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Freitag, 22. Dezember 2017

Kötzting vor 110 Jahren

  die Jahreschronik von 1908

 

Kötztinger Anzeiger Titel vom 1.1.1908
(Bayerische Staatsbibliothek München, 4Eph.pol.3cel 1900 ff im folgenden KA genannt)



Im Wesentlichen folge ich dem jeweiligen Jahresablauf anhand der Veröffentlichung des Kötztinger Anzeigers, der fast vollständig in der Bayerischen Staatsbibliothek in München vorhanden ist. Ergänzend hinzu kommen dann noch Archivalien aus dem Stadtarchiv, die einen besonderen Schwerpunkt im jeweiligen Jahr haben, ergänzt durch manche amtliche Veröffentlichungen in den Bezirksamtsblättern. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch auf die gute und schnelle Zusammenarbeit mit dem Bilderteam unseres Arbeitskreises verweisen. Frau Kretschmer und Frau Rabl-Dachs stehen mir immer mit ihrer Bildauswahl zur Seite.
Eine zweite schriftliche Quelle ist das sogenannte Bezirksamtsblatt, eine in Jahrgängen gebundene Reihe an amtlichen Verlautbarungen, Veröffentlichungen und Ankündigungen, im Stadtarchiv durchgängig vorhanden seit 1865. 
Stadtarchiv Bad Kötzting Titelblatt des Bezirksamtsblattes, ein Pflichtbelegexemplar einer jeden Gemeinde im Bezirksamt/Landkreis Kötzting
Eine dritte Quelle, autobiographisch und daher manchmal vielleicht nur mit Vorsicht zu genießen, ist eine "Sammlung von Kötztinger Klein- und Kurzgeschichten" aus der Feder von Conrad Krämer dA.  manches darin ist für die heutige Zeit vollkommen "politisch unkorrekt" manches lustig, manches skurril aber manches durchaus interessant. Wo es also passt, werde ich kleine Passagen aus dieser ungebundenen Manuskriptsammlung miteinfügen
Deckblatt des ungebundenen Manuskripts des Ostmarkonkels

Dienstag, 12. Dezember 2017

Schwerter zu Pflugscharen

oder..... Panzerkanonenrohre zu Kirchenglocken


Was haben die 11. Panzerdivision der Deutschen Wehrmacht und die vielen während des Krieges vernichteten bzw. eingeschmolzenen Kirchenglocken miteinander zu tun.

In Abwandlung des Teilzitates aus der Bibel, die die heutige Überschrift bildet, kann man einen Vorschlag des damaligen Kötztinger Pfarrers Dietl vom Mai 1945 sehen.
Und weil das ganze Bild, welches dabei entsteht, so friedlich ist, und ich die Idee einfach klasse finde, hier eben noch schnell ein nachgeschobener Weihnachtsblog.

Vorgeschichte: aufgrund der Materialknappheit des Deutschen Reiches während des Krieges wurde vor Allem der Augenmerk auf Buntmetalle gelegt und dazu gehörten auch die verschiedensten Kirchenglocken. Das Regime ließ sich auch nicht auf große Verhandlungen ein, alle Glocken musste abgenommen werden und nur in wenigen Ausnahmefällen - von kunsthistorischen bzw. von besonderem historischen Wert der Glocke - abgesehen, wurden die Glocken zu Sammelstellen verbracht, dort noch einmal fotografiert und dann eben für die Zwecke der Rüstung eingeschmolzen.


Der Kötztinger Hauptlehrer Josef Bock lichtete einige der Glocken ab - der Bestand dieser Bilder ging dann in der Landkreisfilmbildstelle auf - aber das war es auch dann schon.
Kötztinger Zeitung Mai 1955





Schlussfolgerung: Bereits 9 Tage nach dem Kriegsende - die 11. PD hatte bereits kapituliert und die Panzer und Kampfwägen waren in all den Wiesen rund um Kötzting, vor allem in dem Bereich unterhalb der jetzigen REHA Kliniken verteilt und abgestellt - stellte der Kötztinger Pfarrer Dietl den Antrag aus den Geschützrohren der Panzer wiederum die entwendeten Kirchenglocken gießen zu lassen..



Bilder aus der Kötztinger Zeitung









Pfarrer Dietl, auf dem Bild schon ehemaliger Stadtpfarrer Kötztings, zusammen mit den Kötztinger Pfadfindern, die er mit Pater Augustin Böttcher gegründet und nach Kräften gefördert hatte. Die Aufnahme entstand an dem Altersruhesitz Pfarrer Dietls, anlässlich eines Besuches seiner Pfadfinder.


StaLa BZA/LRA Kötzting Rep 164-8 Nr. 1949
"Statt Krieg soll es - das Kriegsmaterial - nun den wahren dauernden Frieden von den Kirchtürmen als Glocken künden." Das ist doch eine weitsichtige Idee.

Der damalige Landrat Weiger zeichnete die Eingabe ab mit: verfrüht!  Ja, 

Es ist nicht bekannt, aber höchst unwahrscheinlich, dass die amerikanische Militärregierung dem Vorschlag gefolgt ist. Bekannt ist mir, dass das Material mithilfe von Schrotthändlern dann im Laufe mehrerer Jahre verarbeitet worden ist. Manches an Fahrzeugen, Lafetten, auch für die Jagd  umgebaute Waffen haben den Weg in die Kötztinger - und Umgebung - Zivilbevölkerung gefunden.  

