die Jahreszahl 1684. Beginnt aber zumeist erst im 18. Jahrhundert und wurde wohl aus einzelnen fliegenden Blättern gebunden, weil die Jahreszahl alles andere als aufsteigend ist.

Hier ein paar Beispiele:


Hanndtwerchs Büech 
Eines Ersamen Handtwerchs der Schuech
macher in dem churfürstlichen Panmarkt akhie
zu Khözting Anno 1684


Einschreibung der Maister 
in dem churfürstlichen Panmarckht Köhözting betreffend
Aufdingung und Freistellung

heund dato dem 28. decemb: ao: 1759 thuet Anresa Knodt von Grafenwiesen seine eheleiblichen 3 Söhn nammens Hans Georg, Joseph und Hans Michael vot offentlicher Ladt aufingen und wider ledig sprechen. Die Mutter Anna Maria. So geschehen im Beysein des ehrenvesten Herrn Comisseri Johann Georg Treger des Innern Rats dan die 4 Geschworen Maister Hans Michael Mayr, Andre Zistler, Hans Straubinger, Martin Hofmann und das sambliche Handwerch


Maisterwerdtung

Heund dato dem 27. May ao: 1733 thueth sich bey ainem ersamen handwerch alhir zu Közting Sebastian Fridl von Playbach vor offentlicher Ladt von ainem Ladtmaister Einzünfftig machen mit pactierten Einkauffgelt im beysein des Ehrenvösten Herrn Handwechs Comissari Andreas Paus des Rats dann der vier Geschworenen Ladt- und Pixenmaister als Johann Georg prey, Anton Cramer, Johann Rabb, Johann Michael Mayr und das Sambentliche Handtwerch.
Dem Markht auf ein gueter Stundt nit beschechen


Aufdingung und Freisprechung eines Maister Sohn

Heundt Dato den 24. May ao: 1756 thuet Hans Georg Pachmayr alhir seinen eheleiblichen Sohn Hans Michael Pachmayr und Katharina dessen Mutter vor offentlicher Ladt audingen und wider freysprechen im beysein ........






Aufdingung eines Lehrjungen


Heundt Dato als den 6. Juli ao: 1727 hat Hans Kapfenburger Schuhmacher von Raidtenstein ainen Lehrjungen nammens Georg Silberpauer, weyl. Caspar Silberpauer gewesten Pauerns zu Arndorf und Barbara dessen Eheweibs seel. eheleiblichen Sohn von Arndorf vor offentlicher Ladt in beysein des Herrn Handwerchscomissari Johann Schöllinger des rats und den........uf drei jahr lang Handwerchsgebrauchs nach ordentlich aufdingen lassen

11 Gulden Lehrgeld bezahlen die Vormünder des Lehrlings an den Meister, 7 Gulden sogleich, die restlichen 4 Gulden innerhalb der folgenden 2 Jahre, die auch als Bürgen den Vorgang bezeugen.. 










Mittwoch, 14. Dezember 2016

Weihnachtsgeschenke für einen Kötztinger Heimatforscher

erste Forschungsreise in diesem Winter

Nächste Woche geht's ab nach München, 3 Tage Archivarbeit im Hauptstaatsarchiv, Staatsarchiv München und in der Bayrischen  Staatsbibliothek. Da die Kollegen da oben nicht auf jeden Kundenwunsch sofort ins Magazin eilen sollte man diese Besuche vorbereiten und dann kommt irgendwann ein Brief , dass die gewünschten Archivalien zur Einsicht vorliegen oder nicht.

Manchmal gibt's da ein paar Überraschungen, positive wie negative.

Ahnentafel des sogenannten "Pongratzprozesses" Staatsarchiv Landshut Pfleggericht Cham A 405


Was bekomme ich nächste Woche im Hauptstaatsarchiv München (hoffentlich) zu sehen:



hier geht's um die Bestallung von zwei Kötztinger Botenstellen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, dem sogenannten Straubinger und dem Regensburger Boten. Interessant wird sein, was die Arbeitsbedingungen und die jeweiligen Auflagen sind, die die Bewerber erfüllen mussten.

