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Montag, 26. Dezember 2022

Eine Winterwandung auf dem Ludwigsberg

 Es ist Januar 1971 und der Kötztinger Reporter Rudolf Schampel begleitet die Wanderergruppe der Kötztinger Sektion des Bayerischen Waldvereins zu einer Winterwanderung auf den Ludwigsberg.

Die Wanderergruppe am Aufstieg zum Ludwigsberg. Ich denke, die Frau vorne rechts war Frau Dirrigl.
Im Hintergrund kann man gut die Höcherl Sägemühle erkennen, die damals noch voll in Betrieb war.

Der Treffpunkt am heutigen Parkplatz



Das Paar in der Mitte des Bildes ist der "Bauer Seppe" und seine Mutter. Als Kinder waren wir - wenn ich mich richtig erinnere - zeitweise in einer Volksschulklasse. 
Vornedran sollten es v.l. Richard Schmidt, der damalige Vorsitzende der Sektion und Werner Tutter sein. 


Der damals bereits bestehende Waldlehrpfad, gab dem Förster Mathias Simstich viele
Möglichkeiten, den Wanderern die Besonderheiten dieses Waldes zu erklären


Mathias Simstich



Donnerstag, 7. Oktober 2021

Kötzting 1653 - eine Frau wird als Hexe zum Tod verurteilt

 Frau als Diebin verhaftet, als Hexe hingerichtet und ihr Körper verbrannt



Der Landrichter Kötztings hatte, wie seine Kollegen in den anderen Landgerichten ebenfalls, den sogenannten Blutbann. Er konnte also - immer auf Anordnung seiner vorgesetzten Behörde, der Regierung in Straubing - Strafen, die ans Leben gingen, aussprechen und unter seiner Aufsicht vollziehen lassen.
Dieses Gerichtsverfahren begann ganz "unschuldig" mit einer Anklage wegen Diebstahls und endete tragisch mit einem Todesurteil.
Gleichzeitig erfahren wir durch die Details im Rechnungsbuch, welcher Aufwand bei der Hinrichtung hatte betrieben werden müssen.
Die Prozessakten selber haben sich nicht erhalten - sie wurden bereits vor Jahrhunderten als nicht archivwürdig erachtet und vernichtet -, aber die Finanzbehörde, die die Kontrolle der Rechnungsbücher ausübte, entschied über ihr Material anders und so kennen wir grundsätzlich das Prozedere - und die Kosten - bei vielen Strafprozessen.
Manche Rechnungsreihen wurden - aus Platzgründen - dezimiert, d.h. es wurde nur jeder zehnte Band archiviert. Die Kötztinger Bücher können wir allerdings - Gott sein Dank - fast vollständig seit dem Jahre 1600 einsehen, weil damals mindestens immer drei Exemplare geschrieben und diese an unterschiedlichen Stellen aufbewahrt wurden. 
Nun geht´s  also ab ins Jahr 1653 und aus den Bruchstücken des Prozesses  - sprich die Ausgaben, die dieser Prozess verursachte - im Rechnungsbuch versuche ich den Vorgang zu rekonstruieren.
StA Landshut Rentkastenamt Straubing Pfleggerichtsrechnung von 1653, ein schöner Band, in hellem Leder gebunden


Ambts Rechnung
Landgerichts Közting
Mein Hanns Wolfen

Yedingers von Camereckh auf Fischbach, Curfrtl: drtl: in Bayern etc. Obristen Leittenanth, Pfleger, Castner, Landt: und Vogtrichters zu Közting, Alles Ennemmen: und Ausgebens bey dem Landgericht alda, von dem Neuen Jahr anno 1653 bis widerumben auf selbige Zeit anno 1654 welche durch den curfrtl: Gerichtsschreiber Thomas Rotthauer beschriben worden, de Anno 
1653
 
Einschub
Die drei Ämter: Landrichter, Kastner und Vogtrichter werden in anderen - größeren - Landgerichten tatsächlich von drei Personen ausgeübt. Im Landgericht Kötzting übernahm der Landrichter auch das Kastenrichteramt ab dem Jahre 1573 und das Vogtrichteramt ebenfalls in Personalunion ab dem Jahre 1580.
Im "FERCHL" finden wir über Hans Wolf Yettinger folgendes:

bayerische Behörden und Beamte 1550-1804 von Georg Ferchl
Einschub Ende

Im Ausgabenteil der Pfleggerichtsrechnung gibt es eine eigene Rubrik für Strafprozesse und für Aufgaben auf Botenlohn. In beiden Kapiteln findet sich ein Niederschlag der einzelnen Prozesse, weil Vernehmungen zu neuen Erkenntnissen - und Nachfragen - führten und die einzelnen Prozessschritte immer nach Straubing gemeldet hatten werden müssen, von wo dann auch die nächsten Schritte angeordnet wurden.



Ausgab auf Malefiz
Persohnen





25. Juni 1653
Auf beschechen zueschreiben des curfrtl: Hauptmanns zu Furth, Georg Sigmund Pelkhovers etc. hat die zu Eschlkamb, weegen bey der Nacht beschechener Einsteigung und daryber betrettenen Diebstals halber verhaffte Weibspersohn, so sich Ursula Wolfen Schinn Schneiders von Neukirchen bey Neuburg vorm Wald Eheweib genenet, nachher Közting in die Fronfesst gebracht werden muessen, Ist selbige den 25. Juny diss Jahr von alhiesigem Landgerichts Ambtman gebreichiger massen ybernommen und alhero in Verhafft hinach ihr Guettliches Examen und eingeholte Erfahrung der curfrstl: hochlobl: Regierung Straubing berichtet. Anfenklich Ime Ambtsman, Inhalt des Zetl No 3 bezalt worden 1 Gulden.

In Eschlkam wurde also eine Frau bei einem Einbruchsversuch geschnappt und verhaftet und vom Hauptmann in Furth - nach Bericht an das Landgericht - dem Kötztinger Amtmann übergeben und ins Gefängnis gesteckt worden. Nach einer ersten Vernehmung mit Rückfragen bei den angegeben Orten, wurde ein erster Bericht nach Straubing geschickt.
Um die Frau an der Zuständigkeitsgrenze - solch ein "Verschub" einer Person geschah damals nicht von Punkt A nach Punkt B, sondern an den Amtsgrenzen wurde eine Person - nach Vorankündigung - angeliefert und dort von den zuständigen Amtsleuten in Empfang genommen.
Im Falle der Ursula Schinn kamen zum Schutz und zur Begleitung gleich 6 Männer mit an die Bereichsgrenze.





Vermög vorigen Zetl ist denen 6 mit gehebten blaitters Mänern durch ime Amtsman in Zöhrung bezalt worden.   51 xr  4 H

Bereits am 3. Juli  - also noch vor der ersten Befragung - wird der Gerichtsbote - "Diebstahls und anders halber" - zum Hauptmann nach St. Katharina geschickt, " der zu Bergreichenstein in Behamb gewohnt, weillen under seiner Verwaltung ain Underthon in der nacht abbrennth und die verhaffte Schrinin selbiges gethan haben solle"
Botenlohn: "2 Meil weegs Iner Landts 18 xr und 7 Meill Ausser Landts "1 fl 10 xr und anschließend "1 Tag Warttgelt  15 xr".