Am Ende nun nur noch zwei Bilder von Glocken, die vermutlich eingeschmolzen wurden
die müsste aus Eschlkam sein

ein Prachtstück
 So, dann hoffen wir auf eine friedliche Zukunft, und im neuen Jahr geht´s wieder weiter mit dem Jahresrückblick "Kötzting vor 110 Jahren"

Sonntag, 3. Dezember 2017

Kötztinger Christbäume - ein Exportschlager

Die "Bayerische Ostmark", das Presseorgan der NSDAP für den Gau Bayreuth, zu dem auch Cham, Kötzting und Viechtach gehörten, titelte 1935 über das "Heu des Bayerwaldes". In diesem Artikel wird nur die positive Seite des Christbaumverkaufes erwähnt, als Arbeits- und Verdienstmöglichkeit für einen, ansonsten von der Wirtschaftsentwicklung abgehängten, ländlichen Raum. Bis nach Hamburg und Königsberg  wurden die Nadelbäume waggonweise ausgeliefert.

Dieses, fast konstruiert und künstlich wirkende, Bild wiederholt sich dann erneut in den 50er Jahren der Nachkriegszeit, als eine ähnlich schwache Wirtschaftsentwicklung bei uns zumindest einen kleinen Schub um die Weihnachtszeit erhält. In den 50er Jahren allerdings gilt es dabei auch einer "klein"kriminellen Entwicklung zu begegnen, dem Christbaumfrevel, oder aber die Versuchung für manch Einen, dort zu ernten, wo er vorher nicht gesät hatte.

Kötztinger Umschau Dezember 1959
Kötztinger Umschau Dezember 1959

In der Nachkriegszeit lag der Schwerpunkt der Berichterstattung also weniger auf dem Stolz einer der großen "Christbaumlieferanten" der Nation zu sein, sondern bereits auf dem Naturschutzgedanken und der Diebstahlsbekämpfung.
Kleine Geschichte zu diesem Thema am Rande: vor vielen Jahren war ich mit Pfadfindern bei mir im Dezember im Wald um Schmuckreisig zu holen.....kommt uns auf dem Waldweg innerhalb meines Gebietes ein Mann entgegen, der eine Tanne hinter sich her zieht...... er sieht mich und sagt ungefragt: "Den hon I fei net aus deim Holz!"  
Alle die damals mit dabei waren amüsieren sich noch heute, wenn das Gespräch auf lustige Ereignisse bei den Pfadis kommen.

Im Dritten Reich also der Jubel über die "Produktionsschlacht und die Ware für die Volksgenossen, in der Nachkriegszeit eher die Nachhaltigkeit der Entnahme im Fokus der Berichterstattung.
Es war aber schon früher für die Behörden wichtig, die willkürliche bzw. kriminelle Entnahme von jungen Fichten bzw. Tannen zu kontrollieren.

Es gibt einen Akt aus dem Bestand des Bezirksamtes/Landratsamtes Kötzting von 1900, in dem es genau um diese Fragen geht. Der Frevel bei der Entnahme von Christbäumen.
Staatsarchiv Landshut BZA/LRA Kötzting Nr. 3462 Frevel beim Christbaumverkauf. Erwähnt werden, als offizielle Verkäufer und Lieferanten von Christbäumen nach Sachsen: die Gütler Alois Deschermeier, Wolfgang Robl und Michael Fink aus Grafenwiesen, der Gastwirt Andreas Dreger aus Kötzting und und der Bauer Altmann von Auhof.

Seite 2

Unterschrift der informierten Gendarmeriestationen: Hohenwarth - Lam - Neukirchen - Eschlkam und Miltach

Schreiben der Regierung von Niederbayer, Kammer des Inneren an die Bezirksämter
wegen der Waldverwüstungen und Aufforderungen an die Polizeistationen Mengenangaben zu den Christbaumlieferungen zu erstellen..

Meldung der Kötztinger Gendarmeriestation, dass der Bauer Bögl vom Reitenberg eine größere Menge an Holt hat schlagen lassen und die Gipfel zu "Christbäumen verwandte."

Eschlkam meldet 2260 Christbäume aus dem Bereich Aiglhof, Klein und Großaigen, auch diese sollen nach  Sachsen geliefert werden.
 In Eschlkam allerdings kam es zu einem kleinen "Eklat".
 ...Dagegen wurde gelegentlich des Fällens der nach Sachsen verkauften Christbäume Störungen der Sonn- und Festtagsfeier verübt. Es haben nämlich wie sich nachträglich herausstellte drei Händler aus Sachsen welche sich in Klein- und Großaign zum Kaufe der betreffenden Christbäume einfanden, am 8. Dezember Marienfeste und Sonntag 9. Dezember die von ihnen gekauften Christbäume in den Waldungen persönlich abgesägt. Diese Händler namens Albin Ebersbach aus Hohendorf, Otto Rost von Lichtenstein und Karl Meinsold aus Kullnberg werden dem Herrn Amtsanwalt zur Anzeige gebracht. Die betreffenden Waldbesitzer haben sich an dem Absägen der Bäume nicht beteiligt, nur die Waldungen den Händlern angewiesen.
Meldung der Gendarmerie Hohenwarth




Meldung aus Miltach: es gibt nichts zu melden....Fehlanzeige

Gendarmeriestation Neukirchen: der noch Bauer Johann Weber aus Tradthof an den Obsthändler Rost aus Sachsen. Der noch Gütler Karl Denkscherz aus Spindlberg 67 Stück "Gipfel von Schleifholzfahnen" ......

Weit vor der Entstehung von reinen Christbaumplantagen, war es immer ein schmaler Grad zwischen Zuverdienstmöglichkeiten in unserem armen Grenzland und einer nachhaltigen Bewirtschaftung der idR viel zu sehr durch Entnahme belasteten Wälder im Bayerischen Wald.