Dann geht's weiter mit einer Münchner Entscheidung über eine Kötztinger Wasserleitung, die der Kötztinger Bürger Windorfer beantragt hatte. Hier möchte ich genauer wissen, was an dieser Entscheidung so schwierig war, dass sogar München darüber urteilen musste.

Der letzte Akt aus diesem Stapel betrifft unter anderem  die Hofmark Reitenstein, die, zu diesem Zeitpunkt,  noch nicht im Besitz des Marktes Kötzting war sondern noch eine eigenständige Hofmark bildete.

Interessant wird bei der nächsten Bestellung:
Bei dem ersten Akt erwarte ich eine Art: " die seltsamen Methoden des Inspektors Wanninger", das war eine Fernsehkrimiserie in den Sechzigern. Hier geht es um die besonderen Tricks, die der Chef der Kötztinger Gendarmerie, Suffa,  1853 angewandt hatte um den Räuber Michael Heigl endlich dingfest zu machen.
Beim zweiten Bündel sollte es - hoffentlich - um die Bande eines gewissen Vogl aus Traidersdorf gehen, der in den 80er Jahren ebenfalls in den Presse genannt wird wobei die Kötzting er sich in Gegendarstellungen heftig darüber beschwert hatten, dass der Räuber Vogl in der überregionalen Presse  als Kötztinger bezeichnet worden war. "Traidersdorf wäre eine eigenständige Gemeinde und im Übrigen mindestens 1 1/2 Stunden von Kötzting entfernt."
Ich vermute mal, dass Bob Vogel, der Sheriff  aus Florida, dessen Urgroßmutter ja aus Traidersdorf stammt, sicherlich sich sehr freut, wenn er einen leibhaftigen Räuberhauptmann in der Verwandtschaft hat.
Und dann gibt's noch ein Schmankerl oben drauf, der nette Mitarbeiter in München hat noch einen Akt über Michael Heigl ausfindig gemacht, nämlich über dessen Verurteilung zum Tode und die nachfolgende Begnadigung. Mal schauen, was da so alles drinsteht


Im Staatsarchiv München findet sich ein Aktenbündel, das sich mit dem sogenannten "Pongratzprozess" beschäftigt.
Meines Wissens nach hat es wegen eines - möglicherweise fiktiven möglicherweise echten - Erbfalles über sage und schreibe 220 MILLIONEN holländische Gulden zum Ende des 18. Jahrhunderte knapp unter 80 Prozesse gegeben. So weit ich weiß hatte die letzte Prozessgemeinschaft in den 1950er Jahren zuletzt versucht über eine Petition im bayerischen Landtag eine Neuaufnahme des Prozesses genehmigt zu bekommen.
Die "Räuberpistole", die zu dieser Prozessserie geführt hat ist im Neukirchener Heimatbuch von Mathilde Baumann unter dem Titel: "Der Goldbrief von Atzlern" schon detailliert
beschrieben worden. Ich habe in Landshut sogar schon die dazugehörigen Folterprotokolle des angeblichen Bösewichts gelesen. Auch wenn ich auf die Abstammungslinie des Erblassers - möglicherweise - erst mit dessen Großvater treffe, da der Bösewicht "Semmelbauern Hansl" hieß und meine Frau väterlicherseits von den Semmelbauern  abstammt ist diese Geschichte sowohl heimat- als auch familiengeschichtlich sehr interessant. 
hier noch einmal die Ahnentafel, die schon eingangs als Illustration verwendet worden war: auf dieses Erbe wollten natürlich vor mehr als 200 Jahren Viele aufspringen, die diesen Familiennamen führten. Diese wunderschön gemalte Ahnentafel - im Original sicherlich 50 cm in der Diagonale  man beachte die Trachten des ausgehenden 18. Jahrhundert - half aber nichts, Geld gab´s trotzdem keines, wie auch später nichts.