Den 4. July hat gedachter Ambtman die Schirnin daß erstemall zu guettlichen examen vor Gericht gefierht gebürth Ime dishalber  8 xr  4 H

Am 17. Juli wurde der Gerichtsbote Martin Rädlinger mit einem Bericht zur Regierung nach Straubing geschickt, wo er auch zuerst noch einen Tag zu warten hatte, bis er am 18. Juli mit einem "Regierungsbefehl" zurückgehen konnte.

Dem 26. dito (Juli) gedachte Schinnrin Crafft gdisten Regiments bevelchs, datirt den 18. July mit den Painschrauffen torquirt und dem Ambtman nach vorgemelten zetl votzefihren gegeben worden 17 xr

Am 29. Juli wiederholt sich die Situation, der Bote bringt einen Bericht nach Straubing, wartet einen Tag bis dort entschieden - und die Befehle schriftlich ausgefertigt worden sind - und kehrt am nächsten Tag nach Kötzting  zurück

Den 2. Aug: ist obige Schinnrin zu weitern Examen vor Gericht gefiehrt und der Ambtman deswill empfangen 17 xr


Den 7. dito (August) Ist selbige abermallen zum Examen vorgefiehrt worden, gebührt dem Ambtman 8 kr und 4 H

Am 13.August geht der nächste Bericht nach Straubing, diesmal dauerte die Bearbeitung dort länger, und so musste der Gerichtsbote zwei Tage in Straubing warten, ehe er nach Kötzting mit neuen Befehlen zurückkehren konnte.

Ingleichen den 16. Aug: von mehrmallig fürfiehren der Verhafften Schinnrin, welches weitters yber Einkhomen Erfahrung güettlichen Angefragt worden, dem Ambtman 8 xr 4 H

23. August: neue Aussagen der Delinquentin bringen neue Fragen, und so muss der Gerichtsbote nach Cham marschieren, um dort diese überprüfen zu lassen.

Den 2. 7ber (September) Ist angeregter Schinnrin daß Leben Ab: ihr Mallefiz Rechtstag angekhündigt, dem Ambtman, das Sye abermallen vorgefirth bezalt worden 17 xr

Von obigen dato an, sye bis uf den dritten diss (3. September) 3 Wachter bestelt und iedem des Tags dzurch den Ambtman in Zöhrung 1 Schilling Pfennig verraicht worden, lauth der allegierten Zetl No 3 1 Gulden 17 xr


Nach der Überstellung nach Kötzting Anfang Juli und mehreren Vernehmungen, davon eine unter der Folter, erbrachten die "Ergebnisse" neue Fragestellungen und Tatorte, die ihrerseits wieder neue  Botengänge notwendig machten. Für die Vernehmungen wurde die Gefangene jedes Mal dem Landrichter vorgeführt. Für diese "Amtshandlung" des Amtsmannes gab es eine eigene "Ziffer" in seiner Gebührenordnung, nämlich das Aus- und Einschließen der Gefangenen.
 
Nach ungewöhnlich kurzer "Untersuchungshaft" im Kötztinger Gefängnis kam von Straubing bereits das Urteil: Die arme Frau wurde abschließend ins Pflegerschloss in der Kötztinger Kirchenburg gebracht, wo der Landrichter ihr eröffnete, dass ihr das "Leben abgesprochen"  worden sei und ihr gleichzeitig der Tag der Hinrichtung mitgeteilt wurde. (Malefizrechtstag)
Offensichtlich lag zwischen der Urteilsverkündigung und der Hinrichtung nur ein einziger kurzer Tag.
Dieses Datum  ergibt sich auch aus der Abrechnung des Amtmannes für 71 Tage Kostgeld.
Vom 25. Juni (einschließlich) bis 3. September (einschließlich) sind es genau 71 Tage.



"71 Täg das Cosstgelt, des Tags 8 xr 4 H: trifft  10 Gulden 8 kr 4 H
Von obiger Zeit an das gebräuchige Sizgelt, ieden Tags 3 kr tuet 3 fl 33 kr

Dann weillen gedachte Schinin das jenige Geschirr, darinnen Ihr die Speiss und Trunckh yberraicht worden, neben all anderen sachen waß sye bekhommen khindten, zerbrochen und zu Schaden gemacht, Alß ist Ime Ambtmann, Inhalt vorig seiner Zetl bezalt worden 1 fl 30 xr"
 
Hier haben wir also das Kostgeld und das Sitzgeld (für die Abnutzung der Zelle) für die 71 Tage.
Dass die arme Frau in ihrer Verzweiflung alles in der Zelle Erreichbare kurz und klein schlug ist nur zu verständlich, angesichts des Urteils, das sie erwartete.

"In der Schinin lesten 3 Tagen, umb abgeholten Wein außgelegt worden. 24 xr
Ein und Ausschluss Gelt  17 xr
Als selbige vom Ambthaus in die Schrannen gefiert worden, trifft dem Ambtman sein depudat
Von Ausrueffung des Glaitts, Ime Ambtman 17 xr
Gedachter Ambtman, hat vor 6 Clafter Tennenholz, so zu verprennung der Justificirten Schinin Körper /Seithmalen sye ain Hex gewesst :/ verbraucht, ausgelegt, so ime Inhalt des Zetl widerumb bezalt worden. 3 fl"

In ihren letzten drei Tagen bekam die verurteilte Frau also Alkohol - hier Wein - als Henkersmahlzeit.
Der Amtmann wurde nun für jede "Handreichung" bei der Hinrichtung  - entsprechend seiner Gebührenordnung - bezahlt. Das Ausschließen der Gefangenen von der Keuche (Zelle), der Transport vom Gefängnis an die Hinrichtungsstätte auf dem Galgenberg. Für diesen Transport musste er wohl zusätzlich für einen Schutz sorgen (Gelait) und 6 Klafter tannenes Brennholz zur Verbrennung des Körpers musste er herbeibringen. 1 Klafter waren gut 3 Ster und damit ca. 18 cbm Brennholz.
Eine Menge, mit der man ein Haus sicherlich zwei Winter hätte heizen können. 
Nimmt man den Gulden mit ca. 150 Euro an, so kommt man auf einen Preis für einen Ster Holz von ungefähr 25 Euro. Diese Rechnung dient aber nur dazu, um anhand von dem einen oder anderen Produkt, das es auch heute noch gibt, sich dem Kaufwert eines Gulden ANZUNÄHERN.
Da die persönliche Arbeit damals aber nur sehr schlecht bezahlt wurde - der Tageslohn eines Handwerkers war damals 20-22 Kreuzer, also 1/3 Gulden - bildet solch eine Rechnung immer nur einen Aspekt ab.
Schlussendlich steht hier das Schlüsselwort: Sie wurde als Hexe hingerichtet und daher musste ihr Körper verbrannt werden.

Die 18 Klafter Brennholz waren aber offensichtlich nicht genug, um jede Spur des Körpers zu beseitigen:



" Vor 17 Pfund Pöch welches der Nachrichter zu erstgemelter Verprennung bedürfftig gewest 42kr 4 H"
Hier ist nun zum ersten Male der "Nachrichter" genannt, eine Umschreibung für den Henker oder Scharfrichter. Offensichtlich musste der Amtmann zwar das Brennmaterial herbeibringen, aber das Verbrennen selber musste der Henker bewerkstelligen.

"Crafft von allegirt ervolgten Gdisten Regimentsbevelchs, datirt den 18. July hat zu vermelter Schinin Torquirung mit den l braichiges massen der Scharfrichter gebraucht werden miessen, deme ist das entwillen, wie sein orriginalschein Nr: 4 bezaigt, richtig gemacht worden
10 fl 30 xr"

Extra zur "strengen Frag", also zur Folterung - das durfte der Amtmann nicht durchführen - mit den Painschrauffen, den Knochenschrauben, reiste der Herr aus Straubing an und erhielt dafür ein gutes Salär.

"Der curfrtl Hauptmann zu Furth hat die ienigen Uncosten, so yber obige Ursula Schinin. als selbig zu Eschlkam zu Verhafft gebracht, und an Eisen, Aztung und Wachtgelt erloffen, lauth geferttigten Scheins
Nr: 5 empfangen 11 fl 56 xr"

Auch die vorgelagerte Behörde, die für den Schub verantwortlich zeichnete, rechnet nach Gebührenkatalog ab.

Aber nun wirds ernst, jetzt kommen die gebühren für die Hinrichtung selber:


"So ist dem Curfrtl: Statt Ober: und Panrichter zu Straubing Crafft seines von handten gegebenen Scheins Nr: 6 weegen der hingerichten Ursula Schinin, für Rith und Zöhrung gelt bezahlt worden 
13 fl 30 xr

Andren Lehner, burger und Schreiner zu Közting, ist vor ainen gemachten Sizstuel darauf die verhafft gewesste Ursula Schinin vom Leben zum Todt decapitirt werden sollen, lauth Zetl No 7 bezalt werden worden 25 xr

Michaels Wuzlhofern Burgern und Schmit zu Közting, ist vor ain gemachtes Peill, Stockhauen, Feuerhackhen, Khetten, Schaufel und Nögl, in allem bezalt worden, Inhalt des Zetl No 8  2 fl 28 xr"



"Hans Troiber Zimmermaister zu Közting, ist vor ain gemachte Stiegen und anders so der Scharfrichter weegen der hingerichten Schinin bedürfftig gewesst, vermög des Zetl No 9 bezalt worden 53 xr

Dem Scharfrichter hat man von Hinrichtung der Schinin in allem lauth seiner Zetl No 10 verraicht 15 fl 54 xr

l

Hier nun die Hinrichtung der armen Frau im Zusammenhang.
Ursprünglich wegen eines nächtlichen Einbruchdiebstahls in Eschlkam verhaftet und nach Kötzting zum Pfleggericht verbracht, wurde sie dort zuerst vernommen und später dann vom Scharfrichter, der extra dafür aus Straubing angereist gekommen war, einer Folter unterzogen, bei der die arme Frau vermutlich alles gestand, was der Henker hören wollte.
Nach Nachfrage in verschiedenen Orten und einigen Rückmeldungen von dort, kam aus Straubing sehr rasch das Urteil: Einstufung als Hexe, Tod durch das Beil und anschließende restlose Verbrennung der Leiche.
Der Frau wurde das Urteil eröffnet und eigentlich fast zeitgleich - es blieben nur 2 Tage dazwischen - vollstreckt.
Die Frau schlug in der Keuche alles Erreichbare kurz und klein, wurde vom Kötztinger Amtmann vom Amtshaus in der heutigen Schirnstraße zur Hinrichtungsstätte auf dem heutigen Ludwigsberg geführt.
Dort war eine Schranne errichtet worden. Da der Zimmermann extra eine "Stiege" für den Scharfrichter errichten musste, war die Schranne wohl ein hölzernes Podest mit ausreichend Platz für den Henker und die Frau. 
Ich vermute, dass solch eine Hinrichtung in Kötzting einen Volksauflauf verursachte und auch, wenn man möglicherweise den Kindern das "Zuschauen" untersagte, so muss man sich doch vor Augen halten, dass der damalige Galgenberg und damit die Hinrichtungsstätte eine vollkommen kurz abgegraste Weidefläche war und der Galgenplatz auf dem 2. Plateau nicht nur eine tolle Aussicht - wie es Carl von Paur beschrieb - in alle Richtungen ermöglichte, sondern eben auch von allen Seiten gut einsehbar war, so dass Kinder und Jugendliche von der Kirchenmauer aus fast einen Logenplatz einnehmen konnten, ohne vor Ort gewesen zu sein.

Dort auf dem Podest war alles bereit, ein "Sitzstuhl", also ein Stuhl, auf dem die Delinquentin festgeschnallt  sitzen musste und ein Beil, vom Kötztinger Schmied nur zu diesem Zweck handgefertigt. Nach der Hinrichtung - alleine für diesen Akt hat der Scharfrichter fast 16 Gulden erhalten - musste der Henker dann nur noch das Verbrennen der Leiche sicherstellen und konnte wieder nach Straubing zurückkehren.


Wie verzweifelt die arme Ursula Schin gewesen war, erschließt sich auch aus anderen Fundstellen.

Die Zelle, in der Ursula Schin angekettet war, musste eine größere Renovierung erfahren:
Aus diesen Schäden kann man gut die Verzweiflung erkennen, in der die arme Frau ihre letzten zwei Nächte verbracht hat , trotz des Weins.


Sonntag, 29. Dezember 2019

Kötzting vor 110 Jahren


Kötzting im Jahre 1910

Wintersport im Jahre 1910

Nachdem der Nürnberger Wintersportverein bereits im Januar in Lam einen Skikurs abgehalten hatte, reisten die Skisportler mit einem Sonderzug von Nürnberg über Regensburg - Schwandorf– Straubing – Kötzting an. Mit besonders eingefahrenen und in Stand gesetzten Bahnen und der ausgezeichneten Verpflegung wirbt nun der Bayerische Wald für seine Wintermöglichkeiten. 250 Wintersportler kamen dann auch am Sonntag, den 17. „. Nach Lam. „Ein Teil der Sportler fuhr auf bespannten Schlitten nach Sommerau, um von dort die Arberhänge zu befahren, ein anderer Teil stattete dem Osser einen Besuch ab, während andere Lambach zusteuerten und die Wittelsbacherhöhe und den Mariahilfberg erkletterten. In Lambach waren drei herrliche Rodelbahnen in Stand gesetzt, wie sie wohl selten im Gebirge zu finden sein werden.“ Nach diesem großen Erfolg stellte die Eisenbahndirektion Regensburg einen regelmäßigen Sonderzug Sonntags ab Regensburg in Aussicht, wenn wenigstens 100 Personen mitfahren würden. Abfahrt 6.oo Uhr früh in Regensburg und Ankunft 10.00 Uhr in Lam.
siehe auch: Wintersport auf Kötztings Straßen von 2015.