Nachdem diese holländische Erbschaft, wenn es sie überhaupt gegeben hat, vom Hause Wittelsbach - Teile von Holland waren mit dem Hause Wittelsbach in Straubing verbunden -, eingestrichen worden war, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass König Ludwig seine Schlösser mit UNSEREM Geld gebaut hatte. ;-))

Nun zur negativen Überraschung: in den online lesbaren Repertorien des HStAs findet sich ein Hinweis auf die Auswanderung eines Kötztinger jüdischen Mädchens nach Palästina.


Kirschner, Susanne, Jude, geb. 22.11.1927 in Kötzting; 1939 nach Palästina ausgewandert.



Susanne Kirschner, geboren im November 1927 bekam die Erlaubnis 1939 nach Palästina auszuwandern. Diesen Akt habe ich aber wegen des noch bestehenden Datenschutzes nicht bekommen. Ich finde es aber äußerst bemerkenswert, dass ein junges Kötztinger Mädchen im Alter von 12  Jahren es während oder kurz vor dem zweiten Weltkrieges geschafft hat aus Deutschland zu entkommen und sich bis nach Palästina durchzuschlagen. Eine Unternehmung übrigens, die ihr Vater Julius Kirschner 1940 schaffte. Dieser starb - angeblich mit Herzversagen - auf dem Donauschiff URANUS in Bulgarien auf der Fahrt ins Donaudelta, wo er bereits auf der Passagierliste für einen Überseedampfer, der PACIFIC stand, welcher dann ebenfalls nach Palästina fahren sollte. Die jüdisch askenasische Kulturgemeinde in Rustschuk in Bulgarien bestätigte die Beerdigung auf deren jüdischem Friedhof am 9.9.1940.

DDSG-Raddampfer Uranus, gechartert von der jüdischen »Mossad
Das Bild und die genaueren Umstände der Fahrt der URANUS an das Donaudelta kann hier nachgelesen werden, aus diesem Blog stammt auch das Bild

Vielleicht war dies bei er ganzen Tragödie sogar der einfachere Tod, denn das Schiff sollte nie in Palästina ankommen: siehe den folgenden Bericht aus:
Jürgen Rohwer

JÜDISCHE FLÜCHTLINGSSCHIFFE IM SCHWARZEN MEER (1934-1944) In: Ursula Büttner (Hrsg.): Das Unrechtsregime. Band 2: Verfolgung / Exil / Belasteter Neubeginn.
Hamburg: Christians Verlag 1986. S.197-248.

Inzwischen war es dem Mittelsmann Eichmanns, Storfer, gelungen, einen neuen großen Transport von überwiegend Mossad-Anhängern auf vier DDSG-Schiffen auf den Weg zu bringen. Am 3.9.1940 liefen die SCHÖNBRUNN und die HELIOS mit zusammen 1771 Menschen von Wien aus, darunter 600 freigelassene Häftlinge aus Dachau, 300 alte Menschen und 150 Kinder unter 12 Jahren. Ihnen folgten noch am gleichen Tage die URANUS und MELK mit zusammen 1880 Menschen, darunter etwa 3/4 "Halutzim" aus Österreich, dem Protektorat und Danzig. Dieses Mal hatten die Mossad-Agenten Bar-Pal und Ruth Klüger in den rumänischen Donau-Häfen drei Schiffe bereitgestellt. Am 7.10. lief die ATLANTIC mit den 1771 Flüchtlingen der SCHÖNBRUNN und HELIOS von Tulcea über Sulina aus. Am 11.10 folgte die PACIFIC mit 1000 Passagieren der URANUS von Sulina, und am 19.10. die MILOS (1895, 598 BRT) mit 880 Passagieren der MELK ebenfalls von Tulcea. Auf diesen alten und verrotteten, für weniger als 100 Passagiere eingerichteten Schiffen herrschten unbeschreibliche Zustände. Auf der PACIFIC gab es nur einen Parafinofen und kaum Trinkwasser. Die Flüchtlinge mussten in Schichten schlafen und konnten nur abwechselnd in festen Turns an Deck kommen, um frische Luft zu schöpfen. Auf der ATLANTIC gab es unter Deck keine Ventilation und kein Licht, die sanitären Einrichtungen waren äußerst rudimentär, und teilweise konnten die Flüchtlinge auch nur abwechselnd sitzen. Schließlich brach auf der ATLANTIC eine Typhusepidemie aus, und ehe das Schiff Zypern zur Ergänzung der Vorräte erreichte, starben 15 Menschen. Die weitergefahrenen Schiffe PACIFIC und MILOS wurden am 14.11. vor Haifa von britischen Kriegsschiffen aufgebracht und in den Hafen geleitet. Unter dem Eindruck dieses neuen Ansturms veröffentlichte die Mandatsregierung am 20.11. eine Ankündigung, dass von nun an alle Personen, die versuchten, illegal nach Palästina einzuwandern, in eine britische Kolonie deportiert würden, wo sie bis zum Kriegsende verbleiben müssten. Am 24.11. traf auch die ATLANTIC in Haifa ein. Alle Bemühungen der Jewish Agency, die Entscheidung der Mandatsregierung rückgängig zu machen, hatten keinen Erfolg. Am gleichen Tage begann man, zunächst die Passagiere der PACIFIC an Bord des im Hafen liegenden internierten französischen Passagierschiffes PATRIA (1913, 11.885 BRT) zu bringen, mit dem die Flüchtlinge nach Mauritius im Indischen Ozean deportiert werden sollten. Um die Deportation zu verhindern, hatte ein Kommando der "Haganah" am Rumpf des Schiffes Sprengladungen angebracht, welche das Schiff auf Grund sinken lassen und damit die Fahrt unmöglich machen sollten. Die am 25.11., kurz nachdem auch die ersten 80 Passagiere der ATLANTIC an Bord gebracht waren, detonierende Sprengladung erwies sich jedoch als viel zu stark, so dass die PATRIA innerhalb von 15 Minuten sank und teilweise kenterte. Trotz aller Rettungsmaßnahmen der britischen Marine kamen 254 Personen bei dieser Katastrophe um. Die restlichen Passagiere der ATLANTIC und MILOS wurden zunächst in das Internierungslager Athlit geschickt, wobei die Polizei teilweise Gewalt anwenden musste. Nur 45 besondere Fälle wurden ausgenommen. Am 8.12. brachte man die 1584 restlichen Personen an Bord eines Passagierschiffes, mit dem sie nach Mauritius transportiert wurden, wo sie bis zum August 1945 in Lagern untergebracht waren. Die ursprünglich geplante Deportation der geretteten Flüchtlinge der PATRIA musste jedoch auf Grund von Protesten aus den U.S.A. und nach einer Intervention des Zionistenführers Dr. Weizmann bei Churchill unterlassen werden.51)




Den Hinweis auf die Dampfer habe ich von Frau Dr. Erika Schwarz und ihrem Mann Gerhard erhalten, die an einem Forschungsprojekt in Brandenburg arbeiten und dort auch auf Julius Kirschner gestoßen sind, der dort bis zu seiner Ausreise auf einem landwirtschaftliche Gut arbeiten musste. Beide bereiten eine Veröffentlichung vor, auf die ich schon sehr gespannt bin.

 
Nachdem ich den Akt noch nicht erhalten habe, Datenschutz im bayrischen Archivgesetz, muss ich eben noch warten, eine größere Arbeit zu diesem Thema ist eh erst für 2018 geplant.

Als dritte Anlaufstelle kommt dann noch die Staatsbibliothek dazu, praktischer Weise im Gebäude daneben - hier geht's um ein paar Zeitungskopien, für die 1910er/1920er und 1930er Jahre.
Durch eine Nachfrage nach einem Besuch des Kronprinzen Rupprecht in Kötzting 1926 habe ich einen Hinweis auf eine Chamer Zeitungsnotiz bekommen, wo sich der Autor über die Kötztinger Bürger lustig machte, welche offensichtlich vor dem hohen Besuch sich sehr devot verhielten.


Es werden also drei spannende Tage in München nächste Woche, aber nur für den den´s interessiert.....