  Das Rote Kreuz – die Sanitätskolonne und der Frauenzweigverein.


Die freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz begann den Jahresreigen mit einem traditionellen „Glückshafen“, um dem „misslichen Kassenstand“ zu begegnen, der durch die Ausgaben für die Uniformierung entstanden war. Der Kolonnenarzt Dr. Weber hob lobend hervor, dass Kötzting stolz darauf sein könne, „solch eine Sanitätskolonne zu haben wo selbst Furth, Cham und Viechtach noch keine solche hätten.“

Auch der Frauenzweigverein des Roten Kreuzes berichtet über die Aktivitäten des abgelaufenen Jahres und steckt seine Ziele für 1910 ab. Die Vorsitzende Frau Apothekerin Ziegler und der Schriftführer und Bezirksamtmann Herr von Fuchs (dies entspricht heute unserem Landrat) berichteten von steigenden Mitgliederzahlen, die den Zweigverein zu einem der größten in Niederbayern machten. Verschiedenen Schulen wurden Zuschüsse zum Ankauf von Filzschuhen für Kinder gewährt und Lesebücher an alle Schulen verteilt. Der große Wunsch der Kötztinger ist es aber, ebenso wie bereits in Lam geschehen, eine Landkrankenstation zu errichten und mit einer Pflegekraft zu versehen. Als ersten Schritt wurde zum 1. Mai hin die Errichtung einer Rot Kreuz Schwesternstation in Kötzting beschlossen. Um die Kosten aufzubringen, wurde ein Festabend mit Verlosung festgesetzt. Die bisherigen Zuschüsse an Blindenanstalt, Lungensanatorium, Sanitätskolonne Kötzting und die Ortsbibliothek wurden beibehalten. Frau Bürgermeister Liebl regte darüber hinaus noch an, eine Sammelstelle für abgelegte Kleidung zur Abgabe an Arme zu errichten, und erklärte sich auch bereit, solch eine Stelle zu übernehmen.

Im März wird es nun ernst, der Zweigverein vom Roten Kreuz schreibt eine Stelle als Landkrankenpflegerin aus und legt den Gebührensatz fest und pünktlich zum 1. Mai öffnet die Kötztinger Schwesternstation.






  Der Fasching im Jahre 1910

 












 Mutmaßlich war es eine Stammtischidee, mutmaßlich beim Gumbirl, also bei der Witwe Wagner (heutzutage Schlosserei Heigl in der Marktstraße), jedenfalls planten die "Brüder" für den 8. Februar einen Faschingsumzug in Kötzting und so lud das "provisorische Komitee" alle Interessierten am 16.1. zum Wagner ein, um Details zu besprechen.
Ganzseitige Anzeige im Kötztinger Anzeiger als Programmvorschau für den
Faschingsumzug.



 Zwei Tage vor dem Umzug dann noch einmal ein Treffen, um letzte Details zu besprechen, und dann konnte es los gehen.
 Die Zeitung stand hinter dem Vorhaben und bewarb den Umzug nach Kräften:














Der Höhepunkt des Abends sollte dann der Hofball im Saal des Gasthofes Wagner werden:




















Der Zeitungsbericht spricht von  vollen Straßen mit Zuschauern und spart auch nicht mit Anerkennung für die Leistung, in solch kurzer Zeit so einen Festzug organisiert zu haben.


Vom letzten Programmpunkt, dem Schäfflertanz auf dem Marktplatz, haben wir sogar eine Aufnahme beim Arbeitskreis Heimatforschung


Verschwörungs- und Weltuntergangstheorien



gab es auch in früheren Jahren schon, 1910 am 19. Mai durchquerte die Erde den Schweif des Kometen Halley, schon Wochen vorher konnte das Himmelsschauspiel „über der Platte“ bewundert werden. Im Mai wurde es dann Ernst, die Erde sollte auf ihrer Bahn den Schweif des Kometen durchschneiden und es stand das Schlimmste zu befürchten:





 Alles noch einmal gutgegangen.....











 Justizreform für das Hotel Bogner

Hinter Schloss und Riegel im Hotel Bogner
Es war vermutlich der Name eines Wachmanns im Kötztinger Amtsgefängnis, der für den umgangssprachlichen Namen dieses Etablissements herhalten musste: Hotel Bogner
















 Jeder Häftling durfte nun  - aus der eigenen Tasche bezahlt natürlich - sich pro Tag 1/2 Liter Bier oder 1/4 Liter Wein bringen lassen. Da das Kötztinger Amtsgericht direkt benachbart dem Biergarten beim Schmidtbräu gelegen war, dürfte die Bedienung kein Problem gewesen sein und es den Insassen auch nicht mehr ganz so schwer gefallen sein. neben einem Biergarten eingesperrt gewesen zu sein.


Sozialversicherung

Während die Einführung und Weiterentwicklung der Sozialversicherung in Deutschland und Bayern, rückblickend, als große Errungenschaft gefeiert wird, sehen es die Bauern der Kötztinger Umgebung anders. Als 1910 im Parlament eine Arbeitslosenversicherung diskutiert wird und den Kommunen eine Anschubfinanzierung aus allgemeinen Steuermitteln angeboten werden soll, platzt dem Kötztinger Redakteur der Kragen: „wir Bauern auf dem Land möchten uns tot plagen und wissen keine Dienstboten zu bekommen, die Leute laufen haufenweise der Staat zu, und wenn sie dort keine Arbeit mehr finden, dann wären wir doch wieder gut genug; wir dürfen dann mitzahlen, um die Arbeitslosen zu ernähren. Wir auf dem Land haben ohnehin eine Art Arbeitslosenversicherung. Ich meine die vielen Vagabunden und Landstreicher, die den Sommer hindurch in der Stadt auf die dummen Bauern schimpfen, im Winter dagegen auf das Land herauskommen, Dorf für Dorf abklopfen und sich vom so dummen Landvolk abfüttern lassen.“


Kötzting wächst und wächst


Auch wenn die Zahl der Verstorbenen im abgelaufenen Jahr eine erschreckend hohe Kindersterblichkeit aufwies, so wuchs die Bevölkerungszahl Kötztings trotzdem unaufhaltsam in den Jahren seit Ende des 19. Jahrhunderts. 1909 waren 35 Kinder unter 1 Jahr und 13 Kinder über einem Jahr gestorben, zu diesen 48 Kindern kamen dann noch 44 Erwachsene, im ganzen also 92 Todesfälle, die aber 163 Taufen gegenüberstanden. Zusammen mit den Exposituren Hohenwarth und Steinbühl errechnete sich sogar ein Geburtenüberschuss von 119 Menschen alleine im Jahre 1909, ohne die Zahl der neu hinzugezogenen. Der Redakteur schwelgt in Zuversicht über die Robustheit des „Waldlers“: Wo „findet sich im ganzen Bayernvolke noch ein gesünderer Menschenschlag, als wir Waldler sind?“. Im März berichtet der begeisterte Redakteur: "Im nahen Reitenstein sind in drei Häusern, die kaum 30 Meter von einander entfernt sind 17, lebende gesunde Knaben, wovon der älteste noch kaum 17 Jahre zählt. Lieb Vaterland magst ruhig sein“

Gleichzeitig aber beschreibt der Redakteur, dass diese Menschen, die hinter der reinen Zahl des Bevölkerungszuwachses stehen, in der Heimat keine Arbeit und kein Auskommen finden werden. „Der Bevölkerungsüberschuss muss hinaus in die weite Welt, muss in der Fremde sein Glück versuchen. Eine wahre Völkerwanderung ist es die seit Jahrzehnten vom bayerischen Wald aus nach allen Himmelsrichtungen sich hinbewegt.“

Anfang Dezember wird das Ergebnis einer Volkszählung bekannt gegeben. In einer Reihe mit den statistischen Erhebungen der vergangenen 35 Jahre ist ein deutlicher Einwohnerzuwachs Kötztings zu verzeichnen

1875 1613 Einwohner
1880 1642
1885 1664
1890 1694
1900 1791
1905 1881
1910 2090

Die stärkste Zunahme hat Kötzting demach in den Jahren von 1905 bis 1910 zu verzeichnen.
Die vielen Kinder machen aber auch größere Schulen und mehr Klassen und Lehrer notwendig - hier eine Verweserstelle für Knaben und eine Hilfslehrerinnenstelle für die Mädchen.

Interessant ist der Zusatz am Ende: Alte Leute erinnern sich noch, daß zu ihrer Zeit drei Schulen (=Klassen) genügten (wo nun Gasthof Lemberger steht) und nun bekommen wir zehn Schulen(=Klassen)





Was ist hier der Hintergrund: bis Juni 1867 - also zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels gar nicht mal so lange zurückliegend, lag in Kötzting an der Ecke Marktstraße/Gehringstraße das Kötztinger Spital (also nicht auf dem Spitalplatz, dieses entstand erst nach dem Marktbrand), welches dem verheerenden Brand mit zum Opfer gefallen war und welches damals auch als Schule benutzt worden war.


Aber auch in den Bauvorhaben sieht man, dass es in Kötzting - sicherlich ausgelöst durch die Möglichkeiten, die der Eisenbahnanschluss zuerst nach Cham und Jahre später auch nach Straubing bot - vorwärts gehen sollte:
Der Bäckermeister Irlbeck verlegte seine Bäckerei vom Marktplatz - wo die Konkurrenz mit 5 anderen Bäckereien eh riesig war -  hinunter in die Bahnhofstraße.



das Bäckereigebäude des Bäckermeisters Irlbeck in der Bahnhofstraße musste Anfang der 70er Jahre dem
ersten Neubau der Kreissparkasse weichen.



Der Krämer Fleischmann ging den umgekehrten Weg, kaufte das Rabl Jakob Anwesen (nun ein italienisches Straßencafé neben der St. Veitskirche).




Nach dem letzten großen Marktbrand 1899, als das ganze Häusergeviert (ehemalige Bäckerei Pongratz bis hinauf zum Fleischmann und nach
hinten bis in die jetzige Brandstraße) abgebrannt waren, hatte der Metzger Jakob Räbl sein Haus neu erbaut und dabei auch gleich um ein Stockwerk erhöht. Für uns ist es eher interessant, dass er in seiner Baugenehmigung auch den Zustand "alt", also mit dem gemauerten Erdgeschoss und dem hölzernen Kniestock, mit eingezeichnet hat.


das wird der Neubau

   

Ganze 23 Bauanträge wurde im Jahre 1910 gestellt und die meisten davon auch ausgeführt.

 

Große Katastrophenschutzübung 1910



Es wurde angenommen, es hätte es in der Gschaider´schen Fabrik eine Explosion gegeben.

Unter den strengen Augen des Kreisvorsitzenden Hubrich aus Landshut rückte die 44 Mann starke Sanitätskolonne unter ihrem Führer Konrad Krämer und des Kolonnenarztes Dr. Weber zum Übungsplatz ab. Die Verwundeten, die von der freiwilligen Feuerwehr markiert worden waren, wurden verbunden und auf die bereitgestellten Eisenbahnwagen verladen. Es war „ ein hübsches Bild, wie die Damen vom Roten Kreuz labend die Verwundeten besuchten und mancher wird mit im Stillen sich gedacht haben, dass dem Ernstfalle viel Schreckliches genommen wenn im Frieden schon vorgearbeitet wird."

Die Verwundeten wurden mit dem fahrplanmäßigen Zug zum Bahnhof gebracht, dort in die bereitstehenden, improvisierten Fahrzeuge aller Art in schonendster Weise ausparkiert und in den durch Matratzen und Decken, Verbandskästen etc. zu einem Lazarett umgewandelten Schulsaale transportiert.“ Gerade „dieser Teil der Übung wurde vom Inspizienten wegen seiner Eigenartigkeit in gebührender Weise gewürdigt. Das Lob und die Anerkennung für die junge Sanitärskolonnne war uneingeschränkt „Sehr gut




Feuerwehren – Brände und Fahnenweihen



Am 29. Mai 1910 hatte die freiwillige Feuerwehr Gehstorf Fahnenweihe mit Festgottesdienst. Gegen 10 Uhr war Aufstellung zum Kirchenzug und mit einer Reihe von Brudervereinen, die den Gehstorfern die Ehre gaben, betrat man die Pfarrkirche in Kötzting. Kooperator Riederer, der die Messe und die Festpredigt hielt, nahm auch die Weihe der neuen Fahne vor, wobei Frau Kreszenz Röhrl aus Gradis die Stelle der Fahnenmutter vertrat. Nachmittags hielten die Vereine dann einen Festzug durch den Markt und nahmen Einkehr im Gasthaus Dimpfl. "Die Fahnenweihe hielt sich, was lobend erwähnt werden muss, in bescheidenen Grenzen, verlief dafür aber umso gemütlicher."

Nur fünf Tage später, am 4. Juni nachmittags um ¾ 3 Uhr „ wurden Feuersignale und vom Marktturm die Brandglocke gehört: in der Marktmühle brennt es! Ein zweifacher Blitzstrahl ohne Donner hatte eingeschlagen und gezündet und bis man´s meinte stand das ganze Stallgebäude in Flammen. Schrecken auf allen Gesichtern; denn schon loderte der Brand empor und es schien unmöglich das verzehrende Element einzudämmen. Doch was unmöglich schien wurde gemeistert, der Brand konnte lokalisiert werden und ein weiteres umsichgreifen verhindert werden; aber man denke: Schindeldächer auf Stall und Wohngebäude und Nachbarhäuser, vielfach alte hölzerne Häuser in der Nachbarschaft; dazu das Sägewerk; nur ein Haus mit Ziegeldach, (Schuhmachermeister Schödlbauer) steht nebenan und gerade dahin trieb der Wind die Flammen. Heute hat sich unsere Hochdruckwasserleitung bewährt, ja man kann sagen nur sie hat uns vor größerem Unheil bewahrt, denn aus 8 Hydranten prasselten alsbald die Wasserstrahlen und siegten über des Feuers Wut.

Da alles Vieh gerettet werden konnte beläuft sicher der Schaden für die Marktmühle auf ca. 5-6000 Mark, der Schaden bei Schödlbauer ist von geringerer Bedeutung"
Aquarell von Mathias Heilmeier von der Müllerstraße ungefähr aus dem Jahre 1900. Das grünliche Haus links ist das alte Schödlbauerhaus. Im Zeitungsbericht ist von den schindelbedeckten Nachbarhäusern die Rede. Mein Onkel, Herr Josef Schödlbauer sen. hat mir noch erzählt, dass man noch lange die angebrannten Dachsparren am Haus erkennen konnte. Das jetzige Schuhhaus Schödlbauer gehörte damals noch einem Schreiner,  Immerl mit Namen. Ganz links die ersten Gebäudeteile der Marktmühle.


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Und noch eine Fahnenweihe, am 25. Juni vor 110 Jahren hielt die Freiwillige Feuerwehr Liebenstein in Ramsried ihre feierliche Fahnenweihe. H.H. Administrator Georg Neppl von Waldsassen, übernahm als geborener Liebensteiner die Abhaltung der kirchlichen Festlichkeit. 28 Vereine waren gekommen allerdings wurden die Vereine des Marktes schmerzlich vermisst, die Feuerwehr Haus war der Patenverein und der Ramsrieder Lehrer Maierhofer hielt die Festrede. Trotz des einsetzenden Regens lauschte die zahlreich versammelte Volksmenge den schönen Gedichten, vorgetragen durch die Fräuleins Amberger, Nemmer, Hofmann und Schmatz. Das an SE. Kgl. Hoheit dem Prinzregenten abgesandte Telegramm fand in seiner Beantwortung freudigsten Beifall.



Pfingsten 1910

Absage des Regierungsrates Herrn von Schacky
Schon im Vorfeld wurden von Seiten des Magistrats  - so wie heutzutage auch - Einladungen an Ehrengäste ausgesprochen. Der frühere Bezirksamtmann von Schacky schickte eine handschriftliche Entschuldigung, in der er bedauerte, nicht in seine Waldheimat fahren zu können.









Anders mit einem früheren Kötztinger Kooperator und nunmehrigen Expositus von Warzenried, Herrn Späth. Zwischen ihm und manchen "alten" Pfingstreitern wie der Lindner Karl, Zitzelsberger Franz und vor allem dem Maurermeister Kirschbauer hatte sich ein sehr herzliches Verhältnis der "alten Ritter" herausgebildet.






























und so schrieb er an den
"Sehr geehrten Herrn Bürgermeister! Wertgeschätzter Freund.

Betreff Pfingstritt bitte ich Sie an mich ca 70-80 Plakate (oder gleich 100 Stück) zu senden, damit ich in dieser Gegend, die ja einen reichlichen und schönen Pferdeschlag aufzuweisen hat, ordentlich Propaganda machen kann; meine Absicht ist es, auch hier das Interesse für den schönen Pfingstritt zu wecken. Es gibt hier viele Pferdebesitzer, Bauern, die den Pfingstritt noch"


gar nicht gesehen haben, ja keine Ahnung davon haben. Bis jetzt kann ich auf 25 Pferde ganz sicher rechnen, doch hoffe ich mit Neukirchen und Eschlkam nocheinmal soviele zu bekommen. Schicken sie mir die Plakate so bald als möglich, daß ich sie hier an die einzelnen Pferdebesitzer hinaussenden kann..
An einem der nächsten Sonntag will ich in W(arzenried) eine Versammlung halten wo alles besprochen wird. (Aufbruch, Einstellen, etc) Ein teil der Pfingstreiter wird schon am pfingstsonntag eintreffen und werden wir für alle Fälle den Stall des Mühlbauer (OSl) für uns requirieren. Ich bitte Sie auch mir demnächst ein paar Exemplare von Mehlers "Kötztings Pfingstritt" zu senden.
Nach unserer Versammlung werde ich Ihnen genaue Mitteilung machen über Zahl der Teilnehmer, Zeit des Eintreffens etc. 
Einstweilen Herzlicher Gruß Ihr ergebenster Späth Exp(ositus)
An ihre werte Familie die beste Empfehlung, bes. an den kleinen Alfred, ebenso an die Tante und Base

Nun aber der Bericht vom Kötztinger Kooperator Riederer über den Pfingstritt 1910:


Peter Riederer von 1909-1913
Kooperator in Kötzting
+ 1917 als Expositus in Zenching

Was ich kürzlich in der Schule für einen Spaß erlebte“, fing Kooperator Riederer, der seit diesem Jahr sehr aktiv als Redakteur beim Kötztinger Anzeigers mitarbeitete, seinen Pfingstbeitrag an. “Frage ich da einen zehnjährigen Buben um den höchsten Festtag des Jahres; das „Weihnachtsfest“ sollte er sagen; allein der schlaue Knirps gibt mir zur Antwort: „Der Pfingstritt.“


240 Pferde wurden beim Ausritt gezählt; wohl an die 300 mögen es beim Einritt gewesen sein, eine Zahl, die bis jetzt unerhört gewesen war, das haben unsere lieben Nachbarn hinter dem Hohenbogen gemacht, die Neukirchener und die Warzenrieder, die denn auch im Zuge einen Ehrenplatz erhielten und unmittelbar hinter der Marktfahne ritten – vierzig an der Zahl, an ihrer Spitze ihr H.H. Expositus Späth, der heute noch mit allen Fasern seines Herzens an Kötzting hängt.
Ein Wunder möchte man es nennen, dass der Pfingstritt bei dieser Anzahl von Pferden und so vielen ungeübten Reitern dennoch Jahr für Jahr ohne Unfall verläuft und so kehren auch heuer wieder alle wohlbehalten zurück und ritten von Böller und vom Geläute aller Glocken begrüßt durch die festlich geschmückten Straßen. Auf der Festwiese wurde Aufstellung genommen zum Festakt. In der Mitte die Geistlichen, um sie herum die Behörden und die Vereine mit Fahnen, weiter die Zuschauer Kopf an Kopf gedrängt, endlich im Umkreise die Pfingstreiter.“ Nach der Festpredigt überreichte der H.H.Kooperator Adolf Schmidt das Tugendkränzchen an den Sohn des Buchdruckereibesitzers, Herrn Vitus Oexler, dessen Schwester im Vorjahr Pfingstbraut gewesen war. Für seine dreißigjährige Ritteilnahme erhielt der Müllerssohn Franz Zitzelsberger aus Grub eine Auszeichnung.

Abends gegen Sechs erscholl wiederum Musik durch die Straßen; der Burschenzug marschierte dem Gasthaus Irlbeck zu, voran der beglückte Kränzchenträger, als Pfingstbräutigem, etwas später folgte die erwählte Pfingstbraut, Frl. Theres Irlbeck. Und nun ging’s zum zweiten Abschnitt des Pfingstmontags; zur fröhlichen Pfingsthochzeit; zuerst kräftig gegessen und getrunken aufs Wohl des Pfingstbrautpaares und dann das Tanzbein geschwungen bis – früh morgens, wenn die Hähne krähen.

Nun die frohen Pfingsttage wieder vorüber sind für dieses Jahr, denken wir hochbefriedigt zurück und stimmen mit Begeisterung dem kecken Buben von Grafenwiesen bei:“ Der schönste Festtag des Jahres ist doch der Pfingstmontag mit seinem Pfingstritt.“



Kooperator Riederer  - ein Glücksfall für Kötzting

Er selbst beschreibt sich und sein Leben in der Chronik der Pfarrei Zenching: Ich bin  "zu Stockhof, Pfarrei Pettenreuth Bezirksamt Stadtamhof, am 28. Juni 1879 geboren als der Sohn eines wenig begüterten, jedoch strebsamen, 1897 verstobenen Schuhmachers und meiner noch lebenden Mutter, einer geb. Geisler von Pfaffenfang, Pfarrei Altenthan, machte ich 1890-1904 meine Studien zu Regensburg. In der 1. Klasse als Stadtschüler am Neuen dann als Zögling von Obermünster am Alten Gymnasium, endlich als Alumenus des Priesterseminars am Lyzeum. Priesterweihe 15. Mai, Primiz 31-05-1904 in Schönthal. Januar 1907 in Eschlkam, Juli 1907 in Blaibach, 1909 in Kötzting bis 1913. Von Februar bis April weilte ich als Pfarrprovisor in Wettzell, hierauf ein Vierteljahr in gleicher Eigenschaft zu Dalking, bis ich 16. Juli 1913 in Erfüllung eines längst gehegten Herzenswunsches die geliebte Expositur Zenching antreten durfte. Gott sei Dank! Ich habe mein Glück gefunden und fühle mich wie geschaffen für die patriarchalischen Verhältnisse dieses Dörfleins. Trotz meines Leidens bin ich zufrieden, bereits bin ich länger hier als Jeder meiner Vorgänger (abgesehen von Salbeck) und denke noch lange an kein Fortkommen, unterm Krieg schon gleich gar nicht."

Das Leiden, das er hier kurz ansprach, war eine Lungentuberkulose, an der er sich, lt eigener Aussage, wohl bereits in Kötzting angesteckt hatte, die er aber zu lange ignoriert hatte, so lange, dass die Krankheit mit den damaligen Mitteln nicht mehr heilbar gewesen war. Er starb an der TBC dann im Jahre 1917. Kooperator Riederer machte etwas, was auch wir in unserem Arbeitskreis Heimatforschung heutzutage machen, er befragte seine älteren Mitbürger und so haben wir von ihm einige Beschreibungen und kleine Geschichten, über Ereignisse, die damals bereits 100 Jahre zurücklagen und für uns heute damit einen zeitlichen Bogen von mehr als 200 Jahren schlagen.
Die kleine Erwähnung der zwei Schulklassen im früheren Bürgerspital - weiter oben - ist solch ein Ergebnis seiner Befragungen.
Hier noch ein paar kleine Informationen, die Peter Riederer gesammelt hat: er berichtet über einen - den - letzten Überlebenden der Klosterbrüder aus dem säkularisierten Priorat Kötztings.





















Das Dimpflhaus, die letzte Wohnung von Pater Nigl, liegt in der Metzstraße, ganz hinten links, das Eckhaus gegenüber dem alten Feuerwehrhaus, im Erdgeschoss war es ein bekanntes Wirtshaus.



Aus heutiger Sicht sind seine Augenzeugenberichte ein Sprung zurück in die Vergangenheit bis hin, ja sogar manchmal hinter, die Zeit Napoleons zurück.
In seinem Beitrag über die Hofmark Haus, als er sich erzählen lässt, in welchen heutigen Häusern und Hofstellen sich die alten Strukturen des "Schlosses der Hofmark Haus"  erkennen lassen , weiß der Erzähler, der Blindengirgl aus Haus, zu berichten, dass der Erstkäufer des „Burggebäudes“ im Jahre 1790 sein Geld noch beim „alten Luckner“ verdient hatte.
Ich möchte hier nicht alle Artikel Riederers in den folgenden 3 Jahren berichten, weil er die größte Anzahl seiner Artikel, wie ein Feuerwerk, ab Pfingsten 1911 veröffentlichte, als alles Augenmerk dem großen Rittjubiläum galt, - in Kötzting ist ja "Nach Pfingsten" immer auch "Vor Pfingsten" -
1910, als er mit dem Schreiben für den Kötztinger Anzeiger beginnt,  sind es Artikel über die Einwohnerentwicklung der Dörfer im Umkreis von Kötzting anhand seiner eigenen statistischen Methode: der Beichtzettelsammlung, damals wohl genügend aussagekräftig. Es folgen Berichte über Bartholomaeus von Görring auf Reitenstein, Schönbuchen, zwei bekannte Kötztinger Bürgerssöhne: Benedikt Stattler und Johann Denk. Er beschrieb unsere Pfarrkirche und die beiden seeligen Utto und Gamelbert, die Kirchen St. Wolfgang in Haibühl  und  in Steinbühl
In den Folgejahren werde ich die anderen Artikel Riederers vorstellen, da vor allem in Ihnen viele zeitgeschichtliche Details festgehalten wurden, die wir heutzutage niemals wieder erfahren könnten, hätte es seine "Feldforschung" nicht gegeben. 


das Waldfest auf dem Ludwigsberg


Der Kötztinger Waldverein lud - unterzeichnet vom Bezirksamtmann von Fuchs - am letzten Juliwochenende zu einem Waldfest auf dem Ludwigsberg ein......und Alle, Alle kamen.


Auch wenn das Bild - aus dem privaten Fotoalbum von Frau Vogl, geb. Mieleitner, nicht datiert ist, kann man sich aber
ein Waldfest auf dem Ludwigsberg gut vorstellen.



Kötzting bekommt eine elektrische Straßenbeleuchtung



Es brechen moderne Zeiten an und die Petroleumlaternen werden überflüssig:

In einer gemeinsamen Sitzung von Magistrat und Gemeindekollegium wurde in der Sitzung vom 21.September einstimmig die Einführung der elektrischen Straßenbeleuchtung beschlossen. Es werden 40 Glühlampen angeschafft, die Energie kommt vom heimischen Elektrizitätswerk Staudinger. Die Hälfte der Lampen wird nur bis 12 Uhr nachts brennen, die andere Hälfte die ganze Nacht hindurch. Auch das Rathaus wird mit elektrischem Licht versehen und es wird die Hoffnung ausgesprochen, dass auch die anderen Staatsgebäude folgen werden.
Die zukünftigen Straßenlampen in Kötzting, unterteilt in Lampen, die bis Mitternacht brannten, und solche, die die ganze Nacht hindurch zu leuchten hatten

Der Wunsch des Kötztinger Magistrats wurde wahr, auch die anderen Behördengebäude ließen sich an das Stromnetz anschließen, hier das Amtsgerichtsgebäude.

































Die Liliputaner kommen


Heutzutage, als politisch unkorrekt eigentlich unvorstellbar, wurden vor 100 Jahren auf Jahrmärkten und bei Sonderschauen Menschen regelrecht als Ausstellungsobjekte vorgeführt.

Zum 7. November waren in Kötzting die Liliputaner angekündigt und beide Vorstellungen waren restlos ausverkauft. Die Kritik war einhellig: das Zusammenspiel des Ensemble war ein vollkommenes und erntete dasselbe ungeteilten Beifall.

Zwei Zusatzvorstellungen mussten her und es folgte die Aufforderung: darum versäume Niemand diese Gelegenheit, denn so was Gediegenes sah man in Kötzting noch nicht und wird auch nicht sogleich wieder geboten werden.










Kötztinger Ehrenbürger, der Oberlehrer Karl Holzapfel, verstorben





Am 8. Dezember verstarb in Landshut an Folge eines Schlaganfalles der Kötztinger Ehrenbürger Oberlehrer a.D. Herr Karl Holzapfel. 29 Jahre lang hatte er in Kötzting gewirkt und sich von allen Seiten Hochachtung und Zuneigung erworben. Nicht nur als Lehrer für seine Schüler, sondern er leitetete lange Jahre als Bezirkshauptlehrer den Fortbildungsbezirk Kötzting. Herausgehoben wurde auch seine außerordentliche Wirksamkeit in den Vereinen, im Verschönerungsverein, Waldverein, Lichtenegger Bund, besonders im Männergesangsverein als unermüdlicher Dirigent. „Ausgezeichnete Wegemarkierungen und Hebung des Fremdenverkehrs waren sein Werk. Sein Bild wäre unvollständig, wollten wir nicht seine musikalischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die er in seiner langjährigen Eigenschaft als Chorregent, Dirigent, auch als Komponist betätigte, Erwähnung tun.

Im Oktober 1904 verließ der Dahingeschiedene mit seiner Familie die Stätte seines lieb gewonnene Wirkungskreises, sein schönes, so herzlich geliebtes Kötzting, das er nicht vergessen konnte, um in Landshut bei den Verwandten die ihm noch gegönnten und wohlverdienten Tage der Ruhe zu verleben.

An Herrn Oberlehrer Holzapfel hat sich das Sprichwort in reichstem Maße erfüllt:
“Wer Liebe sät, wird Liebe ernten.“


Einzelstücke

Zum Abschluss nun wieder einige einzelne Fundstücke:

Eine Anzeige für einen Gottesdienst des "Vereins der Protestanten in Kötzting und Umgebung e.V.": die evangelische Gemeinde in Kötzting war damals noch sehr dünn gesäht, so dass ein "Wanderpriester" für die seelsorgerische Versorgung zuständig war. Der "Betsaal" lag in der unteren Bahnhofstraße, zwischen Winterschneider und Kollmaier - die Geschichte der evangelischen Gemeinde und die Lage dieses "Betsaales" wären es auch wert, in die Liste der Schilderaktionen aufgenommen zu werden.




 





Der Armenseelenweckenbettel - dazu gibt es ein sehr ausführliches Kapitel in Linkes "Ein Jahr rollt übers Gebirg"
war von amtlicher Seite verboten. Die milden Spenden sollten besser an die vorgesehenen Stelle - Armenpflegschaftsrat - gegeben werden, welche dann die Weiterleitung  an die "richtigen" Stellen gewährleistete.


 Man braucht manchmal halt nur den richtigen Grund für eine zünftige Feier:
"Wer suchet, der findet", der Prinzregent hat Geburtstag.....


 Der im Vorjahr gegründete Radfahrverein lädt ein zur Clubfahrt
Vor 110 Jahren wurde - bei der 100-Jahrfeier waren wir von Seiten der Pfadfinder Sinzing beim Abstieg von einer Arberwanderung mit dabei - wurde auf dem Schneiderberg bei Sommerau eine Hofkapelle der Familie Seidl eingeweiht.
Vor wenigen Jahren anlässlich einer weiteren Wanderung von Sommerau, malerisch am Fluss entlang und nicht auf der Straße, wo das "Bähnle" nervt, zum kleinen Arbersee und zurück über den Wasserfall und Schneiderberg, hatten wir mit dem so früh verstorbenen Johannes Seidl aus Schneiderberg einen sehr unterhaltsamen und kompetenten Führer über alles was, mit den historischen Glashüttenstandorten, der Energiegewinnung und dem Waldbauerntum zusammenhing.
Natürlich durften wir dann auch in die Kapelle hinein - und auch unter die Kapelle, wo er uns die Stelle zeigte, wo nach dem 2. Weltkrieg die Selche für das schwarzgeschlachtete Schweinefleisch war -  wo ich vom letzten Besuch her wusste, dass an prominenter Stelle, sofort neben dem Eingang, eine sehr plastische Darstellung der Hölle prangte.

Auf meine Frage hin, ob es auch das Gegenstück dazu, den Himmel, gäbe,  bekam ich zur Antwort: "Ja, aber das ist durch die Kirchentür versteckt"

der Himmel hinter der Tür
In hellblauen Pastelltönen wurde ein ziemlich langweilige Situation dargestellt, ich denke, dass die Kinder vor 100 Jahren viel lieber die Hölle sich angesehen haben, vermute ich mal..... 
 Die Reaktion auf das "Himmelbild" erinnert mich eher an die Szene im "Ein Münchner im Himmel", wo Aloisius, auf einer Wolke sitzend, "Halleluja" singen sollte, was ihm reichlich langweilig erschien und das auch noch in Alle Ewigkeit.....


Das Innere der Kapelle, malerisch gelegen im Bereich des früheren (50er und 60er Jahre) Spitzenhotels auf dem Schneiderberg inkl. eines Swimmingpools(!), auch die frühere Abfahrt vom Arber - inkl. der Kötztinger Stadtmeisterschaften im Skifahren wurden früher auf diesem Hang abgehalten, bevor es die Abfahrten und den Lift auf dem Großen Arber gab.

 Maximilian Schmidt, gen. Waldschmidt, veröffentlichte seinen letzten Roman: "Heriberts Waldfahrt". ein Buch, welches ich lange Jahre vergeblich versucht habe, antiquarisch zu bekommen. 2017 war es dann soweit, ein Exemplar war auf dem Markt und Bingo, ich war schnell genug.
Hier dann die Zusammenfassung dieses Buches, welches fast durchgängig in unserer näheren und weiteren Umgebung spielt.
 



Wer mir bis hierher lesend gefolgt ist.....Respekt,